Neichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 284 vom 5. Dezember 1928. S. 4.
deutschen landwirtschaftlichen Produkte, vor allem Schweine, kommt, (sehr richtig! behebt. Vielleicht wird es uns gelingen, einen solchen Weg zu finden; wir ringen um diesen Weg. Ich kann heute nichts Bestimmtes versprechen, sehe die Gefahren, die hier bestehen, ganz deutlich, bin aber entschlossen, hier einmal etwas Anderes zu versuchen, als bisher versucht worden ist, weil ich mir sage: die Möglichkeit für Deutschland, mit den Ost⸗ und Südostländern in Handelsvertragsbeziehungen großen Stils zu kommen, auszunutzen, ist eine Lebensfrage für das deutsche Volk, und deswegen müssen wir sehen, wie wir über die Schwierigkeiten und Sorgen, die darin stecken, hinwegkommen. (Sehr richtig!)
Damit will ich dieses Gebiet der Zölle verlassen und mich nun nur noch kurz mit dem Produktions⸗ und Absatzproblem befassen.
Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich etwas Krank⸗ haftes, wenn man versucht, alle Schwierigkeiten mit Gesetzen und Zolltarifen zu bewältigen. (Zustimmung.) Das kommt mir immer so vor, als wenn es ein Zeichen wäre, daß man bald daran ist, nicht mehr — sagen wir einmal: leben zu können. Es ist aber auch gar nicht möglich, auf diesem Wege der Schwierigkeiten Herr zu werden, und zwar aus politischen Gründen nicht möglich, weil auch diese wirtschaftlichen Fragen letzten Endes nur unter Berücksichtigung der Verhältnisse des deutschen Gesamtvolkes be⸗ handelt werden können, auch nur aus den politischen Ver⸗ hältnissen des Reichstags heraus. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten) Drittens aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es auch gar nicht nötig; denn in vielen Fällen — und da steht die Linke ja etwas anders als die Herren von der Rechten; wir nähern uns aber auch in dieser Sache — handelt es sich gar nicht darum, mit Gesetzen die Dinge zu ändern oder mit Tarifen die Preise in die Höhe zu setzen, sondern — das hat der eine Herr Vorredner richtig gesagt — darum, ein geeignetes Standard⸗ produkt zu schaffen (sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten), und darum, eine Organisation zu haben, die dieses Produkt nachher zusammenfaßt und absetzt. (Zuruf: Woher die Betriebs⸗ mittel dazu nehmen?) — Gleich kommen wir darauf. Dieses Not programm soll nun insofern als Grundlage für die Zukunft be⸗ nutzt werden, als wir im Anschluß an einige Punkte des Not⸗ programms ein Produktionsförderungs⸗- und Absatzprogramm aufgestellt haben, ein Programm, daß wir zur Vorbereitung des Etats bereits dem Kabinett vorgelegt haben und das dort grund⸗ sätzlich gebilligt worden ist. Dieses Programm bedarf natürlich noch der gründlichen Durcharbeitung, wobei Sie alle berufen sein werden, uns im Laufe des Winters mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Auf Grund dieses Programms wird die Reichs⸗ regierung zunächst einmal in diesem Jahre 18 Millionen Mark — wir haben noch ziemliche Reste aus dem vergangenen Jahre —, dann aber jährlich 20 Millionen Mark auf fünf Jahre zur Ver⸗ fügung stellen, so daß wir an eine vuhige Arbeit auf diesem Ge⸗ biete gehen können. Wir werden also auf fünf Jahre jährlich 20 Millionen zur Verfügung haben, um die großen drei Probleme hauptsächlich zu erörtern, nämlich die Frage der Vieh⸗ und Fleisch⸗ preise und des Fleischabsatzes, mit der dazu gehörigen Frage der Milch- und Molkereiprodukte, dann die Frage der Obst⸗ und Gemüseproduktion und ihres Absatzes, schließlich noch die Frage der Eier und der Geflügelzucht.
