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*
Neichs⸗ und
schlimmer getroffen würde. Anderseits könne diese mildere Str noch nicht entbehrt werden, und erfreulich sei der Grundsatz des Gesetzgebers, daß nicht die Strafe entehre, sondern die Tat. Redner empfahl im Falle einer Ablehnung des Antrages zu bestimmen, daß die Einschließung bei Taten „aus nicht ehrlosen Beweg⸗ gründen“ erfolge, und eine Reihe von Taten aufzuzählen, bei denen auf sie zu erkennen sei. Die kommunistischen Anträge gingen ihm zu weit. Er denke an die Börse und ihre Verführten, ie er mit Zuchthaus treffen wolle. Er erhlicke in der Voraus⸗ setzung der Vorlage, daß der Täter aus „achtenswerten“ Beweg— gründen gehandelt habe, eine Gefahr. Denn man sei wohl darüber einig, was „ehrbar“, „ehrenhaft“ und was „ehrlos“ sei; man werde sich aber nicht immer einigen über das, was „achtenswert“ sei. Der Kapp⸗Putsch sei sicherlich aus „achtenswerten Beweg gründen“ begonnen; er verfolgte außenpolitisch eine Befreiung, er wollte innerpolitisch bessere Zustände vom Standpunkt Kapps. Aber der Kapp⸗Putsch habe bekanntlich im Rheinland und in West falen zu Aufständen geführt, bei denen den Teilnehmern die achtenswerte, ehrenhafte Gesinnung von dem Richter abgesprochen worden sei; er habe ferner auch anderswo zu einer Reihe von Erschießungen geführt; er denke dabei an die Schändungen jüdischer Friedhöfe. Wie stehe es d
mit dem, der als Rächer seiner
Ehre wegen Schändung seiner Schwester einen Mann im Zwei⸗ kampf unter schwersten Bedingungen erschieße? Dieser § 72 sei kam schwe Bedingun schie; D .
in der gegenwärtigen Fassung der reinste Kautschuk. Deshalb
e Ministerial⸗
bitte er um Aenderung nach seinen Vorschlägen. Bei Bei⸗
direktor Dr. Bum ke legte zunächst die Gründe, welche die behaltung einer custodia honesta erforderlich machten, dar. Auch wer die Einheitsstrafe vertrete, verlange eine besondere Be— handlung der politischen Verbrecher in der Strafanstalt. Es sei aber richtiger, die Entscheidung im Gerichtssaal als im Ver⸗ waltungswege durch die Strafvollzugsbehörden treffen zu lassen. Die in §z 58 der Strafvollzugsgrundsätze getroffene Regelung der
3 22 12 7. ö 8 y bevorzugten Behandlung politischer Verbrecher in einer Straf—
anstalt, in der neben ihnen auch gemeine Verbrecher säßen, habe erhebliche Mißstände im Gefolge Die Frage werde also besser im Strafgesetzbuch geregelt. Die Abgrenzung des Kreises der Personen, die der cuslodia honesta teil⸗ haftig werden sollten, sei freilich schwierig. Das geltende
beschränke die stungshaft auf bestimmte Delikte. Das sei nach allgemeiner Ueberzeugung zu eng gezogen; eine Besserung lasse sich aber auch nicht durch Vermehrung der Delikte erzielen, bei denen die Einschließung zugelassen würde. Das werde auch heute von keiner Seite befürwortet. Wähle man einen all⸗ gemeinen Maßstab, so blieben zwei Wege, die von dem früheren Minister Dr., Radbruch vorgeschlagene und von sozialdemokratischer
heute wieder beantragte Rechtsfigur des Ueberzeugungs⸗ verbrechens oder die Regelung des Regierungsentwurfs. Nach seiner Auffassung sei letztere vorzuziehen, weil sie weitergehe und für die Rechtsanwendung jedenfalls keine großen Schwierigkeiten biete. Abzulehnen sei aber der Vorschlag, auf nicht ehrlose Beweg⸗ gründe abzustellen. Dadurch würde die große Masse der Delikte, die weder ehrlos noch ehrenhaft sei Körperverletzungen, Be⸗
) 0 8 FI 7
Recht
Seite
selen, leidigungen, unter Umständen sogar Eigentumsvergehen, in das Anwendungsgebiet der Einschließung verwiesen. Ein solches Er⸗— gebnis wäre höchst bedenklich. Man gelange dann dazu, daß weit⸗— ans die Mehrzahl aller zu Freiheitsstrafe Verurteilten in die Ein— schließung kommen würde. Damit verwische man ganz den Charakter der custodia honesta. Ob man den Ausdruck „achtens—« wert“ oder „ehrenhaft“ wählen solle, könne zweifelhaft scheinen. Nach seiner Auffassung sei der Begriff „ehrenhaft“ enger als der Begriff „achtenswert“. IL (Zentr.) gab der jetzigen
.
