sowle den auf Preußen entfallenden Anteil an den hierfür aufzu⸗ bringenden Mitteln bereitzustellen. Angesichts des Programms Reichsregierung zur Behebung der Ewwerbslosigkeit wird das Staats ministerium ersucht, alle Vorkehrungen zu treffen, um unverzüglich auch die Arbeiten öftlich von Peine am Mittellandkanal und die Vor⸗ arbeiten für den Ausbau des Südflügels aufzunehmen, und gegebenen alls die notwendigen Mittel durch eing weitere Kreditvorlage anzu= ordern. Es handle sich nun um die Frage, wann der Mittelland⸗
anal fertiggestellt werde. Nach der Vorlage sollen die Arbeiten plan⸗ mäßig und systematisch fortgesetzit werden. Planmäßig würde heißen innerhalb von sechs Jahren. Man habe im Ausschuß zwar längere
Zeiten von der Regierung nennen hören, deren Ursgchen beim Reiche ägen, müsse aber berlangen, daß das Rejch nicht üer anderen Auf— gaben die gerechten und dringenden preußischen Wünsche wegen des Hier mn dle nel vernachlässige. Dabei handle es sich auch um finan⸗ e, Dinge, denn Preußen, das 130 Millionen insgesamt zu diesem zrojekt beizusteuern habe, habe sich verpflichtet diesen Betrag seinen Probinzen ab sofort zu verzinsen, und sei daher an rascher Fertig- tellung interessiert. Gerade auch die intensive Durchführung des
zaues des Mittellandkanals, der den westlichen mit dem östlichen
Schiffahrtsverkehr verbinden soll, wende die Erwerbslosigkeit lindern. Sonderbarerweise nehme eine Gesellschaft, die Deutsche Reichsbahngesellschaft, gegen den Kanalausbau Stellung. Der Be⸗ richterstatter liest daun ein Schreiben vor, das die i g sbahf e ef- schaft an die Reichsregierung gerichtet hat und in dem sie sich gegen das Mitellandkanal⸗Projekt ausspricht. Die Reichsbahngesellschaft sei schon gegenüber allen anderen Verkehrsunternehmungen durch ihren besonders großen Anteil an den Reparationsverpflichtungen benach⸗ teiligt und könnte, wenn sie durch Kanalbauten auch noch geschädigt werden solle, Tarifmilderungsanträgen kaum noch, zustimmen. Der Beri in . bezeichnet es als ganz ungewöhnlich, daß gegen ein Projekt, das schon vor 20 Jahren als kulturnotwendig bezeichnet wurde, eine Reichsgesellschaft in dem Augenblick auftritt, in dem durch Uebergang der Wasserstraßenderwaltung auf das Reich das Reich selbst mit für diese Sache einzutreten habe.
Abg. Witt maack (Soz) sprach sich in der Debatte für die Vorlage aus. Die Gegner hätten gesagt, daß an eine Verkehrssteigerung in Deutschland nicht zu denken sei; wenn das zutreffe, könnten wir uns begraben lassen. Wenn erst die Jahre des Bauens hinter uns , . würden, würden die wirtschaftlichen Aussichten sich schon ge⸗ bessert haben. Zupor gelte es aber, die Verkehrswege, die der Wirt⸗ schaft dienten, zu bauen. Der Mittellandkanal werde nicht nur das Bindeglied zwischen dem Osten und Westen Deutschlands, sondern ganz Europas darstellen, e bels wenn die Arbeiten in Sowjet⸗ rußland abgeschlossen seien. Die Hauptstrecke müsse natürlich fertig⸗ gestellt werden. Es sollte aber auch der Südflügel baldigst in An⸗ griff genommen werden.
Abg. We is sermel (D. Nat.) stimmt gleichfalls der Vorlage u. Es müsse weiter gebaut werden, damit der Kanal kein Torso
leibe. Wir hätten längst angefangen zu bauen, und damit auch der Arbeitslosigkeit erheblich abgeholfen, wenn die Wasserstraßen nicht auf das Reich übergegangen wären. Auch hier räche sich die Ver reichlichung“ der Verkehrswege. Was die Entschließungen des Haupt- ausschusses angehe, so seien seine Freunde dagegen, daß man sich auf die Errichtung eines Kanalbauamtes in Merseburg festlege. Man solle der Entwicklung und der Entscheidung der berufenen Behörden nicht unnötig vorgreifen.
Abg. von Eynern (D. Vp.) erinnert an die Debatten des Ab⸗ geordnetenhauses über Kanalbauten. Wenn man sie zum Ver⸗ gleich mit den heutigen Erörterungen heranzieht, so sieht man, wie vergänglich politische Streitfragen 9ft sind. Ich hoffe, daß die Er⸗ fahrungen im Kriege auch den Deutschnationalen gezeigt haben, welche Wunde einst dem Staat mit der Gegnerschaft gegen den Mittelland⸗ kanal geschlagen worden ist. Wie schon einst der frühere Eisenbahn⸗ minister Thiele 664 jat, hängt die Wohlfahrt eines Landes nicht zuletzt von dem Ausbau eines großzügigen Verkehrsnetzes ab, (Sehr richtig! rechts) Jetzt zwingt uns alle die gemeinsame Not für die Vorlage einzutreten, um den Massen der Arbeitslosen Arbeit zu ver— schaffen. Um das Projekt zu fördern, muß schnell gehandelt werden Preußen hat sich nur unter der Bedingung mit der Uebernahme der Wasserstraßen guf. das Reich einverstanden erklärt, daß die damals vorliegenden Projekte sofort in Angriff genommen würden. (Sehr richtig! rechts) Man muß immer wieder seitens der Preußischen Regierung die Initative ergreifen, um auf die Reichsregierung ein⸗ zuwirken. Der lahm gewordene Reichsgaul muß angespannt werden, um den Weg zu gehen, den wir wünschen (Heiterkeit und Zustimmung). Das erfordern auch die landwirtschaftlichen Interessen, besonders die der rübenbauenden und exportierenden dandrwirtsch aft Wir bitten aber dringend, daß über die Fertigstellung der Hauptlinie nicht die Südlinie vergessen wird. Sie kann dasselbe Interesse in Anspruch nehmen als das Kernstück.
Abg. Heym (Komm.) ist für die Vorlage und fordert an— ständige Löhne für die Arbeiter.
Abg. Barteld⸗ Hannover (Dem.) erklärt, der Fluch laste heute wohl auf den Konservativen, den Bau des Mittellandkanals verhindert zu haben. Erfreulich sei allerdings, daß sich heute niemand mehr „von dem Lausekanal vor den Bauch stoßen lasse“. Heiter⸗ keit Das Reich müsse jetzt mit aller Entschiedenheit an den Aus⸗ bau gehen, vor allem um Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen und produk⸗ tive Arbeit leisten zu lassen. Mit größter Entschiedenheit müsse man auch an dem Ausbau der Wasserkräfte zur Elektrizitäts gewinnung her⸗ angehen. Zu dem Aufwertungsproblem müsse das Reich großzügiger handeln. Man müsse auch der Stadt Fürstenberg entgegenkammen; der Hafen müsse großzügig ausgebaut werden ex stelle eine große Um⸗ schlagsbasis nach Osten dar. Das ganze Wasserstraßensystem müsse überhaupt weiter ausgebaut werden. Das Kohlensyndikat treibe eine Helin die auf die Erdrosselung des freien Kohlenhandels hinauslgufe.
an dürfe es nicht zulassen, daß dadurch die Kohlenpreise in die Höhe getrieben werden.
