1928 / 58 p. 13 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Mar 1928 18:00:01 GMT) scan diff

/

r. . / / KK /

. .

ß e. ö.

Abg. Johanna Ludewig (Comm.) kritisiert die Vertrustung

der dentschen Industrie, die die Kleinbetriebe zum Erliegen bringe. Die Rede des deutschnationalen Redners, sei nichts wie Deniagogie gewesen. Die Rationalisierung habe die Arbeiter un erhört ausgebeutet; die Unternehmungen hätten Gewinn gehabt, die Arbeiter aber keine nennenswerten Lohnerhöhungen trotz ver= mehrter Arbeit. Die Kapitalisten verständen es ausgezeichnet, die Gewinne hundertfach zu verschleiern. Nach außen hin würden nur kleine Gewinne ausgewiesen, wie Hösch und Klöckner zeigten. Erschrecklich gestiegen sei die Unfallziffer; für die Gewerbea ussicht seschehe viel zu wenig. Das Verbot der Ueberschreitung des Acht⸗ tundentages führe die preußische Regierung nicht durch, sie zeige auch hier, daß sie lediglich Ausführungsorgan des Reichs nerbandes der Industrie sei. , . sei das Verlangen auf Abhau des Auslandsmonopols in Sowjetrußland; hier würden sich die deutschen Unternehmer den Schädel einrennen, ohne etwas zu erreichen. Weg mit diesem Ministerium!

Abg. Kniest (Dem.) bedauert, daß immer noch das Unrecht bestehe, das in dem ungleichen Wahlrecht zu den Handwerkz⸗ kammern liege, und das die deutschnationale Reichsregierung nicht beseitigen wollte. (Sehr wahr! bei den Demokraten.) Der gewerb⸗ liche Mittelstand beide gegenwärtig unter besonderen Schwierig keiten, weil bie Kaufkraft der breiten Volksschichten noch nicht aus⸗ reichend durch Lohnerhöhungen gesteigert sei. Aber die in Aussicht stehenden Lohnkämpfe würden doch, wenn es zu. Aussperrungen komme, gevade auch den Mittelstand schwer schädigen. Erfreulich sei, . die Holzindustrie den vernünftigen Beschluß gefaßt habe, die er schädlichen Aussperrung aus dem Wege zu gehen. (Sehr gut! bei den Demokraten.) Hoffentlich werde der Mittel stand auch aus den der Landwirtschaft gegebenen Krediten seinen Nutzen durch eine vermehrte Kaufkraft der Landwirtschaft erhalten. Die Mittel müßten aber gerecht verteilt werden. (Sehr richtig! links) Man könnte der Landwirtschaft auch so helfen, daß man da, wo viel Grundbesitz vorhanden sei, einen Teil von Staats wegen käuflich erwerbe, um damit Siedlungsarbeit zu leisten. Unvecht sei es, dem Mittelstand Versprechungen zu machen, die hernach vom Staat nicht gehalten werden könnten, wie dies in vieler Beziehung sich jetzt bei der Rechtsregierung im Reiche herausgestellt habe. Bedauerlich sei, daß der Sparausschuß den vom Hauptausschuß bereits angenommenen demokratischen Antrag auf, Bereitsteellung von 100 0660 Mark für ein Gewerbeförderungsinstitut in Berlin abgelehnt habe. Im nächsten Jahve müsse dieser Antrag an⸗ genommen werden. Der Redner empfiehlt noch den demokratischen Antrag, daß das Staatsministerium auf die Gemeinden dahin ein⸗ wirken möge, daß sie beim Betriebe von wirtschaftlichen Einrich= tungen auf die berechtigten Belange des selbständigen. Gewerbes Rücksicht nähmen und daß Arbeiten, die von selbständigen Hand⸗ werkern angefertigt werden könnten, nicht von den Gemeinden in eigener Regie ausgeführt würden. Besonderer Dank gebühre dem Minister für sein Eingreifen in das sogenannte Zugabewesen. (Beifall bei den Demokraten.)

Abg. Mohrbotter (Wirtschaftl. Vereinig) begrüßt den Rückgang der Arbeitslosigkeit und die erhebliche Umsatzsteigerung. Diesen Besserungssymptomen ständen aber gewaltige Steigerungen der Unkosten, der steuerlichen und sozialen. Belastung gegenüber. Die Gesetzgebung des Reiches sei eben keineswegs mittelstands⸗ fveundlich. (Sehr wahr! bei der Wirtschaftlichen Vereinigung) Unerträglich seien auch die hohen Zinssätze. Die Preußenkasse müsse eine etwas vorsichtigere Politik treiben als in der letzten Zeit. (Seht richtig! bei der Wirtschaftlichen Vereinigung.) Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand habe sich im Inter⸗ esse des Wohles der Gesamtheit nur auf die Versorgungsbetriebe zu beschränken. Die Monopolbestrebungen des Großkapitals seien chädlich für das gesamte Volk, nicht nur für den Mittelstand. Mit . Augenblick z. B, wo das Eisensyndikat gekommen sei, wären die Eisenpreise gestiegen; so werde es bei allen anderen Trusts auch sein. Dann könnten freilich auch diese großkapitalistischen Gebilde Direktorengehälter von 460 099 Mark bezahlen. Die Regierung müsse sich gegen solche Trustbestrebungen wenden. Der Nedner wendet sich noch gegen das Konsumsystem, das nicht einmal billiger arbeite als der freie Handel, und gegen den Schwarzhandel durch Beamte. Die Bestrebungen des Handelsministers für den Mittel stand seien zu begrüßen; hoffentlich könne sich der Minister auch im Kabinett durchsetzen. (Beifall bei der Wirtschaftlichen Vereinigung.)

