1929 / 44 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 21 Feb 1929 18:00:01 GMT) scan diff

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Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 44 vom 21. Februar 1929. S. 2.

verhältnisse so sind, daß für bestimmte salsonbedingte Wirtschafts zweige eine Beschäftigung in ganz besonderem Maße behindert ist. Dazu kommt nun aber, was für die Benrteilung nnserer Wirtschaftsverhältnisse, insbesondere der Konjunkturlage, von be sonderer Bedeutung ist, daß sich auch die Zahl der Kurz⸗— Während am 31. De Gewerkschaften Kurzarbeit ezember 336 137 iese Zahl wird sich in

Ich weise darauf hin,

arbeiter wesentlich vermehrt hat.

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Mitglieder der

12 verrichten mußt waren es am gl. 1928 (Hört, hört! bei der zwischen sicherlich noch verschlechtert haben. daß es

handelt, da uns eine andere Statistik nicht lu Verfügung steht;

l 6 . . Zahl der Kurzarbeiter in Deutschland er

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Wirtschaftspartei.) sich hier nur um die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder

in Wirklichkeit ist die hehlich größer

Diese Tatsachen unsere Wirtschaftslage

davon entfernt ist, befriedigend zu sein, und wie wenig es uns . 8 7 . 9

bisher gelungen ist, das Ziel dieser Wirtschaftspolitik, allen Volks

2 h / X genossen Arbeit und Brot zu geben, auch nur annähernd zu er

lehren, wie weit

reichen.

Es gibt nun nach meiner Ueberzeugung eine Reihe von Um ständen, die bestimmend dafür sind, daß wir dieses Ziel, das ich eben gezeigt habe, nicht erreichen konnten, und die es uns er⸗— schweren, diesem Ziel näher zu kommen. Dazu rechne ich ins— besondere, wie ich das schon im Hauptausschuß gesagt habe, die im Verhältnis zu den vergleichbaren Wirtschaften des Auslandes weit stärkere Belastung unserer Wirtschaft mit Steuern und Abgaben, insbesondere mit Realsteuern. (Sehr richtig! Ich habe das Gefühl, daß die Kritiker dieser Verhältnisse gar zu sehr geneigt sind, immer nur die einzelne Steuer zu prüfen. und zu überlegen, ob sie für die Wirtschaft tragbar ist, und fich dann dabei zu beruhigen, daß diese Tragbarkeit festgestellt werden kann, während doch die richtige Methode ist, die Gesamtheit, die Viel⸗ heit von Steuern und Abgaben, die auf unserer Wirtschaft lasten, gemeinsam zu prüfen. (Sehr gut! Wir achten aber in unserem Sleuersystem von jeher, wie mir scheint, zu wenig darauf, daß eine besonders starke Belastung gerade der Erzeugung von Waren, dahin führen muß, daß die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Ware gegenüber der ausländischen Ware immer mehr abnimmt. (Sehr richtig Denn wenn die Steuerlast im Ausland sich nicht so sehr auf der Produktionsseite auswirken lann wie bei uns, so liegt es in der Natur der Dinge, daß die Konkurrenzfähigkeit der ausländischen Ware auf dem heimischen Markt erleichtert wird, und daß uns die Konkurrenz im Ausland auch außerordentlich erschwert ist. Wir sollten daher in unserem Steuersystem meiner Meinung nach mehr darauf achten, daß wir die Steuerlasten so verteilen, daß die Produktion als solche nach Möglichkeit geschont wird, damit sie Anregungen erfährt, um sich u entfalten und damit neue Arbeitskräfte einzustellen und aus zem Arbeitsmarkt herauszunehmen. (Sehr wahr! Abg. Heil mann Berlin: Also keine erhöhte Umsatzsteuer?) Sehr richtig, Herr Abg. Heilmann! Ich bin ganz Ihrer Ueberzeugung, daß es in hohem Maße verhängnisvoll wäre, wenn wir die Umsatz⸗ steuer weiter in der Form erhöhen würden, wie wir sie in Deutschland haben, wie sie in jedem Produktionsprozeß zum Aus— druck kommt, gelegentlich vier⸗ oder fünfmal. (Sehr wahrh) Daher ist es zwar nützlich und notwendig, daß jetzt alle Stellen, die es angeht, sich den Kopf darüber zerbrechen, wie man die Ge⸗— samtstenerlast in Deutschland möglichst senkt. Ich persönlich bin aber überzeugt, daß es noch viel wichtiger ist als diese an sich notwendige Aufgabe, dahin zu wirken, daß die Steuern, die wir nun einmal unserem Volke auferlegen müssen, gerechter und besser als bisher verteilt werden. (Sehr wahr! Ich glaube: wenn wir insbesondere den Verhältnissen, wie sie bei den Realsteuern bestehen, Einhalt tun wollen, so wird gar nichts anderes übrig bleiben, als daß wir zu der Wiedereinführung eines Zuschlags— rechts zu der Einkommensteuer kommen ssehr richtig), zu einer Relation zwischen Einkommensteuer und Realsteuer, und ich hin überzeugt, daß, wenn wir dieser Art die pekuniäre Ver— antwortlichkeit für das Finanzgebaren der Gemeinden wieder auf die Schultern sämtlicher Steuerzahler legen würden, dann auch noch manche Ersparnis in der deutschen Wirtschaft möglich wäre. (Sehr wahr!)