Abg. Blank Gentr) spricht sich gleichfalls für eine beschleu⸗ nigte Fertigstellung des gesamten Mittellandkanals aus. Der Vor—⸗ redner habe zutreffend darauf hingewiesen, daß wir ohne den Wider⸗ stand der Konservativen es heute nicht nötig hätten, uns noch damit
beschäftigen; dann hätten wir den Kanal schon längst. In der nerkennung der e, , een, sei ein schnelleres Tempo zu fordern und dabei die Nebenleistungen zu herücksichtigen. Die Wünsche der Landwirtschaft verdienten gleichfalls größere Berücksichtigung. Bezüglich der Wasserwirtschaft des Harzes sei größte Vor⸗ . bei den Talsperrbauten am Platze, damit nicht großen landwirt⸗ chaftlichen Strecken das Wasser entzogen würde.
Abg. Dr. Kaufhold (D. Nat.) erwidert, die gesamte Rechte hätte vor dem Kriege ja den Kanal gar nicht zu Fall bringen können, wenn nicht das Zentrum, besonders aus Schlesien mit dagegen gestimmt hätte. Auch bei Herrn Herold wisse man nicht recht, ob er nun eigentlich ein Freund oder ein Feind der Vorlage ewesen ist. (Heiterkeit bei den Deutschnationalen Das Zentrum olle also heute nicht solche Anklagen gegen die alten Konservativen erheben. Bedauerlich sei, daß immer die Wünsche der Landwirt⸗ schaft unberücksichtigt blieben, aus rein formalen Gründen habe man berechtigte Entschädigungsansprüche abgelehnt. An den be⸗ reits ausgeführten Teilen des Kanals seien erhebliche Schäden fest⸗ zustellen; diese müßten unbedingt beseitigt werden.
Abg. von Wangenheim (Dt. Hannov.) erklärt sich für die Vorlage und die Entschließungen des Hauptausschusses.
Abg. Leinert (Soz) macht in seinem Schlußwort darauf aufmerksam, daß der Standpunkt der Preußischen Regierung auch vor dem Kriege immer für den Bau des Kanals gewesen sei, daß aber . Konservativen die Durchführung verhindert hätten.
Die Vorlage wurde einstimmig in zweiter Lesung ange⸗ nommen und anschließend in dritter Lesung . Annahme fanden auch die Entschließungen mot der von den Deutschnationalen beantragten Aenderung, daß der Passus, der die Errichtung eines Kanalbauamts in' Merseburg festlegen wollte, gestrichen wird.
Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs, der die Stadt Hie rr, sowie die , Schierstein und Sonnenberg vom Landkreise Wies⸗
baden abtrennen und mit der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Wiesbaden verbinden will.
Der Gemeindeausschuß 6 durch seinen Berichterstatter, Abg. Dr. Gr aß (Zentr.) empfehlen, der Vorlage mit der Aende⸗ rung zuzustimmen, daß die Eingemeindung nicht, wie die Regie⸗ rungsvorlage vorsah, rückwirkend vom 1. April 1926, sondern erst mit dem 1. Juli 1926 erfolgen soll.
Abg. Kilian (Komm) lehnt den Gesetzentwurf ab, weil durch ihn unter . Ausschaltung der proletarischen Kreise eine reaktionäre Mehrheit im Wiesbadener Parlament geschaffen werden solle. Das wünschenswertere sei die Durchführung der größeren Umgemeindung mit dem Ziel der Schaffung eines roten Groß⸗Wiesbadens.
Damit schließt die Besprechung.
Die kommunistischen Anträge auf sofortige Vornahme einer großen Umgemeindung im Wiesbadener Bezirk werden gegen die Antragsteller abgelehnt. — Nanientlich abgestimmt wird über einen Antrag der Sozial⸗ demokraten, des Zentrums und der Demokraten, wonach die von der Regierung in ihrer Begründung für die Vorlage auf⸗ 86 Bedingungen, unter denen die Eingemeindung er⸗ olgen soll, direkt als 6 des Gesetzes beigefügt werden ollen. Zur Abstimmung geben nur 18 Abgeordnete der An⸗
tragsteller ihre Karte ab. Das Haus ist also beschlußunfähig.
In einer auf sofort . neuen Sitzung etzt das Haus die dritte Etatsberatung mit der Aus⸗ prache zum „Haushalt des Ministerpräsidenten und des
Staats ministeriums“ fort.
Abg. Dallmer (D. Nat.), der zunächst so leise in daß er unverständlich ist, wird von den Kommunisten mit fortgesetzten r rl bedacht. Er erklärt, der Ministerpräsident habe zwar in einer letzten Rede die Binsenwahrheit von der ve m . der Städte vom flachen Lande erwähnt, so daß es schon den nschein hatte, als wolle er sein Parteibuch an einer anderen Stelle ab⸗ ö. bei den Zollverhandlungen aber, wo es auf den Schutz der zandwirtschaft ankam, habe sich wieder der Sozialdemokrat im Ministerpräsidenten gezeigt, Wenn man sehe, wie heute der Kampf egen die nationalen Verbände geführt werde, und auf der anderen Seite die Behandlung des Reichsbanners beobachte, könne man nur von einem unleidlichen Terror sprechen, gegen den die Regierung nichts unternehme. In der heutigen Zeit der großen ,, , keit ginge die Unduldsamkeit sogar so weit, daß dem nicht links eingeftellten Arbeiter jedes Recht versagt werde. Zu, einem Ministerpräsidenten, unter dem solche Zustände möglich seien, . die Deutschnationalen kein Vertrauen haben. GBeifall rechts.)
