1926 / 54 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 Mar 1926 18:00:01 GMT) scan diff

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Ztaatsbürger frei in ihrer politischen Meinungsäußerung, dann gilt das für die Oberpräsidenten sozialdemokratischer und demo⸗ srratischer Couleur auch, oder man spricht von den parteiisch ein⸗ gestellten Beamten, dann gilt das auch für die Angehörigen der Teutschnationalen und der Deutschen Volkspartei. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Herr von Eynern hat mich dann aufgefordert, mit meiner Nadelstichpolitik aufzuhören. Ich glaube, man darf mir mancherlei Vorwürfe machen, aber, daß ich mit einer Nadelstich⸗ politik meine politischen Ziele oder Verwaltungsziele durchsetzen wollte, das kann niemand sagen. Herr von Eynern hat dann einen praktischen Fall angeführt, es dürfe z. B. im Flaggenstreit nicht mit solchen Verfügungen vorgegangen werden, wie ich sie erlassen habe. Ich möchte in aller Deutlichkeit erklären, in der Frage der preußischen Fahne und der Reichsflagge gibt es in meinem Ministerium keinen Streit. (Bravo! bei den Sozialdemo— kraten) Es gibt eine schwarz⸗weiße Preußenfahne und eine schwarz— rot⸗goldene Reichsflagge. (Bravo! bei den Sozialdemokraten. Abg. Eppstein: Schmeißt die Lappen zusammen! Glocke des Präsi—⸗ denten.)

Meine Damen und Herren, wenn auf Betreiben der Reichs— regierung alle Länder aufgefordert werden, an den Ver⸗— fassungstagen in den Reichsfarben zu flaggen, und wenn die preußische Staatsregierung einen solchen Erlaß herausgibt, dann habe ich dafür zu sorgen, daß dem auch Folge geleistet wird. (Lebhafte Zustimmung links) Und wenn eine Stadtverwaltung oder ein Landrat oder Regierungspräsident dem nicht Folge leistet, dann wird nicht mit Nadelstichen dagegen vor⸗ gegangen, sondern mit dem gröbsten Geschütz, das mir zur Ver fügung steht. (Erneute Zustimmung bei den Demokraten und Sozial— demokraten.)

Herr Abg. von Eynern hat dann die Qualität einiger politischer Beamter bemängelt und auf einen Fall ver⸗ wiesen, der mir eigentlich nicht hätte passieren sollen, weil ich durch die Lebensführung dieses Herrn in seiner früheren Wirkungsstätte hätte gewitzigt sein können. Das ist ein Irrtum, Herr Kollege von Eynern; diese angebliche Verfehlung, die Sie im Auge haben, ist erst zu meiner Kenntnis gelangt, als der be— treffende Herr schon Landrat war. Das konnte mich also nicht bedenklich stimmen. (Abg., von Eynern: Dann hat Ihr Bericht— erstatter versagt!! Nein, die Berichterstattung hat nicht versagt; denn dieser Fall, von dem Sie sprechen, passierte, wenn ich mich recht entsinne, gelegentlich eines Urlaubs des Herrn, der von seinem Landratsamt einmal nach seiner Heimat gefahren war. So wird es sein. Also Sie sind im Irrtum. (Heiterkeit und Zurufe links.)

Aber Sie hätten nur dann ein Recht, mir diese Dinge vorzu⸗ halten das gilt insbesondere auch für die Herren der deutsch⸗ nationalen Partei —, wenn ich gegen die Außenseiter, gegen die neuen Beamten etwa milder vorginge, als gegen die alten. Und das werden Sie auch nicht leugnen wollen, daß es unter den alten Beamten auch Herren gegeben hat, die den Anforderungen eines politischen Beamten nicht entsprachen. Ganz zufällig habe ich heute früh in meiner Schublade einen Aktenauszug gefunden, der sich auf einen alten Herrn bezog, der im alten Regime zum Landrat ernannt worden ist. Dieser Auszug hat folgenden Wortlaut:

Von wichtigen belastenden Vorgängen ist, abgesehen von den Ereignissen bei dem Kapp-Putsch, die zu dem Erlasse vom 14. Juli 1920 führten, in erster Linie sein passives Verhalten gegenüber dem Büropersonal in der ersten Zeit seiner Tätigkeit zu erwähnen. In der Kriegswirtschaft des Kreises ereigneten sich wiederholt Betrügereien, Unterschlagungen und sonstige grobe Unregelmäßigkeiten, ohne daß er energisch für Abstellung der Uebelstände sorgte. Erst als ich ihm vertraulich mitteilen ließ, daß ich ihn fallen lassen würde, wenn er nunmehr nicht Ordnung schaffe, griff er durch. Der Erfolg war, daß sich von den Beteiligten einer erschoß, vier zu Gefängnis und einer zu einer Geldstrafe verurteilt wurden. Schriftliche Vorgänge sind hier über diese Angelegenheit nicht entstanden.