Meine Damen und Herren, vor allem aber leidet die deutsche Wirtschaft unter den viel zu hohen Zinssätzen, die sie aufwenden muß ssehr gut), um ihren Kapitaldienst zu bestreiten. Es gibt keine Ware, die so fein auf Angebot und Nachfrage reagiert wie Geld. Deswegen lassen sich die Zinssätze auch nicht irgendwie künstlich regulieren. (Sehr wahr!) Ich halte es des⸗ wegen auch nicht für durchführbar, wie es der Ansschuß dem Landtag auf der Drucks. Nr. 1212 empfohlen hat, eine besondere Landeskreditorganisation in Anlehnung an die Preußenkasse zu schaffen, um dem Mittelstand mit verbilligten Zinsen, die nicht höher als 5 vH sein sollen, zu helfen. So sehr ich mich zu der Tendenz dieses Antrages bekenne, und so sehr ich wünschte, daß auf diesem Wege geholfen werden könnte, halte ich den Weg doch für völlig ungangbar. Wir haben in der deutschen Wirtschaft mehr als zwei Millionen mittelständische Be⸗ triebe. Wenn wir einigermaßen gerecht helfen, also möglichst allen Betrieben einen Nutzen bringen wollten, so wäre für diese Kredit⸗ versorgung ein solches Ausmaß von Kapital erforderlich, daß es weder auf dem inländischen noch auf dem ausländischen Kapital⸗ markt zu beschaffen wäre. Wenn man das Kapital beschaffen wollte, bliebe also nur übrig, die Steuerschraube ganz unmöglich stark anzuspannen. Wenn der Zinsfuß höchstens 5 vH betragen soll, so müßten 3 v5 aus öffentlichen Mitteln bereitgestellt werden, da die bei Anleihen zu gewährenden Zinsen etwa 8 ausmachen würden. Auch diese Summe würde bereits den Etat des Reiches oder der Länder so belasten, daß dieser Weg völlig ungangbar wäre. Wenn Sie aber nur einigen wenigen Mitgliedern des Mittelstandes helfen wollten, etwa denjenigen Betrieben, die gegenwärtig unter besonders unbefriedigenden Verhältnissen arbeiten, so würden Sie in Wahrheit ja nur eine Verschiebung der Konkurrenzverhältnisse innerhalb der Kreise des Mittelstandes selbst vornehmen; Sie würden die Lage und die Entwicklungs— möglichkeit der wirtschaftlich arbeitenden Betriebe zugunsten der weniger befriedigend arbeitenden Betriebe schwächen. Ich glaube nicht, daß das Ihre Absicht sein kann und bitte deshalb, diesem Antrage Ihre Zustimmung zu versagen.

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die Kreditschwierigkeiten, tschaftszweige in hohem können, wenn

der sich das erforderliche

Ich bin der Ueberzeugung, daß unter denen gegenwärtig doch alle Wi Maße leiden, nur überwunden werden Wirtschaft eine Entwicklung nimmt, bei Kapital bilden kann, so daß auf dem Wege über diese Kapital⸗ überhöhte

Uunsere

bildung allmählich der Kapitalzins irgendwie ab⸗

gebaut werden kann. (Zustimmung.) Der hohe Zins, unter dem die deutsche Wirtschaft leidet, ist ganz ficherlich eine Folge viel zu geringer Kapitalbildung in Deutschland. Wenn wir diese

Frage prüfen, dürfen wir uns nicht den Blick durch die ver— hältnismäßig erfreuliche Entwicklung, die unser Sparkaslsen⸗ 9 9 . *

wesen genommen hat, trüben lassen. Es trifft zu, daß bei den preußischen Sparkassen der Einlagenzuwachs im Jahre 1928

1374 Millionen gegenüber 910 Millionen im Jahre 1927 aus⸗ gemacht hat, und daß dieser Zuwachs den Durchschnitt der Jahre 19098 bis 1913 ganz wesentlich übersteigt. Dabei darf man aber nicht übersehen, daß sich die Kundschaft der Sparkassen außer⸗ ordentlich ausgeweitet hat gegenüber 1913, und daß sicherlich auch ein Teil der neuen Einlagen bei den Sparkassen keinen wirklich echten Kapitalzuwachs der deutschen Wirtschaft darstellt (Zustimmung), sondern lediglich eine Verschiebung der Ver⸗ mögens- und Besitzverhältnisse innerhalb der deutschen Gesamt⸗ wirtschaft. (Zuruf des Abg. Beuermann.) Die Höhe der für unsere deutsche Wirtschaft bei einer normalen Entwicklung not—

wendigen Kapitalbildung läßt sich recht schwer schätzen. Der Kapitalbedarf der deutschen Wirtschaft im ganzen wird sich exakt überhaupt kaum feststellen lassen. Immerhin ist es doch

