Neichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 76 vom 29. März 1928.
9
S. 2.
preußische Staatsregierung mit ihrem Gesetz getan hat, war die entscheidende Hilfe für die Landwirtschaft, und Ihre Behauptung, daß wir landwirtschaftfeindlich sind, wird Ihnen niemand mehr glauben. (Lebhafter Beifall. Zuruf rechts: Wieviel bekommt Herr Klepper — Gehalt?! Dieselben Bezüge, die er bei der Domänenbank gehabt hat. (Zuruf: 100 000 Mark?!) Nein, be⸗ deutend weniger.
367. Sitzung vom 27. März, 12 Uhr.
Die Rede, die der Minister für k Dr. Hirtsiefer in Vertretung des erkrankten Minister⸗ präsidenten Dr. Braun namens des Staatsministeriums ge⸗ halten hat, lautet nach dem vorliegenden Stenogramm,
wie folgt:
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Vertretung des leider erkrankten Herrn Ministerpräsidenten habe ich namens des Staatsministeriums zu Beginn der dritten Beratung des Etats einige Ausführungen zu machen. Der Etat für das Rechnungsjahr 1928, der ja in dritter Beratung dem Landtag vorliegt, ist zugleich der letzte Etat in einer an Arbeit reichen Legislaturperiode. (Lachen bei den Kommunisten) Er bildet diesmal auch den Abschluß der Tätigkeit des Kabinetts der Weimarer Koalition in Preußen, das sich am 14. Januar 1925 dem hohen Hause vorstellte. Angesichts der Tatsache, daß binnen kurzem die Bevölkerung Preußens durch Neuwahlen ihr Urteil über die bisherige Regierungs- und Parlamentsarbeit in Preußen abgeben soll, können die Wähler verlangen, daß ihnen außerhalb der nackten Etatsziffern so etwas wie ein politischer Rechen⸗ schaftsbericht gegeben wird, der ihnen zeigt, ob und in⸗ wieweit die Staatsregierung das Vertrauen gerechtfertigt hat, das sie seinerzeit zur Leitung der Geschicke des preußischen Staates berufen hat. x ;
Es war ungemein reizvoll, diesen Rechenschaftsbericht rück⸗ wärts blickend, bis auf das Jahr 1919 auszudehnen, um unserer schnell lebenden und schnell vergessenden Zeit einmal sinnfällig vor Augen zu führen, welche gewaltigen Leistungen an politischer Konsolidierung, Gesundung der Staatsfinanzen und wirtschaft⸗ licher Wiedererstarkung in dieser Periode erzielt worden sind. Lachen bei den Kommunisten.)
Preußen ist, wie es im ersten Artikel seiner Verfassung heißt, eine Republik. Es wird die vornehmste Aufgabe jeder pflicht— bewußten preußischen Regierung sein, daran zu arbeiten, daß die Form dieser Regierung immer mehr mit freistaatlichem Geiste, mit dem Geiste der Demokratie und der sozialen Gerechtig⸗ keit, erfüllt werde. (Lachen bei den Kommunisten. Wir sind von Jahr zu Jahr ein kleines Stück vorwärts gekommen (sehr richtig!), und haben auch für die Zukunft, wenn nur die Linie unserer politischen Entwicklung stabil bleibt, nicht den mindesten Grund zu irgendwelchem Pessimismus. (Sehr richtig! — Lachen bei den Kommunisten) An dieser Stelle aber, bei der Ge⸗ legenheit dieser Etatsberatung, will ich mich darauf beschränken, noch einmal kurz auf das hinzuweisen, was in den letzten drei Jahren unter der Leitung des jetzt amtierenden Staatsministe⸗ riums erreicht worden ist. (Zurufe. — Lachen bei den Kom⸗— munisten.)
Als sich dieses Staatsministerium seinerzeit dem Hause vor⸗ stellte, ist schon darauf hingewiesen worden, daß im Gegensatz zu den politischen Verhältnissen im Reich und an anderen deut⸗ schen Ländern, wo eine Krise die andere gejagt hat, wir bei uns in den über drei Jahren während der großen Koalition vor Krisen völlig bewahrt geblieben sind. richtig! bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe bei den Kommu⸗ nisten.) Ich darf heute diese Feststellung auch auf die drei⸗ jährige Tätigkeit der Regierung der Weimarer Koalition aus⸗ dehnen. Es ist gelungen, durch die ruhige und stetige Zu⸗ jammenarbeit der Koalitionsparteien (Zurufe und Unruhe bei den Kommunisten) die Staatsgeschäfte in Preußen in ständig aufsteigender Weiterentwicklung fortzuführen und damit nicht unr Preußen, sondern dem ganzen Deutschen Reich die besten Dienste zu erweisen. (Sehr wahr! Es ist oft genug, und nicht zuletzt von dem jetzt amtierenden Herrn Reichskanzler, an⸗ erkannt worden, wie entscheidend wichtig es oft genug für das Reich gewesen ist, daß Preußen gewissermaßen der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht war. (Zuruf rechts: Die Ruhe des Kirchhofs!! Herr Dr. Marx gebrauchte sogar das Wort von dem „rühmenswerten“ ruhenden Pol. In der Tat war Preußen — das kann heute von keiner Seite mehr bestritten werden — in all den letzten für das Reich politisch und wirtschaftlich oft genug krisenreichen Jahren und insbesondere in den Zeiten, in denen die Folgen der Ruhraktion und später der Inflation sein Ge⸗ füge ernstlich erschütterten, der feste zuverlässige Kern des Reichs und der sichere Garant seiner Fortexistenz und seiner Zukunft. Lebhafte Zustimmung.) Ich bin sicher, daß das preußische Volk aus den positiven Erfolgen der Regierungspolitik für Reich und Staat die Folgerungen ziehen wird, daß die bisher be⸗ triebene preußische Staatspolitik unbeirrt und unverändert auch in Zutunft fortgeführt werden muß. (Sehr richtig! und Bravo! im Zentrum, bei den Deutschen Demokraten und der Sozialdemokratischen Partei.)