l Regelung den Vorzug vor dem preußischen Vorschlage, die Ent⸗
Abg. Dr. Be
scheidung über die Einschließung dem Strafvollzug zu überlassen. Auf Vorgänge in anormal erregten Zeiten könne man ein neues Strafgesetz nicht aufbauen. Erx verurteile jeden Putsch, ob er von rechts oder von links komme. Er könne dem Antrag Lands⸗ berg nicht beipflichten, der dazu führe, den politischen und religijsen Fanatikern, die immer die schlimmsten Taten voll⸗ führten, das Zuchthaus zu ersparen, auch wenn man ehrenhafte Gesinnung nicht mehr erkennen könne. Er bitte, es bei der Vor— lage zu belassen. Abg. Dr. Alexander (Komm.) bemerkte, die Debatte habe gezeigt, daß man über solche Kautschukbestimmungen nur durch den Beschluß hinwegkomme, eine Einheitsfreiheitsstrafe einzuführen Abg. Landsberg (Soz.) begründete einen weiteren Eventualantrag, statt der Voraussetzung der „nicht ehr⸗ losen Beweggründe“ positiv zu sagen „ehrenhafte Beweggründe“. Die Abgg. Dr. Wunderlich (D. Vp.) und Dr. Bell Gentr.) vertraten die Auffassung, daß die Wahl des „ehrenhaft“ für die Täter vorteilhafter sei, weil die Achtung doch auf der Ueberzeugung aller anständig denkenden Staatsbürger beruhe. Abg. Hergt (D. Nat trak im Interesse einer Einigung für den letzten Eventuglantrag Landsberg ein. Abg. Marie
Ii S 8vYickèæ Ausdrucks
Lüders (Dem) hielt den Ausdruck „achtenswert“ für besser. „Ehrenhaft“ fei für den Täter gefährlicher, weil leicht die desehre bei der Beurteilung mit einwirken könne. Reichsjustizminister Koch⸗Weser bemerkte, der gute Richter werde mit jedem der beiden Ausdrücke „ehrenhaft“ und „achtungs⸗ wert“ das Rechte treffen. Ein anderer könne, das sei auch hier
unverkennbar, mit beiden Ausdrücken fehlen. „Achentswert“ sei blasser und gehe von dem Standpunkt des Richters us. Der Ausdruck „ehrenhaft“ sei richtiger, wenn ihn der Richter nicht dahin mißverstehe, daß er von seinem eigenen Ehrenstandpunkt ausgehe, sondern sich in die Seele des Täters versetze und von diesem Ausgangspunkt aus einen objektiven Maßstab zu gewinnen versuche. Man solle nicht von sensationellen und publizistisch interessanten Vergehen ausgehen, sondern von der großen Masse der Vergehen. Aus den Schlägereien z. B., die zum großen Teil nicht ehrlos, sondern neutral seien, werde man die ehrenhaften
Fälle, z B. Eintreten für die beleidigte Begleiterin, wohl viel besser ausschalten an der Hand des Begriffs „ehrenhaft“ als an der Hand des Begriffs „achtens⸗ wert“. Für die Regierung seien beide Ausdrücke annehmhar. Abg. Landsberg (Soz.) kritisierte die Gründe gegen die sozial⸗ demokratischen Ankräge. Friedhofsschandung könne nicht auf religiöser Ueberzeugung beruhen. Wohl sei es ehrenhafte religiöse Ueberzeugung, wenn seinerzeit der chof von Posen von
Ra 83 . z ner. a ö — 1411988 1165 wasn brwokar der Kanzel für die Bulle „Ilrritas esse illas“ usw. eingetreten sei,
die die Maigesetze für irrig erklärte. Er habe trotzdem ins Ge⸗ fängnis gehen müssen. — In der Abstimmung wurde unter Ab lehnung der andeven Anträge mit großer Mehrheit der Eventual⸗ antrag Landsberg angenommen, die Bedingung für die Ein⸗
schließung stalt an achtenswerte Beweggründe an ehrenhafte Be— weggründe zu knüpfen. Aenderung wurde § 72 ge⸗ nehmigt. Es folgte der Abschnitt „Strafmilderung“. 8 73 setzt die besonderen Milderungsgründe fest, S 74 bringt neu die Aus⸗ dehnung der mildernden Umstände für alle Straffälle. Abg. Dr. Alexander (Komm.) beantragte noch wesenklich stärkere Milderungen. Abg. Antonie Pfülf (Soz.) empfahl, in diesen Fällen die Freiheitsstrafe nicht bloß auf drei Viertel, sondern auf die Hälfte zu ermäßigen und auf Geldstrafe nicht bloß bei Frei⸗ .
. ö Mit dieser
heitsstrafen von höchstens drei Monaten erkennen zu dürfen, sondern auch bei höheren Freiheitsstrafen. Ministerialdirektor Dr. Bum ke verteidigte die jetzige Fassung. — Unter Ablehnung aller Anträge wurden die 85 73 und 74 angenommen, ebenso § 75. der vom Zusammentreffen von Milderungsgründen handelt.
5 ß handelt von „besonders leichten Fällen“. leichter Fall liegt vor, wenn die Schuld des Täters so gering die Folgen der Tat so unbedeutend sind, daß kein Bedürfnis für
Ein besonders i und
eine Bestrafung vorliegt. Abg. Dr. Alexander (Komm.) forderte Ausdehnung der Straffreiheit auf alle leichten Fälle,
ohne Ermessen des Richters. Abg. Dr. Lobe (Hosp. der Dem.) legte dar, daß nach der Vorlage Nichter das tun solle oder könne, was der Gesetzgeber nicht könne. Gebe man ihm dieses
freie Ermessen, dann müsse man auch hinzufügen, daß in dem
hier der
Staatsanzeiger Nr. 263 vom 9. November 1928. S. 4.