Abg. Wie gershaus (Völk) bedauerte, daß nichts Wirk⸗ sames geschehe, um der dauernd steigenden Handelspassivität zu begegnen. Der Staat lasse sich von der großkapitalistischen Ent⸗ wicklung einfangen und lasse durchgreifende Maßnahmen zum Schutze des seßhaften Mittelstandes vermissen. Der Staat ver⸗ wirtschaftliche immer mehr; die Wirtschaft verstaatliche immer mehr. Vor allem müsse dem Warenhausunwesen, den dauernden Ausverkäufen, den Verkehrswochen, die unter der Schirmherrschaft der Stadtverwaltungen vielfach veranstaltet würden, Abbruch getan werden. Die Einwohner kleiner Städte sollten ihre Einkäufe am Orte tätigen. Den Konsumvereinen müßten alle Vergünstigungen genommen werden. Die Entwicklung der Warenhäuser und der Konsumvereine bringe den unabhängigen Menschen immer mehr unter die Botmäßigkeit des marxistisch eingestellten Systems. Auch unsere Industriekapitäne machten sich bedauerlicherweise durch Zu⸗ sammenlegung von einigen Großbetrieben zu Vollstreckern des marxistischen Willens. Eine Dezentralisation sei nötig, um die völlige Aushöhlung der Wirtschaft zu vermeiden. Der Innenmarkt müsse gehoben werden. Nur durch starke Nationalisierung, nicht durch Internationalisierung sei die deutsche Wirtschaft zu retten. Handwerk und gewerblicher Mittelstand müßten wieder die breite, . Schicht selbständiger und wirtschaftlicher Persoönlichkeiten werden. Freie Bahn dem wirklich Tüchtigen! Der jüdischen Finanzoligarchie müsse tatkräftig zu Leibe gegangen werden. Die Völker müßten gegen das Weltleihkapital aufgerufen werden, wenn ihre Freiheit erkämpft werden soll!

Abg. Metzinger (Zentr.) wendet sich gegen den deutsch· nationalen Antvag wegen der Gleichberechtigung der nationalen Gewerkschaften und bekämpft das Zugabeunwesen. Er fordert ferner, daß dem Preisdiktat der Kartelle und Trusts entgegen⸗ gearbeitet werde. Preußen müsse vorangehen, um dem Zwang entgegenzutreten, wonach den Verbrauchern unberechtigt hohe Preise abverlangt werden. Herr Ladendorff, der so scharf gegen die Konsumvereine angehe, sei selbst Mitglied der Beamten—⸗

enossenschaft gewesen, sei aber wegen ungenossenschaftlichen Ver⸗

enen. gestrichen worden. (Widerspruch des Abg. Ladendorff e schaffl Vereinig) Das Zuströmen zu den Konsumvereinen erkläre sich aus wirtschaftlicher Notwendigkeit.

Abg. Ba yer⸗Waldenburg (D. Vp). bedauert die unver, änderte Weiterberlängerung der Gewerbesteuer. Das Kernstück der Reichsverdingungsordnung sei, daß nicht der billigste, sondern der an emessene Preis Geltung haben soll. Danach müsse man sich auch in Preußen richten, da die Beachtung der die Qualitäts- arbeit schützenden Verdingungsordnung im Interesse der Gesamt⸗ wirtschaft liege. Der Wert der Arbeit solle den Gefängnissen vor Augen gestellt werden, aber maschinelle Einrichtungen, die das . rem müßten unterbleiben. Regierungsbetriebe und

evorzugung sogenannter gemeinnütziger ef ür, ten schädigten den freien Berüf des Handwerkers ünd liefen auf seine Aus— hungerung hinaus. Warum werde der vom Landtag angenommene Antrag, bei Lieferungen für die Schupo mehr als bisher das Handwerk zu . nicht ausgeführts Bei der end= ültigen Regelung der Arbeitszeitfrage sollten die verschiedenen Belange der Saisongewerbe . Es mute wie ein Witz an, wenn freiwillige Mehrarbeit bestraft werden solle. An der Meisterlehre dürfe nicht gerüttelt werden. Man könne es dem Handwerk nicht übelnehmen, wenn es als Lehrlinge solche bevorzuge, die das Ziel der Volksschule wirklich erreicht hätten.

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. Z8 vom 8. März 1928. S. 4.

Abg. Ladendorff (Wirtschaftl. Vereinig) erklärt zu der Behauptung des Abg. Metzinger, er habe allerdings in der In⸗ flalionszeit einer Einkaufsgemeinschaft zum Bezuge von Marme⸗ lade und anderer Nahrungsmittel . Lachen links und im Zentrum) Später habe sich aus dieser Gemeinschaft eine Cansumge nossen haft gebildet. Nach vier Jahren habe er er⸗ fahren, daß er Mitglied dieser e, n e, sei. (Zuruf links: Dies Kind, kein Engel ist so rein! Auf seine ih auf welche Unterlagen 16 seine Mitgliedschaft stütze, sei ihm geant⸗ wortet worden, er sei als unsympathischer ge tees f, aus geschlossen worden. (Schallende Heiterkeit; In der „Germania“ und besonders auch in rheinisch⸗westfälischen Zentrumsblättern werde die Wirtschaftspartei in der heftigsten Weise angegriffen. Das werde nur dazu beitragen, daß seine Partei noch immer größer werde. (Lachen im Zentrum und links.) Uebrigens habe er nicht uneingeschränkt die Konsumgenossenschaften abgelehnt. Er und seine Partei kämpften nur gegen das treibhausartige An— wachsen der Genossenschaften, das zum erl. Schaden der Steuerzahler ausschlage. Dasselbe . zu sagen über den Waren handel bei den Behörden. Mit diesen Dingen werde genau der⸗ selbe Mißbrauch getrieben, wie mit der sogenannten „Gemein⸗ nützigkeit“ gewisser Organisationen.

Ministerialrat Blank beantwortet eine . Anfrage der Zentrumsfraktion, die sich mit dem schweren Eisenbahnunglück im Hauptbahnhof Steele beschäftigt, bei dem sieben Personen schwer und 46 leicht verletzt wurden, und das auf die unzulänglichen Bahnhofsverhältnisse zurückgeführt worden war, dahin, daß die Untersuchungen über den Unfall noch . ab . seien, aber vom Reichsverkehrsministerium und der eichsbahnhauptver⸗ waltung weitergeführt würden. Nach den bisherigen Feststellungen handle es sich um Verstöße des Fahrdienst⸗ und Lokomotiv- mh gen, die Betriebsvorschriften. Es sei entgegen der Vor= chrift ein Einfahrsignal vorzeitig 7 Fahrt freigegeben worden. Der Lokomotivführer hätte die Signale, die auch bei trüber Witterung gut sichtbar seien, besser beachten müssen. Zur Prüfung der Frage, ob den Plänen zum Umbau und Erweiterungsbau des Bahnhofes nähergetreten und ob gleichzeitig auch die Frage einer direkten Verbindung zwischen Hauptbahnhof Steele und Gelsen— kirchen geprüft werden könne, seien Verhandlungen mit der Reichs- bahngesellschaft sofort eingeleitet worden.