Wenn Sie nun das erste Kapitel nehmen, das ich erwähnt habe, die Frage der Produktionsförderung von Vieh und der Förderung des Absatzes von Vieh und dazu noch die Produktions⸗ und Absatzförderung von Milch- und Molkereiprodukten nehmen, so haben Sie hier zusammengefaßt einen Bestand von 8 Mil liarden an Produktionswerten jährlich, die nahezu zwei Drittel des Produktionswertes der gesamten Landwirtschaft ausmachen. Deswegen soll der ganze Druck zunächst einmal an diesem Punkte eingesetzt werden. Hier sind auch die handelsvertraglichen und sonstigen Schwierigkeiten nicht so groß. Und wenn wir an diesem Punkte fünf Jahre arbeiten werden und in Ruhe arbeiten können, weil wir auf Grund eines langfristigen Programms arbeiten, dann wird es vielleicht gelingen, etwas anderes zu machen, als es bisher der Fall war. Ich habe mich deshalb auch bewußt auf das gestützt, was Herr Minister Schiele auf diesem Gebiete gemacht hat, weil doch jeder die Fäden fortspinnen muß, die sein Vorgänger angeknüpft hat, und da die Arbeit haupt⸗ sächlich auf organisatorischem Gebiet liegt, wird voraussichtlich jeder, der später an meiner Stelle stehen sollte, so vernünftig sein, die Arbeit da anzufangen, wo ich aufgehört habe, und so liegen diese Dinge.
Es wird sich um zwei Sachen handeln: zunächst einmal darum, das von Herrn Minister Schiele inaugurierte Verfahren fortzuführen, Schweine und Vieh aus Deutschland hinaus⸗ zubringen, namentlich zu Zeiten, wo hier der Markt zu schlecht ist, also damit den Markt zu nivellieren. Es wird sich aber auch darum handeln, die genossenschaftlichen Organisationen draußen in den Provinzen, die wir ausgebaut haben, dahin zu bringen, daß sie mit der Zeit die Viehmärkte in der Befahrung etwas regulieren können, damit wir nicht den Zustand haben wie im Herbst, wo der Husumer Viehmarkt fast die ganzen deutschen Vieh⸗ preise zerschlagen hätte und wir allerhand haben machen müssen, um diesen Schwierigkeiten zu begegnen.
Auf dem Gebiete der Milch⸗ und Molkereiprodukte haben wir einen Index, der an sich genügt, um die Landwirtschaft über Wasser zu halten. Aber wir haben den Zustand, daß wir eine un⸗ zureichende Beschaffenheit unserer Produkte, eine unzureichende Organisation und eine unzureichende Produktion haben. Diese Dinge haben wir jetzt in größtem Stiele angefaßt und haben uns bemüht, die Mittel des Notprogramms an den wesentlich ent⸗ scheidenden Punkten anzusetzen. Natürlich können wir nicht allzu viel selbst tun, denn die Ausführung liegt draußen bei den Ländern; ich bin aber überzeugt, daß sie ihre Kräfte restlos in den Dienst dieser Sache stellen werden.
Wir haben dann hier dnoch die Verbilligungsaktion für die Molkereiprodukte, aus denen die technische Umstellung der Molkereibetriebe vorgenommen werden soll. Wichtig wird sein, daß zentrale Stellen auf diesem Gebiet die gesamte Gegend, die sie beherrschen sollen, unter ihre Obhut bekommen, indem sie die⸗ selben nicht nur mit ihren Instruktoren betreuen, sondern dafür sorgen, daß ste ein einheitliches marktgängiges Produkt liefern, das in Massen abgenommen wird und dann auf den Märkten untergebracht werden kann. Wir nehmen an, daß die künftigen
Gebiete Deutschlands, die diese Milch⸗ und Molkereiprodukte auf bringen und für die großen Verbraucherzentren liefern, etwa sein werden das Allgäu, Westfalen, Holstein und Ostpreußen. Das werden die hauptsächlichsten Gebiete sein, vielleicht auch Pommern. (Zuruf) — Bayern und Württemberg werden hier wohl zu⸗ sammengehen müssen. An diesem Punkt soll nun mit aller Energie angesetzt werden, das ist auch bereits geschehen. Es ist zu hoffen, daß jede Mark mit dem nötigen Verstande verwendet wird und die Mittel sorgfältig verwertet werden, indem man davon aus⸗ geht, daß es Gelder deutscher Steuerzahler sind, die wir nicht un⸗ vernünftigerweise verbrauchen wollen.
Die Frischmilchversorgung, meine sehr verehrten Damen und Herren, wollen wir durch ein Milchgesetz ordnen, das zurzeit mit Interessenten beraten wird, und diese Beratungen stehen vor dem Abschluß, und dann wird es ja demnächst so weit sein, daß auch Reichstag und Reichsrat sich damit beschäftigen können.
Große Sorgen bereiten uns natürlich nach wie vor die Winzer. Ich glaube aber, das kann noch der Einzeldiskussion vor⸗ behalten werden, vor allen Dingen die Frage der Rückzahlung der Kredite und der Stundung der Zinsen. Wir haben mit dem Finanzministerium verhandelt, und ich hofse, daß wir auch den Weg finden werden, der, wenn er auch nicht alles stundet, so doch die Stundung so gestaltet, daß die Beteiligten durchkommen werden.