Falle keine Bestrafung allgemein stattfinde, wenn der Richter kein Bedürfnis für eine Bestrafung sehe. Er beantrage diesen Zusatz unter Wegfall des ersten Absatzes: „Ob und wie sich in besonders schweren Fällen Art oder Maß der ordentlichen Strafe ändert, bestimmt das Gesetz besonders.“ Ministerialdirektor Dr. Bumke erhob gegen den Antrag Dr. Lobe Bedenken Der Antrag wolle dem Gericht ganz allgemein, auch bei den ,, Verbrechen, das Recht gewähren, von Strafe ganz abzusehen. Wolle man das, so müsse man, wie das die Reichsratsvorlage tue, dem Gericht auch allgemein die Befugnis geben, in besonders leichten Fällen unter die sonst auch bei Annahme mildernder Umstände geltenden unteren Strafgrenzen hinunterzugehen. Dann aber stoße man auf das gegen die Reichsratsvorlage erhobene schwere Bedenken, daß man die subjektive Auffassung des Richters in viel zu weitem Maße an die Stelle des Gesetzgebers treten lasse und die Strafdrohungen allzu sehr abschwäche. Die Frage, in welchem Umfange der Strafverfolgungszwang für kleine Ver⸗ sehlungen zu durchbrechen sei, werde selbständig im Einführungs⸗ gesetz zu prüfen sein. Abg. Dr. Bell (Gentr.) nannte es zu weitgehend, wenn man, wie der Antrag Dr. Lobe es de facto tue, das Ermessen des Richters auf einen Eingriff in die Rechte des Gesetzgebers auszudehnen beabsichtige. Er bitte, es bei der Vorlage zu belassen. Abg. Dr. Lo be (Hosp. der Dem.) verteidigte seinen Antrag. Abg. Dr. Wun derlich (D. Vp.) nannte den Antrag Dr. Lobe für den Richter gefährlich. Gerade als Richter halte er es mit Th. Fontanes Verschen: „Freiheit? — Freilich! Aber zu Schlimmem führt der Masse Sichselbstbestimmen, und das Beste, Klügste, Bequemste, das auch freien Seelen immer Genehmste, bleibt doch immer — ich habs nicht Hehl, festes Gesetz und fester Befehl. — S 76 blieb unverändert. Es folgte der Abschnitt Strafverschärfung. § 77 behandelt Besonders schwere Fälle“. Abg. Dr. Alexander (Komm.) forderte Streichung des 5 77. Bleibe er so bestehen, werde seine Fraktion das ganze Gesetz ablehnen. Hier kehre man den Ge⸗ danken der Strafmilderung geradezu um. Abg. Antonie Pfülfj (Soz.) begründete einen Antrag auf Milderung des §5 77 dadurch, daß man die Charakterxisierung des verbrecherischen Willens des Täters als „verwerflich“ streiche und die Tat nicht allein wegen ihrer verschuldeten Folgen als besonders strafwürdig ansehe. — Nach kurzer Aussprache wurden alle Anträge abgelehnt und 8 77 angenommen. Unverändert genehmigt wurde auch 8 78, der vom Gewohnheitsverbrecher handelt. Es folgte der elfte Abschnitt: „Verjährung“. F 79 bestimmt die Fristen, 8 80 den Beginn, § 81 das Ruhen. Die Verjährung der Fristen behandeln die 88 88 und 84. Als Kompensation für die Verkürzung der Verjährung strafbarer Handlungen ist eine Verlängerung der Fristen der Ver⸗ jährung in das Gesetz aufgenommen. Abg. Dr. Alexander (Komm.) forderte starke Verkürzung aller Fristen. Abg. Dr. Rosen feld (Soz) beantragte, die Fristen so weit zu verkürzen, daß nicht der Eindruck entstehe, als ob hier eine Verschärfung der Verjährungsfristen eintrete. Reichsjustizminister Koch⸗Weser bemerkte, daß beim Ueberblick über die Gesamtheit der Vorschriften eine wesentliche Milderung gegenüber dem geltenden Recht festzustellen sei. Nach dem heutigen Recht, wo eine Unterbrechung der Verjährung schematisch durch eine ö des Richters möglich und üblich sei, seien die meisten Vergehen praktisch unverjährbar. Bei Kapitalverbrechen halte er die Verjährungsfrist von 30 Jahren, einem Menschen— alter, für richtig. Wer für eine kürzere Frist eintrete, möge er— wägen, oh er es für tragbar halte, daß bei Verbrechen, die das ganze Volk erschüttert hätten — ich erinnere an den Erzberger⸗ und Rathenau⸗Mord —, die Verbrecher nach 20 Jahren nach Deutschland ungngefochten zurückkehren und sich feiern lassen
dürften. Bei Verbrechen, die mit Freiheitsstrafen von mehr als 10 Jahren bedroht seien, halte er eine Frist von
1I5 Jahren mit dem Abg. Dr. Rosenfeld für tragbar. Der Antrag Dr. Rosenfeld wurde genehmigt, der die Ver⸗ jährungsfrist bei Verbrechen, die mit zeitlicher Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren bedroht sind, von 26 auf 15 Jahre herab⸗ setzt. Mit dieser Aenderung wurde 5 79 genehmigt. Der Rest des Abschnitts blieb nach kurzer Aussprache unverändert. — Am Donnerstag tritt ein Unterausschuß zusammen, um die ihm über⸗ wiesenen Paragraphen zu beraten. Der Gesamtausschuß ver⸗ sammelt sich erst wieder am Dienstag, den 20. November, um bann die Beratung des „besonderen Teils“ zu beginnen.
