1926 / 68 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Mar 1926 18:00:01 GMT) scan diff

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andere konkrete und nähere Zwecke Fragen, die mit der Erfüllung des Sachberständigengutachtens zu—⸗

der Tak wird erst durch solchen Neubau und die dadurch ermöglichte Jusammenziehung der zersplitterten Arbeitsstellen Gewähr für wirklich rationellen Ausbau des Amtes geschaffen werden.

Die Statistiken, die zurzeit das größte In eresse beanspruchen, find die Handels⸗ und Produktionsstatistik, die Volks-, Berufs. und Betriebszählung und die Steuer und Finanzstatistik.

Die Handelsstatistik hat besondere Bedeutung im Hinblick auf die Handelsvertragsverhandlungen und auf die Frage der Zahlungs-, Kredit« und Handelsbilanz. Mit Rücksicht auf die Tragweite und die außerordentliche Dringlichkeit dieser Fragen ist der größte Wert darauf gelegt worden, einerseits die handelsstatistischen Methoden zu ver- feinern, andererseits die Fertigstellung der Ergebnisse zu beschleunigen. Es ist gelungen, die Veröffentlichungen in beträchtlich erweiterter Form wesentlich früher herauszubringen als in der Vorkriegszeit. Die abnormen Verhälmisse unserer Wirtschaft haben die handels⸗ statistischen Arbeiten zeitweise außerordentlich erschwert. Die Ver⸗ besserung, die ihre Methoden erfahren haben, berechtigt jedoch trotzdem zu der Annahme, daß die Handelsstatistik einen hohen Grad der Zu— verlässigkeit erreicht. Die Angriffe, denen sie namentlich im ver⸗ gen genen Sommer ausgesetzt war, haben sich als unbegründet erwiesen. Sie haben aber beträchtlichen Schaden verursacht. Es ist wohl nur biesen unbegründeten Angriffen zuzuschreiben, daß der Reparations⸗ agent in seinem Bericht vom 30. November 1925 glaubt annehmen zu müssen, daß in den deutschen Aus⸗ und Einfuhrzahlen Fehlermöglich— keiten von 10 vH steckten, während tatsächlich die Fehlermöglichkeit erheblich geringer anzusetzen und anerkanntermaßen nicht höher als in anderen Ländern ist.

Eine wichtige Ergänzung der Handelsstatistik ist die Produktions— statistik. Entsprechend dem im vorigen Jahre von dem hohen Hause geäußerten Wunsche ist eine wesentliche Erweiterung der produktions— statistischen Erhebungen durchgeführt worden. Für das Jahr 1925 sind außer der Kohlen, Eisen-, Hüttenindustrie, die bisher erfaßt wurden, weitere 23 Gewerbezweige in die Statistik einbezogen worden.

Der Ausbau der Probduktionsstatistik ist um so notwendiger, als das bisher vorliegende sehr beschränkte Material immer wieder zu irrigen Schlüssen über die heutige Lage der Gesamtwirtschaft sowie ihr zahlenmäßiges Verhältnis zum Vorkrlegsumfang verleitet. Die Produktionsstatistik wird erst dann ihren Zweck ganz erfüllen, wenn sie in erweitertem Umfange fortgeführt wird.

Auf dem Gebiet der Finanzstatistik hat die Neuordnung der Steuer- und Finanzverfassung des Reichs eine völlig neue und sehr weit gespannte Aufgabe gebracht. Die Inangriffnahme dieser Auf— gabe konnte allerdings erst dann einsetzen, als mit der Stabilisierung der Währung ein einheitlicher Wertmesser für die Steuer und Finanzvorgänge gewonnen war. Wie der Herr Reichsfinanzminister, lege auch ich den größten Wert darauf, daß diese Statistik so aus— gestaltet wird, daß sie einen klaren Einblick in unser Steuer und Finanzsystem und seine volkswirtschaftlichen Wirkungen bietet. Eine solche Klarlegung über die steuerliche Belastung der Wirtschaft und die Richtung, die die öffentlichen Ausgaben nehmen, ist nicht nur von größter Bedeutung für unsere gesamte innere Politik, sondern auch für die auswärtige Wirtschafts, und für die Reparationtzpolitik. Es ist dafür Sorge getragen, daß die statistischen Ergebnisse für die Zwecke des Finanzausgleichs rechtzeitig fertiggestellt und daß darüber hinaus auch die Unterlagen für die Beurteilung der wirtschaftlichen Wirkung unserer Steuergesetze alsbald vorliegen werden.

Bei dieser Ausdehnung der statistischen Arbeiten und bei der Vielheit ihrer Verwendungszwecke bietet sie einer politisch ein— gestellten Kritik unter Umständen große Angrlffsflächen. Die Statistik aber muß unbeirrt von aller Politik ihren Weg strengster Objektivität und Neutralität weitergehen wie bisher. (Sehr richtigh Im Interesse ihres Ansehens im Inlande und insbesondere im Auslande ist es daher im höchsten Grade wünschenswert, wenn die amtliche Statistik dem politischen Tageskampfe entzogen bleibt. (Lebhafte Zustimmung.)

