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Neichs- und Staatsanzeiger Nr. 33 vom 8. Februar 1929. S. 2.
könnte, daß auch der Minister manchmal genötigt ist, sich mit⸗ unter etwas mehr mit Einzelfragen zu beschäftigen und auf Fragen von Abgeordneten zu antworten, auch wenn es sich seiner eigenen Meinung nach — und das träfe in diesem Falle zum Teil durchaus zu — um Fragen kleinlicherer Art handelt. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß, wenn man den Abgeordneten das Recht gibt, gleichgültig, ob er zu einer Regierungs- oder zu einer Oppositionspartei gehört, zu fragen und zu kritisieren, für jedes Mitglied der Staatsregierung daraus die Pflicht erwächst, auch zu antworten. Ich bin im Laufe meiner Ausführungen auch jetzt leider wieder genötigt, gewissermaßen Aufräumungsarbeiten vor⸗ zunehmen, da es mir infolge der Zeit, die ich gestern schon für mich habe in Anspruch nehmen müssen, nicht möglich war, alle diese Dinge, die hier vorgetragen worden sind, zu bereinigen.
Herr Kollege Johanssen hat dann gemeint, daß meine Aus— führungen über die Vorkriegstätigkeit in bezug auf die deutschen Grenzgebiete falsch gewesen seien, und wenn ich mir diese meine Ausführungen noch einmal überlegte, würde ich sicherlich nicht jedes Wort aufrecht erhalten können. Herr Kollege Johanssen ist im Irrtum. Was ich hierüber gestern gesagt habe, halte ich nicht nur aufrecht, sondern ich betone erneut, es entspricht auch der historischen Wahrheit. (Zustimmung links. — Wider spruch rechts) Wenn er aber meint, daß ich eine gewisse Zeit der preußischen oder deutschen Geschichte bei dieser meiner Kritik un⸗ berücksichtigt gelassen habe, so trifft das allerdings zu. Erst beim Lesen des Stenogramms meiner Rede habe ich gesehen, daß Herr Beuermann mich in einem Zwischenruf fragte: Und Friedrich der Große?“ Ich stehe nicht an, zu erklären, daß die Tätigkeit, die eine Reihe preußischer Könige im Osten und für die Grenzlande ausgeübt haben, von bleibendem Wert ist (sehr wahr! inks) und ein dauerndes geschichtliches Denkmal bildet. (Unruhe rechts) Aber, meine Damen und Herren, darüber habe ich ja gestern gar nicht reden wollen und auch keinen Anlaß dagu. (Zuruf rechts: Jawohll Das, was da ganz früher geschehen ist, ind historische Tatsachen, die ja nicht bestritten werden können (Unruhe und Zuruf rechts: Na, also!), und die ich natürlich auch nicht bestreiten will. Womit ich mich gestern be schäftigt habe, das war die Tätigkeit bzw. die mangelnde Tätigkeit der Konservativen und der konservativen Regie- rung in den 20, 80, 40 Jahren vor dem Weltkriege. (Unruhe rechts. — Sehr richtig! links.) Meine Damen und Herren, und da steht fest, daß Sie weder für die östlichen, noch sür die westlichen etwas übrig gehabt haben (Unruhe rechts), und wenn wir heute über eine große Not in den Grenzgebieten zu klagen haben, so ist diese Not nicht lediglich durch den Krieg und die Grenzziehung entstanden, sondern die Ursache dieser Not reicht bis weit in die Vorkriegszeit zurück. (Sehr wahr! links Meine Damen und Herren, wenn ich Ihnen gestern als Mitteilung von meinen Grenzreisen berichtete, daß mir überall gesagt worden ist — von Bürgermeistern sowohl als auch von Vertretern der Bevölkerung —, daß sich seit 80, 50, 100 Jahren von maßgebenden Regierungsbertvetern niemand in diesen Vezirken habe sehen lassen (Unruhe rechts), so spricht das dafür, daß die Grenz⸗ bevölkerung sich tatsächlich damals verlassen gefühlt hat. (Un⸗ ruhe rechts) Insofern, meine Damen und Herren, nehme ich zu den gestrigen Ausführungen in der gleichen Weise Stellung.
Der Herr Kollege Johanssen hat dann aber dem Staats= ministerium den Vorwurf machen zu sollen geglaubt, daß es in dem Haushaltsplan für 1929 selbst keinen Pfennig für die Grenzhilfe vorgesehen habe. Meine Damen und Herren, der Vorwurf, der darin liegt oder darin liegen kann, ist un⸗ berechtigt. Ich wundere mich eigentlich, daß Herr Kollege Johanssen als alter Regierungspräsident einen solchen Vorwurf erheben kann. Meine Damen und Herren, in der ersten Nach⸗ kriegszeit hat weder im ordentlichen noch im außerordentlichen Etat ein Betvag gestanden, der geheißen hätte: für Grengzhilfe. Trotzdem wissen gerade Sie (Abg. Johanssen: Das war nicht nötig!), Herr Kollege Johanssen .. (Abg. Johanssen: Sie haben die Wirtschaft ruiniert! — Ich rede vom Etat der ersten Nachkriegszeit. Unterbrechen Sie mich nicht dauernd, ich unter⸗ breche Sie doch auch nicht. — Also in der ersten Nachkriegszeit hat zunächst kein besonderer Betrag als Grenzhilfe im Etat ge⸗ standen. Sie werden daraus nicht die Schlußfolgerung ziehen können, Herr Kollege Johanssen, daß dadurch erwiesen sei, daß für die Grenzgebiete nichts getan sei. Erstens wird im Rahmen der Etatmittel der einzelnen Ressorts für die Grenzgebiete eine besondere Hilfe bereitgestellt; die entsprechende Verteilung er— folgt innerhalb der Bezirke, aber auch innerhalb der Staats gebiete, innerhalb der einzelnen Ressorts gemäß den besonderen Bedürfnissen der Grenzgebiete. Dann ist durch eine Reihe von Einzelmaßnahmen mit Hilfe bereiter Mittel, die der Finanz⸗ minister zur Verfügung stellte, und in ständiger Verhindung zwischen Reich und Preußen eine großzügige Hilfe ständig erfolgt. (Sehr richtig! links. — Abg. Johanssen: Ich sprach von 1929, Herr Minister! — Sie bemängeln, Herr Kollege — ich kann Ihnen darin nicht folgen — daß 1929 nichts ein⸗ gesetzt worden ist, und ich sage, es ist auch 1g47 und 1926 nichts eingesetzt gewesen, so werden Sie daraus die Schlußfolgerung nicht ziehen können, daß auch nichts getan wurde. Sie können auch für 1909 nicht die Schlußfolgerung ziehen, daß die Staats⸗ regierung die Absicht habe, nichts für die Grenzlande zu tun, wenn keine besonderen Mittel im Etatsvoranschlag eingesetzt worden sind. (Zuruf rechts: Ihre Erklärung im Ausschuß lautete, Sie könnten leider für 1929 nichts einsetzen! — Besondere Mittel sind nicht eingesetzt; trotzdem erfolgt die Grenzhilfe, und sie würde erfolgt sein nach Maßgabe der bereiten Mittel. Sie können auch nichts einsetzen, wenn Sie nichts haben Letzten Endes müssen Sie die 15 Millionen Mark, die Sie in einem besonderen Fonds im Etat zur Verfügung stellen wollen, erst durch Streichungen an anderen Stellen wieder herausholen. Wenn Sie mehr Steuern bewilligen wollen, — (lebhafte Zurufe rechts: Nein, Sie sollen anders wirtschaften ), wenn Sie die Einnahmen im Etat nach der Richtung steigern wollen, so wird die Staatsregierung jedenfalls nichts einzuwenden haben.