Ein alter Beamter! (Abg. von Eynern: Hoffentlich ist er nun weg!) Oh, ganz gewiß! Aber, Herr von Eynern das wird Sie anch interessieren als ich ihn entfernen wollte, als der Antrag beim Staatsministerium lag, da kam einer Ihrer politischen Freunde zu mir, um für diesen Landrat zu intervenieren. (Hört, hört! und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

Nun wende ich mich zu den Ausführungen des Herrn Abg. Baecker. Er hat gestern bei der Besprechung des Falles des Landrats Kramer auch auf einen Artikel der Königsberger Hartungschen Zeitung verwiesen und gemeint, daß es doch viel ver— langt sei, daß der Landrat Kramer etwas hätte wissen müssen, was sich erst später ereignet habe. Das ist eine sehr gekünstelte Darstellung Herr Abg. Baecker, ich bin höflich, das merken Sie wohl, nicht wahr? So war das nicht. Herr Landrat Kramer hätte aus dem Wortlaut des ihm zugesandten Briefes schon wissen können, um was es sich handelte. Er hätte mindestens mißtrauisch werden müssen. Der Brief, der an ihn gerichtet war, hat folgenden Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Landrat! Gestützt auf vertrauens⸗ würdige Empfehlungen, gestatte ich mir, in einer nationalen Pflichtangelegenheit Euer Hochwohlgeboren folgende Zeilen zu unterbreiten in der gewissen Annahme, daß dieselben bei Ihnen gerechte Wertung und, soweit es den Inhalt selbst angeht, eine mögliche Tatunterstützung erfahren werden. Ich beabsichtige, mit einigen ehemaligen Offizieren die Grundgedanken des „Scharnhorstschen Prinzips“ auch in Ihrem Kreise, der fraglos einen der moralisch und politisch bedrängtesten Deutschlands dar⸗ stellt, aufzunehmen und in die Tat dergestalt umzusetzen, daß zunächst auf den Gütern Ihres Kreises ehemalige Soldaten und junge unausgebildete nationale Arbeiter als feste landwirtschaft⸗ liche Arbeiter Einstellung finden

(hört, hört! links), wie wir dieses bereits auf einigen Gütern des Kreises Allenstein durchgeführt haben. Das Unternehmen trägt absolut wirtschaft lichen Charakter

(Lachen links) und arbeitet äußerlich im Tannenbergbund, „Frontbann“ organi⸗ siert, mit der Reichswehr zusammen.

(Hört, hört! links) Ich schließe dieser kurzen Umgrenzung unseres vaterländischen Unternehmens die Bitte an, Euer Hochwohlgeboren zu einem mir anzugebenden Termin aufsuchen zu dürfen betr. persönlicher

Rücksprache, speziell für die unverbindliche Angabe der in Frage kommenden national-völkischen Besitzer des Kreises. In dieser Angelegenheit befinde ich mich zurzeit bei Herrn Ritterguts⸗ besitzer von Woedtke⸗Ganglau als Gast.

Meine Herren, wer nach diesem Briefe nicht sofort Untersuchungen darüber anstellte, was dieser Scharnhorst⸗Bund, dieser Frontbann zu bedeuten haben, der verdiente in der Tat nicht, als politischer Beamter auf diesem gefährdeten Posten zu bleiben. (Sehr wahr! links. Herr Abg. Baecker hat gestern gemeint, man dürfe doch den Tannenberg— hündlern oder gleichgearteten jungen Leuten nicht die Torheit zu⸗ muten, daß sie sich an einen Landrat wendeten, wenn sie irgend etwas zu verheimlichen gehabt hätten. Die Naivität, um mich auch wieder milde auszudrücken, dieser jungen Leute übersteigt manchmal jede Grenze. Aber in Ostpreußen ist es ja manchmal so, daß diese Leute in jedem Gutsvorsteher und in jedem Landrat ihren natürlichen Patron erblicken. (Sehr richtig! links. Diesen Irrtum möchte ich ausrotten. (Bravo! links.) Derjenige Landrat, derjenige politische Beamte, der dieses Krebsübel unserer Zeit nicht sofort erkennt, verdient nicht, auf dem Posten zu sein, der ihm von der Staatsregierung angewiesen ist. (Lebhaftes Sehr richtig

und Bravo! links. Zuruf rechts: Der Brief ist ja in den Geschäftsgang gekommen!! Ja, Herr Abg. Gieseler, das ist es ja

gerade, was ich dem Herrn zum Vorwurf mache. Er durfte nicht in den Geschäftsgang kommen, sondern sofort nach Erhalt des Briefes hätte der Landrat Erkundigungen darüber einziehen müssen, um was es sich da handelte. So fängt das an und ich werde Ihnen nachher in den polemischen Bemerkungen gegen den Herrn Abg. Baecker über Entstehung der Schwarzen Reichswehr dienen so fängt das an mit den landwirtschaftlichen Arbeitern, dann kommt der Scharnhorst-⸗Bund, dann der Tannenbergbund, und dann die Fememorde! (Sehr richtig! links. Lachen rechts.)