interessant, daß ein so hervorragender Wirtschaftstheoretiker wie der Engländer Keynes kürzlich ausgeführt hat, daß seiner Ueber⸗ zeugung nach die Einordnung jeder neuen Arbeitskraft in den Wirtschaftsprozeß 20 000 M Kapitalaufwand für die Wirtschaft erfordert. Wenn wir nun in Deutschland jährlich 400 9090 junge Menschen per Saldo, alfo über den Abgang, den wir natur⸗ gemäß in der Wirtschaft jährlich haben, hinaus, in unseren Produnkrionsprozeßz einordnen, so können wir daraus errechnen, daß allein die Notwendigkeit, diesen jungen Menschen Arbeit zu geben, 8 Milliarden Mark neues Kapital in der deutschen Wirt— schaft alljährlich erfordern würde. Vor dem Kriege wurde berechnet, daß wir jährlich einen Kapitalzuwachs von 8 Milliarden Mark hatten. Wenn Sie nun den veränderten Geldwert beachten, so kommen wir dazu, daß heute 12 Milliarden Mark erforderlich sein würden. Nun kann aber wohl kein Zweifel daran bestehen, daß der Kapitalbedarf unserer deutschen Wirtschaft zurzeit außerordentlich größer ist als vor dem Kriege, weil eine Reihe von Investitionen während des Krieges und in der ersten Nach— kriegszeit nicht vorgenommen worden sind, obwohl sie notwendig gewesen wären. Ich darf Sie auf die Berhältnisse im Woh⸗ nungsbau hinweisen. Wir haben in den ersten füns Jahren seit der Festwährung, also seit dem Jahre 1923, nicht weniger als 9 Milliarden allein für Wohnungsbauzwecke aus der Wirtschaft herausziehen müssen. (Hört, hört! bei der Wirtschafts⸗ partei) Ich darf Sie darauf hinweisen, welche Summen wir haben aufwenden müssen, um die Handelsflotte wieder auf⸗ zubauen, welche ganz unnormalen Aufwendungen die deutsche Wirtschaft infolge der willkürlichen Grenzveränderungen hat, die man im Friedensvertrag vorgenommen hat. Dadurch hat man uns gezwungen, alle möglichen Investitionen zu machen, die man beim normalen Verlauf der Dinge nicht nötig gehabt hätte, und zwar vor allem, um die Zerreißung der natürlichen Verkehrs⸗ verbindungen im Osten wieder auszugleichen. Vor allen Dingen kommt zu all den unnormalen Kapitalaufwendungen der deutschen Wirtschaft die außerordentliche große Summe hinzu, die wir an Reparationen aus den Ersparnissen unserer deutschen Wirtschaft an das Ausland überweisen müssen.

Wie hoch man aber auch den Kapitalzuwachs und den Kapital⸗ bedarf der deutschen Wirtschaft schätzt, die Entwicklung des Jahres 1928 lehrt ganz deutlich, daß von der deutschen Wirtschaft trotz rückläufiger Konjunktur und trotz Hereinnahme von 1675 Mil⸗ lionen langfristiger Auslandsgelder dieser Kapitalbedarf nicht hat gedeckt werden können. (Hört, hört! bei der Wirtschaftspartei) Sonst wäre der Zins für langfristiges Geld nicht gestiegen, wie es tatsächlich der Fall ist, sondern er würde sich gesenkt haben. (Sehr richtig! rechts) Die deutsche Wirtschaft bezahlt an Zinsen für ihr Betriebskapital annähernd doppelt so hohe Beträge wie das Aus— land, mit dem sie konkurriert. Es ist kein Wunder, daß dieser Umstand die Unternehmungslust in Deutschland hemmt und die Einordnung der Erwerbslosen in den Wirtschaftsprozeß sehr schmerzlich erschwert.

Die mangelnde Kapitalbildung, von der ich sprach, hat ihre Ursache darin, daß die Rentabilität der deutschen Unter⸗ nehmungen in sehr vielen Wirtschaftszweigen zu gering ist. Bei der Landwirtschaft ist diese Ueberzeugung allmählich Gemeingut geworden. Aber auch in sehr wichtigen anderen gewerblichen Zweigen ist die Rentabilität vollkommen ungenügend. Es ist be⸗ zeichnend, daß bei allen an der Berliner Börse gehandelten Aktien am 20. 11. 1928 nur 4,99 v5 des Kurswertes an Dividenden in dem letzten abgelaufenen Wirtschaftsjahr haben verteilt werden können. (Hört, hört! bei der Wirtschaftspartei. Zuruf.) Es mag sein, daß die Direktorengehälter sehr hoch sind, aber auch wenn Sie sie kürzen, würde das die Dividende nicht um 1/10 vs erhöhen. Diese unbefriedigende Ausbeute, die ich eben erwähnt habe, müssen Sie vor allen Dingen unter Berücksichtigung des Umstandes werten, daß diese Ausbente am Ende einer ausgesprochenen Hoch⸗ konjunktur verteilt worden ist, die wir in Deutschland gehabt haben, und in einer Zeit, in der festverzinsliche Papiere, die nicht mit einem Risiko behaftet sind, 8S bis 10 v5 gaben.

Diese Gegenüberstellung lehrt auf das deutlichste, daß die Selbstversorgung unserer deutschen Wirtschaft mit dem nötigen Kapital ungemein schwierig ist. Ich bitte Sie, auch zu bedenken, daß die an der Berliner Börse gehandelten Papiere im allgemeinen doch Unternehmen repräsentieren, die durchschnittlich besser gestellt sind als die mittleren und kleineren Betriebe, die nicht in Aktien⸗ gesellschaftsform betrieben werden.