Abg Lange ⸗Dittersbach (3entr.) schildert die Not breiter Mittelstandsschichten, insbesondere des Lebensmittel⸗Einzelhandels. Dieser Einzelhandel leide namentlich auch unter der Uebersetzung des Handels und Handwerks. Enorm leide der Mittelstand unter der hohen steuerlichen und andersartigen Belastung, wozu noch der geringe Umsatz infolge der schlechten Kaufkraft der Bevölkerung komme. Es fehle dem kaufmännischen und gewerblichen Mittel stand auch an Betriebskapital, namentlich also an 3 ver⸗ inslichen Krediten. Mit den Kommunen müsse der Mittelstand ö daß Reich und Staat den Kommunen mit den Aufgaben auch das zu ihrer Ausführung nötige Geld überweise. Im einzel⸗ nen verlangt der Redner noch . Festigung des Begriffes von Treu und Glauben im Geschäftsleben, daß der Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach bei den Fortbi n g en eingeführt werde. Er fordert noch Parität für den katholischen Volksteil bei der Stellenbesetzung durch den Handelsminister. Zum Schluß erklärt der Redner, Herr Ladendor ö Ei dem Zentrum nicht wichtig genug, als daß man sich ausführlich mit ihm bei einer so kurz bemessenen Redezeit auseinandersetzen könne. Jedenfalls stehe fest, daß jeder Feind des Mittelstandes eine Politik machen müßte, wie sie 5 Ladendorff im Landtag verfolge. (Sehr wahr! im Zentrum. Lebhafter Widerspruch b. d. Vg.)

Abg. B . o ff. Wirtschaftl. Vereinig zählt noch Einzelfälle für das schädliche Wirken der Trusts auf: Die Firma ginn,, 3. B. terrorisiere ihre Abnehmer und bestrafe jeden mit 1000 Mark Geldstrafe und einer Drohung mit Gerichtsurteil, der billiger verkaufe, als es ihr recht ist. Gegen solche Auswüchse müsse das Ministerium vorgehen, ebenso auch gegen Auswüchse im Anzeigen- . die leicht zu Katastrophen wie der bei Bergmann 5 hren önnten.

Damit schließt die Aussprache zu diesem Etatabschnitt. Nach kurzen persönlichen Bemerkungen der Abg. Metzinger Zentr) und Laden dorff (Wirtschaftl. Vereinig.) vertagt

6 nach 8 Uhr das Haus auf Donnerstag, 12 Uhr: Rest des

Handels⸗Etats und Abstimmungen zum Berg⸗Etat.

Parlamentarische Nachrichten.

Im Reichstagsausschuß für Entschädigungs⸗ ragen wurden gestern bei der Weiterberatung des Kriegs- here, n , wie das zr g en ü des Vereins deutscher Zeitungsverleger berichtet, die S5 20 bis 24 er- ledigt, die sich mit den Verfahrens⸗Uebergangs⸗ und steuerlichen Bestimmungen beschäftigten. Zum 5 20 wurden die von den bis⸗ herigen Regierungsparteien beantragte neue. en an⸗ genommen, die eine ,,, des Entschädigungsverfahrens erreichen will. Danach soll bel einem Rechtsstreit über die Höhe der Schlußentschädigung sofort nach der Urteilsfällung des Reichs⸗ wirtschaftsgerichts die Schlußentschädigungssumme sestderzt werden, während bisher das Reichswirtschaftsgericht nur den Streit an das Reichsentschädigungsamt zurückverweisen konnte. Im 5 23 wurde gemäß dem Antrag der bisherigen Regierungs⸗ partelen eine Aenderung dahin beschlossen, daß gegen den Bescheid bes Präsidenten des Reichsentschädigungsamts über die Rückgabe der zu erstattenden Entschädigungsbeträge dem Betroffenen inner⸗ alb eines Monats und, wenn die Zustellung im Auslande zu er⸗ 6. hat, innerhalb dreier Monate die Rechtsbeschwerde an das Reichswirtschaftsgericht zusteht. Die im S 24 enthaltenen steuer⸗ lichen Bestimmungen wurden zunächst nach der ursprünglichen Regierungsvorlage angenommen, doch wurde erklärt, daß während der zweiten i h noch Verhandlungen mit der gJlegie tung über weitere steuerliche Erleichterungen stattfinden sollen. In der Donnerstagsttzung, in der die , , des Gesetzes zur Beratung ehen wird voraus icht ich die Ausschußberatung des Gesetzes abgeschlossen werden. Hierzu liegen demokratische Anträge bor, die den Geschädigten in einem späteren Termin weitere Entschädigungen zusichern, also dem Gesetz den Charakter eines Schlußgesetzes nehmen wollen.

Der Reichstagsausschuß für Entschädigungs⸗ fragen erledigte vorgestern im wesentlichen den 8 19 des Kriegsschädenschlußgesetze s, der einen Härtefonds von 30 Millionen Mark vorsieht. Die Richtlinien über die Verwendung dieses Betrages erläßt der Reichsfinanzminister mit Zustimmung des Reichsrats und eines Reichstagsausschusses. Dieser Ausschuß wird das Problem der Bedürftigkeit noch einmal zu prüfen haben. Als Meldefrist für Anträge wird der 31. Juli, für die im Auslande wohnenden Geschädigten der 30. September festgelegt.

Der Rechtsausschuß des Reichstages letz unter dem Vorsitz des Abg. P. Dr. Kahl (D. Vp) am 6. d. M. seine Beratungen über die Reform des Ehescheidungs⸗ rechte fort. Abg. Schulte⸗Breslau gZentr) gab laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger zu Beginn der Beratungen folgende Erklärungen ab: Durch die Ab⸗ stimmung in der vorigen Sitzung sei mit einer festen Mehrheit die Beratung der Vorlage des Unterausschusses beschlossen. Da⸗ mit sei die Gefahr in greifbare Nähe gerückt, daß die Ehe⸗ scheidung im B G. B. weiter erleichtert werde. Angesichts dieser Gefahr sei er genötigt, vom Standpunkt der christlich⸗katholischen Auffassung von dem Institut der Ehe unter Berufung au den demokratischen Charakter der Reichsberfassung den Versuch zu

machen, im bürgerlichen Recht Bestimmungen zu verankern, die dieser Auffassung Rechnung tragen. Er beabsichtige, im Verlaufe der Beratungen Anträge in dieser Richtung zu stellen. Zunächst aber stelle er folgenden Antrag: Ein e, . kann auf Schei⸗ dung klagen, wenn der andere Ehegatte die vor der staatlichen Eheschließung vereinbarte kirchliche Trauung verweigert, oder wenn die kirchliche Trauun . möglich ist. Das gleiche gilt, wenn die Ehegatten er e, Religionsgemeinschaft angehören und auf Verlangen des einen Teils der andere Teil die vor der staatlichen Eheschließung schon vorbereitete kirchliche Trauung verweigert. Einen solchen klaren Ehescheidungsgrund bei doloser Verwelgerung der kirchlichen Trauung zu geben, sei berechtigt und notwendig, selbst wenn auch im Einzelfalle die Ehe aus dem Gesichtspunkt des Irrtums über persönliche Eigenschaften oden aus dem Gesichtspunkt der arglistigen Täuschung nach dem gel— tenden Recht anfechtbar sein sollte. Was die beabsichtigten neuen Ehescheidungsgründe anlange, so werde er, Redner, Anträge er⸗