Wenn es uns unter der Großen Koalition gelungen ist, nach links wie nach rechts den Gesetzen in gleichem Maße Achtung zu verschaffen, so gilt das auch für die letzten drei Jahre, die immer wieder gezeigt haben, daß die Sicherheit des Staats und der Verfassung durch die Wachsamkeit der Exekutivorgane der preußischen Regierung fest verbürgt ist. (Sehr richtig) Alles in allem scheint mir, daß man heute für die letzten drei Jahre voll das aufrechterhalten kann, was der der Deutschen Volkspartei an⸗ gehörige frühere preußische Staatsminister Dr. von Richter in der letzten Kabineltssitzung, an der er noch teilnahm, für die Zeit der Großen Koalition betont hatte: „Die großen vater— ländischen Aufgaben sind ein gut Teil gefördert worden.“ (Hört, hört! im Zentrum, bei den Deutschen Demokraten und kei der Sozialbemokratischen Partei) Die zunehmende Konsolidie⸗ rung im preußischen Staat prägt sich in unsern
mehr und mehr gesundeten Finanzen aus. Der preußische Etat balanciert fast völlig, obwohl die großen Einnahmen, die Preußen früher aus der Eisenbahnverwaltung begog und die noch 1918 bei gleichzeitiger Zuführung von 91 Mil⸗ lionen an den Ausgleichsfonds und großen Neservestellungen
(Sehr
ö '? ö * . J ö n. ü ⸗ =. 35 ; ö * 8
mehr als 110 Millionen Mark betrugen, in Fortfall gekommen sind, obwohl wertvoller Staatsbesitz durch den Friedensvertrag verlorengegangen ist und auf der anderen Seite der Zuschuß⸗ bedarf der Staatshoheitsverwaltung infolge der Finanznot der Gemeinden und der Verstaatlichung der Polizei außerordentlich gewachsen ist.
Wenn sich bei der Gewerbesteuer trotz wesentlicher Steuererleichterungen Steigerungen des Steueraufkommens er⸗ gaben, die nicht ausschließlich auf eine Erhöhung der gemeind⸗ lichn Zuschläge zurückzuführen sind, so keweist auch das eine günstigere Entwicklung der Wirtschaft. Preußens Finanzverwal⸗ tung war bestrebt, den Grund sätzen steuerlicher Gerechtigkeit durch Minderung des Steuerdrucks für die wirtschaftlich schwächeren Kreise möglichst gerecht zu werden und überall da einzusparen, wo es sich nicht um produktive Ausgaben handelt. (Sehr richtig im Zentrum, bei den Deutschen Demo⸗ kraten und bei der Sozialdemokratischen Partei. — Unruhe und Zurufe bei den Kommunisten. — Glocke des Präsidenten.) — Derselbe Grundsatz der Sparsamkeit galt auch bei der Ver⸗ wendung des Ergebnisses der Anleihen. Seit der Befestigung der Währung sind 566,3 Millionen Mark durch Anleihegesetze be⸗ willigt worden, die fast ausschließlich produktive Ver⸗ wendung fanden, sowohl in der landwirtschaftlichen Ver⸗ waltung, wie zur Ausgestaltung der staatlichen Elektrizitätsunter⸗ nehmungen, wie auch — allein 190 Millionen — zur Förderung der Bautätigkeit und zur Stärkung der Genossenschaften. (Hört, hört! im Zentrum, bei den Deutschen Demokraten und bei der Sozial⸗ demokratischen Partei.) ;
Die Zahlen der Steuereinnahmen, die Preußen in den letzten Jahren zur Verfügung standen, beweisen, datz trotz ständig wachsender Aufgaben auf allen Gebieten die Ausgaben durchaus nicht etwa eine steigende Tendenz zeigen, sondern durch strengste Sparsamkeit ungefähr stabil gehalten werden konnten. Diese Sparsamkeit hat uns auch die Durchführung der Beamten⸗ besoldungsreform ohne jede Schwierigkeit ermöglicht. (Hört, hört! im Zentrum, bei den Deutschen Demokraten und bei der Sozial⸗ demokratischen Partei.)
