1926 / 41 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Feb 1926 18:00:01 GMT) scan diff

19 8 Sorron x 13k na 2 an, an, Fan Damen und Herren! Ich möchte noch ganz kurz auf d .

2 nehmen, was ich gestern schon ausgeführt habe. Es handelt J grundsätzliche Entscheidung Das hohe Haus Jahr auf den Standpunkt gestellt, daß sich das

hat sich im vorigen Reich weiter an den Kraftverkehrsgesellschaften beteiligen soll.

. ch Bier 1 in m2 ich hier um eine ganz

Die Rede, die der Reichsjustizminister Dr. Marx in der

weiten Beratung des Etats des Reichsjustizministeriums ge— halten hat, lautet nach dem vorliegenden Stenogramm, wie folgt:

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt, daß die Reden der beiden Herren Vorredner sich von dem Grundgedanken haben leiten lassen, das Ansehen, die Autorität unserer Richter, unserer Rechtsprechung zu fördern und zu heben. Zweifellos haben sie damit recht: eine intakte und allgemein angesehene Rechtsprechung ist eine der festesten Grundlagen jeden Staats⸗ wesens, und je schwächer unser Staatswesen in mancher Beziehung geworden ist, um so wertvoller muß gerade für ein solches Staats⸗ wesen ein Richterstand sein, eine Rechtsprechung, die sich all— gemeinen Ansehens und allgemeiner Achtung erfreut.

Ich glaube aber nicht, daß es dieser Förderung und dieser guten Absicht dient, in einer solchen Weise, wie es der Herr Vor— redner namentlich in seinen letzten Ausführungen beliebt hat, zu verallgemeinern und solche allgemeinen Vorwürfe gegen die Justiz in Dentschland schlechthin zu erheben, die ich hier schon mit größter Entschiedenheit als unbegründet und auch durch ihn nicht be⸗ gründet zurückweisen muß. (Lebhafte Zustimmung bei der Deutschen Volkspartei und in der Mitte. Starker Widerspruch links. Erneute Zustimmung bei der Deutschen Volkspartei. Je mehr ich sür das Ansehen des Richterstandes und der Rechtsprechung ein— trete, um so mehr bedaure ich natürlich, wenn Fälle vorkommen, die nach außen geeignet sind, das Ansehen des Richterstandes und die Unparteilichkeit des Richterstandes in einem falschen Lichte er— scheinen zu lassen.

Aber, meine Verehrten, selbst wenn die Fälle, die hier vor— getragen worden sind, alle begründet wären und sie sind es nicht, wie ich im einzelnen darzulegen und nachzuweisen hoffe —, würde das gegenüber der großen Zahl von Richtersprüchen, die ganz anerkannt von durchaus unparteiischen, gerechten und hoch⸗ stehenden, idealgesinnten Richtern gefällt worden sind, in unserem Vaterlande nicht viel bedeuten; denn es sind nur wenige Aus⸗ nahmefälle, in denen überhaupt nur der Verdacht aufkommen kann (sstarker Widerspruch links; lebhafte Zustimmung bei der Deutschen Volkspartei und in der Mitte), daß von den deutschen Richtern nicht mit der Unparteilichkeit, mit der Gerechtigkeit vor⸗ gegangen wird, wie es von deutschen Richtern verlangt werden muß. Selbstverständlich ist es das Bestreben und muß es das Be— streben der Justizverwaltung sein, alle Schritte zu tun, um die Hebung des Richterstandes herbeizuführen, um eine gerechte Rechts— pflege zu begründen und zu fördern. Aber auf der anderen Seite ist die Justizverwaltung auch verpflichtet, auch vom Richterstand hier im Reichstag alles abzuwehren, was nach Unrecht nach der anderen Seite aussieht. (Sehr wahr! in der Mitte.) Denn darin hat der Herr Vorredner recht, daß hier vor ganz Deutschland die Worte fallen und daß hier allerdings die Augen weiter Volkskreise auf unsere Ausführungen gerichtet sind. Um so mehr, meine ich, müssen wir uns in acht nehmen, hier etwas zu sagen und vor— zubringen, was die Autorität der Staatsbehörden schlechthin und namentlich der Richter zu gefährden in der Lage ist.

Sie können versichert sein um schon einen Satz des Herrn Vorredners gerade aus seinen letzten Ausführungen hervor— zuheben —, die Justizverwaltung ist entschlossen, gegen alle ihr unterstellten Beamten vorzugehen, falls sie sich Pflichtwidrigkeiten und Rechtswidrigkeiten zuschulden kommen lassen, und sie wird nicht Rücksicht auf die Stellung der Beamten nehmen, sondern ohne Rücksicht auf die Stellung das tun, was die einfache Pflicht ihr vorschreibt.

Es ist wieder von dem alten Vorwurf der Klassenjustiz und der Weltfremdheit der Richter hier die Rede gewesen. Ich bedaure es ganz außerordentlich, wenn in einzelnen Fällen, das gebe ich offen zu, immerhin der Verdacht begründet erscheint, daß ein Richter sich nicht ganz von der objektiven Wahrheit, vom objektiven Verhalten bei seiner Rechtsprechung hat leiten lassen. Die Welt— fremdheit der Richter ist allmählich zu einem Schlagwort geworden. Ich muß sagen, in meinem doch auch nicht ganz kurzen Richter⸗ leben habe ich eigentlich kaum den einen oder den anderen Richter gefunden, der weltfremd gewesen ist, weil der Richter schon durch seine ganze Tätigkeit doch mit allen Seiten und Bewegungen des staatlichen und wirtschaftlichen und lebendigen Lebens in Ver—

bindung kommt und gebracht wird, daß er sich mit Dingen be—

schäftigen muß, an die der Jurist vielleicht selten herankommt, die aber doch gerade dem Richter in der Industriegegend durch die ganze Entwicklung unserer Wirtschaft und des bürgerlichen Lebens in großer Fülle vorgetragen werden.