Einen großen Raum hat nun in der Erörterung die Frage der Steuern eingenommen. Es ist nun nicht mein Beruf, mich zu dieser Angelegenheit zu äußern. Ich will aber nur das eine sagen: die Grundlage für eine Aenderung der Steuern auf dem Lande besteht in zwei Dingen. Zunächst einmal müssen wir das Steuervereinheitlichungsgesetz haben, und erst, wenn wir auf Grund dieses Steuervereinheitlichungsgesetzes eine allgemeine Grundlage über das ganze Deutsche Reich hin haben, wird die Frage erörtert werden können — und dazu ist die gegenwärtige Regierung auch bereit — in welcher Weise etwa das gesamte landwirtschaftliche Steuerwesen auf einen anderen Boden gestellt werden kann. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten.) Ich nehme an, daß der Herr Reichsfinanzminister oder sein Vertreter vielleicht eine Erklärung in diesem Sinne hier abgeben wird.
Dann aber haben Sie, Herr Kollege Bachmann, so sehr über die Realsteuern losgelegt. Da muß ich auch einmal mit Ihnen reden. Sie wohnen doch auf dem Lande, und auf dem Lande sind die Realsteuern deswegen so hoch, weil die Gemeindeverwaltungen zu viel Geld verbrauchen. Daran können wir nichts ändern. (Zuruf des Abgeordneten Bachmann) — Warten Sie nur ab! — Da müssen Sie selbst einmal die Hand mit anlegen. Wenn die Farrenwärter in den Landgemeinden heute Beamte sind, so ist das ein grober Unfug. Ich wohne auch auf dem Lande. (Abge⸗ ordneter Bachmann: Herr Minister, darf ich etwas sagen? — Zuvuf links: Er ist auch Bürgermeister) — Ist er auch Bürger⸗ meister? (Abgeordneter Bachmann: Ich bin nicht Bürgermeister! Herr Minister, bei uns in Bayern liegen die Dinge ganz anders als bei Ihnen in Baden usw.! — Glocke des Präsidenten.) Vize⸗ präsident Esser: Herr Abgeordneter Bachmann, Sie haben jetzt nicht das Wort. Ich bitte, den Herrn Minister aussprechen zu lassen. (Abgeordneter Bachmann: Bloß ein Wort! Der Bürger⸗ meister in meiner Gemeinde, einer Gemeinde von 700 Ein⸗ wohnern, bezieht für das Bürgermeisteramt und die Gemeinde⸗ schreiberei im Jahre 600 bis 800 Mark!)
Ich hoffe, daß das dem guten Einfluß des Herrn Kollegen Bachmann zu verdanken ist. (Abgeordneter Bachmann: Auch anderen! — Zuruf: Das ist überall so) — Bei uns ist es leider so, und es wird auch in anderen Teilen Deutschlands so sein, daß die Kommunalverwaltungen vielfach zu teuer sind und vielfach auch, sagen wir einmal, reichlich Personal haben. Ich wohne in einer Landgemeinde, und in dieser Landgemeinde, einer der ärmsten im ganzen Schwarzwald, sind wir immer noch am besten weg⸗ gekommen, weil wir dabei geblieben sind, daß gewisse Geschäfte in der Gemeinde ehrenamtlich ausgeübt werden.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat der Herr Kollege Bachmann einen Ausspruch von mir zitiert, an den ich mich nicht mehr so deutlich erinnere, wonach ich im Haushalts · ausschuß des Reichstags gesagt hätte, an der Reorganisation oder an dem Zusammenschluß des Genossenschaftswesens würden sich voraussichtlich noch 10 Landwirtschaftsminister die Zähne aus⸗ beißen. Ich kann ihm verraten, daß ich damals mich nicht damit gemeint habe. (Heiterkeit) Ich bin aber entschlossen, an diese Aufgabe auch heranzugehen, und ich betreibe sie schon seit Mo⸗ naten; (bravoh aber ich bin noch nicht sicher, daß wir sie be⸗ wältigen werden, und ich habe immer noch große Sorge, daß zu viel draußen bleiben will bei dieser Organisation, die wir zu machen bereit sind; und Sie wissen ja, wie turmhoch die Schwierig keiten sind, die hier noch vorliegen, und welche ungeheuren Sorgen wir und alle Beteiligten haben. Ich bin allerdings der Meinung, daß das Genossenschaftswesen — die 25 Millionen habe