Ich möchte an dieser Stelle aber auch entschiedene Ver⸗ wahrung gegen die Verunglimpfungen einlegen, in denen sich gestern der Herr Abg. Baecker dem Herrn Oberpräsidenten Siehr gegenüber gefallen hat. Herr Abg. Baecker hat von wahrheits⸗ widrigen Berichten gesprochen. Die Berichte, die Herr Ober⸗ präsident Siehr erstattet hat, waren nicht wahrheitswidrig, sie entsprachen den Tatsachen. (Bravo! links. Wenn Herr Ober⸗ präsident Siehr seit dem Jahre 1924 den Provinzialausschuß der Provinz Ostpreußen nicht besucht hat, so kann ich mir sehr wohl denken, daß er dazu gewichtige Gründe hatte. Wenn es Ihnen da stimme ich durchaus Herrn v. Eynern zu, daß Sie da bei sich Einkehr halten müßten —, wenn es Ihnen mit dem Ziel, das Sie sich gesteckt haben, ernst ist, wenn es Ihnen ernst ist mit einem Zusammenarbeiten aller gut gesinnten Schichten unseres Volkes, dann, Herr Baecker, möchte ich Sie bitten, auf Ihre politischen Freunde in Ostpreußen dahin einzuwirken, daß sie auch mit demokratischen und sozialdemokratischen Beamten in ein erträgliches Verhältnis kommen möchten. (Sehr richtig! links und im Zentrum.) Gewiß, Sie haben heute in der Provinz Ost— preußen die Mehrheit der Wähler hinter sich. Das braucht aber nicht immer so zu sein. Es gibt außer Ostpreußen auch noch andere Gebiete in Preußen. Hinter dem ostpreußischen Zaun der Deutschnationalen wohnen auch noch andere Leute. Daran müssen Sie sich erinnern, und wenn Ihre Herren in Ostpreußen aus dieser Erkenntnis die notwendige Schlußfolgerung ziehen in bezug auf ihr Verhalten anders denkenden Personen gegenüber, dann wird auch der Oberpräsident Siehr bald den Provinzial⸗ ausschuß in Ostpreußen wieder besuchen. Aber die Herren sind heute, glaube ich, von einem derartigen Selbstbewußtsein ich bemühe mich, ganz milde zu sein (Zuruf bei der Deutsch⸗ nationalen Volkspartei Nationalbewußtsein, nicht Selbstbewußt⸗ sein! Große Heiterkeit im Zentrum und links.) Ich stelle fest, daß in der Auffassung des Herrn Abg. Graf Garnier deutsch⸗ nationales Selbstbewußtsein gleichbedeutend ist mit National⸗ bewußtsein. Das ist aber ein Irrtum, Herr Abg. Graf Garnier.

Meine Damen und Herren, ich sage: die Herren in Ost— preußen sind von einem derartigen Selbstbewußtsein, daß einer ihrer prominentesten Führer, der Graf Eulenburg⸗Prassen, es fertig brachte, dem Staatssekretär im Staatsministerium zum Fall Kramer-Osterode zu schreiben:

Ich muß verlangen, daß der Landrat auf seinem Posten bleibt.

Ja, meine Damen und Herren, das haben Sie vielleicht früher Ihren Ministern schreiben können. (Große Heiterkeit im Zentrum und links. Vielleicht haben früher die Minister gekuscht, wenn ein solcher Brief des Grafen Eulenburg kam. Das ist vorbei! (Bravo! bei der Sozialdemokratischen Partei und bei den Deutschen Demokraten.)

Nun hat sich Herr Abg. Baecker gestern eins darauf zu gute getan, daß für das Verbleiben des Landrats Kramer-Osterode sich auch Synagogen ins Zeug gelegt hätten. (Heiterkeit links.) Ein echter deutscher Mann mag keinen Juden leiden, (Zuruf bei den Kommunisten: Doch seine Gelder nimmt er gern!) Das wollte ich nicht sagen, sondern: aber die moralische Unterstützung der Synagogen nimmt er gern. Wenn der Herr Abg. Baecker aber glaubte, empfehlen zu sollen, auf Grund der Tatsache, daß die Synagogen sich für Kramer ins Zeug legten, meine Ent⸗ scheidung noch einmal nachzuprüfen, so lasse ich das lieber bleiben. Sie kennen die Gründe, Herr Abg. Baecker.

Der Herr Abg. Baecker hat dann Bismarck zitiert. Was grundsätzlich dazu zu sagen wäre, hat eben der Herr Abg. v. Eynern schon besorgt. Man kann aus den vielen Reden und Bemerkungen von Bismarck so oder so zitieren. Ich mache mich anheischig, Herr Abg. Baecker, auch noch eine schärfere Wendung des Fürsten Bismarck besonders mit Bezug auf die politischen Beamten auszugraben. Aber Bismarck hin, Bismarck her, (3uruf rechts Große Heiterkeit) Nein, meine Herren, das meinte ich nicht. Ich wollte auf einen Vorgang, der nachbismärckischen Zeit, aber noch der alten Zeit anspielen. Da war mal in Oppeln ein Regierungsrat, der erfahren hatte, daß in Breslau die Stelle eines Vertreters im Bezirksausschuß offen sei. Er wandte sich an den Minister mit der Bitte, ihm diese Stelle zu übertragen. Sein Regierungspräsident war ihm wohlgesinnt und schrieb dem Personalreferenten des Ministeriums ich nenne den Namen nicht

B., der ohne Zweifel ganz gut befähigt, sehr selbstbewußt und als eingearbeiteter Kenner der Verhältnisse dem neuen Verwaltungsgerichtsdirektor schon an und für sich etwas über— legen ist, läßt B. nicht recht zur Geltung kommen.