Am schlagendsten zeigt sich der unbestreitbare Aufstiegsprozeß, den Preußen in den letzten drei Jahren weiter durchgemacht hat, in der Entwicklung der Wirtschaft. Wir sehen, daß diese Entwicklung keineswegs einseitig nur bestimmten Bevölke⸗ rungsgruppen zugute gekommen, sondern erfreulicherweise auch nicht spurlos an den breiten Massen des Mittelstandes vorüber⸗ gegangen ist. Denn die Kreditinstitute des Mittelstands, Spar⸗ kassen und Genossenschaften, haben ihre Einlage⸗ bestände von 1126 Millionen Mark zu Ende des Jahres 1925 auf 2840 Millionen Mark zu Ende des Jahres 1927 erhöhen können und haben jetzt bereits die Ziffer von 3 Milliarden überschritten. Und auch die Ziffern aus den größten Produktionsgebieten zeugen für die Aufwärtsentwicklung, wenn wir feststellen können, daß allein in Preußen 1924 114,73 Millionen Tonnen und 1927 149,45 Millionen Tonnen Steinkohle sowie 1924 101,43 Millionen Tonnen und 19277 126 Millionen Tonnen Braunkohle ge⸗ fördert worden sind. An den in ähnlicher Progression auf⸗ steigenden Ziffern der deutschen Roheisenge winnung — 13,1 Millionen Tonnen im Jahre 1927 gegen 78 Millionen Tonnen im Jahre 1994 —, der Rohstahlge winnung — 1927 bereits 16, Millionen Tonnen gegen 9.3 Millionen Tonnen 1924 — sowie der Walzwerkserzeugnisse usw. — ich könnte diese Beispiele noch beliebig vermehren — ist ja, wie sich aus der territorialen Größe und wirtschaftlichen Struktur Preußens erklärt, dieses zum allergrößten Prozentsatz beteiligt. Die Ruhe und Ordnung, die in Preußen herrschte, das Aus⸗ bleiben von innerpolitischen Erschütterungen in dieser „Aera des Niedergangs“, wie sie von der Gegenseite genannt worden ist, hat es eben allen Wirtschaftskreisen Preußens ermöglicht, ihre Unter⸗ nehmungslust zu betätigen und die Schäden der Kriegszeit und der Inflationsjahre allmählich wieder auszugleichen.
Ueber der Pflege der wirtschaftlichen Interessen und dem Schutz, den sie zum ungestörten Arbeiten braucht, hat die Preußische Regierung niemals vergessen oder übersehen, daß noch wichtiger und bedeutsamer als die Wirtschaft
der lebende Mensch ist. Er ist es ja nicht nur, der wirtschaftet, sondern er ist es auch, für den letzten Endes der Ertrag alles Wirtschaftens be⸗ stimmt ist. Immer wieder ist von der Staatsregierung betont worden, daß der gesunde, Werte schaffende Mensch und nicht das Schaffen von Wirtschaftsgütern schließlich das Ziel einer Staats⸗ politik sein muß. Das wäre ein schlechter Staat, in dem die Wirtschaft blüht und die Produktionsziffern ins Riesenhafte wachsen, aber die arbeitenden Menschen, zu Sklaven der sie fressenden Arbeit geworden, körperlich verelenden und geistig ver⸗ kümmern. Der Preußische Staat hat deshalb mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln eine großzügige Wohl⸗ fahrtspolitik zu treiben gesucht, die als Objekt den lebenden Menschen und als Ziel die ständige Verbesserung seiner Lebens⸗ und Arbeitsbedingungen hat. In erster Linie steht hier, weil alle Bemühungen zur Verbesserung der menschlichen Existenz⸗ bedingungen an ungünstigen Wohnungsverhältnissen scheitern müssen, das Bestreben, die verheerenden Auswirkungen der Kriegszeit mit ihrem langjährigen Stocken jeder Bautätigkeit so⸗ wie der Nachkriegsjahre, die uns die Ueberflutung mit Volks⸗ genossen aus den abgetrennten Gebieten brachten und gleichzeitig aus finanziellen Gründen die Neubautätigkeit fast ausschalteten, durch Förderung der Neubautätigkeit zu mildern. Es wurden in der Zeit vom 1. Oktober 1924 bis Ende 1927 rund 420009 Neubauwohnungen in Preußen fertig⸗ gestellt. (Hört, hört! bei der Sozialdemokratischen Partei. — Zurufe rechts) — Etwas stolz können wir darauf immerhin sein, auch trotz Ihrer Bemerkungen, Herr Abgeordneter. Die Tatsache, daß davon rund 300 000 Wohnungen aus Hauszinssteuer⸗ mitteln erbaut wurden, beweist, daß der Preußische Staat die aus der Hauszinssteuer ihm zufließenden Mittel nicht etwa zum wesentlichen Teile für andere reguläre Staatsbedürfnisse, sondern zum größten Prozentsatz für die Linderung der Wohnungsnot verwendet. (Bravo! bei der Sozialdemokratischen Partei) Am 1. Januar 1928 waren weitere 9000 Wohnungen im Bau begriffen gegenüber 73 000 angefangenen Wohnungs⸗ bauten am 1. Januar 1927. So sind die aus der Hauszinsstener
—
dem Preußischen Staat zugeflossenen und von ihm für den Wohnungsbau verwendeten insgesamt 1,52 Milliarden Mark in den letzten drei Jahren gut angewandt worden, desgleichen die auf Preußen entfallenden Reichskredite von 120 Millionen Reich. mark, die bestimmungsgemäß zur Gewährung von Zwischen. krediten auf erste Hypotheken und zu Haussteuerhypotheken ber- wendet wurden.
Hand in Hand mit der Wohnungsfürsorge ging eine ständige Verbesserung der Mütter- und Säuglingsfürsorge sowie die Weiterführung des Kampfes gegen die Säug— lings⸗ und Kleinkindersterblichkeit. In der schulärztlichen Versorgung unserer Schulkinder sind wir jetzt soweit gekommen, daß heute im gesamten Staatsgebiet bereits die einer Bevölkerungsziffer von rund 82 Millionen ent— sprechenden Schulkinder schulärztlich versorgt werden. (Bravo! im Zentr. und links.)
Die hygienische Volksbelehrung ist weiter ge— fördert und in der Bekämpfung der Geschlechtskrank.« heiten sowie der in der letzten Zeit stärker aufgetretenen Kropferkrankungen der Schulkinder viel erfolgreiche Arbeit ge— leistet worden.