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Der Reichstagsausschuß für soziale An⸗ gelegenheiten beschäftigte sich gestern unter dem Vorsitz des Abg. Esser (Zentr) mit der dritten Novelle zur Unfall⸗ versicherung. Ministerialdirektor Grieser (Reichsarbeits⸗ ministerium) führte zur Erläuterung der Vorlage aus, daß sie vom Reichsarbeitsministerinm auf Verlangen des früheren Reichstags ausgearbeitet worden sei und den Zweck habe, die soziale Unfall— versicherung auf eine Reihe von Betrieben auszudehnen, in denen die Arbeitnehmer besonders gefährdet seien. Es handele sich hierbei im einzelnen um den Betrieb der Feuerwehren und den Feuerwehrdienst, dann um Krankenhäuser, Heil- und Pflege⸗ anstalten, weiter um Laboratorien, dann um Schauspielunter⸗ nehmungen, darunter auch die Veranstaltungen von Schauspielen, Balletts, Pantomimen, Kabaretts, Varietés usw., serner um Schaustellungen sowie Lichtspielbetriebe (Herstellung, Vertrieb und Vorführung von Lichtspielstreifenn. Ueber das Verlangen des früheren Reichstags hinaus verbinde der Entwurf noch zwei weitere Vorschläge auf Erstreckung der Unfallversicherung auf die Röntgenbetriebe und wolle auch Unfälle bei Lebensrettung oder Uebungen dazu dem Schutze der Unfallversicherung unterstellen. In Frage kämen hierbei Betriebe, die für Hilfsleistungen bei Unfällen eingerichtet seien, z. B. das Rote Krenz, der Samagriter⸗ dienst usw. Was den Personenkreis anbelange, so erstrecke sich der Schutz der Unfallversicherung nur auf das technische Personal, nicht auf das Büro- und Verwaltungspersonal. Für bestimmte Personenkreise, z B. Musiker und Aerzte, sei in 8 544 das Wort „Betriebsbeamten“ durch das Wort „Angestellten“ ersetzt worden, um den für diese Personen schiefen Ausdruck „Betriebsbeamten“ aus dem Gesetz zu beseitigen. Von den Schauspielunternehmungen seien als unfallversicherte Angestellte nicht einbezogen: Kapell⸗ meister, Musiker und das sonstige künstlerische Personal., dessen Jahresarbeitsverdienst 8400 Mark übersteige In den Kranken⸗ häusern gelten als solche Angestellte gleichfalls nicht Aerzte und Medizinalpraktikanten, es sei denn, daß sie ausschließlich im Dienste der Anstalt zu ihrer Ausbildung oder unentgeltlich be⸗ schäftigt werden. Versichert seien aber die Aerzte in den Labora⸗ torien und Röntgenanstalten. Der Redner ging dann auf die be— sondere Stellung der Schwestern von Diakonissen⸗Mutterhäusern, des Roten Kreuzes und der Ordensschwestern ein, die nur dann von der Versicherung befreit seien, wenn sie eine lebenslängliche oder eine der reichsgesetzlichen Unfallversicherung entsprechende Versorgung gewährleistet erhalten hätten. Eine alte Forderung der Oeffentlichkeit und des Volkes sei, einem Lebensretter, der bei seiner Tat einen Unfall erleide oder zu Tode komme, die Wohl— taten der Unfallversicherung zugute kommen zu lassen. Wer einen solchen Heroismus im Interesse seiner Mitmenschen aufbringe, für den müsse die Allgemeinheit eintreten. Entsprechend den jetzt schon geltenden Bestimmungen könne die Reichsregierung durch
Verordnung bestimmte Krankheiten als Berufskrankheiten be⸗ zeichnen. Künftig aber solle die Unfallversicherung auf solche
Krankbeiten Anwendung finden ohne Rücksicht darauf, ob die Krankheit durch einen Unfall oder durch eine schädigende Einwir⸗ kung verursacht sei, die nicht den Tatbestand des Unfalls erfülle. Es solle durch diese Bestimmung der sich auf die Versicherten ungünstig auswirkende Zustand beseitigt werden, daß eine vlötzlich auftretende Vergiftung als Unfall gelte und nicht als Berufskrank⸗ heit, für welche das Verfahren für die Versicherten zum Teil günstiger sei als bei Unfällen. Württembergischer Ministerialrat Dr. Widmann gab einen Rückblick auf die Gründe, die den
1
Reichsrat zu seinen Beschlüssen veranlaßt hätten. Der Ausdruck „Feuerwehrdienst“ sei im Artikel 1 besonders mit aufgenommen, weil in dem Ausdruck „Betrieb der Feuerwehren“ wohl die Berufsfeuerwehren einbegriffen seien, aber nicht die Pflichtfeuer⸗ wehren und die freiwilligen Feuerwehren. In der Aufnahme der Kapellmeister und Musiker in die Versicherungspflicht sehe der Reichsrat eine Ueberspannung des Prinzips, weil andere Personen
ebenso und mehr gefährdet seien, ebenso in der etwaigen Aufahme der sogenannten Prominenten in Theater und Oper, wo ein Bedürfis gleichfalls nicht vorliege.