ich ja noch bis auf den letzten Pfennig in der Kasse des Reichs, es ist noch nichts ausgegeben worden, (quruf links: Festhalten) — wir behalten sie auch noch, bis wir den Zeitpunkt für geeignet erachten, sie auszugeben, — — (Zuruf: Sie schreiben aber die Zinsen zu)) — Nein, die Zinsen können nicht zugeschrieben werden, das wäre ja noch eine Belohnung dafür, wenn die Beteiligten nicht vom Fleck kämen. (Sehr richtig! und Heiterkeit) Aus dem Grunde können wir das nicht. Wir gehen auf diesem Gebiete der Re— organisation des Genossenschaftswesens noch ein Stück weiter. Das Reich will sich ja auch an der Preußenkasse mit 50 Millionen beteiligen, was ich heute auch sagen kann. Also auf diesem Ge⸗ biete sind wir in vollem Zuge. l
Aber, meine verehrten Damen und Herren, auf diesem Ge— biete des Genossenschaftswesens sind noch ganz andere Dinge zu machen als nur die Wiederordnung der Finanzen, und diese Sachen haben Sie, Herr Bachmann, sehr richtig angeschnitten. Es sind nämlich die Menschen auf diesem Gebiet umzuorgani⸗ sieren. (Sehr richtigl bei den Deutschen Demokraten.) Ich gebe gerne zu, daß die Bildungsfrage natürlich an sich sehr viel wich⸗ tiger ist als die Erziehung zum genossenschaftlichen Menschen, aber diese Bildungsfrage ist mehr Sache der Länder, und wenn wir auch über die Versuchsringe, und wie diese Dinge heißen, in die Bildung der Landwirtschaft eingegriffen haben, so werden wir das
*
4 — 7 . J
e,, r ; h ; ) ; —ᷣ . 8 * — ,
doch nie hauptsächlich im Reiche behandeln, sondern das wird bei den Ländern bleiben. (Sehr richtigh Auf diesem Gebiete sind allerdings 10 Jahre verlorengegangen. Man hat eben in Krieg und Inflation nichts getan, sondern nur geglaubt, die Dinge mit hohlen Wendungen bekämpfen zu können. Ich glaube, der Bauer kann erst dann wieder vorwärtskommen, wenn er durch diese Bildung in den Vollbesitz der heutigen agrarischen Technik gesetzt wird, ohne die er den Konkurrenzkampf mit Dänemark, Holland usw. nicht führen kann. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demo kraten) Diese Aufgabe ist natürlich auch nicht in wenigen Wochen und Monaten, sondern nur in Jahren zulösen. Daneben aber bedarf es allerdings der Zusammenfassung der Landwirte zu Genossenschaften, vor allem zu Absatzgenossenschaften, (sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten) um die Produktion zu erfassen, und dann in Masse abzusetzen, und zwar an den Handel, damit ich nicht falsch verstanden werde.
Ich will Ihnen einmal sagen, wie ich mir denke, daß der Bauer eingestellt sein soll. Der Bauer soll frei sein in seiner produktiven Arbeit; das liegt ihm, und das ist seine hundertjährige Entwicklung. Der Bauer soll in der Genossenschaft zum Zwecke des Absatzes organisiert und am Verteilungsprozeß desinteressiert sein. So ungefähr stelle ich mir den deutschen Bauern vor. Das Genossenschaftsprinzip ist ein urgermanisches Prinzip. Es ist eben das Prinzip, daß man zusammensteht, um gewisse Aufgaben zu lösen, und daß der einzelne insofern sich in den Dienst seiner vielleicht schwächeren Genossen stellt. Daher ja auch der Name Genossenschaft. Dazu gehört aber eine gewisse Selbstverleugnung. Dazu gehört aber nicht, daß man zuerst nach dem Gehalt und nach dem Gelde fragt. Heute wird immer erst nach dem Gehalt ge⸗ fragt und manchmal noch nach ganz anderen Dingen. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Auch die Genossenschaften sind zu verbürokratisiert und haben zu viel Leute, genau wie die Gemeinden und andere Einrichtungen. Auch hier muß einmal von unten auf angefangen und aufgeräumt werden. Erst wenn hier ein anderer Geist eingezogen ist, wird es besser werden.
