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zaß die Urteile vielfach einer Nachprüfung unterzogen werden müßten. Wenn Großmann fordert, daß der Richter republikanisch . müsse, so ist dies kein Verstoß. Man bedenke, daß im alten ystem ein Sozialdemokrat nicht einmal Referendar, geschweige denn Richter werden konnte. Es ist noch nichts bekannt geworden, daß der Preußische Richterverein gegen Bewersdorff eingeschritten ist, der von dem „Sattlergesellen da oben“ sprach und dem man troßdem zutraute, daß er über den Reichspräsidenten Ebert ob— jektiv Recht sprechen werde. Auch gegen den Richter ist nicht ein⸗ eschritten worden, der nach der Ermordung Erzbergers geschrieben hat: „Erzberger, ein Halunke, wie ihn die Sonne der Weltgeschichte noch nicht beschienen hat!“ (Große Unruhe links und Rufe; So ein Viehl) Die Vertreter des Justizministeriums hatten bestätigt, daß gegen diesen und, noch unzählig viel andere Einzelfälle der Preußische Richterverein nichts unternommen hat. Aber gegen den Republikaner Großmann. heißte sich dieser Verein von einer mimosenhaften Empfindlichkeit. Das ist ein ganz einseitiges Vor⸗ . das jedenfalls nicht geeignet ist, dem AÄnsehen der deutschen Richter Stabilität zu verschaffen. (Sehr gut! links.) Der Redner verweist bei Aufzählung von. Einzelheiten darauf, daß der Ge⸗ fängnisarzt, Thiele, der im Höfle⸗Untersuchungsausschuß seinerzeit kompromittiert worden ist, noch immer nicht vom Dienst sus⸗
Ce f ist und daß Zeitungsnachrichten zufolge überhaupt die Be
zeschlüsse des Landtags, die sich gegen die Mißwirtschaft in Moabit
richteten, noch nicht a führt sind. Der vorliegende deutsch⸗ nationale Antrag auf Abschaffung der Untersuchungsausschüsse ist nicht konsequent, wenn man bedenkt, daß bisher auf deutschnatio⸗ nalen Antrag allein nicht weniger als drei Untersuchungsaus⸗ schüsse eingesetzt worden sind, nämlich der mitteldeutsche, der Por⸗ Fllan man ifa stur, und der Barmat⸗Untersuchungsausschuß. Die Deutsche Volkspartei hat die Auffassung vertreten, daß die Unter⸗ suchungsausschüsse nicht in schwebende Verfahren einzugreifen hätten. Trotzdem hat der Vertreter derselben Partei im Feme⸗ Untersuchungsausschuß dafür gestimmt, doß die Vernehmung Wulles und Kubes durchgeführt wird, obwohl gegen beide ein Strafverfahren schwebt. Der in die gleiche Affäre verwickelte ehe⸗ malige völkische Abgeordnete Ahlemann hat übrigens dem Feme⸗ Untersuchungsausschuß mitgeteilt, er weigere sich, vor dem Unter⸗ suchungsausschuß zu erscheinen, da ja seine Sache Gegenstand einer zer h hen Untersuchung sei. Trotzdem werden die links⸗ gerichteten Mitglieder des Feme⸗Untersuchungsausschusses in fri⸗ voler Weise angegriffen. Weiter hat der völkische Reichstags⸗ abgeordnete Kube, als er auf Antrag seines Parteifreundes, des Abgeordneten Körner, geladen wurde, einen geradezu ekelhaften Brief an den Untersuchungsausschuß geschrieben, so daß selbst der völkische Abgeordnete Körner von diesem Brief abrücken mußte. In den rechtsgerichteten Kreisen, die immer so viel von einem drohenden Linksputsch reden, bezeichnet man diejenigen, die sich positiv und freudig für die Stabilisierung der Republik einsetzen, als Standesberräter. Ein Linksputsch könnte aber nur kommen, wenn große Kreise der Bevölkerung enttäuscht sein werden und sehen, daß ihnen die republikanisch⸗demokratische Staatsform nichts nützt. Deshalb führen die Sozialdemokraten den allerbesten Kampf für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in der Republik und gegen Putsche, wenn sie sich immer wieder namentlich auch gegen die Mißstände in der Justiz wenden. (Beifall links.)
. Abg. Dr. Deerberg (D. Nat) erklärt, er und seine politischen Freunde wüßten, daß in weiten Kreisen des deutschen Volkes nicht das Vertrguen zur Justiz bestehe, wie es 1 erlich wäre in einem Rechtsstaat. Jhering hat in seinem „Kampf. ums Recht“ ausgesprochen, . jedes Recht geboren sein müsse aus dem Rechtsgefühl des Volkes selbst. Wenn heute ein Mißtrauen besteht, so muß ich sagen, daß die Argumentierung des Vorredners nicht richtig ist, das die moralischen Qualitäten des deutschen Richterstandes die Schuld tragen. Vielmehr liegt der Grund darin, daß unser Volk das Recht nicht mehr versteht. Kein Mensch kennt sich in dieser Fülle mehr aus. Zudem stehen viele Be⸗ stimmungen in Widerspruch mit wahrer rechtlicher Auffassung. Der Staat muß darauf halten, daß er selbst eine Gesetzgebung gibt, die auch geachtet wird von den Ministerien und den Volks⸗ vertretungen selhst, Sind die wohlerwörbenen Rechte der Beamten, die in der Verfassung garantiert sind, gewahrt worden? Stück . Stück sind sie den Beamten genommen! (Sehr wahr!) luch in das materielle Recht ist immerfort eingegriffen worden. Glauben Sie, daß das Problem der Aufwertung je zur Ruhe kommen wird? (Zurufe und Lachen links. Das Volk, wird kein Verständnis haben dafür, daß in der Inflation eine Recht⸗ ir, an dem Grundsatz festhielt: Mark gleich Mark. Wenn ie höchsten Richter in einer öf . Kundgebung erklären, die Gesetzgebung sei derart, daß Zweifel bestünden, ob der Richter überhaupt noch ein formal richtig zustande gekommenes Gesetz an⸗ wenden dürfe, so zeigt das, wie weit wir mit dieser formalen Gesetz⸗ gebung gekommen sind. In Grundrechte hat man unerhört einge⸗ griffen. Ich unterstelle nicht böse Absicht und erkenne auch denen, ie z. B. die Haussuchungen veranstaltet haben, den guten ö zu. Daß aber ein tiefgehender Rechtsirrtum vorliegt, ist nicht J leugnen. (Lebhaftes sehr richtig! rechts) Die Person ist unver⸗ etzlich, die Wohnung ist geschützt; so nach der Verfassung! Und lag etiwa ein Verdacht vor bei den Industriellen? Mit nichten! Lediglich auf bloße Vermutungen hin fanden die Haussuchungen 6. (Sehr wahr!) Auch die positive Voraussetzung, daß nur der