Begrüßt habe ich die Begründung des Instituts für Konjunktur⸗ forschung, die im Juli vorigen Jahres in Anlehnung an das Statistische Reichsamt erfolgt ist. Diese Bestrebungen stehen im Rahmen der auf Rationalisierung der Wirtschaft gerichteten Maß— nahmen. Denn wenn es die eine große Aufgabe der Wittschaft ist, die Kräfte und Güter über den Raum zu verteilen, so ist nicht minder wichtig die andere Aufgabe einer richtigen Verteilung von Gütern und Kräften über die Zeit. Die erste Aufgabe wird von Handel und Verkehr, Reichsbahn und Reichspost gelöst, die zweite nicht minder wichtige Aufgabe bringt teilweise noch ungelöste Probleme mit sich. Eine wesentliche Grundlage für ihre Behandlung ist der Ausbau einer methodischen Konjunkturbeobachtung auf wissen⸗ schaftlicher Grundlage. Ich halte es für eine Pflicht des Reichs, biese Bestrebungen tatkräftig zu unterstützen, denen selbstverständlich bie volle wissenschaftliche Unabhängigkeit gewahrt bleiben muß. Erfreulicherweise werden bereits jetzt kurze Zeit nach der Aufnahme und Tätigkeit des Instituts in anderen Zentren des Reichs Zweig— stellen errichtet, so z. B. im Ruhrgebiet, in Mitteldeutschland, vor= aussichtlich auch in Süddeutschland. Ferner werden der ersten großen Publikation schon bald laufende Monatsberichte folgen, denen sich Wochen und Vierteljahrsberichte anschließen sollen. So wird das Konjunkturinstitut eine Art von wirtschaftlicher Wetterwarte dar— stellen, die die Bewegung der Wirtschaft, die sich entwickelnden Spannungen beobachtet und signalisiert.

Während über die Bedeutung und den Wert der Statistik im allgemeinen Uebereinstimmung herrscht, stehen weite Kreise einer Wirtschaftsenquete skeptisch gegenüber. Hier und da hört man neben zahlreichen zustimmenden auch völlig ablehnende Aeußerungen. Der Gesetzentwurf ist gestern dem Volkswirtschaftlichen Ausschuß dieses Hauses überwiesen worden. Dort wird Gelegenheit sein, das ganze Problem eingehend zu beraten. Es kommt für das Gelingen wesentlich auf die Persönlichkeiten und die Organisation des ihnen anvertrauten Apparats an.

Ueber diese beiden Seiten der Frage will ich mich heute nicht verbreiten. Dagegen lege ich darauf Wert, in dem Gesamtzufammen⸗ hang meiner wirtschaftspolitischen Darlegungen zu betonen, daß wir noch weit entfernt von Klarheit und Uebereinstimmung in der Er⸗ kenntnis der Grundtatsachen unserer Wirtschaft sind, und daß es sich deshalb in erster Linie darum handelt, an Stelle all dieser Zer⸗

splitterung und Widersprüche einen objektiven Bericht über den Stand unserer wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere der Er—

zeugungs⸗ und Absatzbedingungen, zu erhalten. Wit bedürfen eines solchen aber nicht nur als einer soliden Grundlage für unser zu⸗ künftiges Wirtschaftsprogramm. Wir verbinden damit vielmehr auch Ich denke an die Klärung der

santmenhängen, an eine Vorbereitung des Finanzausgleichs und an einen alle Zweige der deutschen Gesamtorganisation ergreifenden Sparplan.

Mit diesen Erörterungen stehe ich schon mitten in den Fragen

nach zukünftiger Wirtschaftsgestaltung und den begreiflicherweise immer wieder geforderten Maßnahmen auf lange Sicht. Ohne Zweifel macht unsere Wirtschaft einen Umstellungsprozeß größten Ausmaßes durch, dessen Kennzeichen Rationalisierung ist, das heißt Wirtschaftsvernunft, Haushalten, Vermeidung von Verschwendung

an Material und Arbeit, vor allem Anpassung und Konzentration.

Dieser Prozeß ergreift die Organisation der Arbeit, verbessert die

Technik und bringt neue Formen der, Zusammenschlüsse und Ver=

ständigung von Werk zu Werk. Es wird alle bisherigen Methoden und Formen auf ihre weitere Brauchbarkeit erproben und keine schonen, die sich überlebt hat. (-Sehr gut! bei der Deutschen Volks partei. Denn er darf seine Ziele: Qualitätsarbeit, Konkurrenzpreise, Kapitalbildung nicht verfehlen. Zerstörung und Not, die im Zuge dieser Umstellung unvermeidlich sind, werden ertragen werden müssen, weil nur dieser Weg Deutschland wieder ins Freie führen wird. Angesichts des ungeheuren Umfangs der Arbeitslosigkeit ist es schwer zu prophezeien, wie weit und vor allem wie bald Wieder⸗ aufnahme und Aufsaugung der Arbeitermassen durch die, umgestellte Wirtschaft erfolgen kann. Voraussichtlich werden wir auf längere Zeit mit einer höheren Arbeitslosenziffer als noch vor Jahresfrist rechnen müssen. (Hört, hört) Immerhin hat die Erfahrung gezeigt, daß Revolutionen der Technik und Organisation stets mehr Köpfe und Hände in ihren Kreis gezogen haben, als vorher in der Pro⸗ duktion beschäftigt waren. (Zustimmung) Sollten wir in absehbarer Zeit nicht dahin gelangen und nach Lage der Weltwirtschaft noch keine Aussicht dazu bestehen, so muß großzügige Siedlung, Ver— pflanzung von Arbeitskräften auf das Land helfen. In beschränktem Umfange werden bereits jetzt entsprechend der Ankündigung in der Regierungserklärung die Vorbereitungen für solche Maßnahmen getroffen.