Ich komme zum Schluß. Man weiß zurzeit eigentlich nicht, was man will. Wenn man die Reden verfolgt, die in letzter Zeit gehalten worden sind, so wird bald freie Wirtschaft, bald ge⸗ bundene Wirtschaft verlangt. Das wäre ja noch nicht so schlimm, aber einer der angesehensten Männer der deutschen Landwirtschaft hat in einem Zug nicht weniger als drei Einfuhrmonopole ver⸗ langt für Schweine, Vieh und für Getreide. (Hört, hört! links.) Ich brauche mich damit nicht auseinanderzusetzen. Sehr viel schlimmer aber ist, daß diejenigen, die mit Worten die freie Wirt— schaft verlangen, gerade die sind, die stets nach der gebundenen Wirtschaft rufen (sehr wahrh, und die anderen, die an sich die ge⸗ bundene Wirtschaft verlangen, rufen vielfach nach freier Kon⸗ kurrenz. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Neulich ist ein Kollege von der Linken ganz entsetzt aufgefahren, als ich irgendeinen Gedanken äußerte, und sagte: Sie wollen da ja ein Monopol schaffen! Wir müssen anfangen, in diesen Sachen etwas schärfer und klarer zu denken, und ich richte diese Bitte besonders an die Rechte. Wenn Sie auf dem Gebiete der gebundenen Wirt⸗ schaft etwas tun wollen, dann rufen Sie nicht dauernd nach der freien Wirtschaft. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) So werden wir praktisch nichts erreichen. Der Handel weiß doch schließlich auch, daß in den nächsten hundert Jahren nicht alles so bleiben wird, wie es in den vergangenen hundert Jahren ge⸗ wesen ist. Natürlich verschieben sich die Dinge von heute auf morgen, und es wird sich nur darum handeln, für eine ver⸗ nünftige Entwicklung zu sorgen. Vor allem aber muß eins anders werden; die Behandlung der agrarischen Fragen mit politischen Schlagworten muß aufhören, und wenn Sie von rechts sich an dem Vorwurf des Brotwuchers stoßen, so ist das vielleicht eine Sünde, die von links begangen worden ist. Von der Rechten aber ist in den vergangenen Jahren die große Sünde begangen worden, daß man den Bauern immer gesagt hat, es sei nur der gute Wille der Regierung notwendig, um die ungeheure Agrarkrise zu be⸗ seitigen. Das ist natürlich nicht möglich. Wenn wir den Bauern nicht von diesem Gedanken abbringen, werden wir ihn nie in ge⸗ ordnete Verhältnisse zurückführen, sondern dann ruinieren wir den Bauern und mit dem Bauern auch den Staat. Die Situation ist heute die, daß man in den Städten die Lage der Landwirtschaft allmählich begriffen hat und weiß, was dabei auf dem Spiele steht. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß die landwirtschaftliche Produktion einen Wert von 12 bis 16 Milliarden hat, so bedeutet ein Zurückgehen der landwirtschaftlichen Produktion um 10 3. einen Ausfall von 1200 bis 1500 Millionen Mark, um 165 bis 20 33 schon die ganze Höhe der heute auf uns drückenden Reparations⸗ lasten. Es käme also ein Verlust in derselben Höhe hinzu, den das deutsche Volk, auch die städtische Bevölkerung, Arbeiter, Angestellte und Beamte, niemals tragen könnte. Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten) Deshalb sage ich: Man kann aus der heutigen Einstellung, die in den Städten besser geworden ist, eine Politik treiben, die die Landwirtschaft wieder in die Höhe bringen wird. Was wir brauchen, ist eine vollkommen objektive Ein⸗ stellung zu den Dingen in allen Berufsschichten, in den Schichten, die der Landwirtschaft fernstehen, aber auch in der Landwirtschaft selber. Aber nur der Landwirt selbst kann, wenn er einen klaren Kopf hat und unvoreingenommen zu den Dingen steht, sich helfen und sich aus der Not dieser Zeit wieder herausarbeiten. Der Staat kann ihm helfend zur Seite stehen und mitwirken; die Hauptschlacht aber muß der Landwirt selber schlagen. Es kommt auf den Menschen an in diesem Kampf. (Bravo! bei den Deutschen Demokraten.)
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
Verautwortl. Schriftleiter: Direktor Tr Tyrol Charlottenburg.
Verantwortlich far den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering in Berlin
Verlag der Geschäftsstelle (Mengering in Berlin. Druck der Preußischen Tructerei und Verlags · Aktiengejellschaft. Berlin Wilbelmstraße 32 Sechs Beilagen seinschließl. Börsenbeilage und zwei gentralhandelsregisterbeilagen),
I r ö 285. Reichs bantgirokonto.
Hamburg...
Deutscher Reichsanzeiger
Freußischer Gtaatsanzeiger.
3
Erscheint an jedem Wochentag abends.
Sw 48, Wilhelmstraße 32.
Einzelne Nummern kosten 30 Gn Sie werden nur gegen einschließlich des Portos abgegeben.
Fernsprecher F565 Bergmann 7573.