zichter die erforderlichen Anordnungen treffen soll, ist nicht be⸗ achtet worden. Mit Recht wollte man die Polizei hier ausschalten. Nur bei Ausnahmefällen soll das möglich sein. Das lag nicht vor, Fier hätte der Richter entscheiden müssen. Der Polizeipräsident Grzesinski hätte dem Richter das Material zuleiten müssen. Wenn Herr Abegg sagt, es gebe Fälle des staatlichen Notrechtes, das uͤber den gesetzlichen Bestimmungen stehe, so trifft das wohl zu. Wo aber . daß dieses ö. von Polizeiorganen ausgeübt werden darf? (Sehr wahr! rechts) Nur der Reichspräsident kann dieses Notrecht ausüben auf Grund des Artikels 48 der Ver⸗ fassung. Herr Abegg hat keinen einzigen Fall nachweisen können, wo die Voraussetzungen für die Anwendung des staatlichen Not⸗ rechts vorgelegen hätten. Völlig unberechtigt hat auch die Polizei von dem Inhalt der beschlagnahmten Gegenstände 8 enommen. Und dann wurde die Diskretion noch weiter verletzt. s wurden einfach Mitteilungen an die Presse gegeben. (Lebhaftes hört! hört! — Zurufe des Abgeordneten Heilmann (Soz.) Herr Kuttner hat ja selbst wiederholt den Fall Kußmann-Caspary kritisiert, weil diese Presseveröffentlichungen veranlaßt haben. Nun komme ich zum schwersten Vorwurf gegen den Richterstand. Es wurde zugegeben, daß 99 vH. der Richter guten Willens seien. Aber auch dem einen Prozent darf man diesen guten Willen nicht absprechen. Wir leben in einer wildbewegten Zeit, in der auch ein Richter nicht frei ist von diesem Einfluß. Die Angriffe, die von einer gewissen Presse gegen den Richter geschleudert werden, 1 der deutsche Richterfland nicht verdient. Mit sachlicher Kritik aben diese Angriffe meist nichts zu tun; die moralischen Qualitäten werden angegriffen. (Stürmische Unterbrechungen bei den Kommunisten. Abg. Kilian Komm: Er redet von Moral der Richter! Die 3 sollte auch die erforderliche Zurückhaltung üben, um die Atmosphäre nicht noch mehr zu vergiften., Und dann das Parlament! Auch . die Form der Kritik, die an ,, der Angriffe! Die Kunst der Selbstbeherrschung und der Disziplin müßten wir so üben, daß wir auch dem r cn Gegner ruhig und sachlich gegenübertreten. Sie (nach links) wollen das Berufs⸗ richtertum beseltigen und an seine Stelle die Wahl des Richters setzen. Ob das Volksrichtertum besser 6 würde? Wir haben ja in den Vereinigten Staaten beide Systeme. Fragen Sie einen amerikanischen Richter oder Staatsmann, und er wird Ihnen sagen, daß das Berufsrichtertum turmhoch über dem Wahlrichter⸗ tum ö da in diesem System der Richter zum Diener einseitiger Interessen gemacht wird, da in ihm das Richtertum korrumpiert wird. In Sowjet⸗ Rußland mußten 50 v5. der Richter vorzeitig von mn Amt entfernt werden, wie es in einem offiziellen Bericht festgestellt wurde. (Lebhaftes hört! hört! rechts. — Zurufe der Kommunisten: Hier müßten 100 vH. verschwinden! Sie (nach links) sind ja gegen die Todesstrafe. Und wie ist es in Sowjet⸗ Rußland? Für Morde ist sie nicht festgesetzt, wohl aber für Dieb⸗
stahl und sonstige wirtschaftliche Delikte und für Vertragsbrüche. (Wiederholtes lebhaftes hört! hört! rechts. — Große Unruhe und Unterbrechungen bei den Kommunisten.) Und dann! Gibt es irgend⸗ einen Kulturstaat, wo der Schutz von Ausländern wegen politischer Delikte so gering geachtet wird, wie gerade in Sowjet⸗ Rußland? Solange wir nicht zu einer inneren Befriedung unseres Volkes lommen, so lange wir staatliche Institutionen wie die Justiz in dieser Weise herabwürdigen lassen, solange wird es bei uns nicht 3 werden. Der Redner nie g n eine Reihe von Einzel⸗ wünschen vor, die sich mit der juristischen Vorbildung beschäftigen. . es heute kaum möglich ist, so führt er weiter aus, die Fülle des Rechtsstoffes in sechs Semestern zu bewältigen, ist doch eine Erhöhung der Semesterzahl angesichts der heutigen Wirt- ,, nichl zu empfehlen. Es muß aber gefordert werden, daß ber Student seine Zeit voll ausnutzt. Es geht nicht mehr an, daß, wie es früher vielleicht der Fall war, der junge Jurist vier Semester verbummelt und erft im fünften ernstlich zu arbeiten be⸗ ginnt. Er muß den Ernst der heutigen Lage erfassen. Vor allem sollte der, der nicht mit Freude dem Juristenberuf obliegt, die an, davon lassen. (Sehr wahr!) Zu . ist, daß die Prü⸗ ung heute an zwei Tagen stattfindet. Das Urteil sollte sich besser auf den Gesamteindruck eines Tages stützen. Es wäre zu hen rüßen, wenn die Prüfung an einem Tage wieder eingeführt würde. Es ist auch ein Fehler, wenn das römische Recht allzu leicht ge— nommen wird. Neben der 5 usbildung bedarf es auch einer gewissen universellen Ausbildung. Freilich sollte man Kenntnisse im römischen Recht in der Prüfung nur soweit ver⸗ langen, als sie für das Verständnis des deutschen Rechts notwendig sind. Die Schicksalsfrage unseres Juristenstands, unserer Rechts⸗ ordnung und unseres Rechts liegt heute darin, ob es uns gelingt, das Richtertum und die Rechtspflege so zu erhalten, wie es in der Verfassung gefordert wird, nämlich, ß der Richter nur sich und dem Geseßz gegenüber verantwortlich ist, daß er sich freihält von allem politischen Einfluß und von dem Einfluß von Partei⸗ instanzen. Wenn wir von diesem Grundsatz abweichen, dann zer⸗ trümmern wir unser Recht. Wir wünschen, daß die Unabhängig⸗ keit unserer Richter erhalten bleibt: sie ist das A und O der 0. pflege. (Lebhaftes sehr richtig! rechts) Möge sie weiterbestehen als L Pol in der Erscheinungen Flucht! (Lebhafter anhaltender ifall. Abg. Stendel (D. Vp) erinnert die Deutschnationalen an ihr Verhalten in der Aufwertungsangelegenhelt, aus dem sich ergebe, daß sie nicht in, der Lage seien, anderen Parteien Vorwürfe zu machen. Ueber die Polizeiaktion fährt Redner fort, ist von uns alles gefagt worden, was nötig war. Ich komme nur noch im Zusammen⸗ . mit einer Nachricht in der „Kölnischen Zeitung. auf sie zu prechen. Danach ist der Assessor, der die Freigabe der beschlag⸗ nahmten Papiere verfügt hat, an ein kleingres Amtsgericht versetzt worden. Zurufe * Ich ftelle jedenfall fe daß der Polizei⸗ präsident nicht den üblichen Beschwerdeweg beschritten hat, sondern sich an das Justizministerium gewandt hat. Das ist ein ganz gußergewöhnliches Verfahren. Wir werden auf den Fall zu rück⸗ kommen, und ich hoffe, daß auch nicht im entferntesten der Verdacht bestehen bleibt, daß dem . sein Kommissorium genommen bezw. nicht verlängert worden ist wegen der Freigabe der Papiere. Der Redner wendet sich sodann gegen die Angriffe des Abg. Kuttner gegen den Preußischen Richterperein und sagt, es geht den Richter berein nichts an, ob ein völkischer oder sozialistischer Richter im politischen Leben eine Entgleisung sich zu schulden kommen läßt. Im alle Großmann hat sich der Richterverein auf den Standpunkt ge tellt: Wir schließen Großmann nicht wegen seiner Mitgliedschaft zum Republikanischen Richterbund aus, sondern wegen seiner ver⸗ hetzenden und zersetzenden Agitation gegen die , . Justiz. Sehr richtig! rechts) Politisch würde die Sache erst sein, wenn es ich um einen Ausschluß wegen politischer Gesinnung handelte. Der Preußische Richterberein 6. allerdings auf dem Standpunkt, daß ür dle Zukunft die Doppelmitgliedschaft ausgeschlossen ist, Bezüglich r t Dinge so, daß Herr Bewersdorff entschieden bestreitet, hie ihm vorgeworfenen. Acußerungen getan zu aben. Auf seinen Antrag ist ein Disziplingrverfahren eingeleitet worden, dessen Ausgang abgewartet werden muß. Der Vorstand des n . Richterpereins hat eine Stelle eingesetzt, um die Be⸗ chwerden gegen die Justiz zu prüfen. Die Ergebnisse der Prüfung können nicht immer der chen chi übergeben werden. Auch wir verwehren Herrn Großmann nicht, daß er für die Republik eintritt, aber wenn er sagt, die Zeit würde hoffentlich kommen, wo die Richter aus Verstand Republikaner würden, so muß das aufs schärfste zurückgewiesen werden. Die ganz überwiegende Mehrheit der preußischen Richter steht auf dem Standpunkt. daß es lange genug . hat, bis Herrn Großmann kundgetan würde, daß in den eihen des Preußischen und Deutschen Richtervereins für ihn kein Raum mehr ist. Redner spricht zum Schluß über die Anstellungs⸗ verhältnisse der Assessoren, die keine günstigen seien. Wenn in irgend einem Beruf die Vermehrung des Hilfépersonals zu bedauern sei, dann im Richterstande. (Beifall.)
Abg. Kollwitz Comm) kritisiert den Fall in 8 wo bei der Relchspräsidentenwahl von der Schupo in eine Versammlung
es Falles Bewersdorff liegen die
geschossen sei, wobei es 9 Tote und 39 Verletzte gegeben habe. Die
Schupobeamten, die nicht geschossen hätten, seien entlassen worden. (Als der Redner von kaltblütigen Verbrechern und Mördern in der Schupo spricht, wird er zur Ordnung gerufen) Der Fall Jürgens zeige, wie ein Untersuchungsrichter mit kaltem Sadismus es ver— tehe, seine Opfer zu zwingen, unrichtige Protokolle zu unterzeichnen. In seinen weiteren Ausführungen wird der Redner wegen Be⸗ leidigung des Richterstandes zum zweiten Male zur Ordnung age— rufen. Er führt weiter aus: In Deutschland werde Recht gesprochen zugunsten der deutschen Faschisten. Die deutschen Richter beugten bewußt das Recht zu diesem Zwecke. Die Abtreibungsparagraphen müßten endlich aus dem Ethan verschwinden. Der Fall Jofephsen gebe zu denken. Die. Winzer in Berncastel hätten die falsche Methode des Klassenkampfes angewandt; sie sollten sich frei⸗ machen von den schwarzen Zentrumsleuten und sich den Kom— munisten zuwenden, die Straffreiheit fordern für die verzweifelten Winzer. Es sei endlich an der Zeit, Hölz zu amnestieren, der kein Verbrecher, sondern ein aufrechter Klassenkämpfer sei, der Nach— ahmung verdiene. Heraus auch mit den jugendlichen Kommunisten die im Gefängnis schmachten. Der Redner fordert zum Schluß für den Strafvollzug Methoden, wie sie in Sowjetrußland beständen.
Abg. Dr. Grzimek (Dem) betont, daß das geltende Recht mit dem Volksempfinden in Einklang gebracht werden müsse und um— gekehrt. Ein böses Beispiel sei es aber, wenn die Deutschnationalen, die doch die Aufwertungsgesetzgebung gemacht und dabei nur 25 vH ihrer Wahlversprechungen hielten, sich jetzt hier hinstellten und dlese Gesetzgebung bemängelten. Ueherechtigt seien auch die Vor⸗ würfe des Abg. Dr. Deerberg wegen der Haussuchungen. Die Polizei habe wohl das Recht, zur Aufklärung des Volkes und auch der Zusammenhänge eines Verbrechens beschlagnahmte Schriftstücke zu deröffentlichen. (Sehr richtig! links) Ob Berufsrichtertum oder Wahlrichtertum sei für die große Mehrheit des Parlaments keine Frage mehr, denn auch die Sozialdemokraten ständen jg jetzt auf dem Boden des Berufsrichtertunis. Der Beschluß des Preußischen Richterbundes im Falle Großmann sei insofern außerordentlich merk—= würdig, als rechtsgerichtete Richter, dig berhetzend und vergiftend wirken, ter ausgehen. Nur der auf anerkannt hohem geistigen Niveau stehende Republikaner Großmann sei ausgeschlossen worden. Schon aus taklischen Gründen hätte man klugerweise guch einen der bielen völkischen oder deutschnationglen Hetzer ausschließen 5 m. werde es trotz allem noch gelingen, die Fühlung zwischen
ichtern und Volk enger zu gestalten. ö
Abg. Hgase- Liegnitz (Wirtschaftl. Vereinig) schließt sich der Auffassung Dr. Deerbergs an, daß die Entfremdung fi hen Recht⸗ sprechung und Volksempfinden auf die Art und Fülle der Gesch peng . ist Schon in der Preisbildungsfrage habe sich ie Rechtsprechung zu sehr dem n, nähert und der Macht der Straße, die ja nun Gott sei Dank im Abnehmen be— Kr en sei, Aehnlich liege es guf dem Gebiete des Mietrechts. Weniger 8e und n. Schutz des Privateigentums würden der Rechtspflege sehr zugute kommen.