Der Umstellungsprozeß ist in vollem Gang. Wir stehen ihm zwar nicht als kühle Beobachter gegenüber. Aber die Macht des Arztes ist in der Krise gering. Die Natur muß sich selbst hetfen. Ich zweifle nicht daran, daß die deutsche Wirtschaft, die noch schwerere Zeiten durchgemacht hat, auch diese Krise überwinden wird. Wir können nur mit kleinen Mitteln beleben und er⸗— leichtern, vorfichtig fördern und Störungen fernhalten. Von solchen Mitteln habe ich schon gesprochen. Hier fügt sich ein die steuerliche Erleéichterung von Fusionen, die Unterstützung der Be⸗ strebungen auf Normung, Tvpisierung, Hebung der Wirtschaftlich= keit und wohl auch das Berufsausbildungsgesetz, das in meinem Amt ingwischen fertiggestellt ist. Ich unterstreiche die Unter— stützung des Reichskuratoriums für Wirtschaftlichkeit und gebe mehier Freude darüber Ausdruck, daß der Hauptausschuß den an⸗ geforderten Betrag mehr als verdoppelt hat. Das Plenum wird nicht zurückstechen, denn niemand von uns darf vergessen, daß die Größe unserer geschichtlichen Leistung auf dem Gebiete von Technik und Wirtschaft nicht weniger als auf der Heranziehung einer hoch qualifizierten Arbeiterschaft auf der deutschen Wissenschaft beruht, und daß wir der Wirtschaft keinen größeren Dienst erwetsen können, als wenn wir Forschungsinstitute und alle sonstigen wissenschaftlichen Bestrebungen zur Hebung der Wirtschaftlichkeit unterstützen.

Die beste Hilfe jetzt und in nächster Zukunft kann der Staat dadurch geben, daß er seine eigene Rationalisierung vorwärks⸗ treibt. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.) Die Reichs—⸗ regierung sst fest entschlossen, die angekündigte Verwaltungsreform ins Werk zu setzen, denn Wirtschaft und Volk haben Anspruch darauf, daß Reich, Staaten und Gemeinden mit gutem Beispiel vorangehen und in einer durchgreifenden Reform unser ganzes NRegierumgssystem vereinfachen und verbilligen. Es wird hierbei auch Fürsorge zu treffen sein für die richtige Mitwirkung an den Staatsfunktionen. .

Ich hoffe, daß der Gesetzentwurf für den endgültigen Reichs wirtschaftsrat in der Sommertagung verabschiedet werden kann. Auch hier wie bei der Wirtschaftsenquete sind die Meinungen geteilt. Ich verkenne nicht, daß namentlich in den ersten Jahren seiner Wirksamkeit der vorläufige Reichswirtschaftsvat sich keiner allgemeinen Sympathie erfreut hat. Reorganisation im Jahre 1923 ein Wandel eingetreten. Die Reichsregierung jedenfalls legt größtes Gewicht auf seine Mit- arbeit und hat vor allem bei der Steuer- und Zollgesetzgebung des vergangenen Jahres wertvolle Hilfe an ihm gehabt. Es ist not⸗ wendig, daß den Ministerien ein Gutachterorgan zur Seite steht, in welchem in geordnetem Verfahren die Sachverständigen und

Interessenten jeweils zu Gehör und in Wechselvede kommen. Da⸗

neben darf nicht die große allgemeine Bedeutung eines Organs

wie des Reichswirtschaftsvats verkannt werden, die dartn liegt,

daß die in ihm vereinigten Wirtschaftskreise sich genötgt sehen,

ihre Privatinteressen mit der Richtung auf das Wohl der Allge⸗

meinheit zu begründen und damit von selbst allmählich dazu zu gelangen, sie in den Rahmen der Volkswirtschaft einzuspannen. Mit Recht wird weiter hervorgehoben, daß der Reichswirtschaftsrat nach der Zerschlagung der Zentralarbeitsgemeinschaft und bei der fortwirkenden Unsicherheit über die Bildung von paritätischen Er⸗ satzorganen gewissermaßen den letzten Tisch darstellt, an dem sich die beiden großen Gruppen der Unternehmer und Arbeitnehmer zum Ausgleich der Gegensätze und zu gemeinsamer Arbeit an der Wirtschaft zusammenfinden könne . Liegt hierin die Mitwirkung der Wirtschaft an der Gesetz= gebung, über deren Einzelheiten wir uns bei Beratung des Ge⸗ setzentwurfs über den endgültigen Reichswirtschaftsrat unterhalten müssen, so fragt sich weiter, wieweit die Wirtschaft an der zweiten

Funktion des Staates, der Rechtsprechung, beteiligt werden kann.