Bezugspreis viertel sährlich 9 Herz,. Alle Postanstalten nehmen Beftellungen an, in Berlin für Selbstabholer auch die Geschäftsstelle
einzelne Beilagen kosten lo an bar oder vorherige Einsendung des Betrages
sind au
vor dem
Anzeigenyreis für den Raum einer sünkgesvaltenen Petitzelle l.60d Ga einer dreigespaltenen Einheitszeile 1,75 Rec Anzeigen nimmt an die Geschäftsstelle Berlin 8W. 48. Wilhelmstraße 32.
insbefondere ist darln auch an zugeben, welche Worte etwa durch Sperr dru ck . unterstrichen) oder duch Fettdruck (ijweimal unter- strichen) hervorgehoben werden sollen. Befristete Anzeigen müssen 3 Tage
8
Alle Druckaufträge
einseitig beschriebenem Papier völlig druckreif einzutenden,
Einrkckungstermin bei der Geschäftsstelle eingegangen sein
*
Berlin, Donnerstag, den 6. Dezember, abends.
Postscheckkonto: Berlin 41821. 1 928
Inhalt des amtlichen Teiles: Deutsches Reich.
Verordnung zur Abänderung der Vorschriften zur Durchführung des Gesetzes über die Regelung der Kaliwirt chaft.
Uebersicht der Prägungen von Reichssilber⸗ und Reichspfennig⸗ münzen in den deutschen Münzstätten bis Ende No⸗ vember 1928.
ö
Amtliches. Deutsches Reich.
Verordnung zur Abänderung der Vorschriften zur Durchführung des Gesetzes über die Regelung der Kaliwirtschaft. Vom 5. Dezember 1928.
Auf Grund des Artikel 1 Ziffer 2 des Gesetzes über die Regelung der Kaliwirtschaft vom 24. April 1919 (RGðBl. S.. 413) wird nach Zustimmung des Reichsrats und des vom Reichstag eingesetzten Ausschusses folgendes verordnet:
Die Vorschriften zur Durchführung, des Gesetzes über die Regelung der Kaliwirtschaft vom 18. Juli 1919 (RGBl. S. 665) in der Fassung der Verordnungen vom 4. Jult 1921 und vom 22. Oktober is IMGGBl. S. 24, 1312), bem 14. Mal 1323 RGBin 6 S. 2287, vom 25. Jun 1574 (Rh Bi. Ii S. 156) und vom 21. Dezember 1825 (RöGBl. 11 S. 1159) werden wie folgt geändert: J. In 5 83 werden in Abs. 1 d durch die Worte „31. Dezember 193 . * u Il. 9 . e Verordnung tritt am 1. Januar 1929 in den 5. Dezember 1928. Der Reichswirtschaftsminister. Curtir
1 Worte 23 266 1
J
Uebersicht der Prägungen von Reichssilber- und Reichspfennigmünzen in den deutschen Münzstätten
November
Füns⸗ Reichsmark⸗
1. I¶n Monat November 1928 sind geprägt worden in sfücke RM
Silbermünzen Drei⸗
Reichs mark⸗ stũcke RM RM RM RM RM
Nickelmünzen Fünszig⸗ Reichs psennig⸗ stücke
Fünfzig Reichsptennig⸗ stücke
Zwei⸗ Ein⸗
Reichsmark. Reichsmark⸗ stücke stücke
Aluminiumk
Reichs ptennig⸗ Reiche pfennig⸗ ᷣ Reichs pennig⸗ stůcke stũcke stücke stũcke
6 743 995 903 575 697 525 744985 941795 500 000
Bert /e München Muldenhütten. Stuttgart.. Karlsruhe..
— 1949572. — . 74h S4 8. 50
450 000, — 80 715, 50 100 000, —
RM RM RM RM
20 026 60 13 018 03
Summe 1 10537875 Vorher waren geprägt)... 208 132 940
154 21418 200 000000
. 3 33a 135 — 205 900 OO 512681150
109 859 1009
37 644 63
97 189 671.10 5 O00 zog oM 2 344 04,5
Gesamtprägung. 218 670 515 Hiervon sind wieder eingezogen. 8 205
154 214184 539 628
200 000 000 2895 000000 ba 898 255. 50 h4 (0. —
109 Son 100, — 18 858
21 335 459.—
97 189 671,19 6 307,30
hð2 gt 0h 2 066. 76
5 000 8.2 3 381 686, 15 1139,58 669, 14
5. Bleiben. J 218 662 610
Berlin, den 5. Dezember 1928.
Nichtamtliches. Deuitscher Reichstag.