Abg. Thiel (D. Vp. nannte es bedenklich, die Mufiker aus der Unfallversicherung auszunehmen, weil bei Zusammenstürzen auf der Bühne usw. gerade die Musiker in erster Linie gefährdet seien. Er halte es für richtig, die einfache Linie des Gesetzes nicht durch zuviel Ausnahmen zu durchlöchern, die nur zu Streitigkeiten und Prozessen führten. Er empfehle deshalb einige Fassungsände⸗ rungen. Er schlage z. B. folgende Fassung für die Schauspielunter⸗ nehmungen vor: „Der Betrieb der Schauspielunternehmungen und der Schaustellungen, der Gesangsvorträge und deklamatorischen Vorträge ohne Rücksicht auf den Kunstwert der Leistungen, Be— triebe für Hilfeleistungen bei Unglücksfällen (Notfällen) sowie die Lichtspielbetriebe (Herstellung, Vertrieb und Vorführung von Lichtspielstreifen)“: ferner empfehle er, in die Unfallversicherung aufzunehmen: „Betriebe zur Förderung von Personen oder Gütern und Holzfällungsbetriebe sowie Betriebe zur Behandlung und Handhabung der Ware.“ In den letzten Betrieben sei es un⸗ gerecht, den Hausdiener zu versichern, nicht aber den kauf⸗ männischen Lehrling, der oft dieselben Arbeiten zu leisten habe. Solche Differenzierung bringe nur Schwierigkeiten. Die kauf— männischen Angestellten bedürften des gleichen Schutzes. Er frage endlich, ob dem Wunsche des Landgemeindeverbandes entsprochen werden könne, kleinere Versicherungsträger zu schaffen. Man möge ganze Arbeit machen, ohne die kleinliche Einstellung des Reichsrats wegen der Kostenfrage hinsichtlich der Lebensretter zu berücksichtigen. Württembergischer Ministerialrat Dr. Wid⸗ mann nahm den Reichsrat in Schutz gegen die Vorwürfe der Kleinlichkeit in der Kostenfrage. Die Länder seien sachlich weit entgegengekommen, aber in ihren Mitteln so beschränkt, daß sie auf Ansprüche, die sie nach dem Finanzausgleichsgesetz zu haben glauben, nicht verzichten könnten. Abg. Luise Schroeder (Soz.) forderte von der Reichsregierung die Ueberreichung der Denkschrift über die Erweiterung der Unfallversicherung, um zu erkennen, ob eine Erweiterung der Unfallversicherung auf alle Arbeiter, die Un⸗ fällen ausgesetzt seien, wirklich nicht möglich sei. Mindestens bitte sie um Mitteilung des Inhalts dieser Denkschrift. Dieser Eni— wurf sei wiederum eine Halbheit. Nicht nur beziehe man die Gast- und Schankwirtschaftsangestellten und die Hausangestellten nicht mit ein, sondern auch innerhalb der erfaßten Betriebe schaffe man ganz unverständliche Ausnahmen. Es sei gleich schlimm für die Schauspieler, die verunglücken, ob sie nun ein hohes oder niedriges Gehalt beziehen. Gegen die Einschmuggelung der Einkommensgrenzen, von der bisher die Unfallversicherung frei gewesen wäre, werde ihre Partei sich sträuben. Warum wolle man die Musiker ausschließen, warum die Ambulatorien, die Rund⸗ funkbetriebe, die Aerzte? Seien die Diakonissen⸗Mutterhäuser und das Rote Kreuz deswegen gehört worden? Sie sehe in der Novelle wiederum nur eine Halbheit und eine starke Erschwerung
der Durchführung der Versicherung und ihrer Anwendung. Abg. Martha Arendsee (Komm.) vermißte gleichfalls eine um⸗
fassende Arbeit auf diesem Gebiet. Die Gefährlichkeit eines Be⸗ triebs mache doch nicht halt davor, ob die Person, die zum Beispiel von einer Kesselexplosion betroffen werde, nun Angestellte oder Arbeiter, versichert oder nicht versichert sei. Deshalb müßten alle Personen solcher Betriebe versichert werden. Aehnlich sei es mit den Krankenschwestern. Man dürfe da nicht so künstliche Unter⸗ scheidungen treffen zwischen Pflege in der Anstalt und im Privat⸗ haus. Was bedeute die Unterscheidung zwischen den Aerzten im Krankenhaus und in dessen Laboratorium? Das seien häufig die⸗ selben Personen. Man wolle die Ambulatorien ausschließen? Seien unter „Betrieben“ auch „Untexrichtsanstalten“, höhere Lehr⸗ anstalten zu verstehen? Sie vermisse hier die nötige Klarheit! Gehörten Arbeitshäuser dazu? Rednerin kündigte eine Reihe von Anträgen ihrer Fraktion an. Sie vermisse auch die Ein⸗ beziehung der Betriebe der Polizei in des Gesetz im Gegensatz zu denen der Reichswehr und der Reichsbahn. Die Verordnung über die Berufskrankheiten dürfe man nicht einfach der Regierung über⸗ lassen: der Ausschuß müsse sie prüfen und ergänzen. Jedenfalls bitte sie um Auskunft darüber, welche Krankheiten in diese Ver⸗ ordnung einbezogen werden sollten. Ueber die Frage, wer der Versichexungsträger in den einzelnen Fällen sein solle, vermisse sie auch noch eine Klarheit, namentlich darüber, wie es bei den privaten Krankenhäusern, mit den Laboratorien und den daran beteiligten Personen stehe. Abg. Schwarzer (Bayer. Vp.) be⸗ merkte, daß durch die vielen Ausnahmen Grenzfälle entständen, die die Anwendung des Gesetzes erschwerten und verteuerten. Sie spielten zahlenmäßig freilich nur eine geringe Rolle. Eine un⸗ billige Härte sei es, wenn man gewisse Personen eines gefähr⸗ lichen Betriebes aus Standesrücksichten von der Haftpflicht⸗ versicherung ausnehme. Er sei für möglichste Beseitigung der vorgesehenen Ausnahmen. Anträge behalte sich seine Partei noch vor. Ministerialdirektor Dr. Grieser stellte in Aussicht, den wesentlichen Inhalt der geforderten Denkschrift nach Genehmigung des Ministers morgen vortragen zu lassen, insoweit es sich um die technischen Möglichkeiten und technischen Schwierigkeiten handele. Er habe auch keine Bedenken dagegen, die neue Liste der Berufs⸗ krankheiten borzutragen. Sie sei mit den Gewerkschaften und Berufsgenossenschaften besprochen worden. Wenn man die Sozial⸗ versicherung ein kleines Mäntelchen genannt habe, so sei es doch ein reichlich teures Mäntelchen, denn 1927 habe die Sozialver⸗ versicherung ohne die Erwerbslosenversicherung 3.7 Milliarden ge⸗ kostet und 1928 werde der Betrag wohl 4 Milliarden erreichen können. Das Anwachsen der Ausgaben in der Sozialversicherung bedeute für die Länder eine erhebliche Entlastung der Fürsorge⸗ ausgaben. Wer als Versicherungsträger gedacht sei, werde im Gesetz gesagt. Ganz kleine Gemeinden könne man nicht als Ver— sicherungsträger zulassen, schon weil sie nicht das geschulte Per⸗ sonal zur Beurteilung der Unfälle hätten. Württembergischer Ministerialrat Dr. Widmann machte darauf aufmerksam, daß im Rundfunkbetrieb das Sendepersonal und das Personal im Verstärkerraum Beamte seien und im Vortragsraum keine Ge⸗ fahr bestehe. Die Prominenten in den Bühnenhäusern seien wirt⸗ schaftlich in der Lage, sich selbst zu versichern. Aehnlich sei es mit den Aerzten. Das Problem des Finanzausgleichs könne er hier nicht ausführlich behandeln. Wenn der Entwurf auch nur 3 Millionen Mark Kosten verursache, so könnten doch die Länder bei ihrer Finanzlage auf die ihnen nach dem Finanzausaleichs⸗ gesetz zustehenden Ansprüche keineswegs verzichten. — Die Weiter⸗ beratung wurde auf heute vertagt.