Bei der Betrachtung dieser Verhältnisse muß man zu dem Er gebnis kommen, daß die in jeder gesunden Wirtschaft notwendige Parallelität zwischen Kaufkraftvermehrung und Kapitalneubildung bei uns eine Störung zuungunsten der letzteren erfahren hat, die durch den hohen Zinsfuß und den Mangel an Investitzonskapital mit verursacht ist. Dabei brauche ich nicht besonders hervor⸗

zuheben, daß eine ausreichende Kapitalbildung für die Volkswirt⸗ schaft in jedem Wirtschaftssystem, also nicht etwa nur in dem privatwirtschaftlichen, lebensnotwendig ist und jede Volkswirt⸗ schaft verarmen muß, die nicht aus eigenem mindestens das er⸗ arbeitet, was zum Ersatz und zur Verbesserung der bisherigen Anlagen zur Erweiterung des Produktionsapparats entsprechend der Steigerung der Bevölkerungszahl und den zunehmenden kulturellen Bedürfnissen notwendig ist

Welche bedenklichen Folgen der Kapitalmangel und die unzureichende Kapitalbisldung in der deutschen Wirt schaft haben, lehrt deutlich unsere zu nehmende Auslands⸗ verschuldung. Unsere Gesamtverschuldung an das Ausland in den fünf Jahren der Festwährung beträgt zurzeit 12 bis 13 Milliarden Reichsmark. Gört, hört! bei der Wirtschaftspartei.) Dabei habe ich nicht nur die langfristigen Gelder, sondern auch die kurzfristigen Gelder im Auge. Diese vom Ausland herein genommenen Kapitalien erfordern alljährlich einen Zinsendienst von etwa 1 Milliarde Mark chört, hört! bei der Wirtschaftspartei), meine Damen und Herren, eine sehr ernste Zahl, die für unsere Zahlungsbilanz von der allergrößten Bedeutung ist, und die auch ihre Bedeutung behalten wird, wenn es uns gelingt, durch Steigerung unserer Ausfuhr unsere Handelsbilanz all mählich zu verbessern.

In dieser Hinsicht haben wir im letzten Jahre einen kleinen Fortschritt erzielt. Die Eintuhr nach Deutschland betrug in diesem Jahre 18995 Millionen Reichsmark, die Ausfuhr 11 640 Mil⸗ lionen Reichsmark. Die Einfuhr ist also im Jahre 1928 gegen⸗ über dem Vorjahre um 150 Millionen Reichsmark gesunken, die Ausfuhr um 1409 Millionen Reichsmark gestiegen. Das bedeutet, daß im letzten Jahre doch immerhin etwa 250 000 deutsche Arbeits kräfte mehr als im Jahre vorher für die Ausfuhr beschäftigt ge—⸗

wesen sind. Trotzdem beträgt die Passivität unserer Handels bilanz noch immer 2854 Millionen Reichsmark, wobei ich die Zahl von 658 Millionen Reichsmark für die Reparations⸗

lieserungen außer Ansatz gelassen habe.

Wenn wir hiernach auch einen Fortschriätt in der Ausfuhr erzielt und eine gewisse Verbesserung der Handels— bilanz erreicht haben, so lehrt doch ein Hinweis auf die weit größere Ausfuhr vor dem Kriege, auf den Verlust unserer Aus— landguthaben und auf die an uns herangetretenen neuen inter nationalen Verpflichtungen, daß die Ausfuhrzahlen, wie sie uns gegenwärtig zur Verfügung stehen, nicht annähernd ausreichen, um unter Aufrechterhaltung einer angemessenen Lebenshaltung unseres Volkes Abdeckung unserer Verpflichtungen aus eigener Kraft zu gewährleisten. (Hört, hört! bei der Wirtschafts— partei.)

Damit lassen Sie mich noch kurz auf den Zusammen⸗ hang zwischen Handelsbilanz und Lebens haltung unseres Volkes eingehen! Es trifft nicht zu, meine Damen und Herren, daß die Lebenshaltung unseres deutschen Volkes im ganzen den Stand der Vorkriegzzeit bereits erreicht hätte. (Sehr richtig! bei der Wirtschaftspartei.) Es ist aber nicht zu bestreiten, daß der Gesamtlohn der deutschen Arbeiterschaft in den letzten Jahren den Friedenslohn allmählich erreicht und in gewissem Umfange überschritten hat. (Hört, hört! bei der Wirt schaftspartei.) Trotzdem wäre es ganz falsch, schlechthin von einem zu hohen Lohnniveau in Deutschland zu sprechen, wie das gelegentlich von den Kritikern unserer Verhältnisse geschieht; denn es darf bei der Beurteilung der Verhältnisse nicht vergessen werden, daß der deutsche Arbeiter wie der andere deutsche Volks⸗ genosse während des Krieges und in der Nachkriegszeit seine Er— sparnisse entweder aufgebraucht oder verloren hat, und infolge⸗ dessen derjenigen Hilfsmittel beraubt worden ist, die ihm früher von seiten seiner Ersparnisse, und mögen sie auch noch so be— scheidenen Umfanges gewesen sein, zur Verfügung standen, im Gegensatz zu seinen Arbeitskameraden in den meisten anderen Ländern. (Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei) Es darf so nicht vergessen werden, daß das lleine ersparte Vermögen der Arbeitnehmerschaft durch diese Verhältnisse vernichtet worden ist, und daß daher der deutsche Arbeiter auch für seine kranken und alten Tage weit mehr zurücklegen muß, um einigermaßen sicher zu gehen, als der Arbeiter in anderen Ländern, und endlich darf bei diesem Vergleich nicht übersehen werden, daß es abwegig und schief ist, wenn man die deutschen Arbeitslöhne mit den Löhnen solcher Völker vergleicht, die unter ganz anderen klimatischen Ver— hältnissen arbeiten und infolgedessen in ihrem Lebensbedarf ganz anders eingestellt sind als das deutsche Volk und die ihm stamm⸗ verwandten Völker.