25. Sitzung vom 4. Dezember 1928. Nachtrag.
Die Rede, die der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Dietrich in Beantwortung der Inter⸗ pellationen des Zentrums und der Deutschnatlonalen Volks⸗ partei gehalten hat, lautet nach dem vorliegenden Stenogramm wie folgt:
Meine Damen und Herren! Der letzte Redner ist unter anderem auch auf die Verhältnisse im Weinbau zu sprechen gekommen, und gestern haben zwei der Herren Redner Inter— pellationen mit begründet, die sich mit der Lage auf diesem Gebiete beschäftigen. Ich habe gestern schon angekündigt, daß ich zu den Fragen des Weinbaues noch Stellung nehmen würde. Sie gestatten mir vielleicht, Herr Präsident, daß ich das, was ich hierzu zu sagen habe, kurz verlese.
Nach Eingehen der ersten Nachrichten über die Frostschäden in den Weinbaugebieten — also im vorigen Frühjahr — haben die Finanzämter von sich aus auf Grund der geltenden Bestim⸗ mungen unverzügliche Erhebungen über die Höhe des Schadens gepflogen und die nach Lage der Sache im einzelnen Falle erforderlichen Steuererleichterungen zugebilligt. Dabei ist zu bemerken, daß die Winzer wegen geringen Einkommens und Ver⸗ mögens von den Reichsstenern großenteils überhaupt befreit sind. — Eine Tatsache, die man hier vielleicht einmal besonders betonen darf!
Weiter wurde von der Einziehung der rückständigen Zinsen der Winzerkredite in den Gemarkungen, welche durch Frost in erheb⸗ lichem Maße geschädigt worden sind, abgesehen; die Zinsen wurden vorerst bis zum 31. Dezember dieses Jahres gestundet.
Um für die Zukunft Frostschäden in dem Ausmaße, wie sie im laufenden Jahre eingetreten sind, nach Möglichkeit aus⸗ zuschließen, habe ich im Einvernehmen mit den Ländern einen Ausschuß eingesetzt, dem die Bearbeitung aller die Frostabwehr betreffenden Fragen nach der wissenschaftlichen und praktischen Seite obliegt. — Hier wird also versucht, den Dingen einmal positiv zu Leibe zu gehen. — Der Ausschuß hat seine Arbeiten bereits aufgenommen und bereitet für das kommende Frühjahr an bestimmten besonders bedrohten Orten in sämtlichen Wein⸗ baugebieten großzügige Versuche zur Frostabwehr durch Beräuche—⸗ rung vor. Daneben sollen unter Benutzung der Erfahrungen des Auslandes auch andere Verfahren zur Abwehr des Frostes — Heizverfahren, Frostschirme, Beregnung, Vernebelung vom Flug
153 674 556 199 981 142
) Vgl. den Reichsanzeiger vom 8. November 1928 Nr. 262.
1948045 293 051 955 4 897 615,50
88 523 65 l-
680 894, 10 4995 660,34 3 380 41701
Hauptbuchhalterei des Reichsfinanzministeriums.
zeug aus usw. — ausgeprobt werden. Der Wetterbeobachtung, der Wettervoraussage sowie dem Melde⸗ und Warnungsdienst soll besonderes Augenmerk geschenkt werden, weshalb dem Aus⸗ schuß auch ein Meteorologe angehört. Für alle diese Zwecke sind dem Ausschuß, der durchweg aus Fachleuten zusammengesetzt ist, Reichsmittel in der von ihm für erforderlich gehaltenen Höhe überwiesen worden. — Ich nehme an, daß damit vor allen Dingen die Wünsche des Herrn Kollegen Kerp erfüllt sind.
Durch die günstige Witterung im späteren Frühjahr und Sommer dieses Jahres wurden manche Frostschäden wieder aus⸗ geglichen, wie überhaupt die Weinernte 1928, als ganze gesehen, sowohl der Menge wie der Güte nach als befriedigend anzusprechen ist. Die Schäden, welche einzelne Gebiete durch einen endgültigen Ernteausfall infolge des Frostes erlitten haben, sind nach den Berichten der Länder allerdings immer noch sehr beträchtlich. Trotzdem sehe ich im Einvernehmen mit dem Herrn Reichsminister der Finanzen angesichts der Finanzlage des Reichs und der Notlage anderer Berufsstände keine Möglichkeit, für die betroffenen Gebiete von Reichs wegen neue Hilfsmaß⸗ nahmen zu treffen.
Wegen der Rückzahlung der am 31. Dezember dieses Jahres fälligen 30 Millionen Winzerkredite stehe ich mit dem Herrn Reichsminister der Finanzen zurzeit in Verhandlungen. Die Ver⸗— handlungen sind noch nicht abgeschlossen; es ist aber anzunehmen, daß meinem Antrag auf weitgehendste Rücksichtnahme auf die frostgeschädigten Winzer bei der Einziehung dieser Kredite ent— sprochen werden wird.