Im vorigen Jahre ist erstmalig ein Betrag für Ost und West von 10,5 Millionen Mark fest eingestellt worden. Für dieses Jahr, sage ich nochmals, freue ich mich außerordentlich, daß 15 Millionen Mark bereitgeellt werden sollen. Wie fie verteilt werden, wird eine Frage von Verwaltungsmaßnahmen sein. Daß daneben noch
die Grenzhilfe im Rahmen der laufenden Etaimittel erfolgt, ist selbstverständlich. Soviel über die Grenzhilfe und die Titelfest⸗ setzung! (Zuruf bei den Kommunisten.)
Bevor ich zu der Verwaltungsreform und zu den übrigen großen Fragen, die im Laufe der Debatte neu angeschnitten worden find, Stellung nehme, muß ich auf ein paar Fragen zurückkommen, die am ersten Tage der Etatberatung an mich gerichtet worden sind. Es handelt sich um die restlichen Per⸗ sonalfragen, auf die einzugehen ich leider nicht unterlassen kann. Es sind Dinge, die als längst ausgiebig genug erörtert anzusehen sein sollten, aber wieder angeschnitten worden sind, weswegen ich wohl antworten muß.
Es ist an mich die Frage gerichtet worden, warum nicht schon längst gegen den Landrat Vogel das Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist. Vogel ist zu 5 oder 6 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Herr Graf Garnier weiß, daß ein Disazi⸗ plinarverfahren erst in dem Augenblick anhängig gemacht wird, in dem die gerichtliche Verurteilung erfolgt ist, und daß über die Bewährungsfrist der Justizmunister entscheidet. Erst nachdem diese Dinge klargestellt sind, wird zu der Eröffnung des Diszi⸗ plinarverfahrens Stellung genommen. Das Disziplinarverfahren ist nun eingeleitet, und nachdem es eingeleitet ist, hat der Minister des Innern keinen Einfluß mehr auf seinen Verlauf. Es läuft mit dem Ziel der Amtsentsetzung. Weiter kann von mir nichts geschehen. (Sehr richtig! links.)
Daß der Landrat und frühere Polizeipräsident Brandt in seinem Kreise Peine einstimmig, also auch von den Deutsch⸗ nationalen gewählt worden ist, habe ich bereits gestern erwähnt.
Der Fall Jänicke / Zeitz ist in meiner Antwort auf Ihre kleine Anfrage m. E. ausreichend behandelt worden, so daß es mir unverständlich ist, wie Sie immer wieder auf die falschen An⸗ gaben der ersten Anfrage zurückkommen.
Herr Graf Garnier hat weiter die Frage an mich gerichtet, ob es richtig sei, daß der Landrat Dr. Feldhaus in Osterode noch eine Nebeneinnahme habe und ob dazu die Genehmigung erteilt worden sei. Ich will bemerken, daß mir dieser Fall an dem Tage, an dem er hier vorgetragen wurde, nicht bekannt war. Ich kann aber jetzt mitteilen, daß der Landrat Nebeneinnahmen nicht hat, und daß infolgedessen auch keine Genehmigung ein— geholt zu werden brauchte. Der Landrat war allerdings, bevor er Landrat wurde, Geschäftsführer des von ihm gegründeten Reichs⸗ fachverbandes privater höherer Knabenschulen und Vorbereitungs⸗ anstalten. Als er zum Landrat berufen wurde, hat er dieses Amt sofort zur Verfügung gestellt und nur auf Bitten seiner Organi⸗ sation die Abwicklungsarbeiten im Nebenamt unentgeltlich ge⸗ leistet. In bezug auf den Landrat in Marienberg — nicht Marienburg, wie Sie gesagt haben, sondern in Marienberg in Hessen⸗Nassan — (Zuruf des Abgeordneten Grafen von Garnier: Ich habe Marienberg gesagt — In Ihrem korri⸗ gierten Stenogramm steht aber doch zweimal Marienburg! — In bezug auf den Landrat in Marienberg also ist Ihnen ein Irrtum unterlaufen. Der Landrat, der dort hingesetzt werden sollte, aber wieder zurückgezogen wurde, weil er nicht die Zustimmung des Kreistages fand und weil auch nicht in Aussicht stand, daß er sie sich erringen würde, gehört nicht der Sozialdemokratischen Partei an, sondern ist Mitglied des Zentrums. Die Voraussetzungen, daß er von den republikanischen Parteien gewählt würde, hätten durchaus vorgelegen. Denn diese Parteien befinden sich in diesem Kreistag durchaus in der Mehrheit. (Sehr richtig! bei der Sozial⸗ demokratischen Partei) Daß ich viesen Landrat zurückgezogen habe, beruht auf den starken konfessionellen Gegensätzen in diesem Bezirk.