Andererseits ist die Auffassung sicherlich abwegig, als ob wit in der Lage wären, in Deutschland wenn ich so sagen soll eine autonome Lohnpolitik zu treiben ohne Rücksicht auf die Verhältnisse um uns herum. Es ist nicht möglich man kann ruhig sagen, und zwar von jedem Standpunkt aus, von dem man das hetrachtet: leider nicht möglich —, die Kaufkraft der Be⸗ völkerung dadurch zu steigern, daß man die Löhne und Gehälter einfach erhöht. (Sehr richtig! rechts) Das würde vielleicht möglich sein, meine Damen und Herren, wenn wir in einer Wirt— schaft lebten, die reich an Rohstoffen und sonstigen Hilfsmitteln wäre, die sich also im wesentlichen aus sich selbst versorgen kaun In einem solchen Wirtschaftsgebiet würde ich einen solchen Weg wohl für möglich halten. Das trifft aber nicht zu für eine Volks⸗ wirtschaft wie die unsrige, wo jede Ausweitung der Lebenshaltung zwangsläufig dazu führt, daß der Konsum an ausländischen Waren steigt. (Sehr richtig! rechts) Denn der springende Punkt ist doch der, daß wir für die Versorgung unseres Volkes nicht nur mit Nahrung und Kleidung, sondern für fast den gesamten Lebens— bedarf ich sage wieder: leider auf ausländische Rohstoffe, Halbfabrikate und sonstige Waren angewiesen sind. Je mehr wir uns also infolge der ungenügenden Kapitalbildung in Deutsch— land um diesen Zusammenhang nochmals hervorzuheben an das Ausland verschulden und je höher die Leistungen sind, die wir infolge dieser Verschuldung an das Ausland abzuliefern haben, um so mehr wird tatsächlich die Deckung des notwendigen Lebens— bedarfs der deutschen Bevölkerung eingeengt und seine natürliche Entwicklung gefährdet. (Sehr richtig! rechts) Die durch eine ge— steigerte Lebenshaltung zwangsläufig bedingte Steigerung der ausländischen Einfuhr kann nur durch entsprechend gesteigerte Ausfuhren beglichen werden. Diese notwendige Steigerung der Ausfuhren würden wir aber unmöglich machen, wenn wir durch

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3weite Beilage

zum Deut s chen Neichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Mr. 44.

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Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