In die großen Richtlinien neuzeitlicher Volkswohlfahrts⸗ politik und Bevölkerungspolitik gehört auch unser Bestreben, ein gesundes Städtebaugesetz zu schaffen, von dessen Durch— führung wir uns sehr wesentliche Fortschritte auf dem Gebiete der gesundheitlich⸗ästhetisch und wirtschaftlich zweckmäßigen Ent⸗ wicklung der dicht besiedelten Landesteile versprechen, und die Staatsregierung kann nur ihrem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß das Gesetz von diesem Landtage nicht mehr verab— schiedet werden kann. Sie wird aber im neuen Landtage selbst⸗ verständlich mit allem Nachdruck versuchen, es sobald wie möglich wieder vorwärts zu bringen. (Zuruf rechts. — Selbstverständ⸗ lich! Das ist die Voraussetzung, und zwar eine selbstverständ⸗ liche Voraussetzung.
Der Jugend, der heranwachsenden Generation unseres Volkes, hat unsere ganz besondere Aufmerksamkeit und Arbeit gegolten. Bedeutende Mittel wurden für die Kinder⸗ erholungsfürsorge, für gefährdete Kinder und für die Kleinkinderfürforge bereitgestellt. Die Schaffung von Jugend⸗ heimen, Turnhallen, Sport⸗ und Spielplätzen lag uns am Herzen, und es wurden in den letzten drei Jahren allein hierfür rund 10,8 Millionen Reichsmark Staatsgelder auf⸗— gewandt. Außerdem hat uns der Landtag zur Unterstützung der Leibesübungen einschließlich des Sport⸗ und Sportarzt⸗ wesens einen Sportfonds von 700 000 Reichsmark bewilligt, wo⸗ für wir ganz besonders dankbar sind.
Die soziale Ausbildung der Männer und Frauen, welche sich beruflich der Vollswohlfahrtspflege widmen sollen und wollen, findet kräftige Staatsförderung. 19 soziale Frauen⸗ schulen und 2 Wohlfahrtsschulen für Männer wurden mit
z Millionen Reichsmark in den letzten Jahren unterstützt.
Entscheidendes Gewicht hat die Staatsregierung dauernd darauf gelegt, daß die Arbeitslosenfürsorge mit der Schaffung von Werten für die Volkswirtschaft verbunden wurde. Von den 182 Millionen Reichsmark, die wir in den letzten drei Jahren von Staats wegen für die produktive, das heißt Werte schaffende Arbeitslofenfürsorge ausgegeben haben, entfielen auf Notstandsarbeiten allein 134 Millionen Reichsmark. Die übrigen rund 39 Millionen Reichsmark wurden dafür verwendet, die vielfach noch außerordentlich schlechten und menschen⸗ unwürdigen Wohnungsverhältnisse der preußischen Landarbeiter durch Neubauten von 15000 Landarbeiter⸗ wohnungen zu verbessern. Insgesamt haben wir in den letzten Jahren in Preußen über 35 000 Landarbeiterwohnungen mit Mitteln der produktiven Erwerbslosenfürsorge gebaut. (Hört, hört! links und im Zentrum. — Zuruf: Aber nicht in Westfalen) — In Westfalen höchstens deswegen nicht, weil die Westfalen sich nicht genügend darum gekümmert haben. Das Geld stand auch für Westfalen zur Verfügung.
Durch das Land geht heute eine Welle der Erregung über die Not der Landwirtschaßft. Die Preußische Staats⸗ regierung bestreitet nicht, daß viele landwirtschaftliche Betriebe notleidend sind; aber sie wendet sich auf das entschiedendste gegen die ganz und gar unsachliche Behauptung von dem angeblichen „Bankrott der gesamten Landwirtschaft“. Hunderttausende land- wirtschaftliche Betriebe sind auch heute noch voll existenzfähig, und die Preußische Staatsregierung tut heute, wie sie es in den letzten Jahren unausgesetzt getan hat, alles nur Erdenkliche, was im Rahmen ihrer finanziellen und Verwaltungsmöglichkeiten liegt, um dem preußischen Staat eine gesunde und lebensfähige Land— wirtschaft zu erhalten. (Bravo!)
Erschwert wird diese Aufgabe und Tätigkeit allerdings durch die parteipolitisch interessierten Kreise des Reichsland⸗ bundes lsehr richtig! bei den Regierungsparteien), welche in Verfolg ihrer politischen Oppositionsstellung gegen die Preußische Staatsregierung alles aufbieten, um zu verhindern, daß das Gros der ländlichen Bevölkerung über den Umfang der staatlichen Für— sorge für die Landwirtschaft unterrichtet wird (sehr richtig! bei den Regierungsparteien), und welche vielmehr durch Aufreizung und Aufpeitschung von Teilen der Landbevölkerung diese in eine sachlich durch nichts gerechtfertigte Gegnerschaft gegen de Preußische Regierung hineintreiben. (Sehr richtig! bei den Re⸗ gierungsparteien. Immer wieder wird dabei völlig bedentenlo⸗ die Staatsregierung für alle Ereignisse der deutschen Wirtschafte— und Handelspolitik verantwortlich gemacht, obwohl es sich bier
um Angelegenheiten des Reiches handelt, und obwohl ja die Ver trauensleute des Reichslandbundes selbst in den entscheide wichtigen Posten der Reichsregierung sitzen. (Sehr richtig! und Sehr gut! bei den Regierungsparteien) Die Staatsregierung wird sich durch die bestellten Demonstrationen und Resolutione sowie auch durch etwaige beklagenswerte Gewaltakte, denen gegen über die volle Schärfe der polizeilichen und gesetzlichen 1 einsetzen muß, in keiner Weise darin beirren lassen, ihre * i für die landwirtschaftliche Bevölkerung Preußens zu tun un nach besten Kräften zu helfen. (Bravo! bei den nn. parteien.) Sie ist auch der festen Ueberzeugung, daß die e e und die Einsicht sowie das Gerechtigkeitsgefühl und das ber. bürgerliche Verantwortungsbewußtsein unserer Landwirte treibenden Bevölterung bald den Sieg über die krampfhafe⸗
tzmaßnahmen im
Neichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 76 vom 29. März 1928. S. 3.