wägen, die die Geltendmachung dieser Ghescheidungsgründe dann ausschließen würde, wenn die Ehe außer der staatlichon auch in den Formen einer Religions⸗

gesellschaft, der die Ehegatten angehören, geschlossen wäre. Reichsjustizminister Hergt erklärte, daß ich die Reichsregierun stets gegenüber Initiativanträgen prinzipiell eine Reserve au erlegt habe, namentlich, wenn es g wie im vorliegenden Fan um Weltansch , ,, handle. In dem vorgerückten Stadin der Ausschu 2. lungen würde es aber die Reichsregierun an sich für das Gegebene erachtet haben, ihre rechtliche Stellung nahme darzulegen. Es sei demgemäß in Aussicht genommen . en, diese Stellung in der Form einer Referenten ,. em Ausschuß schriftlich zugängig zu machen. In der drr e, h aber eine tiefgreifende Veränderung in der , . politische ituation eingetreten. Nunmehr . die Reichsregierung au dem Standpunkt, daß zunächst nur die im Arbeitsprogramm fest gelegten Angelegenheiten erledigt werden sollten und alle übrige Angelegenheiten, welche die Erledigung des Arbeitsprogramm belasten und stören könnten, , . seien. Die Reichs⸗ regierung rechne auch die Ehescheldungz reform zu den jenigen Problemen, die nicht geeignet, seien, im Rahmen des Arbeitsprogramms in der no bis zum Auseinander⸗ gehen des Reichstags zur Verfügung stehenden Zeit er ledigt zu werden, und sehe deshalb auch davon ab, dem Ausschuß gegenüber ihre sachliche . darzulegen. Von 6, Seite wurde beantragt, dem Ghegatten das Recht auf Ehescheidung nur zuzugestehen, wenn er ein bestimmtes Lebensalter überschritten hahe. Abg. Dr. Rosen feld (Soz.) wandte sich dagegen, unter Berufung au das Arbeitsnotprogramm die Reform der Ehescheidung zu sab tieren. Abg. Frankfurter (Dem.) hielt dem Zentrums⸗— antrag entgegen, daß nach dem jetzt bereits geltenden Recht die Ehe angefochten werben könne, wenn trotz eines gegebenen Ver⸗ sprechens der eine Ehegatte die kirchliche Trauung verweigere, Abg. Hahnemann (D. Nat) beantragte unter Bezug auf die rf nrg des Reichsjustizministers, die Ehescheidungsreform von der Tagesordnung abzusetzen. Der Vors. Abg. D. Dr. Kahl (D. Vp.) bedauerte, daß eine Verzögerung in den Beratungen eintreten solle und zog in Zweifel, ob es der Sache dienlich sein könnte, eine formale Abstimmung vorzunehmen und die Be ratungen gegen den Wunsch zweier großen Parteien fortzusetzen. Abg. Dr. Wunderlich (D. Vp.) sprach sich für seine Person ür den Abbruch der Beratungen aus, da er, obgleich er die Re⸗ ö. der Ehescheidung für notwendig halte, die noch zur Ver⸗ fügung stehende Zeit von drei Wochen für zu knapp hielt, die Beratungen gründlich durchzuführen. Durch Abstimmung wurd der deutschnalionale Antrag auf Abbruch der Verhandlungen mit 14 gegen 13 Stimmen abgelehnt. In der sachlichen Beratung wurden unter Aiblehnmnng berschiedener Aenderungsanträge folgende ersten beiden Abschnitte eines in das Bürgerliche Gesetz buch einzufügenden neuen § 15668 a beschlossen: 1. Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen, wenn aus einem anderen Grunde eine so tiefe Zerrültung des ehelichen Verhältnisses eingetreten ist, daß eine dem Wesen der Ehe entsprechende Fortsetzung der Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann, und wenn infolge der Zerrüttung die Lebensgemeinschaft der Ehegatten seit mindestens einem Jahre vor Erhebung der 4 nicht meh bestehk. 2. Das Recht eines Ehegatten auf Scheidung nach Ab satz 1 ist ausgeschlossen, wenn er selbst einen J gegeben hat oder anderweit die Zerrüttung der Ehe vorwiegen durch sein schuldhaftes Verhalten herbeigeführt worden ist. Dig Weiterberatung über die Ghescheidungsreform wird der Rechts= ausschuß erst am Mittwoch nächster Woche vornehmen. Dagegen wird der Rechtsausschuß bereits am Donnerstag dieser Woche zusammentreten, um die Amnestiefragen zu beraten.

Der Verkehrsausschuß des Reichstags ge- nehmigte am 6. d. M. den Antrag seines Unterausschusses über die Hebung des Verkehrs im Osten. Danach soll der Bau nachstehender Eisenbahnlinien schleunigst in Angriff genommen werden: Grenzmark. 1. Schwerin - Altbeelitz Kreuz, 2. Zielenzig Grunow —opper, 3. Linde Pr. Friedland —Bischofs⸗ walde. R le de rschlesien. 1. Brieg -Namslau Groß Warten⸗ berg Mittelmalde, 2. Fraustadt Guhrau Herrnstadt. Ober schöe ien. 1. Hindenburg Beuthen, 2. Groß Strehlitz zesch⸗ witz Kandrzin. Ostpreußen. 1. Neidenburg —Gilgenburg, 2. Rosenberg - Zinten, 3. Zinken —-Pr. Eylau. Ein Antrag, für Ostpreußen auch den Bahnbau Gumbinnen Naugeninken als vor⸗ dringlich zu bezeichnen, wurde abgelehnt. Es wurde aber an⸗ erkannt, daß diese Bahnstrecke zur wirtschaftlichen Entwicklung des Ostens nonwendig sei und ebenfalls in die Wege geleitet werden müsse. Als gleichwertige Bahnlinien wurden Guben Schwerin und Fraustadt —-Bomst =- Meserltz anerkannt. Die Entwicklung des Kraftverkehrs im Osten soll gefördert und durch Herbeiführung einer Verständigung zwischen Reich, Preußen und Reichsbahn die Wirtschaftlichkeit der Unternehmungen sichergestellt werden. Der Ausbau der östlichen Wasserstraßen soll gleichfalls als vordringlich behandelt werden. Bei der Durchführung des Luftverkehrs. programms soll auf den Anschluß der östlichen Gebiete besonders Ostpreußens und Oberschlesiens Rücksicht genommen werden. 6 soll auf die Reichsbahn eingewirkt werden, daß den aus den