(Fortsetzung in der Ersten Beilage)
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Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗-AUktiengesellschaft, Berlin. Wilhelmstraße 32.
Fünf Beilagen (einschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen)
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Dentscher Reichsanzeiger
und
aatsanzeiger.
ö.
89
3 Erscheint an jedem Wochentag abends. Bezugspreis vierteljährlich 9 Ga Alle Postanstalten nehmen
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Inhalt des amtlichen Teiles:
Deutsches Reich. Mitteilung über die Wappen und Flaggen des Deutschen Reichs und der deutschen Länder. Preuszen.
Mitteilung über die Verleihung der Rettungsmedaille bzw. Erinnerungsmedaille für Rettung aus Gefahr.
Amtliches.
Dentsches Reich.
Im Reichs⸗ und Staatsverlag, G. m. b. H., Berlin W. 8, Mauerstraße 44, ist soeben erschienen: Wappen und Flaggen des Deutschen Reichs und der deutschen Länder. Herausgegeben vom Reichsministerium des Innern in Ver— bindung mit dem Reichspatentamt und dem Reichskunstwart. Das Heft bringt auf 12 in Farbendruck gehaltenen Tafeln die Wappen, Flaggen und Farben des Deutschen Reichs und der deutschen Länder. Den Farbentafeln geht eine authentische Beschreibung der Hoheitszeichen unter Angabe der Rechtsquellen voraus. Die Veröffentlichung ist durch alle Buchhandlungen und den Verlag zu beziehen. Preis 5 RM, Behördenvorzugs⸗ preis 4 RM.
Preußen. Ministerium des Innern.
Das Preußische Staatsministerium hat mittels Erlasses vom 10. bzw. 11. Oktober 1928 verliehen:
Die Rettungsmedaille am Bande an:
Die Erinnerungsmedaille für Rettung aus Gefahr an: Hermann Ammermann, Tischler, Hedemünden, Kreis Münden, August Haase, Kranmaschinist, Essen a. d. Ruhr.
Nichtamlliches. Deut sches Reich.
Der Königlich norwegische Gesandte Scheel ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Gesandtschaft wieder übernommen.
Der cubanische Gesandte Dr, de Agüeronuy Bethan⸗ court ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Gesandtschaft wieder übernommen.
Barlamentarische Nachrichten.
Der Reichstagsausschuß für soziale An⸗ gelegenheiten setzte am g. d. M die allgemeine Aussprache über die 3. Novelle zur Unfallversicherung fort. Vorsitzender Abg. Esser (Sentr.) verlas einen Bericht der österreichischdeutschen Arbeitsgemeinschaft über die Verhand⸗ lungen zum Sozialrecht und zur Sozialfürsorge. In dem Schreiben tritt die Arbeitsgemeinschaft für gemeinsame. Be⸗ arheitung der Probleme ein, die das Sozialrecht in Deutschland und Oesterreich betreffen, mit dem Ziel auf möglichste An⸗ gleichung der diesbezüglichen Gesetzgebung. Ministerialdirektor Dr. Grieser betonte, dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge, daß die Mitteilungen über Erweiterung der Berufskrankheiten nur Vorschläge enthielten, daß aber Be⸗ schlüsse der Reichsregierung noch nicht vorlägen. Auch bei den
folgenden Ausführungen über Erweiterung der Unfallversiche⸗ rung sollten nur die Probleme, die Schwierigkeiten und die Mög⸗ lichkeiten oder Unmöglichkeiten der Lösung erörtert werden, dagegen werde die große Frage, ob und in welchem Umfange weitere Betriebe der Unfallversicherung unterstellt werden sollten, nicht behandelt; ein Beschluß darüber läge nicht vor. Der Redner legte die gestern versprochene Denkschrift vor. Oberregierungsrat Dr. Knoll (Reichsarbeitsministerium) erörterte die technischen Probleme, die eine Ausdehnung der Unfallversicherung auf die bisher nicht versicherten Kreise mit sich bringt, die Schwierig⸗ keiten einer ,, Durchführung ohne Aufwendung übermäßiger Verwaltungskosten und die Möglichkeit einer Lösung. Abg. Christine Te usch (Zentr.) bemerkte, angesichts der technischen und organisatorischen Schwierigkeiten, die nach dem eben Ge⸗ hörten jede weitere Ausdehnung der Unfallversicherung bereite, werde eine Ergänzung der Novelle, wie sie gestern durch ver⸗ schiedene Redner angeregt worden sei, eine Verschleppung der Verabschiedung und Durchführung des neuen Gesetzes bringen. Das Zentrum habe sich deshalb entschlossen, sich möglichst eng an die Vorlage zu halten und nur Anträge zu stellen, die im wesent⸗ lichen im Rahmen der Vorlage blieben. Die Rednerin begründete danach das Verlangen, nicht bloß „den Betrieb der Feuerwehren und den Feuerwehrdienst“ mit aufzunehmen, sondern zu J „Der Betrieb der Feuerwehr, der Feuerwehrdienst und die Tätig⸗ keiten zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen. Sie