Aber ich möchte doch auch wiederholen ich kann mich ja hier mit den einzelnen Dingen nicht eingehend beschäftigen, wie es nötig wäre, um nicht Ihre Zeit zu sehr in Anspruch zu nehmen —, was ich im Ausschuß schon gesagt habe: möge der Reichstag auch stets seine Maßnahmen bei der Beratung der einzelnen gesetzgeberischen Maßnahmen so einrichten, daß er nicht selbst Wege einschlägt, die dazu führen müssen, daß immer mehr Fragen des sozialen, wirtschaftlichen und modernen Lebens der Rechtsprechung entzogen werden. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei und im Zentrum.) Denn dann allerdings wird der Richter vielfach gar nicht mehr in die Lage kommen, sich mit vielen Dingen gerade unseres in so reicher Entwicklung befindlichen Lebens in Ver⸗ bindung zu halten, wie es, das gebe ich offen zu, durchaus wünschenswert und zu verlangen wäre. (Sehr richtig! in der Mitte.) Sehen wir also das Ziel, die Weltfremdheit der Richter

zu verhindern, auch als Ziel des Reichstags an, und lassen Sie

uns darüber einmal bei Gelegenheit in den nächsten Monaten wieder aussprechen. (Sehr gut! bei der Deutschen Volkspartei und im Zentrum.) = :

Es ist das Institut der Einzelrichter hier getadelt worden, und ich gebe zu, es ist nicht leicht gewesen, gerade auch für die Reichs⸗ regierung, in einem so umfangreichen Maße den Einzelrichter wieder mit großen Machtvollkommenheiten auszustatten. Aber es ist eine Pflicht der Stunde gewesen. Es ist der Zwang der harten Not, die finanzielle Notlage gewesen, die uns damals ich muß

es mit einem Gefühl der Beschämung sagen dazu gebracht hat, diesen Weg einzuschlagen. Ich kann auch demgegenüber sagen, daß es das Bestreben der Justizverwaltung ist, fortgesetzt zu erwägen und zu prüfen, wann wieder die Zeit gekommen ist, hier ein⸗ zugreifen und Vorschläge zu machen, die sich möglichst dem alten Zustand wieder nähern, foweit er sich als bewährt und notwendig herausgestellt hat.

Die Zahl der Richter bei den Senaten der Oberlandesgerichte, die Zahl der Richter bei den Strafkammern mag wieder vermehrt werden, sobald eben die Gelegenheit dazu gekommen und die Mög⸗ lichkeit dafür vorhanden ist. Einstweilen ist unsere Lage leider Gottes noch nicht so, daß wir diesen Weg ohne weiteres einschlagen können. Es sprechen viele Gründe dafür, daß die Rechtsprechung, wenigstens nach der deutschen Ansicht, gesicherter ist, wenn die Zahl der Richter bei den einzelnen Instanzen größer ist. Gut, wenn das die Ansicht des Reichstags ist, mag demnächst wieder die frühere Zahl hergestellt werden.

Man hat nun die Tätigkeit des Einzelrichters hier sehr stark bemängelt. Demgegenüber möchte ich darauf aufmerksam machen, daß gerade hier die Zahl der Berufungen nach unserer Statistik zu rückgegangen ist. Das ist doch ein Zeichen dafür, daß die Tätigkeit der Einzelrichter gerade bei denjenigen, die Objekt der Recht⸗ sprechung sind, nicht eine so uneingeschränkte scharfe Kritik findet. Der Herr Vorredner hat uns auch bei den einzelnen Fällen, die er angeführt hat, nicht mitgeteilt, ob die Betreffenden von dem ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel der Berufung Gebrauch ge⸗ macht und so eine Nachprüfung des Urteils ermöglicht haben.

Der Herr Vorredner hat ebenso wie sein Vorgänger von neuem die Aufhebung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik an— geregt. Ich muß allerdings bei dieser Gelegenheit ganz besonders scharf und entschieden Widerspruch gegen seine durch nichts be— gründeten Worte erheben, in denen er dem Staatsgerichtshof vor⸗ warf, daß er parteiisch durchaus einseitig in großer Zahl Urteile gefällt hätte. Diese Behauptung muß ich als durchaus unrichtig zurückweisen. Der Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik ist, soweit ich mich noch an die früheren Verhandlungen, die ich selbst mitgemacht habe, erinnere, von links gefordert worden. Soweit ich Gelegenheit hatte, seine Urteile zu prüfen, kann ich ihm das Zeugnis ausstellen, daß es nicht den Tatsachen entspricht, wenn behauptet wird, seine Urteile seien einseitig gegen links gerichtet. Ich habe bereits im Ausschuß mitgeteilt, daß ein Antrag des Justizmini⸗ steriums vorliegt, den Staatsgerichtshof, soweit er sich mit Straf— sachen beschäftigt, aufzuheben. Das Kabinett wird sich demnächst mit dieser Frage zu beschäftigen haben.

Wenn nun der Herr Vorredner um noch einmal darauf zu— rückzukommen hier Einzelheiten vorgetragen hat, so muß er, der sich so eingehend mit der Rechtspflege beschäftigt hat, doch ebenso, wie ich es aus eigener Kenntnis der Dinge als Richter sagen kann, wissen, daß es ganz unmöglich ist, aus der Anführung von Einzel⸗ heiten aus Urteilen darauf zu schließen, daß es sich um ein Fehl⸗ urteil oder um ein parteiisches oder ungerechtes Urteil handelt. Herr Levi hat, glaube ich, selbst gesagt, daß man, um das Urteil voll verstehen zu können, der ganzen Verhandlung habe beiwohnen müssen. Das ist durchaus richtig. Man braucht nur einmal die Richter zu fragen, die an den Urteilen einer Strafkammer mit⸗ gewirkt haben, welchen Eindruck sie mitunter haben, wenn sie die Zeitungsberichte lesen, die meist direkt an die Anklageschrist an⸗ knüpfen. Ich will hier lieber nicht wiederholen, was ich mir selbst dabei oft gesagt habe. Nur wenn man den ganzen Verhandlungen beigewohnt hat, kann man verstehen, wie sich die ganze Sachlage durch die Erhebung der Beweise verschiebt, wie dann ganz andere Bilder von der Lage der Dinge entstehen. Ich kann nur noch einmal wiederholen, daß ich die Angaben darüber vermißt habe, ob in den angegebenen Fällen die Berufung angemeldet worden ist. Das aber kann ich ganz offen und frei erklären: Ich stehe auf dem Standpunkt und weiß mich eins mit dem Ministerium, daß, wenn es richtig ist, daß solche politischen Ausführungen derart, wie der Herr Vorredner sie angeführt hat, in die Uüteile aufgenommen worden sind, das durchaus mißbilligt werden muß und unzulässig ist. (Zuruf links.) Ich habe erklärt, daß die Berufung dagegen möglich war. Warum ist von diesem Rechtsmittel nicht Gebrauch gemacht worden? Erneute Zurufe bei den Kommunisten und So⸗ zialdemokraten. Wenn ich einmal die Rechtsprechung in An⸗ spruch nehme, will ich mich doch lieber vor einer sehr schlecht zu⸗ sammengesetzten Strafkammer verantworten als gerade vor Ihnen. (Heiterkeit und Zustimmung in der Mitte und rechts.)

Es ist dann noch auf einen Fall aufmerksam gemacht worden, wo ein Heeresanwalt Anfragen an das Reichsjustizministerium ge⸗— richtet habe und man unzulässigerweise auch vom Reichsjustiz⸗ ministerium Auskunft erteilt haben soll. Das muß ein Fall aus sehr früher Zeit sein. Das können nur Fälle sein, die sich auf einen Ausnahmezustand in dem betreffenden Lande stützen, wo die Heeresleitung, die Generäle durch die Ausnahmegesetzgebung in dem Besitz der vollstreckenden Gewalt waren und als solche dann die Befugnis hatten, sich mit dem Justizministerium in Verbindung zu setzen und um Auskunft zu bitten. Jedenfalls ist in den letzten Jahren und Monaten davon keine Rede mehr gewesen.