Soviel zu den Personalien, von denen ich hoffe, daß sie nun⸗ mehr endgültig, wenigstens soweit sie von mir heute beantwortet worden sind, als erledigt angesehen werden können. Ich könnte mich jedenfalls nicht mehr dazu bereitfinden, auf diese erledigten Fälle in Zukunft noch zurückzukommen. Zu dem Fall des Bürger⸗ meisters Burmann — um auch das noch zum Schluß zu er— ledigen — will ich nur sagen, daß die Beurteilung, die der Herr Abgeordnete Graf von Garnier dem Bürgermeister Burmann in Bunzlau hat zuteil werden lassen, erheblich von dem Urteil ab⸗ weicht, das die Freunde des Herrn Grafen Garnier über ihn fällen, die ihn als einen ganz hervorragenden Bürgermeister und Beamten schildern; in dieser Beurteilung ist man sich in Bunzlau und in der ganzen Provinz Schlesien überhaupt einig. Dieses gute Urteil über Burmann geht sogar so weit, daß die Stadt Frank⸗ furt am Main ihn jetzt zum Siedlungsdirektor gewählt hat; am 15. Februar wird er wahrscheinlich sein Amt antreten. (Zurufe rechts) Es ist noch gar nicht solange her, daß einer Ihrer Herren mir über Herrn Burmann ganz etwas anderes gesagt hat. Sei aber dem, wie ihm wolle: wegen der Differenzen, die dort gegen den Ersten Bürgermeister und gegen den Stadtbaurat entstanden sind, ist das Disziplinarverfahren eingeleitet worden, und der Herr Regierungspräsident hielt die Verfehlungen dieser beiden Herren für so schwer, daß er sie des Amtes enthob bzw. ihnen die Dienstausübung untersagt. Ich habe keine Veranlassung, in
dieses Tun des Regierungspräsidenten einzugreifen; im übrigen
wird der weitere Fortgang des Disziplinarverfahrens zeigen, ob der Regierungspräsident richtig oder falsch gehandelt hat.
Meine Damen und Herren, wenn ich hier im Zusammenhange mit diesen Personalien noch eine Frage berühren soll, die der Herr Kollege Johanssen bei seinen Ausführungen angeschnitten hat, so geben Sie mir bitte dazu noch ein paar Minuten Zeit.
Herr Kollege Johanssen hat von Märtyrern ge⸗ sprochen und gesagt, er gebe zu, daß sich in einzelnen Fällen der Beamte, der in ein ganz anderes Milieu hineinkomme, auch als Märtyrer fühle; aber es liege doch letzten Endes z. B. an dem Landrat, sich mit der Bevölkerung so zu verbinden, daß er sie ver⸗ stehe und sie ihn, und daß dann ein gemeinsames gutes Zu⸗ sammenarbeiten erfolgt, so daß der ersten Abneigung dann be⸗ stimmt eine gegenseitige Zuneigung folgen würde Solche Fälle haben wir tatsächlich. Aber ich bitte den Herrn Kollegen Johanssen doch einmal die Frage zu prüfen, ob er sich eine Zu⸗ sammenarbeit und gar ein Zusammenwachsen, wie er es und wie ich es auch für richtig und notwendig halte und mir als Voraus⸗ setzung für die ersprießliche Tätigkeit eines Landrats auch nur wünschen kann, in dem Falle des Landrats Köhne in Ueckermünde möglich ist. Köhne ist ein durchaus bewährter Landrat, der es in seinem früheren Kreile verstanden hatte, sich
die Liebe und Achtung der Kreiseingesessenen zu erwerben, was auch daraus hervorgeht, daß sein Weggang seinerzeit allseitig be⸗ dauert und ihm das größte Lob von seinen früheren Gegnern, die ihm zunächst auch sehr ablehnend gegenüberstanden, aus⸗ gesprochen wurde In Ueckermünde, wo ein Wechsel in der politischen Richtung des Landrats durch die Berufung des Herrn Köhne nicht eingetreten ist, hat man sich ihm seitens eines erheb⸗ lichen Teiles des Kreistages in der entschiedensten Weise ent— gegengestellt und ihn mit den allerübelsten Mitteln bekämpft. Da ist ein Zusammenwachsen nicht möglich, weil der eine Teil nicht will. Aber das wird nicht durch das Versagen des Landrats ver⸗ hindert, sondern dadurch, daß gewisse parteipolitische Strömungen innerhalb des Kreistages eben einen anders gesinnten Mann nicht wollen. Da kann die Staatsregierung nicht nachgeben und da wird sie nicht nachgeben. In solchen Fällen, meine Damen und Herren, kann man wirklich von einem Martyrium des republi⸗ kanischen Beamten sprechen. Gegen ihn wird mit allen persön⸗ lichen und unsachlichen Mitteln gekämpft.
Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Johanssen richtete dann den Appell an mich: seien Sie in bezug auf die alten Beamten tolerant. Und Herr Kollege Lindner warf dazwischen, das sei zu viel verlangt. Die Schlußfolgerung, die man daraus ziehen kann, wäre an sich naheliegend: man soll von niemand mehr fordern, als man verlangen kann. Aber ich glaube, Herr Kollege Johanssen, gerade Sie haben am allerwenigsten Ur⸗ sache aus den Erfahrungen Ihrer Tätigkeit als Regierungs⸗ präsident anzunehmen, als ob aus der Leitung der Geschäfte so, wie ich sie führe, ein intolerantes Verhalten gefolgert werden könnte. Ich habe mir gestern erlaubt, darauf hinzuweisen, daß die Republik doch heute sehr, sehr tolerant ist, und dafür eine Reihe von Beispielen angeführt.
Meine Damen und Herren, ich darf außerdem feststellen — und das ist dem früheren Regierungspräsidenten Herrn Johanssen sicherlich nicht ganz unbekannt —, daß in etwa 60 Kreisen, wo eine republikanische Mehrheit besteht (Zuruf rechts), rechts⸗ gerichtete Landräte sich befinden (Zuruf links: Sehr bedauerlich), und daß umgekehrt nur etwa in einem Dutzend Kreise mit einer Rechtsmehrheit sich republikanisch denkende Landräte befinden. Also wir sind wirklich tolerant. (Zurufe von verschiedenen Seiten. — Abgeordneter Johanssen: Ich habe nie Anlaß gegeben, von Ihrer Toleranz Gebrauch machen zu müssen) — Ich rede nicht von Ihnen persönlich. Ich habe einen Fall aus den Erfahrungen Ihres Bezirks im Auge — Sie wissen, an welchen Fall ich denke —, in dem sehr weit entgegengekommen ist Sie sehen jedenfalls daraus, daß im heutigen Staat Intoleranz gegenüber denjenigen Beamten, die sich bemühen, ihr Amt auszufüllen, die sich in ihrer Dienstauffassung auf den Boden des heutigen Staates stellen, nicht geübt wird, daß der Staat diesen Beamten in jeder Weise loyal gegenübertritt und ihnen Schwierigkeiten nicht be⸗ reitet. (Zurufe rechts: Herr von Gilsa! — Der Staat hat sich zu bemühen, den Beamten gerecht zu werden) — Das ist allerdings sehr naiv, daß der Staat sich in dieser Hinsicht bemühen soll. (Zzuruf rechts: Selbstverständlich) — Nein, der Beamte hat sich auf den Boden der Verfassung und des Staates zu stellen (Zuruf rechts), und es ist Sache des Staates bzw. seiner Organe, zu prüfen, ob der Beamte sein Amt so ausfüllt, daß die Staats⸗ geschäfte einheitlich, vernünftig und richtig geführt werden.