Abg. Dr. von Campe (D. Vp) betont, aa fslein Fraktion nicht beabsichtige, sich an einer politischen Diskussion beim Etat des Ministerpräsidenten zu beteiligen. Ex wolle nur sprechen zu dem Antrag, den seine Fraktion in der Frage der Auseinander— setzung über das Vermögen der früheren Fürsten eingebracht habe. Dleser Antrag solle lediglich den Zweck haben, Preußen zu veran⸗ sassen, die Initiative in dieser Frage zu ergreifen, um kö endgültig aus der Oeffentlichkeit, die durch sie stark erregt sei, aus⸗ scheiden zu lassen. Es sei höchste Zeit, das ö Leben von dieser Frage zu befreien, um wieder an die, Arbeit im Interesse des Vaterlands gehen zu können. (Zurufe links) Es handelt sich in erster Linie um eine Angelegenheit des preußischen Staats und Thüringens. Es sei darum richtig, diese Frage in den ö lösen. . lasse sich um so leichter erreichen, als man dann nicht auf ein anderes Land Rücksicht zu nehmen brauche. Es komme seiner Partei darauf an, daß tatsächlich von Preußen die Initiative ergriffen werde, zunächst vom Standpunkt aus, daß Preußen ein Rechtsstaat sei, dann abex auch getragen von dem Gedanken, daß das Recht von gestern nicht ohne weiteres das Recht von heute sei. Es gebe eine höhere Gerechtigkeit, die nicht vor den Paragraphen Halt macht, wenn sich die Verhältnisse so geändert hätten, wie dies geschehen sei. Aus Rücksicht auf die große Not die bestehe, müßten wir auf der einen Seite dem Recht, auf der anbern Seite aber auch andern Gesichtspunkten Rechnung tragen, die er eben kurz skizziert abe. Der Ministerpräsident würde sich ein Verdienst um den
taat erwerben, wenn er endlich dafür Sorge trüge, daß diese Frage geregelt wird. ᷣ
Ministerpräsident Braun: Meine Herren, auch die Staats ⸗ regierung hat ein Interesse daran, daß die von dem Herrn Abg. von Campe soeben besprochene Angelegenheit mit aller Beschleunigung so geregelt wird, wie sie im Interesse des Staats liegt. Das Staats⸗ ministerium wird sich daher demnächst mit der durch die Ablehnung des Gesetzes über die Fürstenab findung im Reichstage ge⸗ schaffenen neuen Lage beschäftigen. !
Dann noch wenige Worte zu den Ausführungen des Herrn Redners der Deutschnationalen Volkspartei. Er hat den Antrag be⸗ gründet, der darauf hinausgeht, die Stelle des dritten Mini⸗ sterialdivektors für die Vertretung im Reichsrat in meinem Etat zu streichen. Er ist dabei von der Voraussetzung ausgegangen, daß auch ich diese Stelle nicht für nötig erachte. Der Herr Redner ist da im Irrtum. Der Umstand, daß ich diese Stelle in den Etat eingesetzt habe und das Staatsministexium einstimmig diesen Etat genehmigt hat, beweist, daß auch ich diese Stelle für not⸗ wendig halte. Ich bitte Sie daher, den Antrag abzulehnen.
Er hat dann weiter einige Worte über meine Stellung zur Landwirtschaft gesprochen. Meine Damen und Herren, ich möchte den Faden hier nicht in aller Breite ausspinnen. Ueber diese Frage ist bereits mehr gesprochen worden, als vielleicht der Landwirt— schaft dienlich ist; denn der Landwirtschaft wird durch derartige Er⸗ örterungen eigentlich nicht sehr gedient. Meine Stellung zur Land⸗ wirtschaft habe ich des öfteren hier dargelegt. Wenn ich indiskret sein wollte, könnte ich Ihnen Briefe und Aeußerungen von Ver⸗ tretern der Landwirtschaft, die der Deutschnationalen Volkspartei sehr nahe stehen, über mein Interesse für die Landwirtschaft hier vor— lesen, die doch etwas anders lauten als die Ausführungen der Redner Ihrer Partei von der Tribüne dieses Hauses. (Sehr gut! bei der Sozialdemokratischen Partei.)
Meine Damen und Herren, ich kann auch feststellen, wenn in der Tat hier und da Not am Mann ist, daß eben gerade auch Herren aus Ihrer Partei sich am ehesten an mich wenden, und zwar stets mit der Einleitung, weil sie wüßten, daß ich Verständnis und Interesse für die Landwirtschaft habe. (Hört, hört! bei der Sozialdemokratischen Partei) Deshalb wenden sie sich an mich. Soweit es möglich war, zu helfen, habe ich auch stets tatkräftig eingegriffen und geholfen.
Was nun meine Vertretung auf landwirtschaft⸗ lichen Tagungen anlangt, so muß ich offen zugeben, daß bei der Art, wie auf vielen landwirtschaftlichen Tagungen die Interessen der Landwirtschaft behandelt werden, es einem Vertreter der Regierung nicht sehr leicht ist, dort hinzugehen und teilzunehmen. Ich erinnere Sie daran, daß selbst bei der letzten Tagung des Landwirtschaftsrats, wo der frühere Reichskanzler Dr. Luther hinging, mit dem lebhaften Interesse für die Sachen, die dort erörtert wurden, um dort die Stellung der Reichsregierung darzulegen, der Reichskanzler schon in den Einleitungsreden sich derartig verletzt und angegriffen fühlte, daß er Abstand nehmen wollte, überhaupt zu reden, und er die Tagung verlassen wollte. Wenn das sogar Herrn Dr. Luther passierte, bitte ich Sie, sich vorzustellen, wie es mir nach der Vorbereitung in der
Rechtspresse auf solch einer Tagung gehen würde. (Heiterkeit bei
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der Soztaldemokratischen Parkei) Daß ich da nicht sehr viel Neigung habe, bei meiner überaus stark in Anspruch genommenen Zeit auch noch zu derartigen landwirtschaftlichen Tagungen zu gehen, können Sie verstehen. Aber ich glaube auch, daß man mich dort nicht gar zu sehr vermißt. Wenn die Herren sich daran gewöhnen, auf diesen landwirtschaftlichen Tagungen wirklich sachlich die Interessen der Landwirtschaft zu besprechen und sich von agressiven politischen Aus— fällen gegen die Regierung fernzuhalten, bin ich jederzeit bereit, an solchen Versammlungen teilzunehmen. Es würde mir ein ganz be⸗ sonderes Vergnügen sein, einmal auf solch einer landwirtschaftlichen Tagung meine Stellung zur Landwirtschaft eingehend darzulegen. Ich glaube, daß viele der Herren dann endlich über meine Stellung ein anderes Bild bekämen, als das Zerrbild, das jetzt in der rechts⸗ gerichteten Presse ihnen stets übermittelt wird. (Sehr gut! bei der Sozialdemokratischen Partei. g
Was die konkrete Frage der Vertretung der Staatsregierung auf den landwirtschaftlichen Tagungen dieser Woche in der Rheinprovinz anlangt, so erkläre ich Ihnen ganz offen, daß ich nach den An⸗ griffen, die der Präsident der Rheinischen Landwirtschafts kammer unberechtigt gegen Vertreter der Staatsregierung in letzter Zeit in der Oeffentlichkeit gerichtet hat, es für ganz unmöglich hielt, Vertreter der Staatsregierung zu solchen Veranstaltungen zu schicken, die von diesem Herrn arrangiert werden. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei. — Zurufe bei der Deutsch⸗ nationalen Volkspartei. Ich habe daher die Anweisung gegeben, daß die Vertreter der Staatsregierung an allen Veranstaltungen der Hauptlandwirtschaftskammer teilnehmen können, nicht aber an Veranstaltungen, zu denen Herr von Lüningk eingeladen hat. (Bravo! und Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei. — Unruhe rechts.)