Damit 8 die Besprechung des Justizhaushalts, und es folßt die des Kultusetats.
Abg. Gertrud Wron ka (Zentr.) betont, daß für ihre Fraktion die Durchführung des in der zweiten Lesung gefaßten Beschlusses von größker Wichigkeit sei, wonach die Ausbildung der weiblichen Turnlehrerinnen, die jetzt zusammen mit der der männlichen in Spandau erfolge, ab nun getrennt in Brandenburg vorzunehmen ist. Abg. Ko ch⸗eynhausen (D. Nat) setzt sich dafür ein, daß auch im neuen Staat die Schulbildung auf christlicher Grundlage erfolge, und verlangt Einwirkung auf, die Reichsregierung, daß endlich das Reichsschulgesetz komme. Der jetzigen sittlichen Vermil derung müßten alle hürgerlichen Elemente einen Damm ent setzen. Besonders
36 66 . der . 2. Kö . igt. * einmal die katholi irche und die Zentrumspartei . sich i Geh
en Gehorsam verschaffen können. Man habe in dieser zitation sogar in nicht wiederzugebende: Weise Vaterunser ver⸗ handelt (Lebhafte Pfuirufe rechts Auch das MWitzblatt. Lachen links“ habe durch unbollständige Wiedergabe kirchlicher Lieder die christliche Religion verhöhnt. indenburg und der Reichskanzler seien schwer beleidigt worden. n man das alles von Staats wegen paffieren lasse, brauche man sich nicht über die sittliche Ver⸗ wilderung zu wundern. Aber es gehe in der deutschen Jugend eine starke Bewegung, die aufwärts strehe. Das wertvolle Kulturgut der Vergangenheit müsse der Jugend nähergebracht werden. Der Redner trägt dann Ein zelwünsche besonders für die Land- und Junglehren vor. Zu bedauern sei nach wie vor der Zwang zum vieriährigen Befuch der Grundschule. Bei der Reform der Reifeprüfung Fei pfychologisch falsch, daß die mündliche Prüfung nicht mehr erlassen werden dürfe. hnen, efallene“ Abiturient seine Prüfung nicht, wie früher, nach einem alben, sondern erst nach einem ganzen Das würde jetzt zu teuer wenden, ebenso wie das Verlangen nach immer nen einzuflihrenden Schulbüchern. Der Redner wendet s
dann der Personglpolitik des Kultusministers und dahei dem Falli Le säng zu. Lessing, der im vorigen Jahre die . des Min isters erfahren hatte, habe sich an die Wejsung des Minjsters gr nicht gehalten. Er habe im „Frankfurter Generalanzeiger“ im Mai einen Artikel veröffentlicht, in dem er „erotische Experimente beschreibe. Der Redner liest den betr. Artikel Lessings vor, was von der Linken mit anhaltendem Lachen aufgenommen wird, und fragb. ob man dies mit der Würde eines akademischen Lehrers vereinen könne. (Hurufe rechts In einem Prgger Tageblatt habe Lessing
anläßlich des Besuches Hindenburgs in Köln bei der Befreiungsfeien
mit höhnischen und deutlich auf eine bestimmte Person hinzielenden Worten den Typ geschildert, der bei einer solchen Feier präsidieren müsse. (Auch hier liest der Redner die betr. Artikelstelle vor. Sie
wird von der Rechten mit lebhaften Zurufen, wie Gemeinheit usw.,
aufgenommen) Am 5. Juni habe der „Völkische Beobachter, einen Auszug gus einem in Prag erschienenen Artikel Lessings gebrachtz in dem Lessing sich mit dem Schriftstellen Walter. Serner heschäftigt. Serner habe seine literarische Tätigkeit in Paris als Zuhälter, be—⸗ gönnen und reise gegenwärtig im Srient als reicher Besitzer öffent; licher Häuser herum. Wenn Kant und Schiller exlebt hätten, was Serner erlebte, würden sie die Welt auch mit anderen Augen anfehen. (Große Ünruhe rechts. Das Schlimmste sei aher, daß Lessing von einer Unterredung mit dem Oberbürgermeister von Hannober und anderen Beamten eine Darstellung gegeben habe, die vom Oberbürgermeister als ö bezeichnet werde. Die Beamten hätten ihren Diensteld für die Richtigkeit einer gegenteiligen Dar= tellung angeboten. Trotz alle diesem selle nun anscheinend Lessing die Treppe hinauffallen. Wenn es tatsächlich nicht möglich lt, nem solchen Schädling (lebhafte Zurufe rechts: Lumpen! Fer [i Drecksau ) bie venia legendi zu entziehen, so müßten eben die entsprechenden Ge⸗ setzesbestimmungen schleunigst geändert werden. In Hannover i wegen des Falles Lefsing mehr als zehn Studenten relegiert. e
seien sich doch darin einig, daß es über die Parteien hinweg noch so
ewas wie eine Gemeinschaft der anständigen Menschen gebe. Sehr wahr! vechts — Gelächter bei den Kommunisten. Abgeordneter Kiliag Köͤmme' der dem Redner zuruft, er gehöre nicht in dig Gemeinschaft anständiger Menschen, wird zur Ordnung gerufen Die Studenten in Hannover die vielleicht formal verstoßen hätten, aber doch in der Sache im Recht gewesen feien sstürmische, Zustimmung rechts). müßten den Weg zur Hochschule zurück geöffnet erhalten. um Fin bedauert der Redner, daß ba Yee ifrsoinn eee am Widerspruch des Staatsrats gescheikert sei.