Ein Gewissenszwang, meine Damen und Herren, wird nicht ausgeübt, und bisher ist kein Beamter in der Lage gewesen, berechtigterweise von einem Gewissenszwang irgendwelcher Art sprechen zu können. (Zuruf rechts: Lassen Sie doch jedem Be⸗ amten seine Ueberzeugung! Wo ist die berühmte Freiheit! Die Beamten, die einen solchen Gewissenszwang empfinden, haben ja seinerzeit die Möglichkeit gehabt, aus dem Amt auszuscheiden. (Zuruf rechts: Unrichtig! Nur die politischen Beamten! — Nein, nein, jeder Beamte! (guruf rechts: Das ist in Hunderten von Fällen abgelehnt worden) Nachdem aber diese Frage bereinigt ist, muß erwartet werden, daß der Beamte im Rahmen der Gesetze für den Staat, von dem er bezahlt wird, seine Pflicht tut. (Zurufe rechts.)
Meine Damen und Herren, es ist die Frage Helgoland hier angeschnitten worden. Ich glaube, dieser Frage Helgoland mißt man eine viel zu große Bedeutung bei. Ich kann es ver⸗ stehen, daß die Herren, die die Dinge jahrelang aus allernächster Nähe beobachtet haben, sich etwas mehr damit beschäftigen und ihr größeren Wert beilegen, als sie verdient. Ich verkenne die Be⸗= deutung Helgolands für Deutschland, auch für die Volkshygiene als Erholungsort, als Seebadeort und in sonstiger Beziehung keineswegs. Aber ich kann nicht übersehen, daß die Frage Helgo⸗ land im Jahre 1922 durch ein Sondergesetz erledigt worden ist und daß vor Ablauf dieses Gesetzes an eine Aenderung, die zugleich eine Verfassungsänderung — wenigstens zu einem Teile — be⸗ deuten würde, nicht gedacht werden kann und auch nicht gedacht werden soll. Als ich die Zwischenrufe von der rechten Seite zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Johanssen darüber hörte, daß auf Helgoland zurzeit eine Gruppe von Personen die Führung hat, die ver einigen Jahren mit der Entente und ins— besondere mit England wegen einer Rückgabe Helgolands an England verhandelt hat, da haben die Herren von rechts „Hört, hört!“ gerufen und haben das als einen ganz unerhörten Vorgang bezeichnet, was es zweifellos auch ist. Aber ich habe hier vor mir die „Deutsche Tageszeitung“ vom J. d. M. liegen, und in diesem Blatte wird unter der Ueberschrift „Helgoland“ eine lange Zu⸗ schrift gebracht, mit der Einleitung: „Von unterrichteter Seite wird uns geschrieben“« Zu dem Inhalt der Zuschrift wird redaktionell nicht Stellung genommen. Das ist eine Zuschrift aus der Kuchlenz⸗Gruppe, und es wird drin der Vorgang zu be⸗ schönigen versucht, auf den Kollege Johanssen Bezug genommen hat, nämlich, daß Helgoländer in England wegen der Rückgabe Helgolands an England seinerzeit verhandelt haben.
Ich komme nun zu der Frage, die bisher nur verhältnismäßig kurz behandelt worden ist, die Frage der Verwaltungs? reform. Sie ist bereits im Vorjahre erörtert worden, und ich habe damals festgestellt, daß sich eine eigentliche Stimmung zur Durchführung der Reform hier im Parlament nicht gezeigt hat, und daß auch eine Linie, in der diese Reform erfolgen könnte, nicht zu erkennen war. Ich habe in diesem Jahre im Haupt⸗ ausschuß ausgeführt, daß die Situation mir aber im Augenblick günstiger zu liegen scheine, und habe mich lehr darüber gefreut.
zum Deut s chen Neichsanzeiger und PBreußi
Mr. 33.
Zweite Beilage
Berlin, Freitag, den 8. Februar
chen Staatsanzeiger
1929
Der Haushalt sausschuß gestern unter dem Vorsitz des Abg H Nachtrags zum
Amts ein.
Beratung des
wärtigen
Nichtamtliches.
(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)
Parlamentarische Nachrichten.
des Reichstags trat
eimann (Soz.) in bie
Haushalt des Aus⸗ Berichterstatter war der Abg.
Dr. Hoetzsch (D. Nat., Matberichterstatter Abg. Dr Brert⸗
scheid (Soz.)
Vorsitze nder Abg. Hei daß der Minister des Auswärtigen dem Bedauern ausspreche, cheinen, weil er noch wichtige Paris gesandten Delegierten habe.
daß er verhinde
mann (Soz.) teilte mit, Ausschuß sein lebhaftes rt sei, heute hier zu er—
Besprechungen mit den heute nach Er bitte, die Beratung irgend⸗
welcher politischen Fragen, die durch ihn zu beantworten wären,
bis zur zweiten Lesung Hoöetzfch (D. Nat.) schied bei seine Ministerialverfassung, die überreichte Nachweisung
empfahl,
die Ministerial
raten. Die Frage der Legationsräte und werde noch näher zu besprechen sein,
zustellenden Attachés und der Kangleisekretäre. nunmehr 836 Beamte angefordert. icht behandelten und bewilligten und infolge bewilligten Stellen für Peru,
dienst seien statt 813 seien die früher noch n der Neuwahlen nur im Grundsatz
Konstantinopel, Smyrng usw. noch zu Fonsularischen Dienstes
diplomatischen
Dort seien einze
auf der anderen Seite sei eine Reihe Auslande völlig überlastet, an den wichtigsten Punkten unseres
Welthandels; sie würden gewi
schaft betracht
wieder mehr auf ihr eigentliches Die dritte Frage
seien. Höherstufunge
ordnung
bei jedem
et.
zurückzustellen. m Bericht die Besprechung der
Berichterstatter Abg.
zulagen usw. aus und im Unterausschuß zu be⸗ 12 Ministerialamtmanner ebenso die der neu ein⸗ Im Auslands⸗ Dabei
rüfen. Das Netz unseres ei schwerer zu übersehen.
ne Stellen vielleicht nitht ausreichend beschäftigt,
e unserer Vertretung im
ssermaßen als Agenten der Wirt⸗
Hier sei zu Überlegen, ob diese Beamten nicht
n der J, inspektoren, Konsuln erster Klasse als
betrachtet nach sei die Zeit Zeit von 1913 zurückzukehren. das Auswärtige sichtliches Bild des Etat einzelnen
zunehmen, um auf das
werden könnten.