Die bisherige Art der Unterstützung der Winzer kann schon allein aus finanziellen Gründen nicht mehr fortgesetzt werden; sie entspricht auch letzten Endes nicht dem richtig verstandenen Interesse des Weinbaues. Der Weinbau muß, nachdem er vom Reich in wirksamer Weise unterstützt worden und dem Haupt⸗ wunsch nach höheren Weinzöllen entsprochen ist, sich für die Folge auf eigene Füße stellen. Zu diesem Zweck muß die organisierte Selbsthilfe im Weinbau mehr als bisher ausgebaut werden. Ich selbst bin bereit, die Wege zum Zusammenschluß der Winzer in Genossenschaften ebnen zu helfen, und werde den Rest des Wein steuerdrittels, der mir in Höhe von 500 000 RM noch zur Ver⸗ fügung steht, zu diesem Zwecke verwenden. — Ich hoffe, daß damit namentlich auch den Wünschen des Herrn Kollegen Schmidt (Cöpenich) Rechnung getragen ist.
Wegen der Anträge und Anregungen, die zur Aenderung des Weingesetzes gebracht worden sind, werde ich mich mit dem Herrn Reichsminister des Innern, der in erster Linie zuständig ist, ins Benehmen setzen, und zwar im Sinne einer möglichsten Berücksichtigung der Wünsche des Weinbaues.
Ich habe so das Gefühl, daß wir in diesen Dingen all mäh⸗ lich zu einem Standpunkt kommen, auf dem wir uns eigentlich alle vereinigen könnten, denn das, was der Herr Kollege Kerp gestern ausführte, nähert sich in vieler Richtung dem, was der Herr Kollege Schmidt (Cöpenich hente gesagt hat. Ich glaube, wir sind hier am Beginn einer Entwicklung, die erfolg⸗ versprechend ist. Ich verspreche mir namentlich von der Organisation der Kleinen und Kleinsten auf diesem Gebiet, die ja gerade der Herr Kollege Kerp jahrelang betrieben hat und heute noch betreibt, sehr viel.
Nun gestatten ir, daß ich noch zu zwei Dingen kurz Stellung nehme. Das eine ist die Gefrierfleischfrage. Ich möchte doch bitten, den Streit über diese Sache in diesem Hause einmal ruhen zu lassen. (Zustimmung in der Mitte) Wir haben wahrhaftig andere Sorgen, als diese ganze Geschichte immer wieder aufzuwühlen. Ich möchte auch bitten, daß Sie den hierzu vorliegenden Antrag auf eine anderweitige Regelung der Gefrierfleischverteilung ablehnen, und zwar aus folgenden Gründen. Die Jahresmenge, die wir jetzt noch haben, beträgt 50 000 t. Davon bekommen die Konsumvereine 23 vH und die Gemeinden 77 vH, also drei Viertel. Das muß vor allen Dingen der Oeffentlichkeit gegenüber einmal festgehalten werden. Die Gemeinden geben dann diese 77 v§, die sie bekommen, an den Handel und an die Metzger, die es dann im kleinen verquanteln. Wenn man nun die sogenannte ungerechte Aufteilung dieser 50 000 t im Sinne der Antragsteller ändern würde und würde den Konsumvereinen 50 vH von dem, was sie jetzt haben, weg⸗ nehmen, dann würde man den Gemeinden — es kommen 47, glaube ich, in Betracht — pro Vierteljahr 1400 t Gefrierfleisch mehr zu geben haben, im ganzen Jahr also etwas über 5000 t Gefrierfleisch. Das ist das ganze Streitobjekt, um das es sich hier handelt. Vergegenwärtigen Sie sich nun, daß im dritten Vierteljahr 1928 in den gewerblichen Schlachtungen 655 000 t Fleisch angefallen sind, dann sehen Sie, daß die hier strittige Menge von 1400 t im ganzen zwei pro Mille oder ein Fünf⸗ hundertstel des Fleischverbrauchs ausmacht. Dann sehen Sie auch, daß im günstigsten Falle die Lage der Metzger um ein Fünfhundertstel verbessert werden könnte, oder aber, wollen wir einmal umgekehrt sagen, daß vielleicht auf 500 Metzger noch einer hinzukommen könnte, der sich aus diesem Geschäft eine Existenz „ schaffen könnte. Das, was hier vorgeht, ist also — nehmen Sie mir das nicht übel, Herr Kollege Freybe! — weniger eine sach⸗ liche Angelegenheit als eine taktische, parteipolitische Angelegen⸗ heit. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten und Sozial⸗ demokraten.) Ich hoffe daher, daß das hohe Haus sich ent⸗—
schließt, diese Anträge abzulehnen und nicht wegen dieser