sisputschungs wersuche politischer Drahtzieher davontragen werden. r gut! und Bravo! bei den Regierungsparteien.) Unsere ganze Sorge gilt den Arbeiten auf Steuer— Indung und Steuererlaß bei der wirklich notleidenden moöbevölkerung und der Ausmerzung von besonderen Härten bei Einziehung der staatlichen Grundvermögenssteuer. ze vom Reich und aus preußischen Mitteln der Landwirtschaft u Verfügung gestellten Gelder werden durch die preußischen pigane gegen alle Widerstände an die richtige und wirklich be⸗
iütftigen Stellen geleitet werden, und das landwirtschaftliche
editwesen, das schwere Erschütterungen durchgemacht hat, pi durch die Zuführung von 130 Millionen Mark an die sreußentasse, die auch weiterhin das wichtigste wirt⸗
ftspolitische Instrument des Preußischen Staates bleiben wird, af eine gesündere neue Basis gestellt werden. (Bravol bei den zcgierungsparteien.]) Bei allen plötzlich hereinbrechenden Not— nden, Unwetterkatastrophen usw. hat die Preu ßische waatsregierung stets sofort mit bedeutenden Mitteln — mit ins— amt über 13 Millionen Mark — eingegriffen und durch undung und Niederschlagung früher gegebener Notstands⸗ dite sowie durch Uebernahme von Düngemittelkrediten wie uch Anweisung zum größten Entgegenkommen bei Einziehung m Steuern in den Notstandsgebieten ihre Hilfsbereitschaft be⸗ siesen. (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien) Alles das sit ganz besonders für den deutschen Osten, dem sehr große kummen für seine mannigfachen Bedürfnisse und zur Milderung iner besonders schwierigen Lage zugeflossen sind, die im be— deren Maße dem ländlichen Gebiete zugute kamen. (Sehr ichig! bei den Regierungsparteien) Preußen hat bei der vor nnzem eingeleiteten großen Hilfsaktion des Reiches für O st⸗ steußen entscheidend mitgewirkt und sich auch mit großem suchdruck für die Ermäßigung der Eisenbahnfrachten für die aichtigsten Bedarfsgegenstände und Erzeugnisse insbesondere auch uf landwirtschaftlichem Gebiet eingesetzt. (Bravo! bei den segierungsparteien.)
Die Preußische Staatsregierung hat den festen Willen, eine aße und durchgreifende Siedlungstätigkeit zu ent⸗ ülten. Nurch durch die ungünstigen Verhältnisse auf dem Geld— unt und die einer wirklich großzügigen Siedlung noch entgegen⸗ shenden hohen Zinssätze ist die Staatsregierung noch nicht in im umfangreichen Maße zum Siedeln übergegangen, wie sie es hlant hatte und wie sie auch heute noch festen Willens ist. Denn ie Ansetzung von Siedlern hat keinen Zweck, wenn diese nach nchältnismäßig kurzer Zeit genötigt sind, vor den hohen Zins⸗ sten zu kapitulieren und die Flinte ins Korn zu werfen. (Sehr ichig) Immerhin sind etwa 75 Millionen preußischer Staats— Eider und 100 Millionen von den uns zur Verfügung gestellten leichsmitteln voll für Siedlungszwecke verwandt worden. Allein
den dünnbevölkerten Gegenden sind bis zum 1. Februar 1928
ssöo0 Morgen Land für Siedlungszwecke zu sintigen Preisen angekauft worden. Es wird dabei auch Lert darauf gelegt, die besitzlose wirtschaftliche Unterschicht durch setzung von Landarbeitern in der Ost mark mit a heimatlichen Scholle zu verwurzeln. (Bravoh Im Westen es Staates liegt das Schwergewicht der Arbeiten der Landes— klturverwaltung auf dem Gebiet der Zusammenlegungen zur nirtschaftlichen Festigung der bäuerlichen Stellen. Seit dem Oktober 1919 bis Ende 1926 sind, soweit mir die Zahlen vor— ken, insgesamt wund 240 009 Hektar umgelegt worden. Die letzter Zeit durch Personalmangel etwas verlangsamten beiten sollen durch Rationalisierung der Landeskulturverwal⸗ ang noch mehr als bisher beschleunigt werden.
Auf dem Gebiete des Meliorationswesens wäre eine maße Liste von wichtigen Unternehmungen aufzuführen, die für t Landwirtschaft und die gesamte Volkswirtschaft von aller⸗ közter Bedeutung sind. Ich nenne daraus nur die Hochwasser⸗ Rheinlande und im Regierungsbezirk nich, Moorerschließungen von 20 000 Hektar allein im Re—
ungsbezirk Osnabrück, großzügige Wasserregulierungen in den
ushiedensten Gebieten, den geplanten Talsperrenbau im Süb⸗ * und anderes mehr, wofür große Mittel bereitgestellt wd.