Abg. Dr. Schuster (D. Vp.) spricht zunächst zu den An⸗ trägen kin Partei zur dritten ö und begründet ins⸗ besondere noch einmal den ö gegen die Schulgelderhöhung für höhere Schulen. Ein weiterer Antrag wendet sich gegen die Nicht⸗ bezahlung städtischer Zuschüsse an Privatschulen in Berlin, durch die diese plötzlich und unerwartet in große Not versetzt worden seien, Bezüglich der Angriffe auf den e . ztsunterricht erklärt er, es sei allerdings alles zu vermeiden, was geeignet sei, die jetzige Staats⸗ form herabzusetzen, gber ein lebendiger Geschichtsunterricht sei nicht ohne lieferes Eingehen und Würdigung der großen Vergangenheit möglich. Der Redner wendet sich sodann zum Fall Lessing. Das Verfahren des Ministers erinnere etwas an das Verfahren des Vaters mit seinen bösen Buben. Lessing habe sich unerhörte Ent⸗ , . zuschulden kommen lassen. So habe er, über den Fall
s verurteilten Mörders Grans in einer ausländischen Zeitung ge schrieben und behauptet, 6 hier ein wollkommen . ber⸗ urteilt 9 Daß er selbst dabei die Empfindung gehabt hätte, daß solche Sätze eine Ephigltes⸗Tat gegen sein Vaterland wären, habe er selbst zugegeben, Wenn sich die Studenten der nun erfolgten Regelung gefügt hätten, müsse man ihnen die höchste Anerkennung aussprechen. Schweren Anstoß müsse der Satz in dem Ausgleichs. vorschlag erregen, daß Lessing loyal an der Herstellung des Friedens
mitgearbeitet habe. Das klinge gerade so, als wenn ein Räuber
hauptmann in einem Friedensprotokoll sich selbst beglaubigt, daß en loyal den i hergestellt habe. Der eigentliche Schuldige sei immer nur Lessing. Die Studenten seien lediglich aus dem Gefühl des Anstandes und der Sauberkeit dazu gekommen, seine Vor—= lesungen ju meiden. Die Deutsche . wünsche ganz aus. drücklich, daß ein endgültiger Frieden wirklich erzielt werde; damit das aber möglich sei, müßten gewisse Voraussetzungen erfüllt werden. Man erwarte in Hannober mit aller Entschiedenheit, daß die Re= legationen der Studenten aufgehoben würden, in welcher Form das auch geschehen möge. Darüber könne kein Zweifel herrschen, daß, wenn guch nur ein Schuldiger bestraft werde, Herz, Lessing aber einen Forschungsauftrag erhalte, darin ein krasser Widerspruch ge—⸗ sehen werden müsse. Möge er seinen Forschungsauftrag erhalten. Wer seine Bücher kenne, wisse wirklich nicht, was er zu forschen haben soll. Aus allem, was er geschrieben habe, gehe immer nur hervor, daß er aus zweiter und dritter Hand nehme und selbst zu forschen gar nicht verstehe. Die Deutsche Volkspartei wolle auch nicht, daß es einem Lehrer an der Hochschule unmöglich gemacht werde, seine Vollsesungen zu halten. Das sei eine Art Verfehlung der Studenten. Aber die Studenten haben menschlich gefehlt; Lessing habe sich moralisch ver= gangen und das ngtiongle und sittliche Empfinden probojiert. Es ei gar . möglich, daß der Lehrkörper der Hochschule eing dauernde Zugehörigkeit eines Mannes ertragen könne, vor dem er keine Ach⸗ kung habe. Der Redner verliest ais dem Tagebuch von Großmann folgenbes Selbstbekenntnis Lessings: „Ich bin Monist, Jude, Mystiker, Steinerianer Wagnerigner und anderes, mein, Ideg! suche ich in der jeweiligen n , diese C — keit, die mir mit Recht verdacht wird, ist mein Lebens icksal.“ (Lebhaftes hört! hört) Es it eben nichts, worüber sich i, nicht lustig ge⸗ macht hätte, sei es 2 sei es die katholische Kirche, sei es Kant oder Fichte, sei es das Min isterium oder die Hochschule, (Hört! hört! rechts und Entrüstungsrufe Lessing kann nur hexunterzei ßen, zer- setzen und schmähen Es ist ein schwerer pathologischer Fall. Wir wollen nicht, daß er hungert, aber wir wünschen, um die Würde unserer Hochschulen zu wahren daß die Heer a end⸗ gültig von diesem Mann erlöst wird. (Beifall rechts.
Abg. König⸗Swinemünde S* zitiert das Urteil von Hans Triesch⸗Leipzig über Lessing, das ö. im „Berliner Tage⸗ blatt“ gefällt hat., Er habe von Studenten gesprochen, die e Kreisen vorgeschoben feien, denen Lessing unbequem sei. Lessings
Auch sei die Neuerung abzulehnen, daß der „durch- .
Jahre wiederholen dürfe.
86 ten seien, so heißt es in dem Urteil weiter, nicht leicht; jeden⸗ fal 3 er „der“ Kulturphilosoph unserer Zeit, Lachen rechts und streiten! Seit Sceenz
e
Zuruf: Ueber den . läßt sich nicht *
Fauer und Nietzsche hätten wir nichts ähnliches gehabt. Lessin wird weiter verglichen mit Franziskus von Assissi, und es wird in dem Urteil bemerkt, solch ein Mensch könne kein Zerfetzer sein. So abe Hans Triesch geurteilt, und es werde wohl niemand im use sein, der nd Autorität bezweifle. Gegen den Terror der Studenten habe der Staat die Pflicht, ö Auf Jer Universitãt h der Geist der Humanität gepf eg werden. Be⸗ ichneid sel die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der rügelstrase. Auch der Antrag, wenigstens die Strafe für Mãäd⸗ en aufzuheben, sei abgelehnt worden. Die Gegner schienen eben ohne Prügel nicht guskommien zu önnen. Jeder Pädagoge müsse um mindesten die Forderung unterstützen, daß gar ge mangelnder eistungen“/ nichk geprügelt werden dürfe. Am teligionsunterricht teilzunehmen, könne man weder Lehrer noch Schüler zwingen. Der Redner fragt, ob bei der r, der Turnlehrer und lehrerinnen in Spandau das Kleinkaliberschießen eingeführt worden sei; wenn es geschehen sei, sei es zu verbieten.
Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung D. Dr. Becker: Meine Damen und Herren, es ist eine Reihe von Einzelfragen angeschnitten worden, auf die ich vielleicht hier im Plenum besser nicht eingehe. Ich denke zum Beispiel an die Spezial- frage des neuen Erlasses über die Neuregelung des Abiturientenerxamens und über die Gründe, die uns dazu bestimmt haben. Ich glaube, daß wir das im Ausschuß besser er⸗ örtern und möchte nur sagen, daß ich mich sehr freue, daß dieser Erlaß in der Oeffenlichkeit freundliche Zustimmung gefunden hat.
Eine Einzelfrage des Herrn Abgeordneten Koch (Oeynhausen) über die rechtliche Stellung der Lehrer am orientalischen Seminar in Beziehungen zur Universität möchte ich dahin beantworten: die planmäßigen Lehrer am Seminar für orientalische Sprachen führen die Amts⸗ bezeichnung Lehrer und zum Teil Lehrer und Professor. Sie sind nicht Professoren der Universität. Einige planmäßige Lehrer des orientalischen Seminars sind zugleich nebenamtlich als nicht⸗ beamtete außerordentliche Professoren an der Universität tätig. Der Direktor ist Ordinarius der philosophischen Fakultät und stellt in seiner Person die Verbindung zwischen Universität und orientalischem Seminar dar.
Ich möchte mich im wesentlichen auf die großen Anfragen be—⸗ schränken, die hier gestellt sind, und die noch nicht beantwortet sind. Zunächst die Angelegenheit Lessing. Nachdem der an der Technischen Hochschule in Hannover entstandene Konflikt, wie der Oeffentlichkeit bekanntgegeben ist, inzwischen dadurch beendet wurde, daß die Staatsregierung dem Ratschlage angesehenste: deutscher Hochschullehrer, unter denen die Vorsitzenden des Verbandes der Deutschen Hochschulen und der Deutschen Rektorenkonferenz waren, gefolgt ist, ist nach dem Bericht des Rektors der Technischen Hoch⸗ schule Hannover in Ordnung wieder hergestellt. Seitens des Staats- ministeriums kann daher nur noch einmal zur Begründung seiner Stellungnahme betont werden, daß die Staatsregierung sich von Anfang an bemüht hat, die Angelegenheit unabhängig von partei politischen Tagesmeinungen auf Grund der durch Gesetz und Hoch⸗ schulstatut festgelegten Rechtsnormen zu behandeln.