Amt in der Lage sei, 3 für die Auslandsvertretungen vorzulegen, Posten die etatrechtliche Prüfung vor⸗ Auswärtige Amt einen Druck auszuüben.
Tätigteitsgebiet zu beschränken sei, ob und inwieweit neu vorgeschlagene
erster Klasse, der Ober⸗ Folgen der Vesoldungs⸗ Seiner Ueberzeugung
ekommen, wieder auf die Ordnung der Er werde aber beantragen, bis
wie 1913 ein klares über
Aus den Abzügen des Reichtags entständen gewisse Schwierigkeiten,
aber daß dies i . gebürdet würden, sei nicht die Meinun
27
3
Die Bezüge der mittleren Beamten im lich, meine das Finanzministerium. Aber der Auslandsbeamte habe ein Necht auch auf die Gehaltserhöhungen der Besoldungs⸗
vorlage.
Auslandszulagen eventuell gespart werd
erhöhungen hätten die Au t Ob die Kanzlerzulage für
im Inland.
sandten nicht auch ö. die zweite Klasse erwägenswert.
(Soz. J] ergänzte die Darleg
N
9
itberichkerstatter Abg. Dr. 11 d ungen des Vorredners durch Hinweis
lbzüge den einzelnen jüngeren Beamten auf⸗ g des Reichstags gewesen.
Auslande seien auskömm⸗
Gingen seine Bezüge zu stark in die Höhe, müsse an den
en. Aber auf die Gehalts⸗
slandsbeamten denselben Anspruch wie
die erste Klasse der Ge—⸗ zu gewähren sei, sei doch Breitscheid
auf die Botschaftsräte“ statt Gesandtschaftsräte in Peking, Wien usw. Gin Re nur eine Frage der Amtsbezeichnung, nicht ꝛ : sei. Also eine Frage, die im hnterausschuß zu besprechen wäre. In der Besprechung kritisierte Abg. ] n). di Ärt, in der die , . von 6hö 006 Mark, die der Reichs
gierungsvertreter
erklärte, daß das icht eine finanzielle Frage
Bernhard (Dem) die
tag im vorigen Jahre für den Auslandsdienst beschlossen hätte,
durchgeführt worden seien
Man habe
Linie bei den jüngeren Legationsräter
einem Falle fei es sogar, so gewesen, wo dem Legationssektetär sein verkürztes. Gefandte mehr erhalten hätte, . Auslandsbeamten scheine im Amt nicht
worden wäre, der mittleren
der
die Kürzungen in erster g vorgenommen und in
n, daß zu der gleichen Zeit,
Gehalt ausgezahlt Für die Arbeit immer
das nötige Verständnis zu herrschen. Insbesondere den Kanzlern der Gesandtschaften und Konsulate seien
Besoldungsgesetz zustehenden
vom Reichstag beschlossenen Kanzlerzu
worden. e tärkste bedrär
19.
Die alten Angestellten in der
Einer Reihe von
ihrer Qualifikation immer wieder die
zugesichert worde dann
esprach
n — bisher aber i die Verhältnisse
Gehaltserhöhungen
sowohl die ihnen nach dem wie auch die lagen bisher verweigert Zentrale fühlten sich aufs ihnen sei bereits infolge Beförderung zu Beamten
mmer vergeblich. Der Redner der Presseabteilung des Aus⸗
wärtigen Amtes die . an sich reichlich ausgestatlet erscheine
und die vielleicht noch viele Zeitungsles B 4
sache bei der Fühlung mit der Presse. genaue Auskunft über die indirekten dem Amt verursache. ̃ sei es aber nicht
en und die Ar
22
Bei dem
Berichterstattung aus den 2 usschüssen z
setzt fei, daß sie zum Beispiel im Haushaltsausschuß un. wenn der Berichterstatter im Auswärtigen
brochen werden müsse, irti ; Der Redner ging dann auf die Zu⸗
Ausschuß angefordert werde.
1
lassung zum auswärtigen Dienst ein.
keit und Eignung die erste Ro aber, daß jeder Staat energisch
dieser Anwärter, und freudig bejaht. anscheinend doch gewisse Kreise —
e spielen. me Attachés und Beamten diesen Merkwürdig sei aber, daß der weiße
onzentierter gestaltet werden könne, Das ivalien 6 nicht die Haupt⸗
Er bitte um mögli t Kosten, die das W. T.
roßen Personalbestande der zu billigen, daß zum Beispiel die
wach be⸗
ahlenmäßig so s unter⸗
Gewiß müsse die Tüchtig⸗ Verlangen müsse man
und der blaue
Kreis — schneller und besser Beförderungen erlangten als etwa
deutsch⸗demokratische oder
volksparteiliche Attachés.
Es werde
nach wie vor mit zweierlei Maß n fn, Die einen avaneierten bei den Botschaften und Gesandtscha
dauernd in den Konsulgten i ,, , . Herr von Prittwi
von Rheinba
Botschafter in Washington!) dem Außenminister
witz zum Botschaf
Sie ja genau so gu r der Karriere
Quertreibern
übrigens hinsichtlich d bin es
scheiden? J
Warum lernen d
paar Jahren
Ein Weltreisender hat mir erklärt,
Kon
ben ID. Vp. :
ten, die übrigen würden (Abg. Freiherr ist doch
Ja, Sie wissen doch auch, was es Dr. Stresemann gekostet hat, Herrn von ritt⸗ ter zu machen, und in einem anderen Fall, den t kennen wie ich, ist er ja neuerlich erst den unterlegen. er volksparteilichen Diplomaten so be⸗ für die demokratischen nicht.