Der Herr Vorredner ist dann noch auf den Fall Wandt weiter eingegangen. Er hat verlangt, daß man nicht einem Begnadigten nun auch hintenach noch eine Schmach antun möge. Das hat er, glaube ich, ausgeführt. Das Justizministerium fühlt sich vollständig frei von diesem Vorwurf. Aber, meine verehrten Damen und Herren, das Justizministerium hat andere Aufgaben zu erfüllen. Das Justizministerium hat, wie ich eben schon ausführte, die Auto⸗ rität der Gerichte zu wahren und dürfte, nachdem die Begnadigung Wandts stattgefunden hat, unter keinen Umständen irgendeinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß nach der Ansicht des Reichs⸗ justizministeriums das Urteil des Reichsgerichts gegen Wandt durchaus begründet war. (Hört, hört! links) Das mußte gesagt werden. Wenn ich das nicht gesagt hätte, würde ich meine Pflicht verletzt haben. Mit voller Ueberzeugung ist von mir mitgeteilt worden, daß das Reichsjustizministerium der Ansicht und Ueber⸗ zeugung ist, daß das Urteil zu Recht besteht. Wandt ist begnadigt worden, aber man sollte aus dieser Begnadigung nicht den Schluß ziehen, daß das Urteil des Reichsgerichts als ein Fehlurteil anzu⸗ sehen ist.

Dann hat Herr Dr. Levi auf einen Fall Bullerjahn hin⸗ gewiesen. Ich will nicht auf diesen außerordentlich umfangreichen und sehr kompliziert liegenden Fall eingehen. Die Beweiswürdigung

spiel geworden in den

momente zu prüfen, ohne den ganzen Prozeß sich abwickeln zu sehen, ist unmöglich. Das lehne ich ab. Nur das eine will ich sagen: Bullerjahn hat eine schwere Strafe erhalten, wenn ich mih nicht irre, 15 Jahre Zuchthaus. Das, was er nach der Ueberzeugung des Gerichts getan hat, ist ein so schwerer Verrat wichtiger Lebens— interessen des deutschen Reiches, und Volkes gewesen, daß diese Strafe durchaus angemessen ist. Ich halte das Urteil nicht für zu scharf. Es ist nach meiner Ansicht durchaus zu Recht ergangen.

Herr Dr. Levi hat dann einen Fall besprochen, bei dem es sich um die Frage der Beschlagnahme von Handakten der Rechtsanwälte handelt. Die Sache gehört nicht in erster Linie gerade zur Zu— ständigkeit des Reichsjustizministeriums, sondern ist an sich Sache der betreffenden Landesjustizerwaltung. Es handelt sich um die Beschlagnahme von Abschriften, die der Rechtsanwalt harte an⸗ fertigen lassen, um sie dem Angeklagten zuzustellen. Die Beschlag⸗ mahme ist erfolgt, die Beschwerde ist eingelegt worden, und ehe über die Beschwerde entschieden war, sind diese Abschriften dem Rechts⸗ anwalt wieder zurückgegeben worden. Damit ist der Fall erledigt worden. Ich stehe ja in dem Rufe, vielfach zu offenherzig zu sein. Ich will aber auch der Wahrheit die Ehre geben und sagen, daß nach meiner Ueberzeugung die Beschlagnahme in diesem Fall zu Un⸗ recht erfolgt ist. Ich würde es nicht billigen, wenn in einer solchen Weise in die Akten des Rechtsanwalts und des Verteidigers ein gegriffen wird. Wie gesagt, die Frage selbst ist von dem Gericht nicht entschieden worden.

Was die Klage über die Untersuchungshaft und die Art der Vollstreckung angeht, so ist das auch in erster Linie Sache der Landesjustizverwaltungen. Ich kann hier nur sagen, daß wir aus Anlaß des Antrags Schulte (Breslau) mit den Ländern in Ver— handlungen zur Neuordnung der Untersuchungshaft eingetreten sind.

Ich glaube, daß ich damit im wesentlichen die Dinge erörtert habe und behalte mir vor, noch später auf Einzelheiten, die in den beiden Reden vorgekommen sind, näher einzugehen, namentl'ch auch auf die Anträge, die inzwischen von anderen Seiten zu dem Etat ge⸗— stellt worden sind. (Zuruf von den Kommunisten.)

163. Sitzung vom 17. Februar 1926, Nachmittags 1 Uhr. Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.“

Am Regierungstische: Reichsjustizminister Dr. Marx.

Vizepräsident Dr. Bell eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20 Minuten. Die zweite Lesung des Haushalts des Reichs⸗ just izministeriums wird fortgesetzt. Der Ausschuß Hhlag nur eine Aenderung des Haushaltsplans vor, nämlich die Streichung der Kosten für den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik.

Als erster Redner fordert

Abg. Dr. Korsch (Comm.) Gesetzentwürfe zur Erleichterung der Ehescheidung und zur Neuregelung der Rechtsstellung der un— ehelichen Mutter und des unehelichen Kindes. Weiter brött er für die Abschaffung der Todesstrafe ein und verlangt eine Aenderung der Bestimmungen über däie strafrechtliche Behandlung der Ab treibungstatbestände. Dann führt er aus: Der Sat riustitia fundamentum regnorum“ ist zu einem Satyr⸗ 4 Abfindungsprozessen. Wer diese monarchiftische Justiz kennt, wird den Enteignungsantrag, der Kommunisten verstehen. Die Herrschaft Oels, ein Lehen für den je⸗ Reil igen Thronfolger, ist dem ehemaligen Kronprinzen als Pripat- besitz vom Oberlandesgericht Breslau zugesprochen worden. Die dafür beigebrachten juristischen Gründe sind geradezu haarsträubend. Das betreffende Urteil ist ein juristisches Verbrechen, an dem sich auch die Breslauer Juristenfakultät mitschuldig gemacht hat. Das Urteil be⸗ zieht sich auch auf die Autorität höchster Stgatsbeamter, nämlich guf die früheren Justizminister Heine und Dr. Rosenfeld. Wie in vielen anderen Fällen ist es auch hier dahin gekommen, daß unter Mit⸗ wirkung der Sozialdemokratie wertvoller Staatsbesitz dem Staat verlorenging. Haarsträubend ist auch das Schiedsgerichtsurteil, wo⸗ durch dem früheren Großherzog von Mecklenburg eine Aufwertung von siebenhundert bis tausend Prozent zugesprochen worden ist. So sieht die angebliche Unparteilichkeit der Justiz „ohne Ansehen der Person und des Standes“ aus, von der die Herren Hanemann und Marx gesprochen haben. Die Strafgerichtsreform ist noch immer nicht zustande gekommen. Ganz unmögliche Strafbestimmungen bleiben bestehen, wie namentlich die über Hochverrat. Das Strafgesetzbuch der Republik fußt noch immer auf Bestimmungen von 1851 Auch die Strafprozeßordnung ist vollkommen veraltet, sie ist nicht re— formiert worden, sondern „deformiert“ durch die Emmingersche Ver—= ordnung. Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik hat sich zu einem Verfolgunasgerichtshof für Republikaner entwickelt Der Strafvollzug gegenüber politischen Gefangenen wird derart gehand⸗ habt. daß diese nicht einmal die Vergünstigungen bekommen, die man gemeinen Verbrechern gewährt. Die Amnestie muß, nachdem sie den Separatisten zugute gekommen ist, auf alle politischen Ver⸗ gehen im besetzten Gebiet ausgedehnt werden. Wenn Sie sich nicht zu einer gründlichen Justizreform entschließen, so wird das ver⸗ zweifelte Volk Sie dazu zwingen. (Beifall bei den Kommunisten.)