wobei sie noch weniger gehemmt waren durch die von den Deutschnationalen) nicht gebilligte Einwirkungen der Masse Volk auf die Politik. Und daß die Reform in den letzten zehn Jahren nicht weiter vorwärtskam, dafür haben besonders Sie von rechts gesorgt. Aber elwas haben wir doch schon durch die Anflösung der Gutsbezirke geleistet. Freilich gefällt Ihnen (nach rechts) das auch nicht. Es kam aber bei dieser Maßnahme zunäckst nicht auf ihre Wirtschaftlichkeit an, sondern darauf, daß es sich im heutigen staatsrechtlichen Regime nicht mehr ertragen läßt, im Lande Gebilde zu haben, die auf Grund eines privaten Besitz— tisels öffentliches Recht verleihen, ohne Rücksicht darauf, ob der Läufer des privaten Besitztitels auch geeignet ist, öffentliche Funktionen auszuüben. Der Abg. von Rohr hat weiter behauptet, die Not der Landwirtschaft werde im Parlament mit einer ge⸗ wissen Oberflächlichkeit behandelt. Ich habe nicht, wie er zitierte, gesagt, daß von der Not der Landwirtschaft allein die Groß⸗ betriebe ergriffen würden. Ich hebe behauptet und halte das aufrecht, daß die Krise, die jetzt die Landwirtschaft trifft, im Geld⸗ markt begründet liegt, und daß sie sich daher naturnotwendig zuerst bei den Großbetrieben zeigen muß, die mehr Betriebs⸗ kapital brauchen als die mittleren und kleineren. Diese Auf—⸗ fassung ergibt sich auch klar aus der Denkschrift der Preußenkasse, wonach in Ostpreußen von den Großbetrieben bereits über 64 vH, von den Klein- und Mittelbetrieben bisher aber nur etwas über 40 vH verschuldet sind. Sehr oberflächlich aber wäre es, der Behauptung rechtsstehender Agrarier zu glauben, man könne die ganze Krise der Landwirtschaft durch eine Zollpolitik beheben. (Zuruf bei den Deutschnationalen: Und durch Steuersenkungen!) Ich habe erst kürzlich wieder einer landwirtschaftlichen Deputation, die völljge Befreiung der Landwirtschaft von Steuern forderte, sagen müssen, sie solle mir sagen, wie man es ferüigbringen könne, keine Steuern zu nehmen, aber hohe Staatshilfen und Staats⸗ darlehen zu gewähren. Gerade aber der heutige preußische Staat hat für die Landwirtschaft sehr viel mehr getan als das frühere Regime. So wurden 1913 für das damals größere Staatsgebiet B83 Millionen für landwirtschaftliche Zwecke eingesetzt, unter dem neuen Regime im Jahre 1957 dagegen rund 150 Millionen für ein kleineres Staatsgebiet. Allerdings werden diese unsere Auf⸗ wendungen im Interesse der gesamten Landwirtschaft verwendet Und nicht allein in dem einiger rechtsgerichteter Großagrarier. Wenn Sie (zu den Deutschnationalen) sich mehr als um Reiter⸗ vereine und Huldigungsfahrten zu Mussolini um die Absatzfrage kümmern würden, wäre der Landwirtschaft damit mehr gedient. (nnruhe bei den Deutschnationaglen. Ich habe in der „Vommerschen Tagespost“ gelesen, daß der Abg. von Rohr in dem Augenblick. wo die Deutschen Südtirols besonders bedrängt werden, Mussolini Lobeshymnen gesungen hat. Wenn es Ihnen nicht gelingt, die hohe Spanne zwischen Erzeuger⸗ und Kon⸗ sumentenpreisen auf ein vernünftiges Maß herabzudrücken, werden Sie mit der ganzen Zollpolitik nichts erreichen. (Zuruf bei den Deutschnationalen: Des ist aber nicht so leicht!! Freilich, Sahlhelmkundgebungen mit Haßresolutionen gegen den Staat zu veranstalten, ist erheblich leichter. Gerade aber, weil es ower ist. den Bauern wieder Verdbienstmöglichkeiten zi geben, muß diese Aufgabe in Angriff genommen werden. Wo aber das Schwere bisher in Angriff genommen wurde, haben Sie (nach rechts) versagt, bei Ihren Landbundgenossen⸗ schaften, die in kurzer Zeit bankrott machten. Es ist so weit gekommen, daß Herr Schlanae⸗Schöningen kürzlich in einer Reitung die Landwirte aufforderte, das xein wirtschaftliche Denken abzuschaffen und in die Politik bineinzugehen, weil die Politik die Wirtschaft ruiniert habe. Herr Schlange glaubt offenbar, von der Politik könne er ein größeres Wachstum und höhere Preise erreichen. Falsch ist auch die Behauptung des Abg. von Rohr, daß die in der Landwirtschaft gezahlten Löhne ein Spiegelbild der Wirtschaftslage gäben. Vor dem Kriege, als es der Landwirtschaft besser ging als jetzt, hat sie noch niedrigere Löhne gezahlt, als die Organisationen sie ihr jetzt ab⸗ gezwungen haben. Aber es ist nicht nur die Lohnfrage, die den Landärbeiter vom Lande treibt, sondern auch die Behandlung der Leute. In meiner ostpreußischen Heimat sind u. a. drei mir befreundete Großgrundbesitzer, die niemals über Leutemangel zu klagen hatten und nie einen volnischen Arbeiter beschäftigten, obwohl sie auch nicht wesentlich mehr als andere Landwirte Lohn zablten. Daraus wollen Sie entnehmen, daß die Lohn— frage nicht allein das Ausschlaggebende ist. Im übrigen ist gerade für Ostpreußen im Hinblick auf die prekäre Situatien dieser Provinz von Staat und Reich in den letz en Ihren sehr viel geschehen. 170,15 Millionen sind bisher für Ostpreußen ausgegeben worden. Und diese besondere Fürsorge wird fort⸗ gesetzt, soweit es eben möglich ist. Ich möchte nur wünschen, daß die verzweifelte Stimmung, die zum Teil in ostpreußischen Kreisen besteht wenn sie auch nicht so schlimm ist, wie manche es anus aastatorischen Gründen hinstellen nicht zu parrei⸗ demagbaischen Zwecken ausgenutzt wird, und daß nicht in der öffentlichen Erörterung der Gedanke auch nur hypothetisch aus⸗ gesprochen wird, als ob es möalich wäre, daß manche es lieber sähen, wenn sie nach Polen kämen. (Sehr wahr! links) Wenn in diesem Zusammenhang der Abg. von Rohr mir empfohlen bat. ich solle nach Sowjetrußland gehen, um vom Marxismus kuriert zu werden, fo muß ich ihm erwidern: In Sowijetruß⸗ land gibt es keinen Marxismus, sondern, nur den Versuch, kommunistische, gemeinwirtschaftliche Grundsätze mit absolutistisch⸗ zaristischen Methoden durchzusetzen. Zur Panzerkreuzerfrage stebt die vreußische Staatsregierung beute wie zuvor. Das hat mit der Wehrhaftiokest unseres Landes nichts zu tun. Ich habe keinen Zweifel darüber gelassen, das ich eine gewisse Wehrhaftig⸗ keit gegen eventuelle Ueberfälle für notwendig halte, solange unsere Nachbarn rundherum bewaffnet sind Aber die Aus⸗ gohe für den Panzerkrenzer halte ich für überflüssig und unzweck⸗ mäßig, weil wir im Kriegsfolle mit den Seekriegsmitteln, die der Versailler Vertrag uns allein noch gelassen hat, den Seeweg noch Ostyreußen niemals offenhalten können. (Widerspruch bei den Dentschnationalen Wenn man bedenkt, daß auf der Mitee diefes Seeweges Polen einen Kriegsbafen besitzt und ventwell

Ihnen (zu

anch auf französische Hilfe rechnen kann, gehört es in den Be⸗ reich der Seeränbergeschichten, zu glauben, daß man mit vier

Panzerkreuzern dieser Macht begegnen könnte. Es ist dies ebenso phantastisch wie die Annahme des Aha. Schwenk, wir wollten mit dem Panzerkreuzer dos Sowietsystem stürzen. Und wenn Kerr von Robr meinte. es sei interessant, zu wissen, wie ich zue Mehrfrage stehe so muß ich erklären, daß ich nicht dazu da hin, PDiwne mitzuteilen, die Herrn von Rohr interessant sind, sondern daß ich meinen Etat zu vertreten habe. Vorläufig sind die verschiedenen Anuffassungen über die Wehrfrage in ber Sozialdemokratie noch nicht Gegenstand der Erörte⸗ rungen der preußischen Staatsregierung gewesen. Wenn ich überbanyt dazu Stellung nehme, werde ich es vielleicht auf dem Magdeburger Parteitag als simpler Parteigenosse tun. (3u⸗

ruf be den Dentschnationalen: Uns interessiert Ihre Ansicht als Ministerpräsident! Dann muß ich Ihnen, sagen: Amtlich ist mir hiervon nichts bekannt. (Heiterkeit.