bat ferner, nicht bloß die Krankenhäuser und Pflegeanstalten mitzuversichern, sondern auch „eine entsprechende Tätigkeit der Wohlfahrtspflege und des Gesundheitsdienstes außerhalb der genannten Anstalten“. Endlich bat die Rednerin die Betriebe für „medizinische“ Unter⸗ suchungen und Versuche ausdrücklich im Entwurf zu nennen, nicht nur solche für naturwissenschaftliche und technische Untersuchungen. Eine zu starke Durchlöcherung des im Art. JI erfaßten Personen⸗ kreises, wie sie durch die verschiedenen Befreiungen im Art. 3 herbeigeführt würde, lehne das Zentrum wegen der Erschwerung des Verfahrens und zugunsten der Unfallgefährdeten ab. Abg. Karsten (Soz.) äußerte Bedenken gegen die Denkschrift in der vorliegenden Form. Bis zur Klärung der Organisations⸗ frage vergehe noch recht viel Zeit. Schon 1928 habe aber der Reichstag eine Gesetzesporlage verlangt; es sei bedauerlich, daß jetzt nur eine Denkschrift vorgelegt worden sei. Eine Menge von Arbeitnehmern, wie Gastwirtsgehilsen und Angehörige anderer Berufszweige ließen sich ohne Vergrößerung des Verwaltungs⸗ apparaks versichern Um diesen Arbeitnehmern möglichst bald den Schutz der Versicherung angedeihen zu lassen, müßten sie pro⸗ visorisch auf Kosten des Reiches versichert werden. Ministerial⸗ direktor Dr Grieser wies auf die geschilderten Schwierig⸗ keiten hin, die Unfallversicherung auf alle Angestellten und Arbeiter, Lohn- und Gehaltsempfänger zu erstrecken. Es liege auch kein Beschluß des Reichstags vor, die Unfallversicherung auf alle Perfonen auszudehnen. Der Redner wies dann im einzelnen nach, daß die von Frau Arendsee (Komm.) gestellten Anträge auf der einen Seite zwar eine Erweiterung, auf der anderen Seite aber einen erheblichen Rückschritt bedeute, dem die Regierung nicht zustimmen könne, indem sie Leute ohne Gehalt und Lohn von der Versichexrung ausschließe. Außerdem erforderten sie eine grundlegende Aenderung am Aufbau der Unfallversiche⸗ rung. Er müsse auf das verfassungsmäßige Recht des Reichsrats und des Reichswirtschaftsrats hinweisen, bei so grundlegenden Gesetzen mitzuwirken; auch Verhandlungen mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisgtionen seien vorher nötig, kurz eine starke Verzögerung des Entwurfs wäre unausbleiblich. Er warne daher vor diesem Weg. Was die Abg. Schröder u. a. erreichen wolle, könne sie besser erreichen, wenn sie für die berufs⸗ genossenschaftliche Zusammenfassung der Wohlfahrtspflege etwa die Fas ung wähle: „Einrichtungen (statt Betriebe) und Tätig⸗ keiten der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege und im Ge— sundheitsdienft.“ Er bitte aber nicht die jetzigen Grundlagen der Versicherung zu verlassen. Wenn der Abg. Thiel z. B. den ganzen Kleinhandel mit aufnehmen wolle, so sei das doch eine Ungerechtigkeit gegenüber dem Handwerk. Er bitte, die Schwierig⸗ keilen der Ausdehnung zu beachten und von zu weit gehenden Anträgen abzusehen. Abg. Martha Arendsee (Komm.) empfahl nochmals ihre Anträge. Abg. Aufhäuser (Soz.) be⸗ gründete eine Reihe von Anträgen, die durch Einführung des Ulusdrucks „Krankenbehandlungsstätren“ alle Personen, die in der Krankenpflege tätig sind, erfassen will, der auch die Musiker und Artisten einbegreift. Er empfahl für die Neuaufnahme in die Versicherung die Fassung zu wählen: „Die gesamten Be⸗ triebe der öffentlichen und privaten Kranken-, Heil⸗ und Pflege⸗ anstalten, Krankenbehandlungsstätten, Laboratorien, Desinfek⸗ tionsunternehmen, die Wohlfahrtspflege und soziale Fürsorge, die Hebammen“ und ferner „der Betrieb der Schauspielunter⸗ nehmungen, der Schaustellungen, Darbietungen, Vorführungen und der Musikaufführungen, ohne Rücksicht auf den Kunstwert der Leistungen, die Lichtspielbetriebe (Herstellung, Vertrieb und Vorführung von Lichtspielstreifen) und die Rundfunksendebetriebe“. Abg. Rädel (Komm.) forderte grundsätzlich Erweiterung dieser Unfallversicherung auf alle gegen Lohn oder Gehalt beschäftigten Personen sowie Anstaltsinsassen. Abg. Beier (Wirtsch.⸗P.) warnte vor der Ueberspannung der Sozialversicherung und der Unfallversicherung im besonderen. Um angeblich sozial zu wirken, zwinge man die Unternehmer, zur Verminderung der Un⸗ kosten unsozial vorzugehen, ihr Personal zu vermindern usw. Er wundere sich, wie die Deutsche Volkspartei die Anträge Thiel zu⸗ ae er müsse dagegen stimmen. Abg. Grote wohl (Soz.) polemisierte gegen die Darlegungen der Regierungsvertreter. Er hoffe, daß sie ihren Widerspruch gegen die Aufnahme der Schank⸗ wirtschaften in die Novelle aufgeben würden. Abg. Domsch (D. Nat.) widersprach der Anregung, den „Feuerwehrdienst“ zu streichen, weil er im „Betrieb der Feuerwehren“ angeblich ent⸗ halten sei. Das treffe nicht zu, wie er aus Erfahrung in der Feuerwehr mitteilen könne. In Sachsen müsse die Feuerwehr