Dann ist weiter erklärt worden, daß ich lediglich als Vertreter der Arbeiterpartei die Staatsgeschäfte leitete. Das ist unrichtig. Es wäre eigentlich eine Zeitvergeudung, wenn ich das immer wieder zurückweisen wollte. Ich verwalte mein Amt nicht als Parteiminister, sondern als Staatsminister, und meine sieben⸗ jährige Ministertätigkeit liegt in aller Offenheit vor Ihnen. Ich glaube, wenn Sie einmal das Fazit aus meiner Tätigkeit ziehen, so werden Sie, vorausgesetzt, daß Sie sich von parteipolitischer Voreingensmmenheit freimachen, mir nicht das Zeugnis ausstellen können, daß ich meine Funktionen einseitig als Parteiminister ausgeübt habe, da ich stets ja eine Koalitionsregierung zu leiten hatte, in der mehrere Parteien vertreten waren, von denen jede für ihren Teil ihre Parteigrundsätze vertrat. Wenn hier kritisiert worden ist, daß ich nicht zu den Tagungen der nationalen Ver⸗— bände ginge, dann muß ich Ihnen sagen, daß ich mich als ungeladener Gast nirgends gern aufdränge. Mir ist bisher noch keine Einladung der nationalen Verbände zu ihren Tagungen zugegangen (Heiterkeit bei der Sozialdemokratischen Partei), aber ich erkläre Ihnen: wenn die Herren mich einmal einladen und mir auch die Gewähr geben, daß ich dort so behandelt werde, wie man es als felbstverständlich ansehen muß, mir vor allem auch volle Redefreiheit geben wollen, so bin ich sehr gern bereit, auch zur Tagung der nationalen Verbände zu kommen und dort den Standpunkt der Staatsregierung darzulegen. (Sehr gut! bei der Sozialdemokratischen Partei.)
Nun noch ein Wort über den Terror, den der Redner der Deutschnationalen Partei beklagt hat! Ich veruxteile mit ihm jeden Terror im wirtschaftlichen und politischen Leben. Ich ver⸗ urteile ebenso scharf wie er, daß — um den von ihm erwähnten Fall herauszugreifen — in Braunsberg zwei Arbeiter durch den Terror ihrer Klassengenossen von der Arbeitsstelle verjagt worden sind. Ebenso verurteile ich auch den Terror, durch den Hunderte von Arbeitern, nur weil sie ihr Staatsbürgerrecht beim Volks— entscheid ausgeübt haben, von ihren Arbeitgebern brutal auf die Straße gesetzt worden sind. (Sehr gut! bei der Sozialdemo⸗ kratischen Partei) Wer das letztere billigt und in seiner Presse geradezu als Ehrentafel die Orte erscheinen läßt, in denen niemand infolge dieses Terrors gewagt hat, zur Abstimmung zu gehen, und triumphierend feststellt, wo Leute entlassen worden sind, weil sie ihr Staatsbürgerrecht ausgeübt haben, aus dessen Mund klingt es doch eigenartig, wenn er sich über den Terror der Arbeiter auf⸗ regt. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei.) In⸗ wieweit die Wahlen zum Metallarbeiterverband mit meinem Etat in Verbindung zu bringen sind, ist mir unerfindlich. Ich will daher darauf nicht eingehen. Geiterkeit bei der Sozialdemokratischen Partei.)
Ich möchte dieses Kapitel mit der Erklärung schließen, daß ich immer daran arbeiten werde, jeden Terror im öffentlichen Leben zu bekämpfen, mag er von rechts oder von links kommen. Erst wenn wir uns daran gewöhnt haben werden, jede politische Meinung, sei sie noch so abwegig, bei dem anderen zu achten und uns darauf zu verlassen, daß mit geistigen Waffen (Zuruf rechts! So siehst du aus! — Zurufe und große Unruhe bei der Sozial⸗ demokratischen Partei) die Argumente des Gegners bekämpft werden müssen, erst dann werden wir zu einer Gesundung des politischen Lebens kommen, und das, was jetzt vergiftend auf unser deutsches wirtschatftlich so gedrücktes Volk wirkt, und es in so viele Heerlager spaltet, wird dann bald der Vergangenheit an⸗ gehören. (Bravo! bei der Sozialdemokratischen Partei, bei den Demokraten und im Zentrum.)
Abg. Meier (Soz.) ö keine Möglichkeit, auf den Boden des Ankrags der Deutschen Volkspartei zu treten, der eine reichs⸗ ee lichz Regelung fahr durchkreuzen wolle (Zuruf: Durch⸗ reuzen?). Nachdem feststehe, daß 15 Millionen die entschädigungs⸗ lose Enteignung forderten, nachdem ferner feststehe, daß die Frage nicht rein privatrechtlich erledigt werden könne, schienen die Vor⸗ aussetzungen für einen Vergleich zwischen den Hohenzollern und Preußen zu fehlen. Die Sozialdemokraten seien aber für Ueber⸗
weisung an den Hauptausschuß. Ihre Stellung sei völlig klar.
(Stürmisches Gelächter rechts. Die Sozialdemokraten wollten jetzt — 2 möglichst großen Teil des Vermögens für die Allgemeinheit retten.
Abg. Bartels (Komm.) spricht der Regierung das schärfste Mißtrauen aus. Seine Partei sei nicht solche Hohenzollernpartei wie die Sozialdemokraten. Die werktätigen Massen wissen, daß die preußische Regierung nichts getan habe zur Linderung der Erwerbslosigkeit. Die Hauszinssteuer wurde zum großen Teil für den allgemeinen ir darf verwandt. ollkommen passid derhalte sich die preußische Regierung gegen die Bestrebungen der Reichsregierung auf r eb gen der Erwerbslosenbezüge sowie gegen neuen Zollwucher. Die Sozialdemokraten hätten nichts gegen Weiterzahlung von 6900 900 Goldmark jährlich an die Hohen⸗ zollern und seien bereit, mit der Volkspartei zu „kuhhandeln“. An einer Ausschußberatung hätten die Kommunisten kein Interesse.
Die Regierung solle sich endlich einmal zu der Frage der Steuer- ö für die Hohenzollern äußern. Die . ver⸗ treten nach wie vor ihren alten Standpunkt: Keinen Pfennig für die Hohenzollern mitsamt dem Hurenhengst von Charleville. (Glocke des Präsidenten. Die S. P. D. schwenke über in die neue Regierungskoalition mit der Deutschen Volkspartei. Das Mißtrauensvotum sei auch gerechtfertigt, weil im Volksentscheid die Regierung und ihre Organe begeßf haben. Sie habe nichts egen den Terror getan, der beim Vollsentscheid verübt sei. Er age, ob es zutresfe, daß Staats sekretär Meister sich geweigert be, seine Zustimmung zu der bekannten , geben, Ind daß die Unterschrift Herr Braun habe geben müssen. Er rage ferner, ob es zutreffe, daß bei Justizrat Claas eine Korre⸗ . gefunden sei, in der es sich um die Frage drehte, ob im Fall des Gelingens eines Rechtsputsches eine loyale Der Redner verliest eine formulierte usammengefaßt werden, auf die sich das Mißtrauensvotum seiner Partei gegen das preußische Staats⸗ ministerium stützt. Das Haus sollte entscheiden, ob dieses Ministerium, das nur Handlanger der Hohenzollern und der Kapitalisten sei, weiter regieren soll.