stlichen Gebieten des Reiches geäußerten Wünschen auf Tarif- ermäßigung Rechnung getragen wird. Der vom Verkehrsausschuß angenommene Antrag uber den Ausbau der östlichen Wasserstraßen hat folgenden Wortlaut: „Der Ausbau der . Wasserstraßen ist als vordringlich zu behandeln und nach Maßgabe der zur Ver= fügung stehenden Mittel beschleunigt durchzuführen. Insbesondere ist durch Verbesserung der Oderwasserstraße unterhalb Breslau die Leistungsfählgkeit diefes für Oberschlesien bedeutenden Wasserweges zu heben.“ Dazu wurde ein weiterer Antrag dahingehend an- enommen, die begonnenen Vorarbeiten für die Erbauung eines ki n, Teer e,. nachdrücklichst zu fördern, ferner ein An- trag: „Als Maßnahme gegen die Ueberschwemmung der Netze und Warthe ist u. a. eine Vertiefung der Oder vom Einfluß der Warthe abwärts notwendig. Die erforderlichen Mittel sind vom Reiche zur Verfügung zu stellen. Das Gesamtprogramm wurde vom eee einstimmig angenommen.

Im Beamtenausschuß des Reichstags wurde estern die Verordnung zur Durch führung des Beamten een sent ? en gaffen s zur Kenntnis genommen. An dem Entwurf, der eine starke Dezentralisation anstatt Zentralisation bringt, wurde lebhafte Kritik geübt. Von Aenderungswünschen wurde aber abgesehen, weil die Verordnung bereits dem Ausschuß des Reichsrats vorgelegen hat.

(Fortsetzung in der Vierten Beilage.)

mehr ausgebaut werden. Dadurch werde Beruhigung in die Kreise des Mittelstandes getragen. Beim Reichswehrministerium herrsche dieser Ausgleichsstelle gegenüber erfreulicherweise die größte Offen⸗ heit, was man von den übrigen Ministerien nicht sagen könne. . müsse die Liste der in Frage kommenden Gegenstände vom

eichswehrministexium bedeutend erweitert werden. Die ganze

evölkerung, die Länderregierungen und die Volksvertreter hätten das größte ee daran. Klarheit über die Verteilung dieser Ausgaben zu erhalten. Das, was der Antvag Kling bezwecke, bilde schon den Inhalt eines vom Redner vor zwei Jahren ge⸗ tellten Antrages, dessen Zweck nach dem kurz bevorstehenden Ab⸗ chluß der Verhandlungen demnächst erreicht sein werde. Der

ntrag Kling sei daher überflüssig. Bedauerlich sei, daß die Reichs⸗ handwerksordnung infolge der vorzeitigen Auflösung des Reichs⸗ tages nicht mehr zur Erledigung kommen könne. Eine gewisse Tragik liege hier insofern vor, als gerade die Partei, welcher der Neichswirtschaftsminister angehöre, selber einen nicht unerheblichen Teil der Schuld an dieser vorzeitigen Reichstagsauflösung trage. Bedauerlich sei auch, daß durch die Nichterledigung des Schank⸗ k enge sen die Unruhe im Gastwirtsgewerbe nicht beseitigt worden sei. Den Hausierhandel wolle man nicht unterdrücken, nur seine Auswüchse müßten beseitigt werden. Einer wesentkichen Einschränkung der Verkaufszeit am Sonntag könne man niemals zustimmen. Die Klagen über den Warenhandel der Beamten wollten nicht verstummen. Die Beamten sollten darauf aufmerk— lam gemacht werden, daß sie nach Möglichkeit den Betrieb von

zareneinkaufsgenossenschaften aufgeben. Auch die Autorität der Beamten und des Staatez leide unter einer derartigen geschäft⸗ lichen Betätigung, die auch nicht im Interesse eines guten Ein⸗ vernehmens zwischen Beamten und gewerblichem Mitbelftand liege. Der. Piderspruch der Wirtschaftlichen Veveinigung gegen die Politik des Reichswirtschaftsministeriums und des Reichstags sei unbegründet . Es geschehe jetzt anerkanntermaßen mehr ür den gewerblichen Mittelstand. Das sei aber durchaus nicht das Verdienst der Wirtschaftlichen Vereinigung, wie bon ihren Mitgliedern behauptet worden fei. (Beifall ber der Bayerischen Valkspartei. ;

Abg. Schröder-⸗Mecklenburg (Völt). Die Handelsbilanz . der Minister zu optimistisch beurteilt. Die passive Handels ilanz ist um so bedenklicher, als die Zahlungsbilanz gleichfalls passiv ist. Wir haben ja nicht nur unsere Auslandswerte und unsere Handelsflotte verloren, sondern sind noch obendrein mit Auslandsschulden und Dawes⸗Plan belastet Auch die Aus⸗ fie n,, des Ministers gegen e nr , Schutz zölle haben uns nicht e g, können. 6 Helfferich durfte er sich nicht berufen, denn der hat, Landivirtschaftszölle nur abgelehnt, wenn sie die Industrie vernichten. Von Vernichtung der Industrie kann aber heüte keine Rede sein. Nein, die ndustrie braucht gerade eine rentable Landwirtschaft als Abnehmer für ihre Fertigwaren. Auf den guten Rat des Völkerbundes wollen wir uns doch nicht verlassen. Wer weiß, ob die anderen uns in der Zollsenkung olgen würden. ö die Lage des Gewerbes hat der Rinister zu rosig ge childert. Was der Handwerker heute ver⸗ dient, sind ja siur glu ßenstände, er kriegt sein Geld nicht herein. Und dann die Steuern! Der Wirtschaftsminister hätte den Finanzminister zur Erfüllung der Versprechungen v. Schlieben drängen müssen. Aus der Rede des Ministers, die sich so energisch . Deutschnationalen richtete, hatte ich den Eindruck, daß

T. Eurtius in neuen Reichstag Wirischaftspolitit mit den ganz materiell gerichteten Sozialdemokraten machen will. Denn für diese hatte er nur väterliche Ermahnungen. Wir mesnen aber, daß auch Wirtschaftspolitik nur aus idealen Grundsätzen gemacht 3 , 9 n Hingabe an das deutsche Volkstum und den deutschen Staat, wie unter den großen Preußenkönige Bei⸗ n , err . den großen Preußenkönigen. (Be