Warum sind Sie
Heiterkeit.)
2
ie hochgeborenen Herren nicht einmal in ein sulatsdienst die e n Belange kennen?
da
schon vor Erreichung
eines großen Hafens der ,, , ü. Konful sich durch 233
spruch um die ankommenden Ameri
an
. bei den deutschen Beamten. Dieser
m Deutschen Hau
gefunden: Nur für Korpsstudenten. onders achten so ie zwar den Titel von der Republik
Geschäfte machen, aber Deutschland verachten (Zentr) betonte, daß
llte man auch auf d
und bekämpfen.
er gekümmert habe, Weltreisende hat übrigens
s Batavia über einer Zimmertür die Inschrift
(Große ser e, Be⸗ sejenigen Honorarkonsuln, nehmen und damit gute
gar nicht verhehlen, daß sie das neue
Abg. Dr. Schreiber
das Auswärtige Amt vor dem Kriege
j Millionen gekostet habe, heute über 67 Millionen. Der Redner
landsstellen
Er frage, ob es xichtig dem ,, ,, und konsu
werden solle.
ei, daß die verhä . nsularischen. ird regierungsseitig
bemängelte dann die Ungleichheit der Kosten der einzelnen Aus⸗
und die m eil außerordentlichen Erhöhungen.
nanisvolle Grenze zwischen Dienst wieder aufgerichtet dementiert, Er frage
weiter, ob die Ministerialdirigentenstellen wieder besetzt werden
8
Ministerioldirektor Walther: Mit Ausnahme der wieder) Also mit Ausnahme der Kolonialabteilung fallen sie weg, auch ihre ö Der Redner fragte, welche Bezüge der . des 5 ministeriums im Konsulat für Mombassa erhalte? ¶ Ministeria direktor Dr. Schneider Die Bezüge, welche für Mombassa angesetzt sind) Dann hat er sich also verschlechtert! (Jawohl) Er bitte für den Unterausschuß um genaue Ziffern, weil ö.
sollen? Kolonialabteilung nicht
Fälle leicht falsch ausgelegt würden. Wag die Attachés betreffe, fo teile er die Meinung des Abgeordneten Bernhgrd. Die Sprach⸗ anforderungen an die Attachés seien so groß, daß das e gn schließlich davon abhänge, ob man eine französische oder englische Bonne in der Kindheit gehabt habe. Könne man Legations⸗ sekretär ohne Legationssekretärexamen werden? oder seien 1928 Dispense vorgekommen. Welche Planstellen seien zurzeit im Ministerium ünbesetzt und in welcher Gruppe? Neue Wege für die Besetzung der Generalkonsulate entgegen dem, was 1925 fest⸗ gesetzt sei, würden die jetzigen etatrechtlichen Grundsätze erschüttern. Er fordere Durchprüfung der Inlandorganisation und der In⸗ landbezüge durch den Sparkommissar. * Wegen Beginn von Fraktionssitzungen wurde dann die Sitzung des Haushalts⸗ ausschusses vertagt.
— Der Strafrechts ausschuß des Reichstags setzte am 6. d. M. seine Beratungen beim 10. Abschnitt fort, der die trafrechtliche Ahndung der „Störung des religiösen Friedens und er Totenruhe“ vorsteht. Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragte Abg. Dr. Hannemann (D. Nat.), die Behandlung der Paragraphen Über den Hoch⸗ und Landesverrat nicht läönger hinauszuschieben. Er zitierte eine sozialdemokratische Broschüre, in welcher aufgefordert worden sei, zut Förderung der Macht des Proletariats keine Mittel zu scheuen, auch solche nicht, die nach kapitalistischer Weltanschauung Hoch⸗ und Landesverrat seien. . Landsberg (Soz) erklärte, da sich seine Fraktion niemals 9. die Hinausschlebung der Behandlung der Landesverrats⸗ estimmungen ausgesprochen habe. Jeder früheste Termin sei ihr dafür recht. In der folgenden eingehenden Auseinandersetzung
zwischen den Deutschnallonalen und Sozialdemokraten nahm au Abg. Dr. Wunderlich,. (D. Vp.) das Wort, um zu bedauern, daß die sach ichen Verhandlungen durch
politische Auseinandersetzungen in die Länge gezogen würden. Reichsjustizminister Ko ch-Weser betonte, daß er mit aller Kraft darauf in r in habe, die Verhandlungen des Ausschusses so vorzubereiten, daß jede Stockung vermieden werde. Dies sei bisher vollkommen geglückt. Für die nächsten Sitzungsberioden liege enügend Verhandlungsstoff vor. Auf den Abschnitt „Religions⸗ bdelikte“, mit dessen Beratung heute begonnen wird, folge im Ent⸗ wurf der Abschnitt ‚„Meineid“ Die Vorschläge, die die Reichs⸗ regierung hierzu zu machen habe, würden dem Ausschuß in aller⸗ nächsterzeit zugehen, so daß alsbald nach Abschluß der Beratung der Religionsdelitte in ihre Erörterung eingetreten werden könne. Aus der Geschäftslage ergebe sich daher keine Notwendigkeit, als⸗ bald die Beratung des Abschnittes Landesverrat“ vorzunehmen. An den Vorschriften dieses Abschnittes seien verschiedene Ressorts des Reiches und der Länder beteiligt und es sei bisher nicht möglich gewesen, die schon vor längerer Zeit ein⸗ geleiteten Besprechungen zwischen den gerade gegenwärtig mit vor⸗ dringlichen Aufgaben belasteten Ressorts zum Abschluß zu bringen. Abg. Dr. Em minger (Bayer. Vp) betone, daß das Reichs⸗ k bei kö schwierigen Gebiet die Führung über—= nehmen müsse, und legte nahe, die Beratungen erst dann vor⸗ zunehmen, wenn seins Vorarbeiten — Ende geführt worden . In der Abstimmung wurde beschlossen, daß nach Erledigung es 10. Abschnitts die Hoch⸗ und Landesverratsparagraphen be⸗ handelt werden. Der Vorsitzende Abg, Dr. Kahl (D. Vp.) hielt dann das Referat über den 10. Abschnitt. Er führte aus, daß im Durchschnitt auf Grund der s8 166 168 im Jahre 300 bis 400 Verurteilungen erfolgten. Redner gab dann einen Ueber⸗ blick über die Behandlung dleser Materie in den Entwürfen des Strafgesetzbuches. Er betonte, daß nach dem österreichischen Ent⸗ wurf nur einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft ein