Abg. Dr. Haas (Dem): Das Mißtrauen in die deutsche Rechtspfsege ist leider vorhanden, und wir alle sollten uns nach

ditteln umsehen, wie dieses Mißtrauen zu beseitigen ist. In Be⸗

leidigungsorozessen wird vielfach nach politischen Rücksichten geurteilt. In einer Magdeburger Zeitung war Stresemann Bestechlichkeit vor= geworfen und erklärt worden, das Verhalten der Regierung grenze an Landesverrat und sie gehöre vor den Staatsgerichtshof. Land gerichtsdirektor Beversdorff führte den Vorsitz in der Verhandlung. in der der Schreiber jener Zeilen mit 190 Mark Geldstrafe dabon⸗

kam, mit der Begründung. der Artikel habe in nicht allzu erheblichem

Maß die Grenze des Erlaubten überschritten. Aehnlich liegt es in einem Hamburger Fall, als eine völkische Zeitung den Kardinal Faulhaber beleidigt hatte und der Redakteur freigesprochen wurde. In vielen Kreisen hat man das Gefühl, daß ein, Republikaner, wenn er klagt, in weiten Gebieten Deutschlands Gefahr läuft. daß er sein Recht nicht findet, (Sehr wahr! links) Es handelt sich hier wirklich um eine Krankheit, anders kann man es nicht nennen. Wenn Gehässigkeit und Leidenschaft vor dem Richtertisch nicht haltmachen, dann haben wir allen Anlaß, sorglich zu überlegen, wie wir dem ein Ende machen. Der Rehner kommt auf den Fall Wandt zu sprechen. Hier hat das Reichsgericht eine merkwürdige Begründung für den Vandesberrat gefunden. Durch die Wandtschen Dokumente sei ein Mann schwer bloßagestellt, den Deutschland im Kriege benutzt habe. Deutschland könng wieder einmal in die Lage kommen ihn zu benutzen, aber nun sei er bekannt, und man könne ihn nicht wieder benutzen. Was soll man von anderen Gerichten denken, wenn das Reichsgericht schon so weltfremd ist und so naiv, zu glauben, der nächste Krieg werde einfach so verlaufen wie der letzte? (Sehr wahr) links) Die „Schwarze Reichswehr, hatte wohl kaum einen macht⸗ politischen Sinn, es war die reine Dummheit und Spielerei. Dann hätten wir aber auch änagstlich die Landesverratsprozesse wegen der Schwarzen Reichswehr“ vermeiden müssen. Das Ausland wurde ia förmlich darguf hingestoßen, zu glauben, daß amtlich absichtlich

gegen die Bestimmungen des Friedensvertrags verstoßen werde.

) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden

ist nun einmal Sache des Gerichts. Hier nun die einzelnen Beweis⸗ der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

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1 2 ö.

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Außenpolitisch gibt es gar nichts unglücklicheres als diese Landes⸗ verratsprozesse In derselben Richtung liegt das Verhalten der Gerichte in den Fememordprozessen. Ich denke besonders dabei an ben letzten Berliner Fememordprozeß. Ich scheue mich nicht aus⸗ asprechen, daß die Tatfache, daß Staatsanwaltschaft und Gericht nichts gegen die Hintermänner unternommen haben. mir den Glauben genommen hat, daß diese Stellen unmöglich vom Standpunkt des Rechts aus gehandelt haben. Sehr wahr! links.) Auch die Auswahl der Verteidiger gibt zu denken. Es ist doch ein Unterschied, ob jemand freiwillig einen anderen umbringt oder auf Grund eines Befehls Der Wille war, kein Licht in die Sache kommen zu lassen. (Sehr wahr) Redner weist scharfe Angriffe der „Deutschen Zeitung“ zurück, und fordert die Richterorganisationen auf. Stellung mnehmen gegen solche Kollegen, die sich in einer Weise benähmen. ke mit der Würde des Richters unvereinbar sei., Landgerichtsdirektor Beversdorff hat sich überaus abfällig über die Republik ausge⸗ sprochen. Darf ein Richter sich solche Frechheiten erlauben? Ich wollte doch einmal sehen, ob, wenn in der früheren Zeit ein Richter sich so über die Monarchie ausgesprochen hätte, man nicht Mittel und Wege gefunden hätte, um ihm zu zeigen, wie er sich zu be⸗ nehmen hat. Wir müssen dafür sorgen, daß die Justiz ihr Ansehen Mrückgewinnt, das sie sbedem besaß (Beifall bei den Demokraten.) Abg. Hampe (Wirtschaftl. Vereinig ; Eine ganze Anzahl