Au den Aeußerungen über die Minderhbeitenfrage erklärte der Ministerpräsident, die Besorgnisse wegen der großzügigen vrendi⸗ schen Regelung zeigten ein Gefühl der Schwäche, zu dem keine Beranlassung bestehe. Die deutsche Kultur, so erklärte er, ist so

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Berlin, Donnerstag, den 21. Febrnar

6 daß sie im Wettbewerb auch mit den Minderheiten nicht eiden wird. Das haben wir ja schon in Oberschlesien gesehen, wo sich immer mehr Schüler, die zunächst in die polnischen Schulen gingen, zur deutschen Schule zurückfanden, weil sie feststellen mußten, daß die deutschen Schulen für ihr geistiges Fortkommen günstiger sind. Ueber die Konkordatsfrage wird so unendlich viel geredet, ohne daß man deshalb klarer darin sehen könnte. Ich kann Ihnen auch heute noch nichts anderes sagen, als was ich schon wiederholt betont habe. Die Dinge liegen nun einmal so, daß wir in Verhandlungen stehen. Und solange das Staats⸗ ministerium nicht mit dem Vertragsgegner einig ist, ist der Zeitpunkt noch nicht gekommen, der breiteren politischen Oeffent⸗ lichkeit über das Ergebnis der Verhandlungen irgend etwas zu sagen. Und wenn Herr von Rohr meinte, die Staatsregierung möchte dahin wirken, daß das staatliche Recht auf dem Gebiete der Schule gewahrt werde, so muß man eben entgegnen, er selbst würde auch nicht wirksamer die staatlichen Rechte der Furie gegenüber vertreten können, wie es die preußische Staatsregierung tut. Das ist ja eben der Streitpunkt bei den Verhandlungen, wie⸗ weit die staatlichen Rechte etwa berührt werden könnten. Von Geheimniskrämerei kann dabei keine Rede sein. Wenn wir mit dem Vertragspartner einig sind, werden wir zweifellos zu er⸗ mitteln haben, ob der Vertragsentwurf auch Aussicht auf An⸗ nahme im Parlament hat. Herrn Dr. Leidig stimme ich darin zu, daß man über die Frage der Reichsreform immer mehr schreibt, ohne daß neue Gedanken dabei auftauchten. Keiner der bis⸗ herigen Vorschläge ist aber zu Ende gedacht in bezug auf die technisch⸗organisatorischen Fragen und in bezug auf Durch⸗ setzung gegenüber den politischen Machtverhältnissen in Reich und Einzelländern. von Herrn von Rohr erwähnte Reichs⸗ verdrossenheit aber zeigte sich namentlich in Süddeutschland früher noch häufiger als heute. Die Dinge, die jetzt zu Differenzen zwischen den einzelnen Ländern führten, haben mit Reichs⸗ verdrossenheit nichts zu tun, sondern sind hauptsächlich Geldfragen. Es geht eben nicht an, daß in der inneren Reparationsfrage An⸗ sprüche einiger Länder berücksichtigt, die der anderen aber beiseite geschoben werden. In diesem Zusammenhang kam der Minister— präsident nochmals auf den preußisch⸗bayerischen Konflikt zu sprechen und bezeichnete die Ausführungen der bayerischen parteilichen Korrespondenz, die die Tatsache des bayerischen dauerns bestritten habe, als unverständlich. Ich muß, so erklärte er, demgegenüber feststellen, daß das, was ich durch den Amtlichen Preußischen Pressedienst in dieser Frage veröffentlichen ließ, Wort für Wort richtig ist. Herr von Preger hat mir dies im Namen seines Ministerpräsidenten wörtlich gesagt, und amtlich ist es bis heute auch nicht bestritten worden. Damit erscheint für mich der bayerisch⸗preußische Zwischenfall erledigt. Zur Frage der Auf⸗ lösung der preußischen Gesandtschaft in München, die neuerdings auch von hervorragenden Zentrumskreisen im Sinne der Auf⸗ lösung erörtert werde, erklärte der Ministerpräsident, er persön⸗ lich meine, daß im heutigen Staate diese Gesandtschaft nicht mehr notwendig sei; wenn man mit Mehrheit die wieder vorliegenden Anträge auf ihre Beseitigung annehme, werde er dieser Position keine Träne nachweinen. Zu den Abmachungen zwischen Preußen

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und Hamburg erklärte der Ministerpräsident, mehrere hierzu erforderliche Verträge ständen unmittelbar vor der Unter⸗ zeichnung und würden demnächfst auch dem Landtag zugehen. . 8 3ugehe