Ein paar Ziffern noch über den Umfang der durchgeführten liorationen! Der alte preußische Staat hat an Bei— den und Darlehen für Meliorationszwecke im Jahre 1913 s Midllio nen Mark ausgegeben. Die heutige hreußische Staatsregierung hat in den drei Jahren * bis 1927 nicht weniger als 848 Millionen Mark für ke hochbedeutsamen Zwecke der Ent⸗ und Bewässerung von Klturländereien und der Erschließung großer Oedländereien zur khaffung neuen, der ganzen Volkswirtschaft dienenden Grün⸗
es ausgegeben. (Bravoh Die Staatsregierung hat auch mit bewiesen, daß sie kein Mittel unversucht läßt, um die Ein— hz, die Preußen an wertvollem Land durch den Friedensvertrag mitten hat, für unsere Gesamtwirtschaft wenigstens in etwa nch Verbesserung unserer Bodenverhältnisse und Schaffung nen, landwirtschaftlich nutzbar zu machenden Bodens aus⸗ leichen. (Bravo Hand in Hand mit diesen Bestrebungen gehen die nicht nder notwendigen auf möglichst gute Durchbildung der land⸗ uchafttreibenden Bevöllerung, um eine rationelle Boden
beitung und die Erzielung höherer Erträge zu gewährleisten.
s landwirtschaftliche Schulwesen hat in den nen Jahren einen gewaltigen Aufschwung genommen, an dem m objektiver Beurteiler der Leistungen der Preußischen Staats⸗ mg vorbeigehen darf. Wir hatten ländliche Fortbildungs⸗ wlen im Jahre 1913 6ris, 1g25 7gßß und 1927 11 509. (Hört, Die Zahl der landwirtschaftlichen Schulen ist von 239 im re 1913 auf 359 im Jahre 1925 und auf 383 im Jahre 1927 fnegen. (Hört, hört! Die Zahl der Schüler ist mit rund gegen 1913 ziemlich verdoppelt.
Allem auf der Staalsbeihilfe. Der Staat trägt 75 Prozent
Tirektoren- und Landwirtschaftslehrergehälter. (Hört, hörth neben wurden die Ackerbauschulen organisiert, und zu den
en Lehranstalten für praltische Landwirte, von denen 19.19
dorhanden waren, g neu errichtet. Das landwirtschaftliche
Hulwesen wurde zielbewußt weiter entwickelt, die Ausbildung nnnünftigen Landfrauen energisch in die Hand genommen.
a 1090 Mädchenfortbildungöschulen, die man 1919 noch kaum
Dieses Schulwesen ruht
dem Namen nach kannte und in denen hauswirtschaftlicher Unter⸗ richt erteilt wird, stehen jetzt den 122 Schulen des Jahres 1925 gegenüber. Die Wanderhaushaltungsschulen sind wieder auf⸗ gebaut worden. Es sind jetzt 200 vorhanden, nach dem sie 1917 auf 35 zusammengeschmolzen waren. Die Summen, die vom Staat für das landwirtschaftliche Haushaltungsschulwesen, aus⸗ genommen für die ländlichen Mädchenfortbildungsschulen und für die Mädchenklassen an landwirtschaftlichen Schulen, aufgewendet
wurden, betragen das Dreifache der Leistungen des alten Staates
ö . . hört! links) Die Propagandaaktion zur e, ö. ö ö. ö. und Roggenbrotgenusses und die Be⸗ pan e nf . des Schweinemarttes fanden ver⸗ . erstützug ⸗ bei der Staatsregierung. Der artenbau und der Frühgemüsebau wurde zum Teil aus Mitteln kö Erwerbslosenfürsorge nach Kräften gefördert, . . Obstbau und sein Absatzmarkt. Die gestattet, um die * ; , ; . ,, Mitteln . um im Auglande . 3. 3. . , , . ,, err chen e Seuchen vom Inlande abzuhalten. . mit einem Blick die Gesamtleistungen der lLandwixrtschaftlichen Verwaltung Preußens, so zeigt die Ziffer von insgesamt 455 Miltiomen Markt. ö. n den letzten drei Jahren 1935 bis 1927 zugunsten . m ,., verausgabt wurden hört, hört! links), und denen nur 93 Millionen aus Reichsmitteln, alles übrige aus preußischen Staatsmitteln stammte (hört, hört! links), schon andeutungsweise den Umfang des Geleisteten. Es ist gewiß nicht uninteressant, demgegenüber darauf hinzuweisen, daß der alte preußische Staat im Jahre 1915 nur 58,3 Mail; lionen für diese Zwecke aufgewendet hat (hört, hört! links), daß wir mithin in den letzten drei Jahren regelmäßig diefe Leistungen weit überboten und sie im Jahre 1927 weit mehr als verdreifacht haben. Göört, hört! links.)
Angesichts dieser Ziffern, die in jedem Jahre sehr bedeutend über die steuerlichen Leistungen der gesamten Landwirtschaft hinausgehen, also dieser per Saldo immer neue große Summen zuführen, wird nur blinder Haß oder absoluter Unverstand von einer Landwirtschaftsfeindschaft oder auch nur von einer Gleich⸗ gültigkeit der preußischen Staatsregierung sprechen können. (Sehr wahr! links.)