Abg. Greßler (Dem) dankt dem Ministerpräsidenten für seine Haltung auch in der Frage der Erwerbslosenfürsorge und der Verwaltungsveform. Jeder Mensch müsse den Verwasltungs⸗ dualismus ablehnen, wie er zum großen Teil zwischen Preußen und dem Reich bestehe. Erstaunlich sei der Antrag der Deutschen Volkspartei, der Preußen auffordert, von sich aus einen Ausgleich in der Fürstenabfindung herbeizuführen. Es sei doch jeder Versuch bisher gescheitert. (Sehr richtig! rechts) Wenn das Recht von jetzt nicht das Recht von heute sei, wie Herr v. Campe meint, so müßte jetzt eine reichsgesetzliche Regelung gefunden werden, die den Ländern es zuweise, die Auseinandersetzung vorzunehmen. Es müßten erst einmal Unterlagen geschaffen werden, um die Frage befriedigend zu lösen. Auch die weitestgehenden Vergleiche seien von der Krone nicht angenommen worden. Höpker⸗Aschoff habe den Vergleich gemacht, unter Vorbehalt der Zustimmung des Landtages, und die sei nicht erfolgt. (Zuruf des Abgeordneten Stendel D. Vp: Die hat man gar nicht versucht einzuholen!) Die Kölnische Zeitung gebe im wesentlichen die Auffassung der Volkspartei wieder. Auch sie habe in dieser . eine königliche Tat vermißt! (Zurufe bei der D. Vp.) Seine Partei sei für Ueber⸗ i des Antrages an den Hauptausschuß und erwarte, daß wirkli ö
ngland im 2 einnehmen würde. rklärung, in der die Gründe
dabei eine Lösung gefunden werde, die den Interessen der Allgemeinheit gerecht werde.
Abg. Bachem (D. Nat) greift den Ministerpräsidenten an, weil er die große Kundgebung der rheinischen Landwirtschaft für das besetzte Gebiet sabotiert habe. Die Interessen des besetzten Gebietets seien nicht so wahrgenommen worden, wie man das hätte erwarten sollen. Die Verhältnisse im besetzten Gebiet hätten sich, wenn man die Abmachungen des Vertrages von Versailles nachprüft, nicht verbessert, sondern verschlechtert. Das gelte besonders vom Rheinlandabkommen. Man habe ein großzügiges politisches Beherrschungssystem uf ge bo gen und die Befugnisse der Rheinlandkommission immer mehr erweitert. Das zeige die Zusammensetzung der Kommission und die Tatsache, daß entgegen den getroffenen Abmachungen heute noch farbige Franzosen im Saargebiet vorhanden seien. Ueber die Vereinbarungen hinsichtlich der Beschränkung der Besatzung sei man einfach hinweggeschritten. Deshalb sei die große Anfrage seiner Partei sehr berechtigt, die Auskunft fordere über die Fortschritte und Aussichten der so⸗ genannten Rückwirkungen von Locarno im besetzten Gebiet und im Saargebiet, insbesondere bezüglich der Stärke der Besatzung und ihres endgültigen Abrückens sowie bezüglich einer früheren Räumung der zweiten und dritten Zone und bezüglich der Vorverlegung der Abstimmung im Saargebiet. Trotz der Opfer von Locarno und der ihm folgenden Verträge zeige sich immer wieder, daß Frank⸗ reich sich dauernd Hoffnung mache auf das besetzte Gebiet. Es wolle auf alle Fälle die Chancen des Versailler Vertrages aus⸗ nützen und sei es auf Kosten der Gefährdung des europäischen Friedens. Daran ändere nichts der gute Wille Deutschlands, den Frieden in der Welt aufrecht zu erhalten. Hoffentlich komme bald der Tag der Befreiung, wie er von der rheinischen Be⸗ völkerung ersehnt werde.
Abg. Ladendorff (Wirtschaftl. Vereinig.) stimmt dem deutschnationalen Antrag auf Streichung einer Ministerialdirektor⸗ stelle im Etat des Ministerpräsidenten zu, ebenso dem der Deutschen Volkspartei, auf Initiative Preußens in der Fürsten⸗ abfindung. Die alten Vereinbarungen des preußischen Finanz— ministers mit der Krone müßten dafür die Basis sein.
Damit schließt die Besprechung.
Um 7 Uhr vertagt das Haus die Weiterberatung auf Dienstag 11 Uhr.
Parlamentarische Nachrichten.
In der gestrigen Sitzung des Feme⸗Untersuchuns⸗ ausfchusses des Reichstages teilte der Vorsitzende Abg. Schetter (gentr) mit, daß zu dem Gesamtkomplexe der Ein⸗ wohnerwehrfälle 40 bis 50 Zeugen zu vernehmen seien. Um der Reichstagskasse übermäßig große Kosten zu ersparen, beschloß der Ausschuß dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungs⸗ verleger Miel diese Beweiserhebungen in München vorzu⸗ nehmen. Der Ausschuß wird also Ende September oder Anfang Oktober nach München übersiedeln. Der Ausschuß ver⸗ nahm dann zunächst den A jährigen Landwirtschaftspraktikanten Ströbel, der in französischer Gefangenschaft war. Er hat Baur beim Parteitag Ende Januar 1931 in München kennen⸗ . und hat ihn einquartiert. Der Zeuge wohnte damals in Regensburg. Baur sagte ihm, er müsse nach Norddeutschland, um ie Verbindung mit den Norddeutschen Verbänden aufzunehmen. Er, Ströbel, solle ihn begleiten. Berger gab dann den dienstlichen Auftrag vom Blücherbund aus, die Reise 1 unternehmen. Baur sollte nachkommen und das Reisegeld mitbringen. Er kam auch, aber ohne Geld. Es kam zu einem ernstlichen Streit zwischen Zwengauer und Baur, ohne das Dazwischentreten des Zeugen wäre es zu Tätlichkeiten auf der Straße gekommen. Am nächsten Tage fuhr man wieder nach München zuruck, aber ohne Baur. Ströbel berichtete Berger über die Vorgänge. Er war der Meinung, daß Baur das Geld unterschlagen hätte. Ströbel ging dann auch zweimal zum Bahnof mit, um Baur abzufassen. eim zweiten Mal kam Baur von Regensburg an, während der Zeuge dann nach Regensburg zurückfuhr. Auf seine Frage nach Baur erwiderte Berger einmal, Baur sei verreist. Der Zeuge schildert dann einen Zwischenfall in einem Cafs mit Dr. Ruge und Baur, wobei letzterer telephonisch als Polizeibeamter sich angekündigt habe, der eine Haussuchung vorzunehmen hätte. Der Zeuge ist von Anfang Februar bis zum 6. Rarz im Blücherbund gewesen, ist im Büro