z. B. auch bei Hochwasser Unfalldienst leisten, der Anmarsch zur Feuer⸗ und Uebungsstelle müsse mitversichert bleiben. Er bitte, entsprechende Vorschriften in das Ausführungsgesetz aufzunehmen, daß der Dienst, der in Sachsen bei der Feuerwehr bisher üblich sei, mitversichert ist. Abg. Kempkes (D. Vp.) erklärte, nach den Ausführungen der Regierungsvertreter werde seine Partei den gestern begründeten Antrag Thiel bis zur zweiten Lesung zurück⸗ stellen. Abg. Gok (D. Nat.) betonte, seine Partei werde gerdcde aus richtig verstandenem sozialen Empfinden die Anträge ab⸗ lehnen, über die Vorlage hinaus den Kreis der Betriebe und der Personen zu erweitern, die dieser Versicherung unterstellt werden sollen. Ministerialdirektor Dr. Grieser und Ministerialrat Dr. Krohn erläuterten nochmals die Auffassung der Re⸗ gierung von der Vorlage, darunter auch den Kreis dessen, was der „Betrieb“ der Feuerwehren umfaßt. Dieser Ausdruck umfasse auch den Begriff des Feuerwehrdienstes; die Uebung wie die Tätigkeit der organisierten Lebensrettung wolle man einbeziehen. In dieser Beziehung empfehle sich die Anregung der Abg. Teusch, auch Betriebe zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen zu erfassen. — Die Beratung wurde sodann auf Sonnnabend vertagt.
Handel und Gewerbe. Berlin, den 10. November 1923.
Wochenübersicht der Reichsbank vom 7. Nobember 1928 (in Klammern 4 und — im Vergleich zur Vorwoche):
Aktiva. RM 1. Noch nicht begebene Reichsbankanteile .... 177 212 000 (unverändert)
2. Goldbestand (Barrengold) sowie in⸗ und außs⸗
ländische Goldmünzen, das Pfund fein zu ; 1392 Reichsmark berechnet.. . 2 539 923 909 4 ** 155 och
und zwar: Goldkassenbestand ... RM 2454 297 000 Golddepot (unbelastet) bei ausländischen Zentralnoten⸗
hanken P . Sh 626 000
3. Bestand an deckungsfähigen Depisen... .. 168 126 000 4 45869 606)
4. a) Reichsschatzwechseln . ...... —
(unverändert) ö sonstigen Wechseln und Schecks. . 2182 866 009 165 414 00) 6. 3 deutschen Scheidemünzen .... S6 831 000 (4 363 5c) . . Noten anderer Banken. ..... 17615 000 ( 38876 000) 7. ö! Lombardforderungen. ..... 33 848 000 (darunter Darlehen auf Reichsschatz ( — 61 379 000) wechsel RM 1000)
kJ 9 z3os oog = 1 zb 960) 9. ö fon ligen Mihen , 47 652 0090
(4 34 37 006)
ö Passliva. 1. Grundkapital: . n, 122 783 000
=. —t (unverändert) b) noch nicht begeben J 177 212 000 (unverändert) 2. Reserbefonds: ; a) geen licher Reserhefenddoeod 43722 0900 (unverändert) b) Spezialreservefonds für künftige Dividenden⸗ , 45 483 000 (unverändert) eh sonstige Räckggen. . 195 000 000 (unverändert) 3. Betrag der umlaufenden Noten... 4410 332 000
2b 6d 666M) Sh 157 O60 4 91 254 060)
266 o? 0060 — Z 06 6600)
Zu der vorstehenden Uebersicht teilt W. T. B.“ mit: Nach dem Ausweis der Reichsbank vom 7. November 1928 hat die gesamte Kapitalanlage der Bank in Wechseln und Schecks, Lombards und Effekten um 228,0 Mill. auf 23609, 0 Mill. RM abgenommen; im einzelnen haben sich verringert die Bestände an Wechseln und Schecks um 166,4 Mill. auf 2182,9 Mill. RM, der Lombardbestand um 61,4 Mill. auf 33,8 Mill. RM und der Gffekttenbestand um 1,z Mill. auf 92.3 Mill. RM. An Reichsbanknoten und Rentenbank—⸗ scheinen zusammen sind 291,6 Mill. RM in die Kassen der Bank zurück⸗ geflossen; und zwar hat der Umlauf an Reichsbanknoten um 261,7 Mill. auf 4416,3 Mill. RM, derjenige an Rentenbankscheinen um 2939 Mill. auf 5128 Mill. RM abgenommen. Dementsprechend ist der Bestand der Reichsbank an Rentenbankscheinen auf 45,4 Mill. RM gestiegen. Die fremden Gelder zeigen mit bs5,? Mill. eine Vermehrung um 91, Mill. RM. Die Bestände an Gold und deckungssfähigen Deyisen insgefamt stiegen um 12.0 Mill. auf 208,0 Mill. RM., im einzelnen die Goldbestände um 7,1 Mill. auf 2639, Mill. RM. die Bestände an deckunge sähigen Devisen um 49 Mill. auf 68s, Mill. RM.. Die Deckung der Noten durch Gold, allein besserte sich von 4.27 vn in der Vorwoche auf 57,6 vH, diejenige durch Gold und deckungsfähige Devisen von 57,“ vH auf 61,4 vy.
4. Sonstige täglich fällige Verbindlichkeiten ... ö
2 . ö a, , . g ö ö z * * I d — 3 — J J 9 . — — R , 7 77 Q 7 777 77
R ö h h — —— — — — —