Abg. Alper (W. Vgg. D⸗Hann.) wendet sich gegen die gestrigen Ausführungen des Abg. Bartschat über die Handwerker— fragen. Die Wirtschaftliche Vereinigung bestehe allerdings aus drei Parteigruppen und bilde eine Arbeiksgenieinschaft, aber einig ke, alle drei Gruppen in der Sorge um das Wohl des Mittel tandes. An dem Recht des Handwerksmeisters, den jungen Nach— wuchs im Lehwwerhältnis aufzuziehen, dürfe nicht gerüttelt werden. Das Handwerk bedürfe der Krediterleichterung, mit Hilfe der Regierung. Die Wohnungsbaarabgabe erfülle nicht ihren Zweck, die Sozialdemokraten sollten ihren Einfluß auf die preußischẽ Re—⸗ ,. dahin ausüben, daß die Abgabe vollständig für den

Vohnungsbau verwendet werde. Die Prophezeiungen, daß das Sanzwerk dem Untergange geweiht sei, hätten sich nicht erfüllt; die Organisation des Handwerks sei ausgebaut, es bedürfe aber noch einer Verbesserung der gesetzlichen Grundlage. Der Hand— werksmeister sei eine der Stützen eines gefunden dentschen Volks— lebens. . .

„Abg. Mol Lath (Wirtschaftl. Vereinig) antwortete auf die gestrigen Ausführungen e n Behn ie den . Wer hf partei bei dem Schankstättengefetz die Interessen des Mittel⸗ . vertreten habe. ; . .

Abg. Beythien (D. Vp) bestreitet dies mit dem Hin— weis darauf, daß die rt fler enn; im Ausschuß die . zessionierung des Flaschenbierhandels beantragt habe.

. der Abstimmung wird der Haushalt des Reichs— wirtschaftsministeriums nach den Anträgen des Ausschusses genehmigt. Ein Antrag aus den Reihen der Deutsch⸗ nationaleng des Zentrums und der Deutschen Volkspartei, 800 099 Mark zur Unterstützung der Leipziger Messe neu in den Etat einzustellen, wird an den Haushaltsausschuß über— wiesen. Nach einem Antrage von Deutschnationalen, Deutscher Volkspartei, Zentrum und Demokraten, wird der einmalige Beitrag zur Hebung der Wirtschaftlichkeit von 12 Millionen auf 1,45 Millionen erhöht. Anträge der Kommunisten auf Streichung des Nin istergehalts und Streichung der Kosten des deutschen nationalen Komitees der Weltkraftkonferenzen sowie einige andere Titel werden ab— gelehnt.

Angenommen werden die Entschließungen des Ausschusses wegen , des ö. und Messewesens unter einheitlicher Leitung des Reichs⸗ kommissars, wegen Gewährleistung der richterlichen Un— abhängigkeit für die Richter beim Reichswirtschaftsgericht und Kartellgericht und wegen Schutzes der Berufs ezeichnung

Baumeister⸗ und „Architekt“; ferner eine Ent“ l chließung Süders (Dem) wegen systematischer örderung der Aufgaben der Hauswirtschaft; eine Ent⸗

chließung der Sozialdemokraten, des Zentrums und der Demokraten wegen Prüfung der Gestehungskosten der eisen⸗ schaffenden Industrie; eine Entschtieß ung Dr. Kade⸗ macher (D. Nat.) wegen Feststellung der Aufwertungs⸗ quote, der Versicherungsgesellschaften; eine Ent⸗ schließung Rauch (Bayer. Vp und Esser ( entr.) wegen Vorlegung einer , über die von e, behörden und von der Reichsbahn 1927128 vergebenen Auf⸗ träge; eine Entschließung des Zentrums wegen allgemeiner Anwendung der Reichsberdingungsordnuüng seitens der Reichsbehörden, der Reichspost, der Reichsbahn und der Länderbehörden; eine Entschließung des Zentrums wegen Hilfsmaßnahmen für die Eisenerzgruben des Sauer— landes und eine Entschließung der r, , wegen Berücksichtigung des Handwerks bei Durchführung des Arbeitsbeschaffungsprogramms.

An den Volkswirtschaftlichen Ausschuß überwiesen

sind im Jahre 1927 planmäßig gefördert.

forderungen für neue Wasserstraßenbauten.

Neichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 58 vom 8. März 1928. S. 3.

Prüfung der Preiserhöhungen der eisenschaffenden Industrie, des Abg. Kling (W. Vgg.) wegen Aufhebung der Ver⸗ ordnung über die schiedsgerichtliche Erhöhung von Preisen für elektrische Arbeit, Gas und Leitungswasser, und der Kommunisten wegen Aufhebung der Eisenpreiserhöhungen.

Abgelehnt wird eine Reihe von Entschließungen der Kommunisten wegen Mißbilligung der Stellung⸗ nahme des Reichsbankpräsidenten Schacht gegen die Kommu⸗ nalanleihen, wegen Beschaffung von Auslandsanleihen für den Wohnungsbau unter Reichsgarantie, wegen Uebernahme der Baustoffproduktion in die eigene Regie der Kommunen, Pro⸗ vinzen und Länder und Zusammenschluß von Gemeinden zum gemeinsamen Baustoffbezug, und wegen Gewährung von Vorzugstarifen für elektrischen Strom, Gas und Wasser für kleingewerbliche und bäuerliche Familienbetriebe. Eine weitere Entschließung der Kommunisten wegen Vereinheit⸗ lichung des gesamten Versicherungswesens gegen Seuchen, Unwetter⸗ und Unglücksfälle, Blitzgefahr, Diebstahl usw. wird dem Volkswirtschaftlichen Ausschuß überwiesen.

Der Gesetzentwurf über die Statistik des Warenverkehrs mit dem Ausland wird ohne Aussprache in allen drei Lesungen mit der Maßgabe angenommen, daß das Gesetz am 1. Oktober 1928 in Kraft tritt.

Der Haushalt des Vorläufigen wird genehmigt.

Es folgt der Haushalt des Reichsverkehrs⸗ ministeriums.