Professor Lessing hätte auf Grund der ihm zur Last gelegten mannigfach zitierten Ausführungen auf disziplinarischem Wege nur durch einen Rechtsbruch aus seinem Amte entfernt werden können. Bei dieser Sachlage hat sich die Unterrichtsverwaltung, die ihrerseits dem Professor Lessing wiederholt ihr Mißfallen über seine außerhalb seiner Gelehrtenaufgabe stehende literarische Produktion zum Aus—⸗ druck gebracht hatte, nur auf den Standpunkt stellen können, daß sie der durch Gewaltmaßnahmen und Disziplinlosigkeiten von Studenten herborgerufenen Erschütterung der akademischen und der Staats autorität entgegentrat. Die Unterrichtsverwaltung hat übrigens nicht, wie in der Großen Anfrage 126 angenommen worden ist, in das Disziplinarrecht der Technischen Hochschule Hannover eingegriffen, vielmehr haben die akademischen Behörden der Technischen Hoch—= schule Hannover kraft des ihnen zustehenden Rechtes von sich aus die Disziplinargerichtsbarkeit ordnungsgemäß durchgeführt. Diese Diszi⸗ plinarmaßnahmen sind noch nicht abgeschlossen. Der Minister kommt erst als zweite Instanz in Frage, und es ist unmöglich, daß ich hier eine Stellungnahme äußere, ehe mir der abschließende Bericht der Technischen Hochschule Hannobe: vorliegt. (Abg. Koch 1Oeynhausenl: Ist es falsch, daß von hier aus auf schleun ige Erledigung hingewirkt worden ist. Wie ich schon in einem Interbiew ausgesprochen habe, ist mit Rücksicht auf die allgemeine Erregung in der Oeffentlichkeit von mir der Wunsch geäußert worden, daß die amtlichen Behörden der Technischen Hochschule Hannover so schnell wie möglich in die Verhältnisse eingreifen möchten.
Die Ueberzeugung, daß die Erregung jugendlicher akademischer Kreise gegen gewisse literarische Ausführungen des Professors Lessing niemals die Fovm annehmen durfte, daß ein Hochschullehrer mit Ge⸗ walt an der Ausübung seiner Tätigkeit verhindert werden sollte, wird von der überwiegenden Mehrheit der deutschen Hochschullehrer geteilt und hat die Grundlage gebildet für den Lösungsversuch, den die vor⸗ genannten Herren der Unterrichtsberwaltung zur Berücksichtigung empfohlen haben.
Wenn es dabei gelungen ist, das deutsche Hochschulleben vor weiteren Erschütterungen und vor allem auch die Technische Hoch= schule Hannover vor einer Schließung zu bewahren, so wird das im Interesse unserer Hochschulen und im Interesse der akademi⸗ schen Jugend seitens der Staatsregierung besonders begrüßt.
Dann möchte ich noch einige Worte zu dem hinzufügen, was der Herr Abgeordnete D. Schuster über diesen Fall gesagt hat. Ueber die Frage der Begnadigungen wird erst geredet werden können, wenn ein endgültiges Urteil der Technischen Hoch schule Hannover und eine Stellungnahme des Lehrkörpers vorliegt.
Den Wunsch, daß in Hannover eine ordentliche Pro⸗ fessur für Philosophie errichtet werden möchte, teile auch ich. Und zwar nicht nur mit bezug auf die Technische Hochschule Hannover, sondern auf sämtliche technischen Hoch⸗— schulen. Die außerpreußischen technischen Hochschulen haben bereits solche Professuren. Preußen hat es bisher noch nicht dazu gebracht, und die Unterxrichtsverwaltung hat sich in dieser Rich⸗ tung immer bemüht, auch in den letzten Jahren; aber Sie wissen ja, daß wir in den letzten Jahren keine neuen Stellen begründen konnten. Deswegen waß es auch in Hannover nicht möglich. Daß aber mein Streben nach dieser Richtung geht, kann ich hiermit erneut versichern.
Wenn Herr Abgeordneter D. Schuster gesagt hat, daß das Verbleiben des Professors Lessing in Hannover nicht tragbar sei, so muß ich hinzufügen, daß es mir angesichts der vielen Urteile, die über Professor Lessing geäußert worden sind, darauf
ankommt, einmal das amtliche Urteil der Technischen Hochschule Hannover selber hier zur Kenntnis zu geben. (Sehr richtig! links) Als nämlich im Jahre 1921 nicht etwa der Minister anregte, sondern die Technische Hochschule mit der Auf⸗ forderung an den Minister herantrat, Herrn Lessing zum außer⸗ ordentlichen Professor zu machen, lag, wie dies üblich ist, ein Votum der Abteilung vor, das in der Einleitung das Pro und das Contra behandelte. Man kannte ja die Persönlichkeit Lessings aus vielfältiger Tätigkeit in Hannover ganz genau. Dieses Votum schließt mit folgenden Worten: Auf jeden Fall handelt es sich um eine geistvolle, anregende Persönlichkeit hohen Ranges, hört, hört! links) die Abteilung ist der Meinung, daß seine Auszeichnung durch Ernennung zum nichtbeamteten Extraordinarius durch seine wissenschaftlichen Leistungen wohlverdient sei. (Unruhe rechts.) Auf diesen Vorschlag ist dann die Ernennung zum außerordentlichen Professor erfolgt.
Was die große Anfrage Nr. 123 über die angeblichen Eingriffe der unterrichtsverwaltung in die studentische Selbstverwaltung betrifft, so ist dazu folgendes zu bemerken:
Der in der großen Anfrage Nr. 128 erwähnte Beschluß des Hauptausschusses der Deutschen Studentenschaft ist der Staats⸗ regierung bekannt.