Die Leistungen unserer Handels- und Gewerbe verwaltung können in diesem engen Rahmen ebenfalls nur stiszenhaft dahin umrissen werden, daß man auf die verständnis— volle dauernde Mitapbeit an der Entstehung und bei der Aus⸗ führung der Reichsgesetze sowie auf eine stark betonte Mittel- stands⸗ und Sozialpolitik hinweist. Der eingangs von mir schon hervorgehobene Gesichtspunkt der Fürsorge für den lebenden Menschen hat in der Handhabung der Gewerbe⸗ aufsicht, die sich in engster Gemeinschaft mit den Arbeit— nehmern vollzieht, und ebenso bei der Ausbildung der Ge— werbekontrolleure eine besonders scharfe Ausprägung gefunden. Besonders mühevolle und eingehende Arbeiten gelten hier auch dem schweren und an Rüclschlägen reichen Kampfe gegen tückische Naturgewalten, um die Sicherheit in den Bergwerken, soweit menschliches Können reicht, zu er— höhen und Leben und Gesundheit der braven, schwer arbeitenden Männer unter Tage zu schützen. (BGravol) Hier wird alles ein⸗ gesetzt, was uns die neuesten Errungenschaften der Technik an Hilfsmitteln in die Hand geben, um kostbare Menschenleben für ihre Familien zu erhalten, und es wird an wissenschaftlichen Untersuchungen, wie 3. B. der Schaffung einer Versuchsgrube — der ersten der Welt —, nichts gespart. (Bravo! Ein immer ausgedehnteres Berufs⸗ und Fachschulwesen dient der wirtschaftlichen Höherstufung des jungen Nachwuchses der gewerb⸗ lichen und Arbeiterbevölkerung. Die Staatszuschüsse auf den Kopf des Schülers sind von 550 Mark im Jahre 1925 auf jetzt 20 Mark gesteigert worden. (Hört, hört!) Damit deckt der Staat ein Drittel der persönlichen Kosten. Der Staat unterstützt ferner durch Zuschüsse eine Angahl von Bauten von Berufsschulen, z. B. in Ostpreußen und Oberschlesien, in den nächsten Jahren auch in den anderen Provinzen. Durch alle diese Arbeiten hat sich während der Amtszeit der gegenwärtigen Regierung die Zahl der Schulen von 00 auf 2500, die der Schüler von 760 00 auf S880 000 und die der hauptamtlichen Lehrpersonen von 44090 auf 5200 erhöht.
In bezug auf die Mittelstandsfragen wurde der ungesunde und unlautere Wettbewerb bekämpft und durch zahlreiche Maßnahmen auf fachschulpolitischem Gebiete wie auf dem der rationellen Betriebsführung im Handwerk, durch Ausdehnung der Gewerbebesteuerung auf bie Genossenschaften und Konsumanstalten eine wirksame Mittelstandspolitit getrieben. Bei der Frage nach den Leistungen auf allgemeinem volkswirtschaft⸗ lichem Gebiete brauche ich nur u. a. an die Aktion zur Auf- rechterhaltung der oberschlesischen Eisenindustrie in den Jahren 1926 und 1927 und die Kreditaktion für die ostpreußische Mittel⸗ und Kleinindustrie im Sommer 19277 zu erinnern. Die Be⸗ deutung der Industrie⸗ und Handelskammern wurde gestärkt. Die beiden Schiffspfandbriefbanlen wurden wieder flott⸗ gemacht. Einen Akt großzügiger Rationalisierung, in der der preußische Staat nicht hinter der Privatindustrie zurückbleiben will, bedeutete die Umgießung des staatlichen Bergwerks⸗ besitzos in neue aktiengesellschaftliche Formen.
Neue Wege wurden auch gang besonders in der Elektri⸗ zitätswirtschaft beschritten, wo der preußische Staat ent— schlossen durch Ankäufe und Interessengemeinschaften seine Macht⸗ position so verstärkt hat, daß er als Unternehmer mit Erfolg auf den Plan treten konnte, um gegenüber der privaten Industrie den Gesichtspunkt mit Nachdruck zu vertreten, daß das Ertrags—
vinteresse in der Elektrizitätswirtschaft hinter dem allgemeinen volkswirschaftlichen Interesse der billigen Strombelieferung zurück⸗ treten müsse. (quruf links: Stimmt ja nicht! — Das sagen Sie; das haben Sie zu beweisen! — Mit einer zielbewußten Hafenpolitikt paßte sich der preußische Staat rechtzeitig der modernen Verelhrsentwicklung mit ihren Konzentrations⸗ und Rationalisierungstendenzen an. Auch hier wurden z. B. für die staatlichen Hafenanlagen in Duisburg-⸗Ruhrort, dem größten Binnenhafen des Kontinents, neuzeitliche Organisationsformen
gewählt, die sich durchaus bewährt haben. Alle Arbeiten der
Handelsverwaltung waren von starlem sozialem Geiste und dem Bewußtsein großer volkswirtschaftlicher Verantwortung erfüllt.
Von sozialem Geiste und demselben Verantwortungsgefühl war auch die Ju stizverwaltu ng erfüllt, die das in ihrer Gnadenpraxis, die allgemein anerkannt wird, und auch in der Praxis der Amnestierungen zum Ausdruck gebracht hat. Wir haben in Preußen die auf politische Straftaten beschränkte Amnestie vom 21. August 1925 nicht weniger als 24 000 Be— schuldigten und Verurteilten zugute kommen lassen. Weitere 10 009 Personen, die in der Not der Inflationszeit an Lebens⸗ mittelunruhen und notwirtschaftlichen Delikten beteiligt gewesen waren, erfuhren Vergünstigungen im Wege des Gnzelgnaden⸗ evweises. Die Gnadenaktion aus Anlaß des 80. Geburtstages des Herrn Reichspräsidenten hat 15 300 Personen Milderung oder Erlaß ihrer Strafen allein in Preußen gebracht. Bravo Be⸗ sonders muß hervorgehoben werden, daß durch diese Gnaden praxis und die Abnahme der Kriminalität, die auch ein wichtiges Merkmal wirtschaftlicher Konsolidierung darstellt, die Zahl der Strafgefangenen gegenüber dem Höchst⸗ stande von 1923 fast auf die Hälfte zurückgedangen i st, so daß bereits baulich ungünstige Gefangenenanstalten geschlossen werden konnten.