Der Gesetzentwurf über die Errichtung von Verwaltungssenaten beim Reichsgericht liegt dem Reichstag vor. Er gliedert auch das Reichswirtschaftsgericht dem Organismus des Reichsgerichts an. Damit ist ein wesentlicher Fortschritt in der bisherigen Ent⸗ wicklung vollzogen. Schon vor dem Kriege war das Verlangen nach einer stärkeren richterlichen Beteiligung der Wirtschaft an einzelnen Teilen der Rechtspflege vorhanden. Auf der Dangiger Tagung des deutsch⸗österreichischen Juristentages im Jahre 1910 fand es seinen Ausdruck. Im Kriege wurde dann dleses System im Reichsschtedsgericht zur Feststellung der Ersatzleistungen für Eingriffe des Staates in die Wirtschaft eingeführt und nach dem

Kriege beim Reichswirtschaftsgericht weiter ausgebaut. Nunmehr

Hierin ist aber seit seiner

sehr schwere

40000 Arbei tolose mehr geschaffen wur

wird es endgültiwin die ordentliche Verwaltungsrechtspflege liber-= nommen. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit sich von dort aus eine Weiterbildung für die Zivilrechtspflege ergeben wird. Nicht nur auf dem Gebiete des formellen Rechts aber muß das

Zusammenwirken von Staat und Wirtschaft neuen rechtlichen Ge⸗

staltungen zum Leben verhelfen. Die mannigfachen Formen, in denen sich teilweise unter Benutzung der Formen der bestehen⸗ den Gesetze oder auch darüber hinaus in gesetzlich freier Rechts- schöpfung wirtschaftliche Unternehmungen einzeln oder im Zu⸗ sammenschluß betätigen, verlangen die Aufmerksamkeit des Staates.

Dies wird einem zum Beispiel klar, wenn man die Entwicklung

überblickt, die das Kartellwesen in Deutschland genommen hat. Die Beaufsichtigung der Kartelle und das Eingreifen gegen Mißbräuche, das in der Kartellverordnung geregelt ist und bezüglich dessen zurzeit in meinem Ministerium die Möglichkeiten eines weiteren Ausbaus in einer kleinen Kommission geprüft werden, behandeln die eine Seite dieser Wirtschaftsgebilde. Auf der anderen Seite haben gerade die Kartelle als Grundlage künftiger internationaler Vereinbarungen eine große Zukunft, und es wäte voreilig, wenn man durch eine rigorose Gesetzgebung in Deutschland unsere Beteiligung an derartigen internationalen Bildungen verhindern oder die Verlegung der Köpfe dieser Organisationen ins Ausland herbeiführen wollte. (Sehr richtig! rechts) Es ist schwer und erfordert Sachkenntnis und Feingefühl, hier einen richtigen Weg zwischen Wahrung der staatlichen Intexessen und Schutz der Konsumenten einerseits, Anpassung an die wirtschaft⸗ lichen Notwendigkeiten andererseits herbeizuführen. Man muß sich darüber klar sein, daß es sich hier um neue Rechtsbildungen handelt, auf welche die alten Normen nicht ohne weiteres Anwendung finden dürfen. Auch sie haben Anspruch, nach dem Rechte behandelt zu werden, das mit ihnen geboren ist.

Aber auch in der dritten Staatsfunktion, der Verwaltung, muß der Wirtschaft ein Anteil gewährt werden. Dieses Erfordernis wird in meinem Ministerium in doppelter Weise verwirklicht. Einmal sind unter den Referenten sowohl in der allgemeinen volkswirtschaft⸗ lichen wie in der Industrie⸗ und handelspolitischen Abteilung eine große Reihe wirtschaftlich und technisch geschulter Kräfte tätig, die ihre in der Privatwirtschaft und in freien Berufen erworbenen Kennt⸗ nisse nunmehr im Interesse des Reichs verwerten. Dann aber be—