tätig gewesen und hat auch bei der k eines Waffen⸗ ü
lagers in Schleisheim zu tun gehabt. Der Blücherbund hatte damals viel zu tun, da politische Hochspannung in München herrschte. Jeden Tag sollte ein Putsch erfolgen, manchmal sogar Rwei. Geiterkeit In einer Versammlung an dem Tage, an dem Dr. Ruge aus der Untersuchungshaft entlassen war, wurde auch über die Bestrafung von Verrätern gesprochen. Dr. Ruge hat davon gesprochen, daß Verräter , werden müßten. Er 3 aber damit mehr Verräter am Volke gemeint, Zwengauer war auch in der Versammlung; er war mit Dr. Ruge zusammengekommen. Gesagt hat Zwengauer aber nichts. Auf Befragen durch den Abg. Levi Soz) bekundete der Zeuge, in einem Cafshaus in der Nähe der Universität sei von einer bevorstehenden Aktion er reg, worden. In Oberschlesien ist der Zeuge nicht gewesen. n Ausdruck „jemandem ein verstecktes Waffenlager zeigen“ mit der Bedeutung „jemand umbringen“ kennt der Zeuge, kann sich aber seinen Ursprung bezw. seine eigentliche Bebeutung nicht weiter
erklären. Mit Waffentransporten hatke der Berge öfters zu kun ewöhnlich waren zwei Personen dabei tätig. Auf Befragen des Abg. Lands berg (Soz) bestätigte der Zeuge, daß er seinerzeit als Berger ihm von der Reise Baurs erzählte, bereits vermutet habe, daß Baur durch Zwengauer umgebracht sei. Zwengauer sei sehr leicht erregbar gewesen und habe das Wort Baurs: „Du Lump!“ sehr übel genommen. Von einem politischen Grund weiß der Zeuge nichts. Das Verhalten Baurs, eines vollkommen un⸗ berechenbaren, aufschneiderischen Menschen, dem Dr. Ruge gegen⸗ über bezeichnet der Zeuge als eine „Laushüberei, eine Kinderei Von einem politischen wensan zwischen Dr. Ruge und Baur ist dem Zeuge nichts bekannt. ei der „bevorstehenden Aktion“ andelte es sich um die Affäre Fuchs⸗Machaus. Den französischen Offizier Richère hat er bei einer Zusammenkunft auch e en, ohne ihn zu kennen. Auf Befragen des Abg. Kempkes (D. Vp.) bekundete Zeuge Ströbel, daß er sich in jener Nacht in Regens⸗ burg, als Zwengauer bei ihm übernachtet habe, mit diesem nicht weiker über dessen Zerwürfnis mit Baur unterhalten habe. Abg. Kempkes bezeichnet dies von seinem Standpunkt aus als merkwürdig. Die Behauptung Stubenrauchs, er, Zeuge, habe in dem Cafés „Uniyetsität“ erzählt, daß in Oberschlesten ein Offizier hinterrühcs von einer Brücke aus Rache herabgeschossen sei, be⸗ tz. der Zeuge als unrichtig. Auf Befragen durch Abg. Dr. aefsar (D. Nat.) bekundete der Zeuge nochmals, daß der Streit zwischen Zwengauer und Baur in 3 rein privater Natur war. Auf Befragen durch den Abg. Passehl (Soz) bekundet der Zeuge, daß Baur auf einmal als Spitzel be⸗ zeichnet worden sei; ob Iwenganuer dabei war, 64 der Zeuge nicht; wo dieser sich jetzt befindet, weiß er auch nicht. An demselben Tage, an dem der Zeuge aus der französischen Gefangenschaft ent⸗ lassen sei, hörte er, daß Zwengauer aus dem Gerschtsgefängnis ausgebrochen sei. Von dem Kommissar in Regensburg erfuhr er dann, daß Zwengauer mit einem Auto ins J ent⸗ kommen sei. uf Befragen des Abg. Dr. Mittelmann (D. Vp.) bekundete der Zeuge, daß es sich 67 um einen Feme⸗ mord handeln könne; von Feme sei nie die Rede gewesen. An dem Tage, an dem die Unterschlagung des Geldes durch Baur be⸗ prochen wurde, sei auch die Vermutung geäußert worden, Baur ei ein Spitzel. In jeder Organisation seien damals viele Leute für Spitzel gehalten worden; vielleicht sei auch er für einen Spitzel , . worden. — Der nächste Zeuge, der 30 jährige Geschäfts⸗ führer Rudolf Weinbrecht war im Blücherbund amtlich an⸗ gestellt und im Büro in der Glückstraße tätig. Der Zeuge schildert, wie Baur eines Tages für eine Reise von ihm Geld verlangt habe; er habe ihm aber kein Geld geben können und habe Baur zu Berger . von dem er auch das Geld bekommen habe. Der euge 6 nn zum Samstagabend zum Bahnhof bestellt worden, ber infolge einer anderen Verabredung nicht , , Am onntag hat er dann am Bahnhof den jüngeren Berger getroffen; über Baur sei aber nicht gesprochen worden. Abteilungen für be⸗ sondere Aufträge hätten im Bunde nicht bestanden, nur eine so⸗ genannte S. K. K., eine Sicherheitskompagnie. Waffentransporte seien öfter ausgeführt worden, mit zwei bis drei Wagen. Davon, aß Verräter . werden müßten, sei im Blücherbund nicht die Rede gewesen, wohl aber im Bund „Oberland“, dem Vorgänger des „Blücherbundes“. Die Formel hieß: „Verräter verfallen der Feme!“ Aber ein Fall von Feme sei auch beim „Oberland“ nicht vorgekommen. Auf Befragen durch Abg. Dr. Levi Soz.) erinnerte der Zeuge sich an Einzelheiten des Gesprächs am Sonn⸗ tagabend vor dem Bahnhof 1 mehr, da der Vorgang schon drei Jahre zurückliege. Auf Befragen durch den Abg. Dr. Mittelmann (D. Vp) erklärte Weinbrecht: Den vom Aus⸗ schuß vernommenen Zeugen Puttkammer habe er nur einmal im Büro gesehen, aber nicht mit ihm gesprochen. Er sei von irgend jemand auf ihn aufmerksam gemacht worden, habe sich aber keine Gedanken über ihn gemacht. Seiner . nach habe Baur, der als Spitzel galt und in letzter Zeit zu Aufträgen nicht mehr verwendet wurde, das Geld gefordert, um nach seiner Heimat zu fahren. (Auf Befragen durch Abg. Landsberg Soz. ); Die erste Nachricht von dem Tode Baurs hat der Zeuge durch die Zeitungen bekommen. An eine , mit Berger oder Iwengauer über Baurs Verschwinden kann der Zeuge sich ö. mehr erinnern. Baurs Koffer hat der Zeuge nicht gesehen. Er hat mit Berger und . gesprochen, aber ob über Baur, weiß er nicht mehr. ei späteren Gerichtsverhandlungen sei ihm allerdings nachträglich aufgefallen, daß Zwengauer ihm früher er⸗ zählt habe, bei der Marine seien Leute einfach über Bord