Reichsverkehrsminister Dr. Koch: Meine Damen und Herren! Wenn ich mich anschicke, einige Rückblicke und Ausblicke hinsichtlich der Tätigkeit des Reichsverkehrsministerium zu geben, so komme ich naturgemäß zunächst auf die Frage des Ausgleichs zwischen den großen Wettbewerbern Reichsbahn und Binnen⸗ schiffahrt. Ich kann nur immer wieder betonen, daß über den speziellen Interessen beider die Bedürfnisse der deutschen Volks⸗ wirtschaft stehen. Diese zu befriedigen, wird stets das oberste Ziel der Verkehrspolitik sein und bleiben müssen. Es ist nicht möglich, einem Verkehrsmittel von vornherein den Vorzug zu geben, da jedes seine bestimmten Eigenarten und Vorzüge auf⸗ weist. Nach wie vor wird jeder Einzelfall nach allen in Frage kommenden Richtungen zu betrachten sein. Dann wird es sich, wie bisher, auch künftig erreichen lassen, daß innerhalb des durch die Bedürfnisse der Wirtschaft gegebenen Rahmens die Interessen der verschiedenen Verkehrsmittel gewahrt werden. Im Interesse der gesamten Wirtschaft ist es gelegen, daß die beiden großen Verkehrsträger, Schiffahrt und Eisenbahn, gesund erhalten werden, um der Wirtschaft zu dienen. (Sehr richtig! bei den Deutsch⸗ nationalen) Ich darf in diesem Zusammenhange erwähnen, daß der Anteil der Binnenschiffahrt am Gesamtgüterverkehr in Deutsch⸗ land der Menge nach etwa ein Fünftel und nach den Tonnen⸗ lilometern etwa ein Viertel beträgt. (Andauernde Unruhe. Glocke des Präsidenten Zum weiteren Studium der Fragen, die durch das Wettbewerbsverhältnis zwischen den konkurrierenden Verkehrsmitteln aller Art aufgeworfen werden, ist ein besonderer Ausschuß eingesetzt worden, dessen Mitglieder dem Reichswirt⸗ schaftsrat, Reichswasserstraßenbeirat und Reichseisenbahnrat zu gleichen Teilen entnommen sind.

Die Beratungen dieses Ausschusses sind im Gange. Von ihrem Ergebnis darf eine weitere Klärung der Fragen erhofft werden.

Reichswirtschaftsrats

meinem lebhaften Bedauern die Durchbildung der Mittel- und Unterinstanz immer noch nicht erledigt werden können.

Das Fehlen eines einfachen, klaren Verwaltungsapparates und die unerfreulichen Reibungen in der jetzigen mediaten Ver⸗ waltungsführung haben die Dringlichkeit der Lösung insbesondere im Interesse geordneter Bewirtschaftung der beträchtlichen Auf— wendungen des Reichs immer mehr verstärkt.

Bei der engen Begrenzung des durch den jetzigen Reichstag noch zu erledigenden Notprogramms wird sich der Wunsch nicht mehr in dieser Wahlperiode verwirklichen lassen. .

Es würde meines Erachtens der klaren Grenzziehung zwischen Reich und Land dienen und den Weg der Verwaltungsreform wesentlich erleichtern, wenn sich das Land Preußen entschließen könnte, auf diesem zweifellos dem Reiche zukommenden Ver⸗

einer gesunden Gestaltung der Verwaltungsarbeiten dieser für die Gesamtwirtschaft so hoch bedeutungsvollen Aufgabe mitzuarbeiten. (Sehr richtig!)

Die Tatsache, daß die Reichswasserstraßenorganisation bisher

zuführen, bedingen es übrigens, daß der Gedanke der Ueberführung nicht weiter verfolgt wurde.

zeit noch zu schwankend und unsicher, als daß auf ihnen ein bestimmter, allen Ansprüchen gerecht werdender Plan aufgebaut werden könnte.

Die Arbeiten auf dem Gebiete des Reichswasserstraßenbaues Soweit die Mittel dafür durch den außerordentlichen Haushalt bereitgestellt sind,

umfassen die Arbeiten ja nur die Fortsetzung bereits im Gange befindlicher Bauausführungen.

Der außerordentliche Haushalt für 1928 enthält keinerlei An⸗ Auch bei der Fest⸗ setzung der Teilbeträge für die im Gange befindlichen Bauten hat

sich das Reichsverkehrsministerium unter dem Druck der Finanz— lage mit außerordentlich niedrigen Beträgen begnügen müssen.

Die Verlängerung der Bauzeiten und die Hinausschiebung der Fertigstellungstermine für die einzelnen Bauten mußten dabei als sehr unwillkommene Folgen, die auch das Bauen erheblich ver⸗ teuern, leider mit in Kauf genommen werden.

Besonders gilt dies für die Vollendung des Mittellandkanals, dessen Bauzeit nach den Abstrichen, die schon im Haushaltsentwurf gemacht werden mußten, von bisher sechs auf zehn Jahre ver— längert werden muß. Wenn es bei dem vom Hauptausschuß be⸗ schlossenen weiteren Abstrich von 4 Millionen sein Bewenden haben soll, wird die Bauzeit naturgemäß noch weiter verlängert. Zur wirtschaftlichen Entwicklung der süddeutschen Kanal⸗ unternehmungen ist hervorzuheben, daß es gelungen ist, aus den beim Bau der Staustufen gewinnbaren Wasserkräften entsprechen⸗

werden Entschließungen Rauch (Bayr. Vp) wegen

nicht durchgeführt werden konnte, und die bestehenden Absichten, 8 5 ; 8 x ,,,, . er Seit längerer Zei e ekanntli eine großzügige Verwaltungsreform der Reichsbehörden durch⸗ ; e r ,, d, nere, de, nnn

Die Grundlagen für die angeregte Umorganisation sind zur⸗

Neckarkanal als auch beim Rhein⸗Main⸗Donau⸗Unternehmen auf Grund langfristiger Verträge zu Bedingungen untergebracht werden, die den Kanalunternehmungen Einnahmen zuführen, aus denen die Kanalanlagen allmählich abgeschrieben werden können.

Die im ordentlichen Haushalt für 1928 angesetzten Beträge für die Reichswasserstraßen sind für vordringlich notwendige Bau maßnahmen bestimmt. Die finanziellen Verhältnisse haben leider zur Zurückstellung einer Reihe von Forderungen genötigt, die an sich in den Haushaltsentwurf hätten aufgenommen werden müssen. Die Untersuchungen über die Bauwürdigkeit des Hansa⸗ kanals, des Aachen⸗Rhein⸗Kanals und des Saar⸗Pfalz⸗Kanals sind noch nicht abgeschlossen.

Besonders aufmerksam möchte ich auf die im Haushalt ent— haltene Forderung zur Verbesserung der Schiffahrtstraße Stettin Swinemünde machen. Durch eine Vertiefung der Schiffahrt⸗ straße von 8,5 auf 9 Meter soll die gefährdete Wettbewerbsfähig⸗ keit Stettins gesteigert und gesichert werden.