steht auch eine ständige Fühlung zwischen meinem Amt und den

einzelnen großen Spitzenderbänden sowohl der Unternehmer wie der Arbeiter. Dieser über das Gebiet der Gesetzgebung hinausgehende Gedankenaustausch führt dazu, daß die einzelnen Maßnahmen in der Wirtschaft dem notwendigen Verständnis begegnen und daß mein Ministerium in kürzester Frist über die Auswirkungen seiner Tätig= keit imterrichtet wird. Solch enges Zusammenarbeiten hat sich als notwendig erwiesen und ersetzt in weitem Maße den fachlichen und lokalen Unterbau, der nach dem Aufbau der Reichsperwaltung meinem Ministerium fehlt. . Meine Damen und Herren, meine letzlen Ausführungen haben sich einer eingehenden Analyse der gegenwärtigen deutschen Wirtschaftslage und einer Prophezeiung für die zukünftige bewußt enthalten. Dennoch wird man, ohne den Tatsachen Gewalt anzutun, folgendes sagen können: Deutschland verfügt über eine hochqual fiziert und willige Arbeiterschaft und über Unternehmer, die ihren Willen und ihr Können zur sachgemäßen Einstellung auf die gegenwärtigen Verhältnisse bewiesen haben und zu beweisen im Begriff sind. Es verfügt über wissenschaftliche Erfahrung und großes lechnisches Können. Was ihm zurzeit fehlt, ist ein ausreichender Absatz für seine Erzeugnisse, Kaufkraft und das Kapital zum Betriebe seiner Unternehmungen. Ich hoffe, daß eine sachgemäße Umstellung auf die in der Zukunft gegebenen Absatzmöglichkeiten zur Aufnahme der Erzeugung am inneren und äußeren Markt führt und daß durch spar— same Handhabung der öffentlichen Verwaltung und der privaten Be⸗ triebe Deutschland das nötige Kapitel ansammelt, um allmählich wieder auf eigenen Füßen zu stehen und um im Austausch mit den Volkewirtschaften anderer Länder einen neuen Aufschwung zu nehmen. (Lebhafter Beifall rechts und in der Mitte) Abg Sim on-Franken Coen Das Reichswirtschafls⸗ ministerium hat, die chm gestelllen Aufgaben nicht erfüllt. Der Minister, der für die Politik dieses Ministeriums in der zurück liegenden Zeit verantwortlich ist, ist leider nicht mehr an seinem Platze. Aber trotzdem ist es notwendig, sich mit dieser Politik kritisch auselnanderzusetzen, vor allem deshalb, weil sie für die Wirtschaft, zu deren Hüter dieses Ministerium bestellt ist, geradezu verderblich war, Die Hanbelspolitik ist zu einem großen Fiasko geworden, Win haben seinerzeit darauf hingewiesen, daß eine Erhöhung der Zölle nicht, not— wendig war sondern daß eine Erhöhung des Zolltarifs mit späterer Inkeaftsetzung für , , ,, vollguf ausgereicht hätte. Wir verkennen nicht die großen Schwierigkeiten, die bei den deutsch—⸗ französischen, Verhandlungen bestehen. Wir sehen aber die größte Schwer gkeit darin und hier beginnt, die Schuld der Deutschen Republik, daß sie die deutschen Eisenzölle im Interesse der Schwer⸗ industrie aufrecht zu erhalten . und im . der Schwer⸗ industrie die Verhandlungen verschl 8. Wir haben die Befürchtung, daß das Provisorium zur weiteren Verschleppung der Verhandlungen führen wird. Wir halten das für verderblich, um so mehr, als gerade neuerdings die Schwerin dustrie ganz . den Preisabhau der Re⸗ ierung hinter ihrem Zollschutz zu sabotieren wagt. Im deutsch— J anischen Außenhandel sehen wir im vierten Quartal als Folge des . es einen Rückgang des deutschen Erports um WM Millionen. leser Rückgang hat die Handelsbilanz im vierten Quartal wieder passiv gemacht. Ohne den Zollkrieg wäre wahrscheinlich die deutsche ndelsbilanz mit . auch im vierten. Quartal aktiv gewesen. Wir fragen, ob dem Reichswirtschaftsministerium bekannt ist, daß eine offiziöse Stelle die Tatsache der Aktivität im deutsch⸗spanischen Hendel hat ableugnen wollen, und es sich hat gefallen lassen müssen, daß ein ehr 7 ustriellenverband Satz für Satz die Unrichtigkeit der offi⸗ iösen Erklärung nachwics. Der, Zollkrieg, den wir seit dreidiertel hren mit Polen und, mig führen, hat der deutschen Wirtschaft hläge versetzt, Auch hier en wir, wie bei Spanien, im zweiten Quartal eine aktive Handelsbilanz, vom dritten Quartal ab aber, als der Zollkrieg seine Wirkung zeigte, sehen wir eine ehen r Passivität ebenfalls au , des deutschen . Wir haben die Tatsache festzustellen, daß durch den Exportrückgang, der auf das Konto der Handelspolitik der ö setzen ist, etwa n. iese Berechnung ge⸗

(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)

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Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr Tyrol Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering . in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, . Berlin Wilhelmstr 32. . Fünf Beilagen seinschließlich Börsen Beilage) und Eiste bis Dritte Zentral ⸗Dandelsregister · Beilage.

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Deutscher Reichsanzeiger Preußischer Staatsanzeiger.

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Inhalt des amtlichen Teiles:

Deutsches Reich. Bekanntmachung, betreffend Brennstoffverkaufspreise.

Bekanntmachung, betreffend Widerruf der Zulassung von Teilen eines Bildstreifens.

Preuszen. Ernemmmgen und sonstige Personalveränderungen.

Amlliches. Dent sches Reich.

Bekanntmachung. ö Unter den im Deutschen Reichsanzeiger Nr. 297 vom 31. Dezember 1923 und Nr. Sz vom 7. April 1924 bekannt⸗ geg enen Bedingungen gelten nachstehende Brennstoff⸗ verkau s preise des Aachener Steinkohlen-Syndikats ah 1. März 1926 je Tonne in Reichsmark: l. Eschweiler Bergwerksverein: Biechkoks 1 50560, 60/90, 80 / loo, go loo mm RM 29, ö. 11 33 , mn J ö e 383185 III 16365, 29ũ90 mm . 23.833 2. Gewerkschaft Zeche Nordstern Großkoks . . 29. —. ö er bestehen. Berlin, den 20. März 1926. Akliengesellschaft Reichskohlenverband. Keil. Löffler.

Auf Antrag der Sächsischen Regierung vom 5H. März lDe6 ist am 18. März 1925 die Zulassung folgender Teile des Bildstreifens: „Freles Volk“ (Ursprungtzm firma und Antragsteller: Veritas-Film G. m. b. H., Berlin, Filmprüfstelle Berlin vom 2. November 1925 Prüfnr. 11 644) widerrufen worden:

In Akt 19S nach Titel 5: Verhalten des Gerichtsvorsitzenden bei Vernehmung des Zeugen von Mehling Länge: 1,10 m. In Att 19 nach Titel 13: Großaufnahme des Vorsitzenden

nach der Urteilsveikündung. Länge: 057 m.

Die im Umlauf befindlichen am 2. November 1925 ausgestellten Zulassungskarten verlieren mit dem 18. April 1926 ihre Gültigkeit, sofern sie nicht berichtigt worden sind.

Berlin, den 18. März 1926.

Der Leiter der Film⸗-Oberprüfstelle. Seeger.