Aus diesem Grunde hat der zuständige Regierungspräsident die

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zersetzung des Herrn aus Oppeln nach Breslau befürwortet. as ist an sich durchaus nett, nicht wahr Herr Abg. v. Eynern? Jetzt kommt aber die Personalreferent im Ministerium des Innern schrieb daraufhin folgendes:

Ihn jetzt nach Breslau zu tun, schien mir bedenklich; einmal mit Rücksicht auf Tschammer, der sich seit Jahren gegen die Uebernahme von B. ausgesprochen hat, und sodann eil ich ihn längliche Stellung bringen wollte. Wie Sie von Tschammer wissen werden, hat B sich bei den letzten Reichstagswahlen in Breslau zu weit nach links vorgewagt, und es ist nicht sicher, daß er auf dem alten Boden wieder entgleisen kann.

Und was hat dieser Mann getan? Er hat sich im Jahre 1912 für die Kandidaten der nationalliberalen Partei erklärt. (Große Heiter= keit im Zentrum und links.)

Zum Osteroder Milieu nur noch folgendes: Der Landrat Kramer ist selbstverständlich, wie es in Osterode üblich ist, abgefeiert

Fo F 95 2 8Bowikerkor Dabei hat ein Kreisdepuerter

Mair . Pointe. Ver

worden. eine lange Rede gehalten, in der folgende Wendungen vorkamen: Es sei unverantwortlich, die Ruhe durch solche Maßregeln zu stören und die Verantwortung treffe diejenigen, die die Brandfackeln mitten in ein friedliches Volk werfen. Das kennzeichne übrigens die ganzen Verhältnisse in Preußen. Wir müssen dagegen ankämpfen, wir müssen protestieren. Aber am Ganzen ist schuld die verfluchte deutsche Uneinigkeit. Wir müssen das System Severing⸗Braun in Stücke schlagen. Wenn wir das nicht können, dann sind wir unserer Väter nicht wert. (Große Heiterkeit im Zentrum und links) Ueber die Ausführungen eines anderen Redners wird dann folgendes gesagt: Er will als einfacher Bürger verstanden sein, der auch noch einiges zu sagen hat. Er erinnerte vor allem an die besonders für die Be— amten damals bestehenden Gefahren während der Abstimmungszeit rief auf zur Bekämpfung des jetzigen Regierungssystems in Preußen und forderte die Versammelten auf, auf das System Severing, die Barmat-Schieberei und die Futterkrippenwirtschaft einen Ver— achtungsschluck zu trinken, was unter Pereat⸗Rufen geschah. (Große Heiterkeit im Zentrum und links) Herr Abg. Gieseler, ich glaube, Sie haben angefragt, ob gegen die Beamten, die sich an diesem Pereat⸗-Schluck beteiligt haben, ein Verfahren eingeleitet worden sei e

Ich habe bei dem Oberpräsidenten Erkundigungen eingezogen. Wenn

es sich bewahrheiten sollte, dann werde ich den Oberpräsidenten an— weisen, die Verfahren niederzuschlagen. Was bei einer solchen Ab—

sich ereignet hat und sich gegen mich wendete, inkeressier

6 z 271 1 schiedsfeier micht nicht. 32 8 30 8 Der Herr Abg. Baecker

err (Berlin) hat dann gesagt, ich hätte im Ausschuß erklärt, daß ich mir eine gewisse Duldsamkeit der Presst gegenüber zuschreiben könnte. Er könne das nicht anerkennen; die h zum Beweis für seine Auffassung würde aber später noch ein anderer Redner der Deutschnationalen Volkspartei vortragen. Hert Abg. Baecker, ich möchte mir da das zu eigen machen, was Sie mil bezug auf den Fürsten Bismarck zitiert haben. Die Kreisblaltpresse die meine ich allein; denn auf die andere Presse habe ich keinen Ein— fluß die Kreisblattpresse, die amtliche Presse kann sich gegen die Regierung und gegen meine Maßnahmen wenden, dagegen habe ich gar nichts. Sie darf aber nicht die Unwahrheit schreiben (sehr richtig! links), und sie müßte die Unwahrheit berichtigen, wenn in ihren

Spalten irgendein Mitarbeiter Unwahrheiten verbreitet hat. Die Kreisblätter, die das nicht tun, die amtlichen Organe, die sich dazu nicht bereit finden, die hören damit automatisch auf, amtliche Blätter und Kreisblätter zu sein (sehr richtig! links, und wo da noch durch einen sanften Druck der Regierungspräsidenten und Landräte nach geholfen werden muß, da wird das geschehen. Im übrigen aber, glaube ich, darf ich mir doch attestieren, der Presse gegenüber sehr duld⸗ sam zu sein. Ich hätte so manchmal Anlaß, zu verbieten, ich hätte so

Einzelheiten

ö an nm s 5 . . 3 nimm Gen, n n manchmal Anlaß, zu klagen. Ich tue es nicht. Ich bin überzeugt 16 6 ul sickh ginmnrsl wan solßer an Deßr vchbtia! linke das brennt sich einmal von selber aus. (Sehr r chtig! links.