der vorliegenden Anträge dient nur agitatorischen Zwecken. Die Kom⸗ munisten verlangen Abschaffung der Todesstrafe. Dabei denken sie wohl nicht daran, daß gerade die russische Regierung in Moskau in umfassendem Maße die Todesstrafe anwendet. Unser Ehescheidungs⸗ verfahren muß verbessert werden, ein Ehescheidungsprozeß darf sich nicht unter Umständen jahrelang hinziehen. Der Abgeordnete Dr. Levi hätte statt der Kraft seiner Lunge lieber die Kraft seiner Beweisgründe anstrengen sollen. Wenn er sagte, die Urteile deutscher Gerichte verrieten einen bedauerlichen Tiefstand gegenüber anderen Ländern, so hat er wohl die bekannten Urteile belgischer und n. zösischer Gerichte vergessen. Nur eins gebe ich Dr. Levi zu, daß der Einzelrichter unpopulär ist. Für diese Einrichtung ist aber nicht Dr. Emminger verantwortlich, sondern die Länder, die damals in großer Finanznot waren. Diese Einrichtung war nur als Uebergang gedacht und muß wieder fallen. Die Berufsrichter können nicht durch gewählte Richter ersetzt werden. Die schlimmste Seite des jetzigen Verfahrens liegt darin, daß die Zulassung der Berufung von der Einzahlung des Kostenvorschusses abhängig ist; dadurch wird die Rechtsprechung verzögert und verschlechtert. Die gewünschte Simultan su a sung der Recht anwaͤlte der Amtsgerichte bei den Landgerichten at zu einem bedauerlichen Kampf unter den Rechtsanwälten geführt. Wozu soll alles das zentralistisch geordnet werden? Das kann man doch den Ländern überlassen. Das ist keine parteipolitische, sondern eine justiztechnische und eine wirtschaftliche Frage, Wir als echte Föderalisten freuen uns über die Ansichten des Abgeordneten Kahl uber den Föderalismus, aber diesem Standpunkt widerspricht es, wenn er meint, daß die Richter nicht Länderrichter, sondern Reichs— richter sein müßten. Er will nur Ein eltichten Landrichter und Reichsrichter haben; wir wollen aber die Oberlandesgerichte erhalten wissen. Glatt ablehnen müssen wir die Arbeitsgerichte als Sonder gerichte. Wir können nicht einen Stoff nach dem anderen den ordent⸗ lichen Gerichten entziehen. Die ordentlichen Richter haben Einblick und Erfahrung in allen Lagern des menschlichen Lebens. Die dauernde Ueberlastung des Reichsgerichts ist ein Schaden für unsere Recht— sprechung. Nur durch einen energischen Schritt läßt sich eine Ent⸗ lastung herbeiführen. Vor allen Dingen durch eine Befreiung des Reichsgerichts von allen möglichen Nebenarbeiten. Dem Ansehen des Reichsgerichts nützt man dadurch nicht, daß man ihm immer Republikfeindlichkeit nachsagt. Die parlamentarischen Untersuchungs⸗ ausschüsse schädigen unsere Rechtspflege. Auch das Volksbegehren und der Volksentscheid können für unsere Rechtsgedanken abträglich sein; sie könnten höchstens über politische Fragen entscheiden, nie und nimmer aber über Rechtsfragen. Die Urteile in Wucherangelegen— heiten sind für die Gewerbetreibenden unhaltbar geworden. Wenn nichts anderes hilft, muß das Gesetz geändert werden. Im allgemeinen häben wir viel zu biele Gesetze und vor allem findet man sich in der fortwährenden Aenderung dieser und jener Paragraphen nicht zurecht. (Züstimmung) Die Gesetze enthalten in sich viele Widersprüche und daher kommen“ die widerspruchsvollen Entscheidungen der Gerichte. Der Mieterschutz z. B soll sich doch nur gegen das Unrecht wenden, aber nicht gegen die Vermieter allgemein. Wenn wir der Rechts⸗ pflege dienen wollen, muß das Geschimpfe über die Justiz aufhören. Abg. Emminger (Bayr. Vp.): Wenn die Justizpflege so oft kritisiert wird, so ist daran nicht zum wenigsten dieses Haus schuld.

Und diese Kritik 8 recht oft vollkommen unbegründet. Als ich als

Justizminister im Verordnungswege die Entlastung des Reichsgerichts anordneie, war diese Verordnung für drei Jahre berechnet; aber das Parlament hat es seitdem nicht fertiggebracht, ein Gesetz darüber zu machen! Das Aufwertungsgesetz ist nach ungeheueren Schwierigkeiten nur durch Kompromiß zustandegekommen. Das Reichsjustizministe⸗ rium hat sich mit seinen Ausführungsbestimmungen dazu ein großes Verdienst erworben, wenn es auch wünschenswert gewesen wäre, daß diese Bestimmungen leichter verständlich wären. Das Reichssustiz⸗ ministerium ist mit Arbeiten überlastet; der Rechtsausschuß weist ihm eine Fülle von Arbeiten zu: die Simultanzulassung der Rechtsanwälte, u, der ich keine Stellung nehmen will, die W n r sebung, die Fürstenabfindung, die Gesetzgebung über die Geschlechtskrankheiten, die Rechtsstellung der unehelichen Kinder usw. Mit der letzten Materie wird ein grundsätzlicher Eingriff in das Bürgerliche Gesetz= buch gemacht. Es könnten leicht weitere Eingriffe dadurch herbei— geführt werden. Das Bürgerliche Gesetzbuch ist ein sehr kompli⸗ jiertes Werk und doch galt es bei seinem Erlaß als ein großer Fort⸗ schritt. Der Staatsgerichtshof soll aufgehoben werden, deshalb sollen wir auch den Etatstitel dafür aus dem Etat für 1925 herausstreichen. Die Vorlage, über den Reichswasserschutz sollte uns möglichst bald vorgelegt werden, und zwar im Einvernehmen mit den österreichischen Juristen. Für die neue Strafprozeßordnung haben wir den Wunsch, daß die Stellung des Einzelrichters wieder eingeschränkt wird, weil in Bayern diese Einrichtung nicht durchaus das Vertrauen des Volkes hat. Wir mußten, damals die Rechtspflege möglichst sparsam ge— stalten. Die Einführung des Güteverfahrens ist auf einen Antrag der Sozialdemokrgtischen Partei erfolgt. Herr Levi hatte also Un⸗ recht mit seiner Behauptung, daß diese Einrichtung auf mein Konto zu setzen ist. Redner hält den Sozialdemokraten vor, daß sie das von ihnen jetzt so kritisierte Güteverfahren im Rechtsausschuß selbst mit beraten und ihm zugestimmt haben. Jetzt behauptet der sozialdemo⸗ kratische Abgeordnete Dr. Levi, Schuld an den llebelständen sei die Emminger / Reform; Dr. Levi hat aber offenbar von dem wahren Sachverhalt keine Ahnung. Wir fordern die Verbilligung des Zivilprozesses. Auch die Anwaltskosten können abgebaut werden; es ist anzuerkennen, daß auch der Abgeordnete Lands— berg im Hauptaußschuß für die Herabsetzung der Anwalts⸗ ebühren eingetreten ist. Wir treten weiter für eine Aenderung des Aktienrechts und des Rechts der G. m. b. H. ein. Ich begreife es, daß der Justizminister wie sein Vorgänger eine Erweiterung des Ehescheidungsrechts abgelehnt hat. In Ländeyn, wo das Ehescheidungsrecht laxer ist, gibt es auch nicht mehr glück liche Ehen. Der Redner geht auf i. Frage der Prüfung „ver⸗ fassungsmäßig zustandegekommener Gesetze“ ein, die entscheidend geworden sei bei dem Aufwertungsgesetz und den Locarnover— trägen. Der Staatsgerichtshof müßte erst zusammentreten auf An⸗ suchen einer Mehrheit des Parlaments. Die Kritik der Rechtspflege kann berechtigt sein; die vom Abgeordneten Haas vorgeschlagene kollegiale Nachprüfungsinstanz lehnen wir . ab. Die Kritik muß sachlich sein und bessern wollen. Aber die Kritik des Abgeordneten Dr. Levi ist nicht so vornehm und sachlich gewesen wie die Kritik seines Fraktionsgenossen Dr. Radbruch, der auf Entscheidungen hingewiesen hat, die selbst bei vielen Richtern Be⸗ denken erweckt haben Die von Dr Levi vorgetragenen Fälle sind auch veraltet und überholt. Der Fall -Wandt ist zweifellos ernst, das Reichsgericht hat in das Urteil Sätze hineingenommen, die auch mir völlig unverständlich erscheinen. Aber auch dieser Fall ist in Allen Ausschüssen schon erörtert worden, und das Urteil ist schon drei Jahre alt. Zweifellos hat in dem einen und anderen Falle ein Einzelrichter ein unfaßbares Urteil gefällt; aber man sollte doch stets Berufungsberfahren abwarten.