Der Ausbau der Seewasserstraßen des Nordseebereiches ist im Rahmen der Zuseétzverträge zum Staatsvertrag gefördert worden und wird auch 1828 gefördert werden. Die unheilvollen langen Ueberschwemmungen im unteren Havelgebiet in den letzten Jahren haben Reich und Preußen veranlaßt, auf gemeinsame Kosten Vor- und Entwurfsarbeiten für den Ausbau der Mündungsstrecke der Havel zur Verbesserung ihrer Vorflut und ihrer Schiffahrtsver⸗ hältnisse in Angriff zu nehmen.

Die Arbeiten sind im laufenden Rechnungsjahre begonnen und außerplanmäßig finanziert. Der Haushalt 1928 enthält die für ihre Fertigstellung erforderlichen Beträge. Die bisherigen Ergebnisse der Arbeiten lassen hoffen, daß es gelingen wird, einen Entwurf aufzustellen, der den in einzelnen Punkten wider⸗ streitenden Interessen der Havel⸗ und Elbeanlieger in möglichst weitem Umfange gerecht wird, und der die landeskulturellen Verhältnisse wesentlich heben und der Schiffahrt nützen wird. Die Reichsregierung hofft, eine erste Baurate für die Durch führung dieser Bauarbeiten in den Haushaltsentwurf für 1929 einstellen zu können.

Bezüglich des im Vordergrunde des Interesses stehenden Ostpreußens darf ich bei der Gelegenheit erwähnen, daß während des Erweiterungsbaues des Königsberger Seekanals durch Bodenaufspülung und nachfolgende Ueberschickung am nördlichen Haffufer zwischen Königsberg und Pillau etwa 400 Hektar frucht⸗ barsten Landes neu geschaffen werden. (Hört, hört! bei den Deutschnationalen.)

In ähnlicher Weise wird der bei der Vertiefung des Elbinger Fahrwassers zu baggernde Boden am Ufer der Frischen Nehrung an verschiedenen Stellen aufgespült werden. Es wird dort mit der Gewinnung von über 300 Hektar Neuland gerechnet, dessen Nutzung für die Bewohner der sandigen, unfruchtbaren Nehrung außerordentlich wertvoll und segensreich sein wird.

Sie sehen, meine Herren, daß die Durchführung von Wasser⸗ straßenbauten in wesentlichem Maße der Förderung der land⸗

wirtschaftlichen Interessen dient, und ich möchte an dieser Stelle besonders betonen, daß ich mir die Förderung dieser Interessen

im Rahmen meines Ressorts stets habe besonders angelegen sein lassen.

Auf dem Gebiete der Reichswasserstraßenverwaltung hat zu

waltungsgebiete seine negative Einstellung zu ändern und an

vollkommnet worden.

den Nutzen zu ziehen. Der elektrische Strom konnte sowohl beim

gemacht. 9 7

betreibt, soll dazu dienen, während der

Hier darf ich übrigens mit Befriedigung bemerken, daß der Seedienst Ostpreußen sich im abgelaufenen Jahre wiederum be⸗ währt hat. Durch die Schönheit der Seefahrt wird das Reise⸗ publikum nach Ostpreußen gezogen und hierdurch dieses Land voll kultureller Werte und landschaftlicher Reize, ebenso wie seine Bevölkerung den übrigen Reichsangehörigen vertrauter

Die Fahrten nach Memel, die die Verbindung mit dem Deutschtum dieses Platzes enger gestaltet haben, werden auch im kommenden Jahre wieder aufgenommen werden.

Neben Ostpreußen gedenke ich auch des schlesischen Ostens. Die Reichsregierug hat der Förderung der für Schlesiens Wirtschaft bedeutungsvollen Wasserstraßen der Oder besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Die Bestrebungen sind darauf ge⸗ richtet, die Oder zu einem Großschiffahrtsweg auszubauen und ihre Leistungsfähigkeit durch vermehrte Wasserzufuhr zu steige en. Zur Belebung des Umschlagsverkehrs in den Oderhäfen sind die Gleisanlagen und die Verladeeinrichtungen erweitert und ver— Das im Bau befindliche Staubecken bei Ottmachau, dessen Fertigstellung die Regierung mit allen Mitteln ganzen Schiffahrts⸗ periode mehr als bisher den ungehinderten Wasserverkehr auf

Erhebungen, durch den Ausbau des Klodnitzkanals dem ober⸗

w , ,,, , schlesischen Industriegebi i ei sfähige Verbin der Reichsbauverwaltung zum Reichsverkehrsministerium bisher Hslesilchen Industregebiet eine leistungsfähige Verbindung mi

der Oder zu sichern. Die Prüfung dieses Projektes ist noch nicht

abgeschlossen. Die Regierung ist jedoch bemüht, die damit zu⸗ sammenhängenden Fragen, unter denen der Ausgleich durch frachtverbilligende Maßnahmen der Reichsbahn eine Rolle spielt, mit tunlichster Beschleunigung zu klären.

Auf dem Gebiete der Seeschiffahrt kann festgestellt werden, daß es den deutschen Reedereien gelungen ist, den Wiederaufbau der Handelsflotte kräftig zu fördern und ihr Liniennetz unter deutscher Flagge wesentlich zu erweitern. Die deutsche Handels⸗ flotte umfaßt heute unter Einrechnung der noch auf den Helgen liegenden größeren Neubauten, darunter zwei Großbauten des Norddeutschen Lloyd, von je 46 000 Tonnen, nahezu 35 Millionen Bruttoregistertonnen gegenüber einem Bestande von 600 000 Bruttoregistertonnen nach der Ablieferung unserer Schiffe bei Friedensschluß und 5,4 Millionen Bruttoregistertonnen im Jahre 1914.

Die zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auf den Werften im Herbst 1926 eingeleitete Zinsberbilligungsaktion, durch welche für solche Reeder, die bis zum 81. März 1927 Bauaufträge ver⸗ geben hatten, aus Mitteln der Erwerbslosenfürsorge Zins⸗ zuschüsse in Höhe von 18 Millionen Mark auf sechs Jahre von der Reichsregierung unter Beteiligung der Regierungen der Küstenländer bereitgestellt sind, ist inzwischen mit dem Ergebnis zum Abschluß gebracht, daß rund 120 Bauaufträge (darunter etwa 60 im Werte unter 100 000 Mark) im Gesamtwerte von etwa 140 Millionen Mark deutschen Werften erteilt sind.

Die Einbürgerung des Kraftfahrzeugs im deutschen Ver⸗ kehrswesen hat auch im vergangenen Jahre gute Fortschritte ge⸗ macht. Für die Weiteventwicklung des Kraftfahrzeugverkehrs ist