Pren szen.

Ministerium für Landwirtschaft, Do mänen und Forsten.

Die Oberförsterstelle Wetzlar im Regierungsbezirk Koblenz ist zum 1. Juli 1926 zu besetzen. Bewerbungen müssen bis zum 10. April 1926 eingehen.

a Q Nichtamtliches.

Deutscher Reichstag. 181. Sitzung vom 20. März 1926, mittags 12 Uhr.

(Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.“

Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 12 Uhr 20 Minuten. ü ; Die zweite Lesung des Haushaltsplans des Reichswirtschaftsministeriums wird fortgesetzt.

Abg. Rauch⸗München (Bayer. Bp) hebt hervor, 1j das ganze System der Handelsverträge von Grund 21 neu errichtet werden müsse. Leider habe man eingearbeitete erfahrene Beamte vorzeitig abgebaut und dann später jüngere Beamte wieder einstellen müssen. Der Redner wendet sich gegen Auswüchse beim Kartell- und Syndikatswesen. Leider müßten bei den Handelsverträgen sehr viel Konzessionen nach außen gemacht werden. Es gehe nicht an, daß sie

erfolgen auf Kosten der schwer darniederliegenden Landwirtschaft, des

) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

ö. eee. .

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Weinbaues und des Obst. und Gemüsebaues. Er (Redner) hätte gewünscht, daß der Reichswirtschaftsminister eine etwas umfang— reichere Wir , ung t Bedeutung der deutschen Landwirtschaft hätte erkennen lassen. Mit Rücksicht auf die Notlage der Landwirtschaft lehne seine Fraktion den Antrag von Raumer, betreffend die Ver⸗ einigung des Reichswirtschaftsministeriums mit dem Reichs— ernährungsministerium ab. Der Preisabbau müsse gleichmäßig er— folgen, auch vor den Kartellen dürfe man nicht Halt machen. Bei den Leitungen der großen Kartelle scheine der Bankier dem Ingenieur etwas vorauszukommen, der Profitgeist scheine den technischen Fort⸗ schrittsgeist an dieser Stelle etwas zu überwuchern. Die Kartelle hätten also auch ihre Gefahren. Der bayerische Kohlenhandel habe sich gegen eine Vergewaltigung durch das Kohlenkontor gewehrt. Das Kohlenkontor, eine Privathandels⸗Gesellschaft, das einseitig nur die Interessen des Ruhrkohlensyndikats vertrete, treibe geradezu Handels spionage aus Konkurrenzrücksichten. Die Sprache, die diese Privat⸗ handels⸗Gesellschaft allerdings mit einem Handelsmonopol, führe, sei unerhört anmaßend, man habe da von den Kriegsgesellschaften viel angenommen. Anerkannte hayerische Firmen würden vom Kohlen— kontor behandelt wie eine eigene Filiale. Das gehe den ganzen baye— rischen Kohlenhandel an Man wolle einen großen Teil Bayerns zwingen, auf den Bezug schlesischer Kohle zu verzichten. Eine Ver⸗ mehrung des Zwischenhandels liege nicht im Interesse der Wirtschaft. Wozu schaffe man eine Schutzzollgrenze für Ruhrkohle mitten durch Bayern hindurch, die an die schönsten Zeiten des deutschen Zollvereins erinnere? Daß die ö in Oberschlesien und im Ruhr⸗ gebiet sich um fünf Mark pro Tag unterscheiden sollten, sei aus⸗ geschlossen. Die Ruhrkohle nutze eben ihre günstige Frachtlage aus und suche für gewisse Teile Bayerns auch noch ein Fb monopol zu grringen. Hier liege zweifellos ein Auswuchs des Kartellwesens vor. Was sei gegenüber dieser Gewaltpolitik des Kohlenkontors von der Regierung unternommen worden. Der Gedanke der Schaffung eines Kartellaufsichtsamtes erscheine daher nicht abwegig. Der Reichs⸗ kohlenkommissgr könne mit der Aufsicht nicht belastet werden, er würde sonst als Leiter der Kohlenhandels⸗Gesellschaft und sich selbst in Konflikt kommen. Eine derartige Verquickung staatlicher Auf⸗ sichtsbefugnisse mit der Vertretung privater Interessen sei jetzt a Jahre nach Kriegsende nicht mehr tragbar. Der Redner weist auf die Gefährdung der deutschen Zündholzindustrie durch den schwedisch— amerikanischen Zündholzkonzern hin, der bereits 70 vH des deutschen Geschäftes an sich gerissen habe. Diese Vertrustung bedeute für die deutsche Wirtschaft als solche und die Arbeiterschaft eine schwere Gefahr denn der Schwedentrust werde später die gesamte Produktion nach Schweden verlegen. Da müsse der Minister rechtzeitig vor⸗ beugende Maßnahmen treffen.