Sie haben dann die Behauptung aufgestellt, daß *

preußische Innenminister als Polizeichef Deutschnationalen gegenüber eine sehr un freünd⸗ läche Haltung einnehme, wie das aus den vielen Anfragen er— sichtlich sei, die sie an den preußischen Polizeiminister gerichtet haben.

im allgemeinen aber doch sagen: Eine Behauptung einer kleinen Anfrage ist noch lange kein Wahrheitsbeweis (sehr richtig! links,, und ich glaube, Daß bei näherer Prüfung vieler dieser kleinen Anfragen sich er⸗ geben wird, daß Entstellungen und Uebertreibungen mindestens mit⸗ gespiel! haben,

Im übrigen, Herr Kollege Baecker, darf ich Sie darauf aufmerk⸗ sam machen, daß die Herren von der Kommunistischen Partei hier im Landtag und im Reichstag ähnliche kleine und große Anfragen ein- gebracht haben, nach denen die Polizei sich ihnen gegenüber besonders unfreundlich eingestellt habe. (Zuruf bei den Kommunisten: Wir sind das gewohnt Ich glaube, die notwendige Balance ist dadurch schon wieder hergestellt. (Heiterkeit) Und wenn Sie in den Vor— gängen bei der Abfahrt der Schutzpolizeibeamten nach dem Rheinland

*

einen Beweis für die Richtigkeit Ihrer Behauptung zu sehen glauben,

so darf ich darauf aufmerksam machen, daß in der Linkspresse, besonders in der demokratischen Presse Ostpreußens, Klagen darüber geführt

worden sind, daß bei dem Auszug der Schutzpolizeibeamten aus Lych

oder Osterorde Lieder gespielt worden sein sollen sagen wir ein⸗ mal —: von der anderen Richtung, nationalistische Lieder, die sich

mit der republikanischen Dienststellung der Beamten nicht vertragen

(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor M engering

in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt. Berlin Wilhelmstr 32.

Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage) und Erste bis Dritte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.

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2 en,, * am, mem.

Inhalt des amtlichen Teiles: Deutsches Reich.

Bekanntgabe der amtlichen Großhandelsindexziffer vom 3. März

und für den Monatsdurchschnitt Februar 1926.

Amtliches.

Deutsches Reich. Die amtliche Großhandelsindexziffer vom 3. März und für den Durchschnitt Februar 1926.

Die auf den Stichtag des 3. März berechnete Groß⸗ handelsindexziffer des Statistischen Reichsamts ist gegenüber dem Stande vom 24. Februar (1176) um CO.3 vH auf 117.3 zurückgegangen. Gesunken sind die Preise für Gerste, Kartoffeln, Schweinefleisch, Hopfen, Treibriemenleder, einige Textilrohstoffe und halbwaren sowie die meisten Nichteisenmetalle. Höher lagen die Preise für Weizen, Hafer, Schmalz, Zucker, Rinds⸗ Hauptgruppen haben die Agrarerzeugnisse von 111,5 auf 1113 oder um O,? vH, die Industriestoffe von 1293.0 auf 1285 oder um

häute, Schwingflachs und Benzin. Von den

0,4 vH nachgegeben.

Für den Durchschnitt Februar ergibt sich ein Rückgang der Großhandelsindexziffer von 1209 im Durchschnitt Jamar

auf 118,4 oder um 1,B3 vH. Berlin., den 4. März 1926. Statistisches Reichsamt. J. A.: Bramstedt.

Nichtamtliches.

Dentsches Reich.

Am 20. Februar d. J. verschied an den Folgen eines Schlaganfalls, den er tags zuvor im Reichstag erlitten hatte, der Präsident der Reichsgetreidestelle, Geheimer Regierungsrat Paul Merz. Präsident Merz ist am 15. Oktober 1882 in Nach Absolvierung des humanistischen Gymnasiums seiner Vaterstadt trat er 1901 als Kameral⸗ praktikant in den bgyerischen Finanzdienst ein und bestand 19605 die für diesen Dienst vorgeschriebene Prüfung. Anfang 1906 trat er in den Kolonialdienst des Reichs über und wurde dem Gouvernement Deutsch Neuguinea überwiesen. Dort war er zunächst beim Gouvernement, später als Leiter der Regierungs⸗ station in Simpsonhafen tätig. Im Februar 1910 übernahm er