strafrechllicher Schutz zugebilligt werde. Die vorliegenden Para— raphen böten nach . Ansicht keinen Anlaß zu elner jachlichen kritik. Sie seien der Zeit entsprechend ausgestaltet. Wesentlich sei, daß im Gegensatz zum bisher geltenden Recht, nach welchem nur der Gottesbienst in Kirchen ünter einen besonderen gesetz lichen Schutz gestellt sei, jetzt jeder Gottesdienst darunter gestellt werde, auch der Feld⸗ und Waldgottesdienst. Der Tatbestand der Störung sei nur erfüllt, wenn eine Absicht bestehe, Ein Fort⸗ schritt bestehe in der Bestimmung, daß auch jede estattungsfeier geschützt werde, ob sie nün eine Beerdigung oder Einäscherung sei, ob sie im Trauerhause, in der Kirche oder anderswo stattfinde. Die grundsätzliche Frage bei diesem Abschnitt sei, ob der religiöse Friede überhaupt, durch strafrechtliche Bestimmungen geschützt werden müsse. Diese Frage lasse sich nicht aus subjektiven Be⸗ weisgründen beantworten, sondern allein aus dem objektiven Tatbestand des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche. Es müsse aus dem geltenden Recht ein Staatsinteresse an einem der⸗ artigen Schutz nachgewiesen werden. Bei der Beantwortung dieser Frage sei es unzweifelhaft, daß ein Staatsinteresse vorliege, welches nicht etwa nur stillschweigend anerkannt sei, sondern aus⸗ drücklich bestehe. Das Kirchenrecht sei ein Bestandteil des öffent⸗ lichen Rechts. Die Kirchenämter seien öffentliche Aemter. Der Staat gewähre der Kirche nicht nur einen Verwaltungszwang auf steuerlichem Gebiet, sondern insbesondere auch auf dem Gebiet der Durchführung der disziplinaren Erkenntnisse. Sonn⸗ und Feiertage seien gesetzlich anerkannt und geschützt nach den kirch⸗ lichen Festen richte man sich insbesondere auch bei den parla⸗ mentarischen Sitzungsperiode. Nach dem Strafvollzug falle der Kirche eine große Bedeutung zu. Aber auch im bürgerlichen Recht komme das Staatsinteresse an der Kirche zum Ausdruck, so z. B. im Bürgerlichen Gesetzbuch durch die besondere Betonung der Aufrechterhaltung der religihsen Einrichtungen der Taufe, Tranung, sodann bei den Bestimmungen, daß bei der Stellung des Vormundes auf, die Konfession Rücksicht genommen werden müsse usw, Alles dies lasse erkennen, daß die Religion als ein immaterielles Rechtsgut vom Staat beachtet und unter den staat⸗ lichen Schutz gestellt sei. Der Staat identifiziere sich nicht mehr mit einer bestimmten Religionsgesellschaft oder Kirche, wohl aber stelle er die Religion als . als ein für den Staat und für die Gesellschaft wertvolles immaterielles Rechtsgut dar und ge⸗ währe ihr infolgedessen auch einen besonderen strafrechtlichen Schutz. — Am T. d. M. wurde die Verhandlung fortgesetzt.
Im Strafrechtsausschuß des Reichstags er⸗ stattele gestern Abg. Dr. Marz (Zentr) das Korreferat über den 0. Abschnitt, in welchem er zunächst dem Vorsitzenden Abg. Dr. Kahl 9. Vp.) selnen besonderen Dank für das vorzügli Referat aussprach. Auch er trat für die unveränderte Annahme des 10. Abschnittes ein. Diese Bestimmungen 6 auch in Uebereinstimmung mit dem f 135, der die Gewissensfreiheit gewährleistet, denn die Gewissensfreiheit würde beeinträchtigt werden, wenn jemand Gefahr laufe, bei Religionsübungen in roher Weise estört zu werden. Ein strafrechtlicher Schutz gegen eine e könne nicht entbehrt werden, da der größte Teil des Volles an einen Gott glaube und dieser Glaube beein⸗ trächtigt würde, wenn die , ,. straffrei sei. und hier auch ein Staatsinteresse vorlie egen den 5 180, der die Be⸗
e. schimpfung einer erf hon f gsschas, unter Strafe telle, würden
in der Oeffentlichkeit Bedenken erhoben; es werde darauf hin⸗ ewiesen, daß eine solche Vorschrift nicht den modernen An⸗ chauungen entspreche. Abg. Dr. Marum (Soz.) betonte, daß die nerkennung der Ueberzeugung eines anderen moralisch selbst⸗ verständlich fei Es sei aber sehr fraglich, ob durch das Strafgesetz⸗ buch ein Zwang zu Toleranz ausgeübt werden solle. Die Sozial⸗ demokraten beantragten die Streichung des 5 180, und zwar aus einer prinzipiellen Meinung zur Frage der Religion. Die Religion sei eine Privatsache, Ueberzeugung und Herzenssache. Außerdem sei bekannt, daß die Sozialdemokratie für eine Trennung zwischen Kirche und Staat eintrete, und zwar in vollständiger Beziehung. Die Religionsgesellschaften hätien nur die Stellung von pxivaten Vereinen und nicht mehr staatlichen Schutz als diese. Redner betonte, daß durch diese Stellungnahme in keiner Weise eine Minderbewertung der Religion ausgesprochen werde. Es gebe keinen Trennungstypus, sondern der Weg der Trennung zwischen Staat und Kirche richte sich ganz nach der historischen Entwicklung. Wenn der Schutz der Religionsgesellschaften und deren Einrich⸗ tungen aufgehoben werde, würden Beschimpfungen bei weitem nicht in dem Maße eintreten, wie vielleicht befürchtet werde. Auch aus den Kreisen von 34 frommen Leuten werde ein solcher straf⸗ rechtlicher Schutz gar nicht verlangt; diese hielten es geradezu für eine Gotteslasterung, wenn man Gott vor einem Strafgericht Genugluung verschgffen wolle. Eine sehr starke Rolle spiele dabei die zeitgemäße Auffassung. Man bedenke nur, die alten Meister hätten die Heiligen in den Kostümen der damaligen Zeit dar⸗ gestellt. Welche Gefühle würden bei religiös k Leuten ausgelöst werden, wenn moderne Maler die Heiligen etwa im Frag oder Uniform und Stahlhelm dargestellt hätten. Und