Das Recht der Unterrichts verwaltung, die Kopfbeiträge der Einzelstudentenschaften in den Höchstgrenzen festzusetzen, beruht auf 8 8 der Staatsministerxialverordnung vom 18. 9. 1920; das Recht zur Festsetzung von einzelnen Pofitionen leitet sich her aus §8 5 der Verordnung, nachdem die Studentenschaft mit der Genehmigung der Satzung verfassungsmäßiges Glied der Hoch⸗ schule wird und damit unter die jeweiligen Aufsichts rechte des Staates gegenüber der Hochschule tritt. Daraus leitet sich auch die seit Bestehen der Staatsministerialverordnung ständig geübte Verwaltungsmaßnahme her, die Haushaltspläne der Studenten schaften im Ministerium zur Genehmigung vorlegen zu lassen. Auch ohne die besondere Regelung des 8 5 der Verordnung müßte der preußische Kultusminister dieses Recht als oberste und verantwortliche Aufsichtsinstanz der Hochschulen wie gegen⸗ über jedem anderen Hochschulorgan für sich in Anspruch nehmen. Wenn in dem in der großen Anfrage zitierten Schreiben der Deutschen Studentenschaft gesagt wird, daß die Unterrichts⸗ verwaltungen der anderen deutschen Hochschulen keinen Anlaß sähen, „in die akademische Selbstverwaltung derart schwere Ein⸗ griffe zu unternehmen, wie sie das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung versucht“, so muß dem⸗ gegenüber darauf hingewiesen werden, daß die Verhandlungen über die Herabsetzung der Beiträge in der Deutschen Studenten⸗ schaft auf den ausdrücklichen Wunsch und das lebhafte Drängen der übrigen deutschen Hochschulländer geführt worden sind, die ihrerseits die preußische Verwaltung gebeten haben, auch bei dem Vermögensbeirat der Deutschen Studentenschaft auf eine Senkung der nach Meinung der Unterrichtsländer zu hohen Abgaben zu dringen. Da die Deutsche Gesamtstudentenschaft der preußischen Staatsaufficht nicht untersteht, konnte eine Wahrnehmung der Staatsaufficht nur über die Einzelstudentenschaften erfolgen. Der Schwerpunkt der studentischen Selbstverwaltung liegt überdies in der Einzelstudentenschaft; für sie ist das Studentenrecht ge⸗ schaffen worden. Hohe Beitragszahlungen an die Spitzenorgani⸗ sation beschränkt den Wirkungskreis der Einzelstudentenschaft, da die vom Staate erhobenen Zwangsbeiträge naturgemäß in dieser schweren Zeit möglichst niedrig gehalten werden mußten. Nun ist der Aufgabenkreis der Deutschen Studentenschaft beschränkt, da die wichtigste Aufgabe der Studentenschaft, die wirtschaftliche Hilfe, von einer selbständig aufgebauten Organisation, der Wirt⸗ schaftshilfe der Deutschen Studentenschaft, geleistet wird. Immerhin bleiben, wie gern anerkannt wird, repräsentative, fachschaftliche, sportliche und andere Aufgaben, die aber mit Ausnahme der repräsentativen mit vielleicht noch größerer Wirksamkeit von den Einzelstudentenschaften zu leisten sind. Im wohlverstandenen Interesse der Einzelstudentenschaft glaubte die Regierung darauf hinwirken zu sollen, daß die Spitzenorgani⸗ sation auch ihrerseits durch Ersparnisse, namentlich auf reprãsen⸗ tativem Gebiet, dem Ernst der Zeit Rechnung trug. Sehr richtig! links) Die Regierung konnte unmöglich durch Zwangs⸗ beitreibung dabei mitwirken, daß der Spitzenorganisation für repräsentative und allgemeine Zwecke ein Jahresbudget von 120 000 M. zur Verfügung stand (hört, hörth, so lange das preußische Budget für Beihilfen und Unterstützungen für Studierende nur ungefähr die gleiche Summe zur Verfügung zu stellen in der Lage ist. Zum Vergleich noch zwei weitere Daten! Nach dem geforderten Budget hätten der Deutschen Studenten⸗ schaft etwa doppelt soviel Mittel zur Verfügung gestanden wie dem doch unendlich viel wichigeren Gesamtverband der Deutschen Hochschulen selber. (Hört, hört! links.) Auch das durch die preußische Regelung herabgesetzte Budget ist immer noch größer als das des Hochschulverbandes. Weiter ergibt der Vergleich mit vergleichbaren Organisationen, daß dort höchstens 10 bis 15 Pfg. pro Kopf des Einzelmitgliedes an die Spitzenorgani⸗ sation abgeführt werden, während die Deutsche Studentenschaft 75 Pfg. gefordert, auf die Dauer 50 Pfg. und als Uebergang 60 Pfg. zugestanden bekommen hat. Von irgendeiner Knebelung studentischer Interessen kann also keine Rede sein, sondern es handelt sich ausschließlich um eine pflichtgemäße Hinwirkung der Aufsichtsbehörde auf eine der Zeitlage entsprechende und durch unsere ganze Verwaltung hindurchgehende größere Sparsamkeit. Es darf eben nie vergessen werden, daß es sich um zum Teil widerwillig gezahlte Zwangsbeiträge handelt, an deren Ver⸗ wendung gerade aus studentischen Kreisen heraus schon lebhafte Kritik geübt worden ist.
Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß die Ent⸗ scheidung über eine Senkung der an die Deutsche Studentenschaft abzuführenden Beiträge keineswegs plötzlich getroffen worden ist, vielmehr ist schon am 29. 7. 19235 durch besonderen Erlaß des Ministeriums der Kopfbeitrag auf 0,50 R.-M. festgesetzt worden. In dem Erlaß wurde ausdrücklich hinzugefügt, „ob und inwieweit für künftige Semester neben dem ordentlichen Kopfbeitrag eine außerordentliche Umlage in Betracht kommen könne, müsse späterer Entscheidung vorbehalten bleiben“. Hiernach konnte auch seitens der Studentenschaft nicht erwartet werden, daß die ausnahms - weise in mehreren Semestern genehmigte extraordinäre Erhöhung
des Kopfbeitrags von Dauer sein sollte. In den Verhandlungen mit der Deutschen Studentenschaft ist die Staatsregierung, die die Aufhebung eines extraordinären Beitrages beabsichtigte und die nunmehr die endgültige Festsetzung von 50 R.⸗M. als Kopf⸗ beitrag vorschlug, den Wünschen der Deutschen Studentenschaft dadurch entgegengekommen, daß sie ungeachtet der bestehenden Bedenken einer Erhöhung des Kopfbeitrages auf 060 R.-M. auch für das laufende Semester zugestimmt hat.
Die Tatsache, daß das Studentenrecht den örtlichen Studenten⸗ schaften von der Staatsregierung in völligem Einvernehmen mit den Führern der Studentenschaften verliehen wurde, und daß es für die meisten anderen deutschen Hochschulländer vorbildlich geworden ist, sollte das Staatsministerium vor dem Verdacht bewahren, daß es eine sachlich nützliche Selbstverwaltungsarbeit der Preußischen Studentenschaften oder der von ihnen mit⸗ getragenen Deutschen Studentenschaft beeinträchtigen wolle. Bei grundsätzlichem Festhalten an dem Prinzip der Selbstverwaltung kann jedoch das Staatsministerium nicht darauf verzichten, in Ausübung seiner Pflicht zur Aufsicht auch über den studentischen Teil der Hochschulen auf ein sparsames Wirtschaften mit den den Studenten auferlegten Zwangsbeiträgen hinzuwirken. (Bravo! links.)