Abg. Frick (Völk) erklärt die herrschende Rechtsnot aus der Erfüllungspolitik der deutschen Regierungen. Staatsgerichtshof und Republikschutzgesetz müssen beide verschwinden. Der verfassungs⸗ mäßig vorgesehene Staatsgerichtshof zur Prüfung der Reichsgesetze auf ihre Gesetzmäßigkeit hin muß möglichst bald geschaffen werden. Er muß auch Verfassungsstreitigkeiten und Konflikte, wie den zwischen Reichsrat und Reichsregierung, entscheiden. Der Aus⸗ nahmezustand in Bayern ist zwar aufgehoben, aber an der Sache selbst hat sich nichts geändert. Versammlungen werden nach wie bor in Bayern verboten. Hitler darf seit einem Jahr nicht mehr sprechen, ohne daß gegen ihn etwas vorliegt. Herr Severing in Preußen macht es nicht anders und mißachtet die Grundrechte, die in der Verfassung gewährleistet sind. Die Sozialdemokraten fürchten angeblich Hitler nicht, aber sie verbieten Hitler das Sprechen. Redner tritt nochmals für den von seiner Fraktion geforderten Staatsgerichtshofs des Deutschen Reiches ein, um die Grundrechte der einzelnen Person zu schützen. In England wäre der Ab⸗ geordnete Dittmann einfach aufgehängt worden; heute erstattet der Angeklagte Dittmann im Untersuchungsausschuß an Hand der Akten Bericht und hält die Admirale für die wahren Schuldigen. Die Untersuchungsausschüsse sind nur Verpfuschungsausschüsse; sie bilden eine Gefahr für die Rechtssicherheit. Redner spricht von einem Femeuntersuchungsrummel. Die wahren Schädlinge in Deutschland sind die seit 1914 eingewanderten Ostjuden Deutsche leisten noch heute Schergendienste, um Landsleute den Franzosen auszuliefern. Es gibt noch viele ungesühnte Verbrechen der Be⸗ satzungsmächte gegenüber Deutschen. Hier zeigt sich eben die knechtselige Gesinnung der deutschen Erfüllungsregierung. (Beifall bei den Völkischen.)

Abg. Dr. He (Dem.) . folgende Interpellation: Welche Maßnahmen gedenkt die Reichsregierung zu ergreifen, um den unbefugten Veröffentlichungen amtlicher Aktenstücke, Doku⸗ mente und Dienstkorrespondenzen durch ehemalige Reichs beamle oder Offiziere entgegenzutreten, Reichsbeamte und Offiziere, die sich solche Handlungen haben zuschulden kommen lassen, zur Rechen⸗ schaft zu ziehen und das Reich wieder in den Besitz der widerrecht⸗ lich angeeigneten Schriftstücke zu setzen? Der a n den Fall Tirpitz an. Herr Tirpitz hat mit der Veröffentlichung sein politisches Alibi . wollen. Er hat sich Abschriften von amtlichen Akten zurückbehalten zu privaten Zwecken. Man stelle sich vor, was Fürst Bismarck in einem ähnlichen Fall getan haben würde? Denken Sie nur an den Fall Arnim. General Ludendorff hat bei seiner Veröffentlichung korrekter gehandelt, indem er sich das Einverständnis des Generalstabs sicherte. Der Generalstaats⸗ anwalt hat sich mit dem Fall Tirpitz beschäftigt, er steht auf dem Standpunkt, daß der Vorwurf einer unberechtigten Aneignung be⸗ gründet ist, aber er sieht darin ein wesentlich politisches Vergehen und stellt fest, daß Tirpitz unter die Amnestie der Volksbeauftragten vom 12. Rovember 1918 fällt. Das ist ein Treppenwitz der Welt= geschichte. Wir verlangen von der Regierung ein klares Ja oder

ein auf unsere Interpellation; mit einer Deklaration über juristische Kompetenz oder Nichtkompetenz ist die Sache nicht er⸗ ledigt. (Beifall bei den Demokraten.)

Abg. Dr. Marie Lüders (Dem.) begründet eine Interpella⸗ tion, die sich darauf bezieht, daß das Landgericht Berlin 1 dem Antrag der Verteidigung auf Ablehnung einer Schöffin statt⸗ gegeben hat, weil diese in einem Prozeß gegen den Hersteller und Verbreiter unzüchtiger Schriften „durch Geschlecht und Erziehung zu ungunsten des Angeklagten voreingenommen“ und die Verteidi⸗ gung „mit Rücksicht auf das Schamgefühl“ behindert sei, alles zur Aufklärung des Sachverhalts vorzubringen. Das widerspreche, so bemerkt die Rednerin, der Novelle vom 2. April 1922 zum Gerichts⸗ verfassungsgesetz.

Reichs justizminister Dr. Marx nimmt hierauf zu einer Erwiderung das Wort, die nach Eingang des Stenogramms veröffentlicht werden wird.

Abg. Dr. Mo fes (Soz.) begründet eine Interpellation seiner Partei, die gleichfalls den Fall Tirpitz betrifft. Der Redner verweist darauf, daß Fechenbach für eine viel weniger schwerwiegende Hand⸗ lung Zuchthausstrafe erhalten hat. Tirpitz wollte der Publikation des Auswärtigen Amts zuvorkommen, er richtete schwere Angriffe gegen den Chef des Marinekabinetts und andere, um sich selber zu entlasten. Wir verlangen in dieser Sache volle Aufklärung.

Reichsjustizminister Dr. Marx beantwortet die Inter⸗ pellation. Seine Ausführungen werden nach Eingang des Stenogramms mitgeteilt werden.