Abg. Kraetzig (Soz.): Wir bedauern lebhaft die Erklärung des Ministers über unser wirtschaftliches Verhältnis zu England. In England wird damit kaum Eindruck erzielt werden. So etwas macht man, zwenn es nötig ist, spricht aber nicht davon. Die Auf⸗ fassung des Ministers über die Wirkung der Zölle ist sehr subjektiv. Gewiß, es gibt Leute, die mit den Zöllen zufrieden sind. Aber f. vic steht fest, daß unsere Wirtschaft durch die Zollpolitik der etzten Jahre schwer geschädigt worden ist. (Sehr wahr! links.) Zur Kartellfrage hat der Minister nur wenig git. Er wünscht keine rigorose Bekämpfung der Kartelle, nun sollten wir aber ge⸗ rade jetzt diesen Fragen Aufmerksamkeit schenken. Die Kartelle der Eisenhändler haben unserer Maschinen industrie die Rohstoffpreise um 25 bis 37 vH verteuert. (Hört, hört! links.) Die Kartelle nehmen auf die Interessen der Gesamtwirtschaft gar keine Rücksicht. Wir fordern die Errichtung eines Kartellaufsichtsamts. Wenn Herr von Raumer von einem Pogrom gegen die Kartelle sprach, so ist das eine maßlose Uebertreibung. Unsere Wirtschaft würde viel schneller auch technisch fortgeschritten sein, wenn sie nicht in den Fesseln der Kartelle wäre. Das Handwerk hat be— sonders unter den Lieferungsbedingungen der Kartelle zu leiden. Wenn man immer erst wartet, bis besonders krasse Fälle vor— liegen, dann versagt natürlich die an und für sich durchaus brauch⸗ bare Kartellverordnung. Auch die Landwirtschaft klagt mit Recht über die Kartelle. Hier sind die Kartelle besonders 1. die hohe Spanne zwischen den Bedarfs- und Verkaufspreisen. Unter keinem Minister haben die Kartellzügel mehr am Boden geschleift als unter Herrn Neuhaus. Um die Aufmerksamkeit vom Treiben der Kartelle abzulenken, ist von gewisser Seite versucht worden, die Gewerkschaften mit den Kartellen in einen Topf zu werfen. So wie die Kartellverordnung jetzt gehandhabt wird, ist sie geradezu ein Schutzmittel zur n, ,, der achtstellung der Kartelle. Wie die Kartelle wirken, zeigt die Eingabe der Zement⸗ händler Hamburgs und Schleswig⸗Holsteins, wonach die Händler gezwungen werden, Zement aus weit abgelegenen Werken zu be⸗ ziehen, wobei die teure Fracht bezahlt werden muß, während sie aus der Nähe nichts beziehen dürfen. Viele Kartelle verkaufen nach dem Ausland billiger als im Inland. Der Baumwollroh⸗ stoff ist billiger geworden, die dentschen Baumwollfabriken hahen aber ihre Preise nicht herabgesetzt, sondern sogar noch höhere Zölle verlangt, um ihre Wucherpreise halten zu können. Wir haben in unserer Industrie einen großen Leerlauf, aber die Fabriken wollen trotz der verringerten Produktion dieselbe Dividende wie früher erzielen. Wir leiden auch an viel zu vielen Verordnungen, weil unsere Wirtschaft hauptsächlich von Juristen geleitet wird; die Syndizi behandeln alles vom juristischen Standpunkt aus, ohne die wirkliche Lage der Industrie zu beachten. Wir verlangen die Errichtung eines Kartellgufsichtsamts. Herr Koenen enipfiehlt ltatt dessen den russischen Weg, aber dieser Weg ist recht nebelhaft. Rußland hat durch 106 Konzessionen die Ausbeutung russischer Schätze an das Ausland ausgeliefert. Die russische Wirtschaft hat

durchaus noch keine Fortschrikte gemacht. Wir können die deutsche

Wirtschaft auch ohne das russische Muster sozialisieren. Das Kammergericht hat am 19. Dezember 1925 es als sittenwidrig

erklärt, billigere Preise zu nehmen, als die Wiederverkäufer für nötig halten, und dabei hat s in dem betreffenden Fall den abrikantenpreis sogar für hoch bezeichnet, nur nicht für zu hoch. Die Kohle wird um mindestens ssß vH verteuert. Wir haben gegen dieses Verfahren Anträge gestellt und schlagen die Ueber- weisung derselben an den Volkswirtschaftlichen Ausschuß vor Bela)

Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius nimmt hierauf das Wort. Seine Rede wird nach Eingang des Stenogramms vexöffentlicht werden.