Beʒirksgerichtz in Jaluit ö. den Marschall-Inseln. Nach Besitzergreifung der Inseln durch die Japaner wurde er am 35. Oktober 1914 gefangengenommen und nach Tokio gebracht. Dort wurde er am 22 Oflober 1914 wieder ausgewiesen und kam über Honolulu nach San Francisco, wo er ein Jahr lang bei dem Deutschen Konsulat arbeitete. Im Oktober 1915 konnie er von New York abreisen und erreichte Anfang Januar 1916 die Heimat, wo er sich alsbald dem Reichskolonialamt zur Verfügung stellte und in diesem vom Februar 1916 bis April 1917 beschäftigt wurde. Im Mai 1917 trat er in den Dienst des Kriegsernährungsamts, wurde am 1. Oktober 1919 zum Geheimen Regierungsrat und vortragenden Rat im Reichswirtschaftsministerium ernannt und trat mit der Errichtung des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft am 1. April 1920 in gleicher Eigenschast in dieses über. Infolge seiner hervorragenden Fähigkeiten wurde ihm hier alsbald die Leitung der besonders wichtigen Abteilung für die Angelegenheiten der Wirtschaftspolitik und der Ein, und Ausfuhr übertragen. Am 18. April 1921 wurde er zum Prãäsidenten der Reichsgetreidestelle ernannt. Merz war ein Mann von unermüdlicher Pflichttreue, vorbildlicher Gewissenhaftig⸗ keit und hervorragender Arbeitskraft. In seiner langjährigen kolo⸗ niglen Tätigkeit hatte er sich umfassende Kenntnisse auf wirtschaft⸗ lichem Gebiete erworben, die ihn besonders befähigten, nach Be⸗ endigung des Krieges an allen Verhandlungen mit den bisher ö

ands teilzunehmen und maßgebenden Einfluß auf sie auszuüben. Als er durch das bejondere Vertrauen des Reichsministers Dr. Hermes an die Spitze der Reichsgetreidestelle berufen wurde, hat er in dieser Stellung entscheidend dazu beigetragen, daß niemals, auch nicht in der Zeit des Ruhrkampfes und des

Bayreuth geboren.

die Verwaltung des Bezirksamts und

lichen Mächten über die Lebensmittelversorgung Deuisch

völligen Währungsverfalles, die Versorgung des deutschen Volkes

mit Brot gefährdet war. Sein jäher Tod in der Vollkraft

der Jahre reißt eine schwer zu schließende Lücke. Alle, die mit ihm im Mmisterium und in der Reichsgeireidestelle zusammen⸗ en haben, werden dem hervorragenden Beamten und iebenswerten Menschen ein ehrendes Gedächtnis bewahren.

Deutscher Reichstag. 170. Sitzung vom 4. März 1926, mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.“

Am Regierungstische: Minister für die besetzten Gebiete Marx.

Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 12 Uhr 20 Mi⸗ nuten.

Auf der Tagesordnung stehen Anträge aller Parteien, betr. Aufhebung der Wein steuer und Verlängerung der Personalkredite, ferner fünf Initerpellationen Dr. Becker⸗Hessen (D. Vp), von Gusrard (Zentr.), Wallraf (D. Nat., Stöcker (Comm.), Di et rich Baden (Dem.) über die Notlage der Winzer.

Abg. Ha cg (D. Nat.) eröffnet die Aussprache und erklärt, es liege den Winzern wahrhaftig nichts daran, daß von ihnen soviel geredet werde, und daß jetzt sogar eine ganze Sitzung des Reichs⸗ tages sich mit ihrer Notlage beschäftigen müsse. Sie seien aber das Opferlamm geworden, weil man bei den Mittelmeerstaaten bessere Bedingungen für die Industrie herausholen wollte. Die Winzer kämpften ig um ihr Lebensrecht. Die Wirtschaftsverhandlungen mit dem Auslande müßten so gestaltet werden, daß es dem deutschen Winzer möglich sei, sich bei Fleiß und Tüchtigkeit auf seiner Scholle zu erhalten. Mit Krediten und Steuererleichterungen ei nicht zu helfen, wo man die Lebensader abgeschnitten habe. Verxanlassung zu der heutigen Sitzung sei eine Verzwesflungstat der Winzer. Den Winzern sei der Glaube verlorengegangen, daß Regierung und Parlament über Versprechungen hinaus etwas tun, um das Lebensrecht der Winzer zu wahren. Das neue Wirtschafts⸗ iel der Linksparteien, die Zollunion, sei ein weiteres Moment, as den Winzer in Hoffnungslosigkeit verfallen ließe. Bei allen Handelsvertragsverhandlungen werde der Weinbau der Industrie geopfert. Ein Schlag gegen den Winzerstand sei auch der Artikel des „Vorwärts“, wonach das Problem des deutschen Weinbaues darin liege, wie man ihn am besten liguidiere. Der deutsche Winzer hänge an seiner Scholle und habe zu wenig Nomadenblut, um sich mit diesen Zukunftsaussichten abzufinden. Der Redner fordert Abbau der Weinsteuer, um dem deutschen Weinbau zu helfen und dem Winzer seinen Lebensmut wiederzugeben. Dann werde der deutsche Winzer ein unüberwindliches Bollwerk des deutschen Reiches in der bedrohten Westmark sein. 8 .