Die Justizverwaltung war dauernd bemüht, den Straf⸗ vollzug humaner und die Strafhaft selbst erzieherisch wert⸗ voller zu gestalten. Eine zweckmäßigere Beschäftigung der Ge⸗ fangenen, z. B. auf Landgütern und bei der Kultivierung von Oedländereien, ergänzt diese Maßnahmen wirksam und soll durch eine vermehrte Fürsorge für entlassene Strafgefangene in ihrer Wirkung vervollständigt werden.
Die verwaltungsmäßige Tätigkeit der Ju st i z⸗ verwaltung, ihre umfangreiche Mitwirkung an Reichs ⸗ gesetzen hat gewastige Arbeitsleistungen erfordert. Die ungeheure Flut der Aufwertungssachen, die in Preußen allein etwa 28 Millionen Fälle betrugen, ist unter äußerster Kräftean⸗ spannung zu 97 Prozent bereits erledigt worden. (Hört, hört! Der großen Beanspruchung durch das Arbeitsgerichtsgesetz wurde durch die Errichtung von 2264 Arbeitsgerichten mit je einer Kammer für Arbeiter, Angestellte und Handwerk sowie 33 Landesarbeitsgerichten genügt. Durch moderne Maßnahmen zur Rationalisierung des vielfach veralteten Apparates der Justig⸗ verwaltung wird ein neuer Geist in sie hineingetragen und Arbeit und Geld erspart werden. Durch Maßnahmen, wie die Herbei⸗ führung der Oeffentlichkeit der Di sziplinarver⸗ fahren gegen Richter und die ständige Bemühung um stärkere Heranziehung aller Bevölkerungs⸗ schichten zum Schöffen, und Geschworenenamt wurden wichtige politische Forderungen im Geiste des neuen Staates erfüllt.
Auf dem Gebiet der inneren Verwaltung ist sich die Preußische Staatsregierung voll bewußt gewesen, daß sie den Interessen des Landes und des Reiches vor allem durch die Er⸗ füllung der Verwaltung mit demokratischem und republikanischem Geist und mit dem zielbewußtem Ausbau der Schutzpolizei zu einem zuverlässigen Staats⸗ instrument am besten dient (Bravo bei den Sozialdemokraten, bei den Demokraten und im Zentrum), dessen Vorhandenseim schon genügt, um ernsthafte Störungsversuche von der äußersten Rechten und Linken nicht aufkommen zu lassen. Eine wirksame Ergänzung ihrer Organisationen hat die Polizei durch die Schaffung der Landeskriminalpolizei erhalten, die eine Zusammenfassung der kriminalpolizeilichen Tätigkeit im ganzen Lande und überall ein sofortiges Eingreifen geschulter kriminalistischer Kräfte gewährleistet. Die gesamte Polizei hat in den letzten Jahren aufreibende und schwere Arbeit zu leisten gehabt, die aber immer von Erfolg, der Durchsetzung von Ruhe und Ordnung gekrönt war. Der gesamten Polizeibeamtenschaft gebührt auch an dieser Stelle noch einmal der Dank der Staats. regierung für ihre hervorragende vaterländische Leistung. (Bravoh Die Staatsregierung freut sich, daß es möglich war, in der Besoldungsreform den Polizeiexekutivbeamten eine Neu— besoldung zu verschaffen, die auch gegenüber den Friedensbezügen eine Verbesserung darstellt. Der weitere Ausbau der Polizei wird durch das in intensiver Arbeit ständig ausgebaute Polizei⸗ schulwesen den Anforderungen gerecht werden, die die Neuzeit an die fachliche Ausbildung der Polizeibeamtenschaft stellt.
In der eigentlichen Verwaltung nahm die Vertretu ng der kommunalen Interessen in gesetzgeberischer, finanzieller und organisatorischer Arbeit die Kräfte des zu— ständigen Ressorts vollauf in Anspruch. Kommunale Grenzneuregelungen in erheblicher Zahl wurden zur Schaffung wirklich lebensfähiger Gebilde mit Erfolg durchgeführt. Fast das gesamte preußische Steuerrecht mußte völlig neu gestaltet und der innerpreußische Finanzausgleich durch Verstärkung des Lastenausgleichs zugunsten leistungs schwacher Gemeinden und Gemeindeverbände weit ausgebaut werden. Die Vorarbeiten für den endgültigen Finanzausgleich und den kommunalen Lastenausgleich sind im Gange, die Vor= arbeiten für eine gleichmäßigere Gestaltung der kommunalen Polizeikosten unter einem angemessenen Lastenausgleich sind ab= geschlossen. Von großer Bedeutung war die Durchführung der Sparkassenaufwertung mit ihrem für alle preußischen Kassen gleichmäßig hohe, überall als sozial gerecht empfundenen Aufwertungssatz. Aus der übrigen Tätigkeit nenne ich nur die Ablösung der Anleihen der Gemeinden und Gemeindeverbände und vor allem die mannigfachen Bemühungen zur Pflege und Förderung des Kommunalkredits, die, insbesondere was die Aus- landskredite anbetraf, sich recht schwierig gestalteten. Mit der Auflösung der selbständigen Gutsbezirke, die endlich den vielen Hunderttausenden von bisher kommunal— politisch entrechteten Einwohnern der Gutsbezirke zu ihrem Rechte verhilft und einen mittelalterlichen Zustand beseitigt, der nur der politischen Reaktion auf dem Lande zur Stütze diente, ist ein großer und wertvoller Wurf getan worden. (Bravo! bei der Sozialdemokratischen Partei, bei den Demokraten und im Zentrum.)
Neben allen diesen Arbeiten wurde weiter die Betreuung der Flüchtlinge aus den abgetretenen Gebieten durchgeführt und zur Heilung der durch die Grenzztehnng entftandenen Schäden in den