doch decke sich diese Auffassung genau mit der damaligen, Redner führte weiter aus, daß er gar nichts gegen strafrechiliche Bestimmungen gegen rohe Beschimpfungen und Gotteslästerungen einzuwenden habe. Wie aber die Rechtsprechung des 5 166 des geltenden Rechts zeige, würde eine solche Bestimmung im Laufe der Zeit eine immer weitergehende Auslegung erfahren. Für den Fall der Ablehnung des Sireichungsantrags beantragte Redner, dem 8 186 folgende eng zu geben: „Wer öffentlich eine im Reich bestehende Religionsgesellschaft in emeiner Absicht beschimpft, wird mit Ge⸗ fängnis bls zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft!. Redner hielt es für unbedingt notwendig zum Ausdruck zu bringen, daß die ,. in gemeiner Absicht eriolgh seien, daß aber eine n en shaft he Stellungnahme oder eine Meinungsäußerung in künstlerischer Form nicht unter die strafrechtlichen Bestimmungen falle. Die Kommunisten beantragten, dem Sz 186 folgende Fassung zu geben: 1. „5 180. Schutz der freidenkerischen Weltanschauung. Wer einen anderen wegen . freidenkerischen Weltanschauung oder Betätigung in f cher r hn oder wirtschaftlichen Verruf erklärt, oder ihm oder seinen Angehörigen einen Nachteil zufügt, wird mit Gefängnis bestraft. 2. Tür den Fall der Ablehnung diefes Antrags den 5 180 zu streichen. 3. Folgenden S 180 a ein⸗ zufügen; 5 180 a. Erregung und Ausnutzung von Aberglauben. Wer religiösen oder sonstigen Aberglauben erregt oder ausnutzt, wird wie ein gewerbsmäßiger Betrüger G 344 bestraft.' — Die Aussprache über den zehnten Abschnitt des Strafgesetzentwurfs konnte nicht zu Ende geführt werden. Infolgedessen wurden auch Beschlüsse über die vorliegenden Anträge noch nicht gefaßt.
— Der Reichstagsausschuß für soziale An⸗ gelegenheiten nahm in seiner gestrigen Sitzung, laut Be⸗ richt des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger, bei Behandlung der Anträge zur Erwe rbSIosenf ürsorge den sozialdemokratischen Antrag mit Mehrheit an, der die Aus⸗ dehnung der Krisenfürsorge auf alle Berufe und die allgemeine Verlängerung der Bezugsdauer für die i , auf 32 Wochen fordert. Der dritte Teit des Antrags, betreffend dent Wegfall jeder Beschränkung der Bezugsdauer für Unterstützungs⸗ empfänger über 40 Jahre wurde zurückgezogen zugunsten einer Entschließeng, die Annahme fand. Zu einem Antrag Molden bhäuer (D. Vp) — Schneider (Dem.), der für die älteren Angestellten die Krisenfürsorge allgemein mindestens bis zum 4. Mai 1929 ausdehnen will, wurde ein sozialdemo⸗ kratischer Zusatzantrag angenommen, der dieselbe Vergünstigung auch für die Arbeiter verlangt. Der so erweicerte Antrag wurde dann gegen die Stimmen der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen — mit Ausnahme der Angestelltenvertreter — angenommen.
Der Bevölkerungsausschuß des P reußischen Landtages nahm gestern in Abänderung eines sozialdemo⸗ kratischen Antrages über die Verhinderung der Neubildung von Innungs⸗ und Betriebskrankenkassen den Antrag Hart⸗ mann (Dem) an, wonach auf die Reichsregierung eingewickt werden soll, daß diese dem Reichstag . einen Gesetzentwurf vorlege, der die Errichtung von Krankenkassen aller Art nicht mehr ohne die Zustimmung der volljährigen Versicherten ge⸗ stattet und der die Gründung don Innungskrankenkassen nur den reinen Handwerke rinnungen erlaubt, wenn sie die Gewähr bieten, eine entsprechend hohe Zahl von volljährigen versicherungs⸗ pflichtigen Mitgliedern zu besitzen und den an sie herantretender gesetzlichen Anforderungen dauernd zu genügen.
— Der Landwirtschaftsausschuß des Preußi⸗ schen Landtag es nahm gestern den Antrag von Detten (Wirtsch. P) auf Verlängerung der Zuckerungsfrist für Weine an. Annahme fand auch ein Antrag Goldau (D. Nat.), zu veranlaͤssen, daß die Unwettergeschädigten im Amtsbezirk Langwalde genau so
Pr.-Holland geschehen ist. Ferner wurde in einer abgeänderten Fassung angenommen ein Antrag Chri st i an Dit. Frakt.), umgehend geeignete zollpolitische oder 3 Maßnahmen zu treffen und der Getreidehandelsgesell— schaft ö Mittel zur Verfügung zu stellen, um durch Ankauf von Getreide auf den Märkten preisregulierend auf das Getreide zu wirken. In diesem Sinne soll das Staatsministerium auf das Reichsministerium einwirken. Ein weiterer Antrag der Deutschen Fraktion auf sofortige Einstellung der zollfreien Ein— fuhr von Gefrierfleisch in Höhe von 50 000 t wurde abgelehnt.
Statistik und Volkswirtschaft.
In der am 5. Februar ausgegebenen Nummer 4 des Reichz⸗ arbeitsblatts ist 6 gender Uberblick über die Gesamt⸗ lage des deut schen Arbeitsmarktes Mitte Januar 1929 ,
Die Arbeitsmarktlage hat sich seit Mitte Dezember 1928 weiter verschlechtert. Bereits in den letzten Monaten war die saisonmäßige Verschärfung if dem Arbeitsmarkt in den Außen— berufen und ein gewisses Absinken des Beschäftigungsgrades in verschiedenen Industriezweigen infolge des ich allmählich aus⸗ wirkenden Konjunkturrilckganges zum Ausdruck gekommen. Daher war auch in der Berichtszeit von vornherein eine weitere. Be⸗ lastung des Arbeitsmarktes zu erwarten. Daß diese sich aber in einem so beträchtlichen Ausmaße bemerkbar machte, ist in erster Linie auf die Witterungsverhälinisse zurückzuführen. Infolge der anhaltenden scharfen Kälte ist die Ardeitslosigkeit in den Saison⸗
entschädigt werden, wie dies im Kreise
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