Abg. Neyses (Zentr): Wir haben schon jahrelang die Re⸗ gierung 36 die Notlage der Winzer aufmerksam gemacht und An⸗ träge zur Abhilfe gestellt. Jetzt ist alles so gekommen, wie es kommen mußte. Wir haben uns während der Pause in den Plengrverhandlungen nochmals in Versammlungen von der Not der Winzer er . Was vorgekommen ist, sind Verzweiflungs⸗ taten gewesen. r furchtbare Steuerdruck und die rücksichtslose Steuereintreibung haben die beklagenswerten Vorkommnisse ver— schuldet. Weinbau und Weinhandel fordern die ofortige Beseiti⸗ gung der Weinsteuer. Sollte das nicht angängig sein, so soll man wenigstens den Ertrag der Weinsteuer 53 den Winzern zugute⸗ kommen lassen. Leider gibt es im eu eine Partei, die mit dem Gedanken spielt, der deutsche Weinbau könne ruhig zugrundegehen. So achtet man in jenen Kreisen eine hundertjährige Kultur! Man verweist die Winzer auf die Auswanderung nach den Siedlungen im Osten. Wir denken nicht daran, daß auch nur ein Winzer im Westen seinen Weinberg aufgeben soll, wir verlangen Schutz für den deutschen Weinbau gegen die hemmungslose Weineinfuhr aus dem Auslande. (Beifall im Zentrum.)

Abg. K (Soz): Bei der Revolte in Berneastel hat es sich nicht um Separatisten gehandelt, sondern es waren Leute beteiligt, die gerade seinerzeit die Separatisten ausgeräuchert haben. 6 Ten aber nichts zur Abhilfe, so besteht die Gefahr, daß die Separgtisten sich der Sache bemächtigen. Wir begrüßen es daß man im Zentrum auch einmal Verstäͤndnis 5 hal für, die Gründe, die verzweiselte Menschen zu Revolten treiben. Möge man dasselbe Verständnis aufbringen, wenn es sich um Verzweifelte in den Städten handelt! Auf die Not des Weinbaues haben wir stets hingewiesen. Die Wut der Winzer auf das n n ist begreiflich. Mir ist z. B. mitgeteilt worden, daß ein

under Wein, das einem Winzer wegen seiner Steuerrückstände be⸗ , ,,. war, für einen Spottpreis an einen Händler los⸗ geschlagen wurde. Der spanische Handelsvertrag, dem Sie (nach rechts) die Notlage der Winzer vorwiegend zuschreiben, ist ja gerade mit den Stimmen der Deutschnationalen angenommen worden, während die Sozialdemokraten sich der Abstimmung enthielten. Wenn Sie den Winzern wirklich helfen wollen, müssen sie vor allem die Kaufkraft des Volkes und damit das allgemeine Kulturniveau durch Steigerung der Löhne heben. In einer verlogenen dema⸗ gogischen Politik hat man den Winzern den spanischen Handels— dertrag als ihren Hauptfeind hinzustellen . 1848 haben die Winzer auch revolkiert, in dem damaligen Winzerlied kehrte stets der Refrain wieder: „Fort mit den Zöllen!“ Damit waren die Zölle der Einzelstaaten gemeint. Heute kann man die Zölle gar nicht hoch genug bekommen. Die Befreiung gerade der kleinen Weine von der Weinsteuer haben wir Sozialdemokraten stets ver⸗

langt. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Dr. Becker⸗Hessen (D. Vp.) : Der Not soll man nicht durch lange Reden, sondern durch Taten abhelfen. Wir müssen vor allen Dingen den Winzern rasch helfen anftatt i die Hebung der ganzen Wirtschaft zu warten. Herr Kirschmann sollte einen An⸗ schauungsunterricht an der Mosel nehmen, dort ist die Not be—

) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

sonders groß. Wir bedauern, daß unsere Interpellgtion über die Winzernot nicht schon vor den letzten Vorgängen in Berneastel und Bullay behandelt worden ist; dann wären diese Vorgänge wohl vermieden worden. Wir dürfen die Winzer nicht mehr auf Mongte vertrösten, wie es die Regierung getan hat. Der Winzer braucht alle zwei Jahre Dünger, um aus dem Weinbau etwas her ausholen zu können; wir müssen ihm also den Düngerbezug er— möglichen. Wein ist immerhin ein Luxusartikel; es ist erklärlich, daß der Absatz in der Wirtschaftsnot zurückgeht; eine durchgreifende Besserung ist erst beim Wiedererstarken der allgemeinen Wirtschaft möglich. Es kommt hinzu, daß auch der Absatz unserer Weine nach dem Ausland zurückgegangen ist, namentlich durch die Trockenlegung verschiedener Länder. Ferner erschwert die Weinsteuer den Absatz, dazu kommen die sonstigen Steuern des Weinbaues und die Steige⸗ rung der Produktionskosten und schließlich die starke Weineinfuhr. Im vorigen Jahre hatten wir eine inländische Weinproduktion von L6 Milllonen und eine ausländische Einfuhr von 1,8 Millionen Hektolitern. Wir dürfen die Einfuhr nicht dauernd auf unseren Weinmarkt drücken lassek, deshalb müssen wir in unseren Handels verträgen, namentlich Italien und Spanien gegenüber, für den Schutz unseres Weinbaues sorgen. Es sind nicht nur rote Weine, sondern es ist auch eine ganze Menge Weißwein eingeführt worden Wir müssen unserm Weinbau Steuererleichterungen und Kredite verschaffen. Der Beschluß des Reichstags, einen Teil der Wein⸗ ertragsstener dem Weinbau zur Hilfe zur Verfügung zu stellen, ist nicht so auszulegen, daß damit nur Kredite gegeben werden soellen. Die Weinsteuer muß abgebaut werden. Wir appelltexen auch au die Länder, von denen leider hier kein Vertreter anweseng ist, den Winzern schnelle Hilfe zu bringen. Herr Kirschmann sollte eine Reise durch die Weinbaugebiete machen, um sich richtig zu infor⸗ mieren, wodurch der Veinban und Obstbau ruiniert worden ist. Er sollte port aber nicht so reden, wie er hier geredet hat. Der deutsche Weinban ist lebensfähig; er ist 2900 Jahre alt und hat auch traurige Jahre überstanden. Ich schlage vor, daß wir die An= träge in einem besonderen Ausschuß beraten, damit schnell ge⸗ arbeitet werden kann. GBeifall.)

Reichsjustizminister Dr. Marz: Meine Damen und Herrent Da der zuständige Reichsminister, der Herr Minister für Ernährung und Landwirtschaft, leider erkrankt ist, hat das Reichskabineit mich beauftragt, auf die heute zur Beratung stöhenden Interpella lionen und Anträge folgendes zu erklären.

Der deutsche Weinbau befindet sich zweifellos seit nunmehr drei Jahren in einer der schwersten Krisen, die man sich denken kann. Wenn schon die Not bei zahlreichen anderen Gewerben und Ständen im Deutschen Reich sehr groß ist, so kann man doch ohne Uebertreibung sagen: bei keinem anderen Stand ist die Not auf einen solchen Höhepunkt gestiegen, wie gerade beim deutschen Wein⸗ bau und bei den Gewerben, die mit ihm in Zusammenhang stehen In zahlreichen Winzerfamilien ist tatsächlich das Einkommen so gering geworden, daß die täglichen Lebensbedürfnisse nur mit größter Mühe, vielfach kaum noch zu befriedigen sind. Die ein⸗ fachsten Wünsche werden in den meisten Winzerfamilien überhaupt schon keine Befriedigung mehr finden.

Die Ursachen dieser furchtbaren Krisis da kann ich in weitestem Umfange mit den Ausführungen des Herr Kollegen Becker übereinstimmen sind ja verschiedener Art. Sie sind ein mal allgemeiner Art, insofern, sie beruhen auf der allgemeinen Not- lage unseres ganzen Volkes und Vaterlandes, und es sind spezielle Ursachen, die gerade den Weinbau und den Winzerstand betreffen. Der deutsche Weinbau, um auf die speziellen Gründe einzugehen, hat sein ausländisches Absatzgebiet fast vollständig verloren In— folge der allgemeinen Wirtschaftsnot und der daraus entspriagenden Schwächung der Kaufkraft des deutschen Volkes in seiner Allgemein⸗ heit ist der Inlandsverbrauch sehr stark zurückgegangen. Hierzu lommt, daß die Einfuhr von ausländischen Weinen infolge des niederen Zolls im Verhältnis zu der Kaufkraft der Bevölkerung außerordentlich groß ist, so daß das natürliche inländische Absatz⸗ gebiet weiter stark vermindert wird.

Die Reichsregierung hat bisher schon mit größter Anfmerk— samkeit die schwere Absatzkrisis und die sich hieran knüpfenge Not des Winzerstandes verfolgt. Sie hat auch, wie Ihnen bekannt, Mittel zur allgemeinen Förderung des Weinbaues, insbesondere zur Bekämpfung der Rebschädlinge, schon im Jahre 1924/26 bereit- gestellt. Sie hat im vergangenen Jahre den Ländern, die wir hierbei nicht übergehen dürfen, 30 Millionen Mark zur Gewahrung von Personalkrediten an den deutschen Weinbau zur Verfügung ge stellt. Noch in den letzten Wochen wurde aus dem Aufkommen der Weinsteuer für den deutschen Weinbau ein Betrag von 12 Mil- lionen Mark an die Länder zur Weiterleitung an die Interessenten, gegeben. Es wird dafür gesorgt werden, daß diese Mittel an die be⸗ sonders notleidenden Weinbaugebiete weitergegeben werden und wir hoffen, daß auch dadurch die Not an vielen Orten gemindert werden kann. Wir werden auch dafür Sorge tragen, daß diese Weiterleitung in allerkürzester Frist erfolgt.

Die Reichsregierung ist sich wohl bewußt, daß es sich beim Winzerstand um einen bedeutungsvollen Bevölkerungsteil von alter

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