Abg. Drewiß (D. Vp) ist der Auffassung, daß die Notlage des Mittelstandes blsher zu wenig von der Regierung beachtet worden sei. Die Belebung unserer Wirtschaft hänge nicht davon ab, ob und wie Handelsverträge abgeschlossen würden, sondern in erster Linie davon, wie wir in der Lage seien, die deutsche Wirtschaft von den Fesseln zu befreien, die immer noch auf ihr lasteten. Auf diesem Gebiete, fährt Redner fort, ist bisher recht wenig geschehen. Für die Landwirtschaft hat das Wirtschaftsministerium anscheinend nicht viel übrig. Wir können uns jedenfalls nicht damit abfinden, wenn der. Minister sagte, die Landwirtschaft werde auch weiterhin un ter der Krise zu leiden haben und Deutschland sich nicht von der eigenen Scholle ernähren können, Weiter sagte der Minister, unsere Sozialpolitik i noch nicht gefährdet. Wenn die Arbeitslosigkeit noch einige Monate ortdauert, dann wird die Sozialpolitik aus Mangel an Mitteln bald zusammenbrechen müssen. Mit der weiteren Verzögerung des Handwerkergesetzes hat sich die, Organisation notgedrungen ab- 6 Wenn der Minister, wie er sagte, sich vom Beginn seiner Amtszeit viel mit Fragen des Mittelstandes hat beschäftigen müßssen, so hal die Regierung selbst die Schuld, indem sie eist derartige Aus= nah megesetze wie daz Preisabbaugesetz schafft. Dem Handwerk kann man es nicht, verüheln, wenn es sich dagegen wehrt. Gegen die Kartelle ist bisher so gut wie nichts geschehen. Die Preisbildung des Braunkohlensyndikaks macht pro Brot fünf Pfennige aus. Wir sind gern bereit, am. Preisabbau mitzuarbeiten. . ist aber nicht möglich mit Gesetzen, söndern hier muß eins ins andere greifen. Zu— Rächst sind notwendig Steuererleichterungen. An die Stelle der jetzigen vierzig Steuern müssen einige wenige treten. Dann muß mit jeder Zwangswirtschaft aufgeräumt werden. Die Belebung des Arbeitsmarktes wird 6 dann von jelbst ergeben, und wir werden nicht mehr so sehr nach dem Ausland zu schielen brauchen. In der Kreditfrage fordert der gewerbliche Mittelstand das gleiche Recht, das anderen Gewerben und Industrien gewährt wird. Der Redner protestiert dagegen, daß der Mittelstand immer als Körper zweiter KLlasse und als Versuchskannchen von der Regierung behandelt werde. Der Reichskommissar für das Handwerk dürfe nicht nur eine Deko— ratien werden, sondern müsse auch einen bestimmenden Einfluß haben.

Abg. Dr., Wien beck (D, hat lehnt jede Mitschuld an der heutigen Wirtschaftspolitik für feine Partei ab. Die Politik sei von dem demokrgtischen Wirtschaftsminister Hamm begonnen, Dr. Neu- hau habe sie nur weiter führen können. Er habe sie aber doch insofern verbessert, als er den unglaublichen Handelsbertrag mit Shanen in ein anderes Gleis hineingeleitet habe. Die Antwort des Ministers auf . Mittelstandsinterpellation sei außerordentlich mager, sie sei nicht yeiß und kalt und charakterisiere die ganze Arb und Weise, wie das Handwerk stets behandelt worden 9 Die Geschäftsgufsichten und Konkurse hätten im Januar und Februar im Handwerk außerordentlich zugenommen. Im Bezirk Dortmund, der zu den besten gehörte, erhielten Ende Januar 3h09 selbständige Hand⸗ werker Wohlfahrktsunterstüätzung, Ende Februar 4. 600. ',, 6e Ende Februar bz280 Handwerksgesellen arbeitslos gewesen. In

lensburg seien 9 vH der Bauhandwerker und Fire n, en Ende . ohne Arbeit re, , , 49 vy der sellen im Vekleidungsgewerbe. Daneben nähmen die Regichetriebe zu. Der Stadtkreis Hörde habe beispielsweise eine eigene e n, ,, . errichtet. Das Bauen sei heute zu teuer, weil die Baustoffpreise zu hoch gehalten würden. Selbst der Stagt woll bei den Holz⸗ auktionen nicht mit seinen Preisen heruntergehen. Das Ernährungs- ministerium sollte den Schlächtern schärfer auf die Hand sehen. Das Handwerk habe Feinde ringsum. be sich das neue Wirtschafts-⸗ ministerium mit dem langsamen Verschwinden des Mittelstandes schon Hheschäftigt? Das Preisabbaugesetz ist wirklich kein Heldenstück, Oktapio. Der Oktavio sei in diesem Falle allerdings nicht Herr Curtius, auch nicht sein Vorgänger Neuhaus gewesen, sondern der Reichskanzler Luther, der am 5. Dezember dieses Gesetz im Runqpf⸗ labinett durchgesetzt habe. Und nun solle dieses Scheusal nicht in die Wolfeschlucht geworfen werden, sondern in abgeänderter Form wieder kommen. Nach den Erklärungen des Reichskanzlers müßte man mit dem Zurückziehen des Gesetzes rechnen. Eine neue Verdingungs— ordnung sei dringend nötig, es kämen wieder alle Submissionsblüken vor. Wig stehe es mit ben Krediten für den Mittelstand? Im vorigen Sommer seien reichlichere und billigere Kredite versprochen worden, und doch seien noch heule Kredite nur durch die Bank zu haben. Die Notverordnung, gegen die Preistreibere; müsse endlich beseitigt werden. Die Verhältnisse hätten sich inzwischen gänzlich ge⸗ ändert. Seine Freunde müßten immer wieder verlangen, daß Er— bebungen über die Lage des Handwerks vorgenommen würden. Im

Ministerium gebe es nur einen Reichskommissar für das Handwerk.

Das genüge nicht si die Bearbeitung der gesamten Mittelstands⸗ ftagen. Seine Fraktion verlange nach wie bor die Schaffung einer Staatssekretärstelle für die Mittelstandsfragen. Der Handwerke—⸗ beirat müsse anders zusammengesetzt werden; die Mittelstandsfraden seien keine Parkteisache, sondern eine allgemeine vaterländische Sache. Von Rußland sollen manche Anknüpfungen abgelehnt sein, weil die Russen für Kredite zu hohe Zinsen, 11 vH, zahlen sollten. Er bitte um Auskunft hierüber.

Abg. Nientimp (Gentr.): Das Schicksal des Handwerks bei uns im Westen ist besonders auf Gedeih und Verderb mit der ge⸗= santten Wirtschaft verbunden. Die Erhaltung eines selbständigen