ge⸗ vorfen worden. Auf Vorhalten des Vorsitzenden bekundete der Zeuge, er sei auch der Auffassung, wie die Gebr. Berger, daß man die Freundes⸗ und Kameradentreue auch vor Gericht zu halten und selbst unter dem Eide Verschwiegenheit zu wahren habe. Er sei aber nicht in der Situation, heute hier seine Eidespflicht ver⸗ letzen zu müssen. Der Vorsitzende bezeichnete es als merk⸗ würdig, daß ausgerechnet mit dem Zeugen über die Ermordung Bauers nicht gesprochen worden sei. Auf Befragen durch Abg. Dr. Levi (Soz.) bekundete der Zeuge, daß er über die Flucht Zwengauers gus dem Zuchthaus nichts wisse. Auf Befragen durch Abg. Dr. Schaeffer (D. Nat. gibt der Zeuge an, daß er mit n,, n ,,. Schäfer nicht in Feindschaft sei. Dem Landesbund „Blücher“ habe er noch einige Zeit angehört, wegen Geldschwierigkeiten habe er aber seinen Abschied genommen. Auf die Unterredung mit Ernst Berger auf dem Bahnhof kann der Zeuge sich nicht mehr erinnern, es sei aber ein ganz harmloses Gespräch gewesen. Ob von Baur die Rede gewesen seis daran erinnere er sich nicht mehr. Der Vorsitzende weist den Zeugen wiederholt ernstlich auf seine Eidespflicht und die Folgen ihrer Verletzung hin. Abg. Dr. Mitte lmann (D. Vp.) hielt dem Zeugen vor, daß er die Angelegenheit doch für eine sehr wichtige gehalten habe, da er Berger als Ersatzmann zum Bahnhof hinbeordert habe und dann doch — als Beobachter — vor dem Bahnhof gegangen sei, um festzustellen, ob Berger auch da sei. Der Zeuge habe wohl ge⸗ wußt, wie der Hase laufen solle, der Auftrag sei ihm wohl un⸗ bequem gewesen, und er habe deshalb einen anderen vorgeschoben.
euge Weinbxrecht bezeichnete ein solches Verhalten als Feig⸗
eit, die man ihm, der im Felde dreimal aus nächster Nähe ver⸗
wundet worden sei, nicht zutrauen dürfe; er müsse sich ganz energisch dagegen verwahren. — Der Zeuge Au müller äußerte 66 unter Berufung auf den früher geleisteten Eid zunächst über se Trennung zwischen der Gruppe Schäfer und der Gruppe
Berger. Bauer . am J. Februar zu Dr. Ruge kommandiert worden, am 15. Februar sei Zwengauer durch schriftlichen Befehl zu Dr. Ruge kommandiert worden. Schaefer steht nach Meinung des 6 auf dem Standpunkt der moralischen „Erledigung“, Dr. Ruge dagegen auf dem Standpunkt der tatsächlichen Tötung. Dr. Ruge habe ihm erklärt, es müsse eine Tscheka gegründet werden mit Dr. Ruge als Spitze. Auf seinen Befehl müßten die Leute er⸗ ledigt werden, die er bezeichne, selbst wenn er Schäfer bezeichne. Das seien priwate Unterhaltungen gewesen. In aller Oeffentlich⸗ keit sei dann gesagt worden: Jetzt gehe es bald los mit dem Er⸗ ledigen. Die Leute seien aufgeputscht worden, dadurch sei eine ent⸗ sprechende Stimmung, eine Atmosphäre geschaffen worden, wodurch auch einzelne, z. B. Zwengauer, zu ihrer Tat gekommen seien, denn sonst sei . zu einer solchen Tat gar nicht fähig ge⸗ wesen. Vorsitzender: Das ist aber immer noch kein Beweis für das Vorliegen eines Femefalls. Dafür, daß in den Versamm⸗ lungen des Blücherbundes die Feme irgenwie besprochen und ge⸗ billigt worden sei, kann der Zeuge keinen Beweis liefern. Er üher⸗ gibt das gedruckte Bundesprogramm des Blücher bundes,. Auf Be= 66 durch Abg. Dr. Schaeffer (2 Nat) bekundete der Zeuge, aß er wegen einer Differenz mit Schäfer anläßlich der Beseiligung
f 6 gekommen sei. Der Zeuge
ist wegen itunterschlagung des Waffenlagers zu 36 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Zwecks. Be⸗
rechung der als zu hoch beanstandeten Kostenliquidation i r und che fg wird die Oeffentlichkeit vorüber⸗ 8 end ausgeschlossen. — Der
euge, 26 jährige Telephonist Franz trafser machte Bekundungen über die Tätigkeit und das Auf— treten Buttkammers. Bei einer Uebung, bei der P. zugegen ge⸗
eines Waffenlagers in Di
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wesen sel, habe er für vierzig Mann Bier bezahlt. Ihm, dem Zeugen, sei Puttkammer etwas verdächtig 6 P. sei oft nach Berlin gefahren. Eines Tages habe er ihn, den Zeugen auf; gefordert, Briefe aus dem Büro zu unterschlagen. Für einen Brief bon Kahr habe er ihm zum Beispiel 1009 Mark geboten. Einmal sei P, der in der letzten Zeit viel mit Bauer zusammen gewesen sei, mit diesem nach Cassel gefahren. Weiter von Bedeutung ver⸗ mag der Zeuge nichts zu bekunden. — Zeuge Privatdozent Dr. Ruge⸗München war früher in Heidelberg als Privatdozent tätig. Da er sich dort politisch gegen die Juden betätigte, wurde er auf Antrag eines Konsortiums aus seiner Stellung und Tätig⸗ keit verjagt. Man habe ihn sogar als geistes krank feststellen lassen wollen. Um all den Widrigkeiten zu entgehen, sei er kurzerhand anfang 1923 nach München übergesiedelt. München sei damals die ö. aller vaterländisch Gesinnten gewesen. Durch Rudolf
äfer, den er seit langem kannte, sei er dann veranlaßt worden, im Blücherbund aufklärend tätig zu sein. Finanziell habe er von dem Bunde nichts gehabt, es Lei auch nie darüber gesprochen worden. Vor Schäfer sei er allerdings von dem damals noch lebenden Pöhner Fhwannt worden, da Schäfer Verbindungen mit Frankreich suche. Der Zeuge bekennt sich als einen Mann, der die Menschen von vornherein für anständig halte; allerdings sei er mit dieser Ansicht meist auf den Sand gelaufen, denn die Sache sei umgekehrt. Er habe Schäfer Verdächtigungen gegenüber verteidigt.