Noch ein letztes Wort zu dem Aenderungsantrag der Sozialdemokraten über die Prügelstrafe! Ich habe bisher noch keine Gelegenheit gehabt, selbst dazu Stellung zu nehmen, und ergreife die Gelegenheit mit Freuden. Ich bin aus vollem Herzen ein Gegner der Prügelstrafe. (Bravo! b. d. Soz⸗Dem. P) Ich möchte alles daran setzen, daß es uns gelingt, die Prügelstrafe so schnell wie möglich aus den Schulen zu ent⸗ fernen. (Bravol links) Ich kenne aber die realen Verhältnisse zu genau, um nicht zu wissen, daß durch ein schnelles Aufhebungs⸗ gebot von heute auf morgen mehr Unheil als Heil geschaffen würde. (Sehr richtig! rechts — Zurufe links.) Deshalb bitte ich das hohe Haus, mir dabei behilflich zu sein und mich nicht durch entgegengesetzte Beschlüsse daran zu hindern, daß ein plan⸗ mäßiger, aber von einem ganz klaren Endziel getragener Abbau der Prügelstrafe Schritt für Schritt erfolgt, und zwar möglichst schnell beginnend. (Bravo! links.)
Abg. Kilian (Komm.) fordert endliche Vorlage des Reichs⸗ schulgesetzes, Hilfe für die Junglehrer, Beseitigung der Prügel⸗ strafe auch im Interesse der Lehrerschaft sowie Oeffnung aller höheren Schulen für die Kinder des Proletariats. Im. n Lessing habe der preußische Unterrichtsminister vor den faschistischen Studenten kapituliert, Die kommunistische Fraktion lehne, da alle ihre Anträge auf Ablehnung stießen, die Mittel für das Kultus⸗ ministerium ab.
Abg. Dr. Boh ner (Dem) erinnert daran, daß die Redner der Rechten sich zwar für die Junglehrer einsetzten, aber dem Staate nicht die Steuereinnahmen bewilligen wollten, die für seine Ausgaben erforderlich wären. Mit Worten allein aber sei den
JZunglehrern nicht geholfen. (Sehr richtig! links. Wenn man die
konfessionelle Volksschule verlange, dann sei die konfessionelle höhere Schule und die konfessionelle Univerfität die logische Folge, Alles, was hier von Lessings Artikeln vorgelesen worden sei . eigentlich schon von Heine bekannt. Und man sollte doch diefe Sprache nun endlich verstehen. Im Falle 2 habe man ein Beispiel dafür erhalten, wie ein Skandal aufgezogen werde. Es . durchaus nichts Ungewöhnliches in der Welt, daß vor einer Wahl Präͤsidentschaftskandidaten kritisiert werden. So vergleiche in der „Weltbühne“ ein Franzose Millerand Schritt für Schritt mit einen Ochsen, ohne daß in Frankreich daraus ein Skandal ent⸗ 6 Die Rechte müsse etwas mehr Liberalismus zeigen. Die breiten Schichten des deutschen Volks verlangten jetzt mehr frische Luft, als sie früher ihnen zutei . sei. (Sehr wahr! links.) Aber das verstände offenbar die Rechte nicht, wie es auch die Ausschuß⸗ besprechung über die Prügelstrafe bewies. Da habe ein Vertreter der Rechten erklärt, andere Länder könnten vielleicht die Prügel⸗ trafe für Schullinber entbehren, weil dort die Eltern auf einen he j Niveau ständen. (Hört, hört! links). In der Frage des ichriftstellerschutzuerbandes, dem führende Männer ange ören, sei die Haltung des Ministeriums zu bedauern.
Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung D. Dr. Becker: Meine Damen und Herren, nur eine kurze Be merkung! Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß meine Stellungnahme zu der Prügelstrafe vorhin mißverstanden worden ist. Ich wollte nur sagen, daß ich in dem vorliegenden sozialdemokratischen Antrage durchaus ein Mittel erblicke, auf dem Wege voranzukommen, den ich als wünschenswert bezeichnet habe. Ich würde es begrüßen, wenn der Antrag angenommen würde. (Bravol bei den Sozialdemokraten.)
Um 7 Uhr soll die dritte Etatsberatung mm eh sitzung fortgesetzt werden.
Schluß gegen 5. Uhr.
2 Na cht⸗
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Abendsitzung. (Bericht des Nachrichtenbüros Vereins deutscher Jeitungsverleger.)
Nach 7M . wird die Sitzung eröffnet und die Aus⸗ sprache zum Kultushaushalt fortgesetzt.
Abg. Dr. Klamt (Wirtschaftl. Vereinig) meint, es werde kaum bei einem Etat so viel gesprochen wie beim Kultushaushalt. Trotzdem gebe es noch eine Reihe Beanstandungen. Hoffentlich 46 die Bitten des Abg. , dne, n en. zur Reform der Reifeprüfung beim Ministerium auf fruchtbaren Boden gefallen. Dankbar müsse anerkannt werden, daß der Philologenstand sich immer mehr verständnisvoll der Jugend nähere. Man müsse bei allen Reformen besonders in der jetzigen Zeit auch die wirtschaft⸗ lichen Konsequenzen bedenken und vor allem etwaige Reform- pläne rechtzeitig öffentlich bekanntmachen, damit die inter⸗ essierten Kreise dazu Stellung nehmen können. Gerade ein demokratischer Staat müsse d, re, weite Kreise zur Mitarbeit eranziehen. Der Redner kommt dann auf die Ablehnung der
erufung zur Akademie der Dichtkunst durch Gerhart Hauptmann zu sprechen. Eine Autorität wie Thomas Mann habe erklärt, er wisse nicht, ob da nicht ein etwas leichtsinniges Vorgehen des Ministeriums vorliege. Das könne man nur unterstreichen. Und das mnisfeinn sollte nicht alles mögliche tun, um sich in Gegen⸗ atz zur öffentlichen Meinung zu setzen. Sehr gut! rechts) Es abe dies auch im Falle Lessing getan und noch dazu Studenten wahllos relegiert. Dadurch würden doch. gerade auch die Eltern ettoffen. (Zuruf des Abg. Kilian Kommunists: Man soll Die
urschen 8 noch belohnen? — Große Unruhe rechts Der Minister habe nun die Gelegenheit, sich unter den jungen Studenten außerordentlich viel Freunde zu erwerben, wenn er die Relegationen irgendwie unwirksam mache. Sehr richtig! rechts) Meine Freunde und ich, so erklärt der Redner, sind zwar keine abgestempelten und patentierten Republikaner, ader wir reuen ulis doch, wenn ein Schritt vorwärts auf dem Wege zunt 6 in der Republik getan wird. Erfreulich sei die Teil- nahme des Ministers an der interngtionalen Schauspielerkonsergeng. obwohl auch dort leider politische Manöver sich abspielten. Sehr bedauerlich sei es 20 nicht zum Vortrage Keynes eing viel stärkere offizielle Bete igung auch durch Einladang von Parla