Abg. Treviranus (D. Nat.) erklärt, es sei zu begrüßen, daß durch die Antwort des Ministers der Schlange der Verleumdung gegen Tirpitz der Kopf zertreten sei. Es sei nachgewiesen, daß Tirpitz durchaus korrekt gehandelt habe. Es sei eine Pflicht der Notwehr gewesen, wenn er den Geschichtsklitterungen von links gegenüber die Wahrheit feststellte. Dellbrück habe seine Aufgabe der e n Darstellung jener Vorgänge erfüllen wollen, ohne sich mit den lebendigen Zeugen jener Vorgänge und mit den vorliegen⸗ den Urkunden bekanntzumachen. So sei er zu der Behauptung ge⸗ kommen, daß Tirpitz den Krieg verschuldet . eine Behauptung, die Tirpitz durch seine Urkundenveröffentlichung sofort habe wider⸗ legen können. Selbst die englische Presse verzeichnete diese Tat⸗ sache. Deutschen sei es vorbehalten geblieben, die Schuldlüge weiter gegen den Deutschen von Tirpitz zu erheben. (Lebhaftes Hört, hört! rechts Seinen Freunden sei es darauf angekommen, den Tat⸗ bestand der Verschleierung, durch den dem Auslande Matexial gegen das deutsche Volk geliefert worden sei, zu zerreißen. Ein Mundtot⸗ machen der Wahrheit sei nicht mehr möglich. Millionen dankten dem Lenker der Geschicke, daß er uns Männer wie Tirpitz geschenkt

habe, der Bismarcks Werk weitergeführt hätte. (Beifall rechts,) „Es

kann die Spur von seinen Erdentagen nicht in Aeonen untergehn.“ (Lebhafter Beifall rechts. Lachen links.)

Abg. Graf Reventlow (Völk) erinnert das Zentrum daran, daß sich Erzberger seinerzeit mit Tirpitz geradezu identifiziert habe. Hat das Zentrum vergessen, daß Erzberger den Großadmiral von Tirpitz als Schöpfer der deutschen Marine feierte? Die Sozial⸗ demokratie, die Herrn von Tirpitz so schwere Vorwürfe macht, sollte doch an die Veröffentlichungen Eisners und Kautzkys denken. Das Verhalten des Abgeordneten Dittmann bei Herausgabe seiner Bro⸗ schüre war auch nicht lohal. (Lärm bei den Sozialdemokraten und Zurufe: Fememörder!) „Ich eröffne demnächst eine neue „Mörder⸗ , und nehme Anmeldungen gern entgegen, im Abonnement

illiger.“ (Heiterkeit. Die Sozialdemokratie sollte an das Plakat denken, das in den Eisenbahnwagen aufgehängt ist „Pauline, laß das Reiben sein!“ (Große Heiterkeit.)

Abg. Bonner (Zentr) begründet eine Interpellation, die 16h gegen Schädigung des Handwerks durch die Konkurrenzarbeit

er Strafgefangenen richtet.

Reichsjustizminister Dr.ä Marx nimmt nochmals das Wort. Seine Antwort auf die Interpellation wird im Wort⸗

laut mitgeteilt werden.

Damit schließt die allgemeine Besprechung. Es folgen

noch persönliche Bemerkungen. U. a. bestreitet Abg. Ditt⸗ mann (Soz.) unter großer Unruhe der Rechten, bei Heraus

gabe seiner Broschüre unloyal vorgegangen zu sein.

Das Ministergehalt wird bewilligt. Angenommen wird ein Antrag des Zentrums, betr. 6. der Gebühren⸗ sätze des Gerichtskostengesetzes. In der Einzelberatung werden entsprechend dem Beschluß des Ausschusses die Kosten für den Staatsgerichtshof der Republik gestrichen.

Hierauf wird die Weiterberatung des Justizetats auf Donnerstag, 1 Uhr vertagt. Außerdem steht der Etat des Arbeitsministeriums auf der Tagesordnung.

Schluß Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Rechtsausschuß des Reichstags setzte gestern unter dem Vorsitz des Abg. B. Dr. Kahl (D. Vp.) die General⸗ debatte über die Anträge zur Fürstenabfindung port. Nach dem Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungs⸗ verleger bezeichnete es Abg. Dr. Bell Gentr.) als einen Erfolg der Ausschußberatung, daß allmählich ein gewisser Ausgleich gefunden sei zwischen der starren Ablehnung jedes , in das formale Recht und der Forderung entschädigungsloser Enteignung. Eine Löfung könne nur auf der mittleren Linie gefunden werden. Die Weimarer Verfassung habe positive Vorschriften über die Fürsten= enteignung nicht gegeben. Damals glaubte man, daß bei wechsel⸗ r en, en ch df leicht eine Einigung möglich wäre. An diesem

erständnis habe es leider bei manchen Fürstenhäusern durchaus ge— fehlt. Man gewinne den Eindruck, daß an ihnen die Kriegswirkung mit dem furchtbaren Verlust an Nationalvermögen Et spurlos vor⸗ übergegangen sei. Das habe auch in weit rechts stehenden Kreisen Befremden erregt. Die Annahme des kommunistischen Enteignungs⸗ antrags würde von den Kommunisten sicher nur als eine Etappe auf dem Wege einer restlosen Durchführung des kommunistischen Pro⸗ gramms betrachtet. Die Sozialdemokraten, die sich auch als Hüter der Weimarer Verfassung betrachten, sollten ihre Stellung zu dem durchaus verfassungswidrigen kommunistischen Antrag revidieren. Der demokratische Antrag würde die gewünschte Beruhigung nicht bringen, denn er würde den ganzen Streit in allen Ländern neu aufrollen. Er würde guch zu ganz verschiedenartigen Entscheidungen in den ver— schiedenen Ländern je nach der Zusammensetzung ihrer Parlamente führen. Würden aber vom Reiche Richtlinien für die Landesgesetz⸗ gebung in diesem Punkte aufgestellt, dann sei nicht einzusehen, warum das Reich nicht von sich aus die ganze Angelegenheit regele. Ebenso—⸗ wenig wie eine entschädigungslose Enteignung scheine seinen Freunden