« Er habe die Arbeit geleistet, 4 Schäfer das Geld einsteckte⸗ Der Zeuge ist dann im Sinne des e n e Gedanken tätig gewesen, hat auch das Programm des Blücherbundes verfaßt, Einen Einfluß auf die innere Gestaltung des Bundes hahe er nicht gehabt, den habe Schäfer ihm nicht zugestanden. Er hat dann auch den eigentlichen Gründungsvortrag mit Schäfer zusammengehalten, der ziemlich blutrünstig sprach, „die Waffen müßten sich wieder röten“ usw. Der Zeuge hat stets die Ansicht vertreten, daß ein Volk, das nicht den Kampf aller anständigen Elemente gegen Lumpen und Verbrecher aufnimmt, überhaupt keine Aussicht auf ein Wiederemporkommen habe. Alle diese Hanswurstiaden, all dieser Trara und Klimbin habe gar keinen Zweck. Die Juden hätten eine solche Organisation. Der Zeuge äußert sich dann über den Ursppung ünd dis Bedeutung der Feme, der „Heiligen Fünf“, einer Organisation, die richterliche Urteile fälle und sie auch selbst ausführe, aber nicht morde. Auf den Blücherbund habe er in dieser Beziehung gar keinen Einfluß gehabt. Eine Feme habe in neuerer Zeit niemals bestanden. Auf Grund der verschiedenen Mordtaten nach der Revolution — der Zeuge erinnert an den Rathenau⸗Mord, an den Anschlag auf das Ausschußmitglied Scheidemann. — habe man, besonders in jüdischen Kreisen, auf das Vorhandensein einer Feme geschlossen« Der Zeuge Ruge wird dann, als der Vorsitzende ihn bittet, nun endlich zum Fall Bauer zu kommen, erregt und meint, wenn mah die Wahrheit erfahren wolle, so müsse man über Schäfer noch etwas hören. Nach seiner Meinung sei überhaupt nicht Zwengauer der Täter, sondern Schäfer. Selbst die Richter i München seien heute der Meinung, daß Zwengauer gar nicht de Täter sei, obwohl er es selbst zugegeben habe. Es gebe eben no Leute mit heldischem Geist, die Kameradentreue hielten. Der Zeuge schildert dann das Verhalten Bauers in seiner Wohnung, der ihm durch andauerndes Zigarretenrauchen die Wohnung ver pestet und stets den geladenen Revolver neben sich auf den Tis legt habe. Er habe Bauer daher hinausgeworfen. Später habe Bauer sich bei einer Zusammenkunft in einem Restaurant schweinisch benommen. Die Unterhaltung an sich sei durchaus harmlos gewesen. Die Akten seien überhaupt gefälscht. Das ganze Protokoll des Staatsanwalts Stumpf sei eine Fälschung. Davon, daß er auf Bauer nicht gut zu sprechen sei, könne über⸗ haupt keine Rede sein, solche Leute kenne man eben einfach nicht. — Der Zeuge, den der Vorsitzende mehrfach unterbricht und zur Sache zu kommen sucht, führt aus, man stelle ihm hier vor⸗ bereitete Fragen, er müsse den ganzen Zusammenhang klarlegen. An Stelle Bauers sei dann Zwengauer, den er auch nicht gekannt habe, zu ihm abkommandiert worden. Zwengauer habe ihm nach einigen Tagen mitgeteilt, er habe Bauer erschossen. Vor Gericht habe man ihn, den Zeugen, darüber gar nichts bekunden lassen. Vorsitzender: Damals waren Sie ja Angeklagter! Zeuge Jawohl, man hatte mich — unberechtigterweise — der Tat be⸗ schuldigt, obwohl gar kein Belastungszeuge vorhanden war. Zwengauer, der im Gegensatz zu Bauer ein sehr sauberer und ehrenhafter Mensch war, machte den besten Eindruck. Zwengauer hat mir dann geschildert, er sei mit Bauer im Englischen Garten in Streit geraten, und in der Notwehr habe er Bauer erschossen. Zwengauer stand offenbar unter moralischem Druck des Schäfer. Auf die Frage, ob der Zeuge vielleicht selber zu Zwengauer ge⸗— äußert habe, er solle Bauer erschießen, erwidert der Zeuge, solchen Blödsinn könne nur Staatsanwalt Stumpf annehmen. Der Zeuge bekundet weiter seine Freude darüber, daß Zwengauer aus dem Zuchthaus entkommen sei. Er bestreitet aber entschieden, an Iwengauer ins Gefängnis geschrieben zu haben. Auf weitere Fragen erklärt der Zeuge, er sei ein anständiger Menjch, und er bekomme keine Ruhe, weil er in dieses Sausystem eben nicht hineinpasse. Ueber dem ganzen Fall liege eine gewisse Tragik. Femeorganisationen seien nicht vorhanden, aber im Blücherbund habe eine Femeeinrichtung bestanden, deren Haupt Schäfer war. Damit ist die Vernehmung des Zeugen, der unvereidigt bleibt, beendigt, und der Ausschuß vertagte sich auf Dienstag.
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Der Landtagsausschuß, in dem die Anträge über die Not⸗ lage der an Hamburg grenzenden Gemeinden und über den Lastenausgleich zwischen den dem preußischen Staatsgebiet benachbarten Handels- und In⸗ du strieorten, zur Beratung stehen, trat gestern abend erneut zu⸗ sammen, um sich nach kurzer Verhandlung bis zum September zu vertagen, da bis dahin die Vorlegung eines Gesetzentwurfs über die einschlägigen Fragen, insbesondere über den finanziellen Aus— gleich, erwartet wird. .
Verkehrswesen.
Aufnahme des Postüberweisungsverkehrs mit den Niederlanden. Am 6. Juli wird der Postüber⸗ weisungsverkehr mit dem niederländischen Zentral-Postgirokontor im Haag aufgenommen. Demgemäß können Postscheckkunden Veträge von ihrem Postscheckkonto in Deutschland auf ein Postscheckkonto bei dem Postgirokontor im Haag und umgekehrt die niederländischen Postscheck⸗ kunden Beträge auf Postscheckkonten in Deutschland überweisen. Die Ueberweisungen nach den Niederlanden, zu denen die innerdentschen Postüberweisungsvordrucke zu verwenden sind, können in Reichsmark oder in holländischer Währung (Gulden und Cents) ausgestellt werden. Der Betrag der Ueberweisungen ist nicht begrenzt. Die Gebühr beträgt für je 190 RM 56, mindestens 20 5. Mitteilungen für den Empfänger sind auf dem Abschnitt der Ueberweisungen nach den Niederlanden zu gelassen. Das von dem niederländischen Zentral⸗Postgirokontor heraus gegebene Verzeichnis seiner Postscheckkunden, Ausgabe 1924, einschließlich der seither erschienenen Nachträge, kann durch Vermittlung der deutschen Postscheckämter zum Preise von 1 Gulden 75 Cents bezogen werden. Außer mit den Niederlanden besteht Postüberweisungsverkehr noch mit Danzig, Dänemark, Lettland, Luxemburg, Oesterreich, Schweden Schweiz und Ungarn.