die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes erträglich. Wenn die

berschiedenen Gerichtsurteile, die größtes Befremden erregten, durch

die bestehenden Gesetze bedingt wären, dann ergebe sich daraus die

Notwendigkeit einer schleunigen Aenderung der bestehenden Gesetze. Die Weimarer Verfassung haue sich auf der Staatsform der Republik auf. Wenn damit die Fürstenrechte aufgehoben seien, dann könnten doch sinngemäß nach dem Geiste der Verfassung solche Vor . nicht mehr in Geltung bleiben, die auf das engste mit den Fürsten⸗ rechten verknüpft seien. Wenn sie in der Landesgesetzgebung formell noch aufrechterhalten wären, so seien sie doch nicht mehr zu halten, ebenso wie wir ja auch die formell noch nicht aufgehobenen strafgesetz⸗ lichen Bestimmungen über Majestätsbeleidigung unmöglich noch gelten lassen könnten. Die in der Verfassung bestehende Lücke müsse jetzt ausgefüllt werden. Das könne nicht durch die restlose Enteignung geschehen, sondern nur in einer Weise, die dem Sinn und Geist der Weimarer Verfassung entspreche. Darum sei der im Ausschuß zu⸗— stande gekommene Kompromißentwurf zu begrüßen. Manche der Titel, auf die sich Besitzansprüche der Fürsten stützten, erinnere an Märchen aus uralten Zeiten. Der Machtflãncpun habe dabei viel fach den Rechtsstandpunkt verdrängt. Das gelte besonders für die Besitztitel, die im Anschluß an den Krieg von 1866 entstanden seien. Das gesunde Rechtsempfinden des Volkes könnte es nicht ertragen, wenn die Fürstenfamilien fast ihr gesamtes Eigentum behielten, während alle übrigen deutschen Volksgenossen die Kriegsfolgen durch große Vermögensberluste, teilweise durch vollständige Verarmung, tragen müßten. Richtlinien für das zu bildende Sondergericht würden sich nicht vermeiden lassen. Die Betrauung eines Senats des Reichs—⸗ erichts mit den Aufgaben des Sondergerichts wäre deshalb bedenk— ich, weil die Aufgaben des Sondergerichts auf einem gang anderen Gebiete lägen als gerade die Aufgaben eines Zivilsenats des ö. richts, der über die Auslegung des geltenden formalen Rechts die öchste Entscheidung zu treffen habe. Das Sondergericht solle da⸗ gegen an das geltende formale Recht nicht gebunden sein, es dürfe natürlich nicht nach parteipolitischen Gesichtspun kten zu sammengesetzt werden. Unter bestimmten Veraussetzungen sei die rückwirkende Kraft jetzt schon im Kompromißentwurf vorgesehen. Seine Freunde würden sich über eine etwaige Ergänzung dieser Bestimmungen verständigen müssen. Es wäre nicht zu ertragen, wenn die eingeleitete Ver⸗ ständigung scheitern sollte. Darum rege seine Fraktion die Einsetzung eines Unterausschusses an, dem Vertreter aller Parteien angehören

sollten und in dem versucht werden solle, den Kompromißentwurf so

umzugestalten, daß er die erforderliche Mehrheit finde. Abg. Dr. Pfleger (Bayr. Vp.) bemängelte die , mancher Prozesse, durch die von Reichs- oder Stagtsinstan zen nutzlos Kapital verschleudert worden sei. Das gelte vor allem von dem Mietzinsprozeß des Aus- wärtigen Amtes gegen den Prinzen Friedrich Leopold. Durch die Annahme des Enteignungsantrages würden zahlreiche neue kom— plizierte Prozesse entstehen, weil die Länder bei der Ueber⸗ nahme des fürstlichen Eigentums nur Treuhänder der Kriegs- beschädigten, Inflationsopfer usw. wären. Es müßte dann also auf dem Rechtswege genau sestgestellt werden, was Staats—⸗ eigentum und was früheres fürstliches Eigentum sei. Bei der Verteilung der fürstlichen Vermögen auf Kriegsbeschädigte und Inflationsopfer würde auf die einzelnen daraus Unter— stützten ein geringer Betrag kommen, auf jeden Deutschen etwa 67450 Reichsmark. (Rufe Üinks: Das wäre schon ganz schön!) Noch nierzals hätten die Stgatsfinanzen durch eine große Vermbgens2— kfonfiskarion, wie z. B. die Säkulgrisierung der . eine an- haltende wirksame Besserung erfahren. Zufriedenheit würde durch eine solche Fürstenen teignung nicht erzielt werden, und die Maffen würden bald die Enteignung anderer großer mögen verlangen. Das ginge dann in der Richtung des völkischen Antrags weiter, den er nicht billigen könne. Der Enteignungsantrag stelle guch eine bedenklich. Verletzung des Rechtsprinzizs dar. Gewisse. Vor—⸗ chriften, des Bürgerlichen Gesetzbuchs paßten nicht mehr auf die älle, die hier zu behandeln wären. Da werde man zu Aenderungen ommen müssen. Der demokratische Antrag würde die ö wertungsansprüche gar nicht treffen. Es bleibe nur ührig eine reichs, gerichtliche Regelung, die aber nicht diejenigen Fälle wieder gauf⸗ Tollen dürfe, die von den Ländern bereits endgültig geregelt seien. In vielen Ländern entsprächen die abgeschlossenen Vergleiche schon den, für das Sondergericht gufgestellten Richtlinien. (Rufe links: Die werden aber von den Fürsten angefochten!“ . Dann könne das Sondergericht diese Anfechtungen ja abwessen. Die Grundlagen des Rechts zürften jedenfalls nicht erschürtert werden. Abg. Dr. ö (Völk): Wir haben sicher keinen Anlaß, uns für die Fürsten esonders einzusetzen, denn sie haben sich zum großen Teil ihr jetziges Unglück selbst zuzuschreiben. weil sie die Mahnungen bölkischer, paterländischer Kreise nicht beachteten. Wir wollen aber er. en fürstlichen Familien, gegenüber den Rechtsftandpunkt nicht derlassen. Darum femmen für üns die Enteiqnungsan träge und der demo— kratische Antrag nicht in Frage. Verfgssungsändernd wäre auch der Kompromißantrag. Darum hat der Streit über die Juständigkeit des Reichs wenig Bedeutung. Das alte formale Recht läßt sich auf die Auseinandersetzungen kaum anwenden, darum ist es ein ge⸗ . Gedanke des Kempromißantrags, wenn er ein Sondergericht chaffen will, das nicht nach dem formellen Recht, fondern nach Billigkeitsgwindsätzen entscheiden soll. Für meine Person stehe ich diesem m ,, . gegenüber. Ein Teil meiner Freunde macht seine Stellung davon abhängig, daß klargestellt werde, welche Vermögenswerte tatsächlich in Frage kommen. Es muß auch Klar heit, darübr geschaffen werden, was mit dem den Ländern übertranenen Besitz . oh. es nicht etwa in jüdische Hände gerät. (Rufe links: „Dagegen sind Sie bei den . auch nicht gesichert!“ Wenn ein deutscher Eingriff in die Vermögensrechte erfolgt, dann verlangen wir auch die Enteignung der seit dem 1. August 1914 ein⸗ gewanderten Ostjuden und anderen Fremdstämmigen, der Kriegs-, Revolutions; Inflations, und Reparationsgewinnler. Abg. Neu⸗— bauer (Komm,) wandte sich zunächst gegen die vom deutschnationalen Ahg. Dr. Everling in früheren Sitzungen gufgestellten Berechnungen und bezeichnete demgegenüber seine eigenen Zahlen über die in Frage kommenden Vermögenzwerte als richtig. Abg. Dr. Pfleger habe eine veraltete Milchmädchenrechnung aufgemacht. Den Kommunisten komme es nicht darauf an, den ganzen Fürstenbesitz sofort zu ver= teilen sondern dauernden Mehrwert dadurch zu schaffen, daß auf dem parzellierten Fürstenbesitz viele tgusend neue Bauernwirtschaften ein= exichtet würden. Abselut falsch sei die Bewertung des Fürsten⸗ esitzes durch Dr. Everling. Der Fürst von Hohenzollern⸗