Es handelt sich dabei u. a. um den Vertrag über die Hafen⸗ gemeinschaft. Kleinere Vereinbarungen sind bereits ohne Mit⸗ wirkung des Landtags im Verwaltungswege abgeschlossen worden. Gerade bei den Abmachungen mit Hamburg hat sich gezeigt, daß bei beiderseitigem guten Willen eine Reihe von Schwierigkeiten, die sich aus den Grenzverhältnissen einzelner Länder ergeben, m werden können, und daß sich eine gewisse Vereinheitlichung iche durch organisch⸗zweckmäßige Gestaltung erzielen läßt, deshalb neue Behörden aufgezogen werden. So stelle r auch die weitere Entwicklung der ganzen Reichsreform 3g geht jedenfalls nicht so weiter, daß vom Reich durch Reichsgesetz nicht nur Befugnisse den Ländern abgenommen, sondern daß auch für ihre Durchführung immer wieder neue Reichsbehörden aufgemacht werden. (Zustimmung.) Der Dualismus wird immer schlimmer, wenn auf immer weiteren Gebieten Reichs- und Länderbehörden nebeneinander stehen. Man muß diese Auffassung besonders dann ablehnen, wenn man von dem Grundsatz der Verfassung ausgeht, daß die Reichsgesetze von den Ländern ausgeführt werden sollen. Will man diesen Grundsatz aber tatsächlich verwirklichen, dann muß man auch Länder schaffen, die die Ausführung der Reichsgesetze übernehmen können. Angen— blicklich haben wir aber noch eine Menge Zwergländer, die ihrer Struktur nach nicht imstande sind, die ihnen vom Reich zu über⸗ tragenden Aufgaben zu erfüllen. Daraus erklärt sich ja auch nur das Bestreben des Reichs, dauernd neue Reichsbehörden zu schaffen. Man kann diese Notwendigkeit von der Reichsgesetzgebung nehmen, wenn man eine gewisse Flurbereinigung vornimmt und jene kleinen Gebilde, die nur noch auf Grund des Art. 35 des Finanz⸗ ausgleichs mit seinen besonderen Zuwendungen lebensfähig sind, an leistungsfähige Gebilde anschließt oder zu leistungsfähigen Ge⸗ bilden zusammenschließt. Es ist nicht das Bestreben Preußens, sich solche kleinen Länder anzugliedern; aber es dürfte zwangs⸗ läufig sein, daß diese kleinen Länder, die innerhalb Preußens

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noch bestehen, allmählich zu Preußen kommen. Wir drängen die kleinen Länder nicht, entziehen uns aber auch nicht den Notwendigkeiten, wenn in den Ländern die

Erkenntnis von der Zweckmäßigkeit des Anschlusses selbst gereift ist. Abg. Dr. Schwering (Zentr.) sieht in dem sozialdemo⸗ kratischen Antrag auf Aufhebung der Münchener Gesandtschaft in diesem Augenblick einen Vorgang, der in Bahern als un⸗ freundlicher Akt empfunden werden müsse. Die offizielle Haltung seiner Fraktion sei immer für Beibehaltung der Münchener Gesandtschaft gewesen, und seine Partei könne sich über eine Ent⸗ scheidung in der Frage nur in einer besonderen Fraktionsberatung schlüssig machen. Die erfreulichen Verhandlungen des Minister⸗ , mit Hamburg begrüße er und erwarte die ent— prechende Vorlage. In der Reichsreform könne men jetzt fest⸗ stellen, daß Luther doch sehr isoliert dastehe. Die Zentrums⸗ partei sei immer für eine Berücksichtigung der historischen Ent⸗

vicklung gewesen und möchte gerade in der Reichsreform an diesem Standpunkt festhalten. Die Verwaltungsreform habe

übrigens schon im alten Staat die sogenannte Immediatkommission trotz der Arbeit von mehreren Jahrzehnten nicht zustandegebracht. Zur Flaggenfrage müsse er immer wieder betonen, eine solche Frage gäbe es nicht mehr, wenn man auch dem Historischen Achtung entgegenbringen müsse. Bezüglich der Frage, ob ein Beamter Mitglied des Stahlhelms sein könne, meinte der Redner, daß er die kritische Haltung des Staatsministeriums verstehen könne und zog eine Parallele zum alten Staat. Die Republik habe sich in der Beamtenfrage viel vornehmer verhalten als der alte Staat. In der Konkordatsfrage habe auch der Minister⸗ präsident durch ein gewisses Schweigen wieder dazu beigetragen, das Geheimnisvolle, das um die Frage gesponnen werde, zu fördern. Es werde augenblicklich viel die Frage erörtert, ob Preußen noch berechtigt sei, ein Konkordat abzuschließen. Die Souveränität des Papftes sei immer anerkannt worden und seine onveräne Stellung habe gar keine Aenderung erfahren. Es be— tünden also keine rechtlichen Bedenken, das Konkordat mit dem atikan abzuschließen. In der Frage der Minderheiten müsse

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1929

man auch auf die Deutschen in Polen Rücksicht nehmen und man dürfe nicht vergessen, daß Millionen Deutsche in Polen wohnten gegen 40 000 Polen in Deutschland. Daß die inner⸗ deutsche Polenpolitik von der Regierung wichtig behandelt worden sei, gehe schon daraus hervor, daß 1925 noch zwei polnische Ab⸗ geordnete im Landtag vorhanden gewesen seien, die heute fehlten. Im übrigen müsse man, um seinen Landsleuten zu helfen, alle Mittel anwenden und sich auch hierzu des Völkerbundes bedienen. Bei den verschiedenen Stellungen, die zur Wehrfrage eingenommen würden, solle man nicht soviel von Landesverrat reden. Man müsse jedem Deutschen den guten Will stehen. Zum Schluß wies Redner nochmals auf die zehnjä gleichmäßige Koalitions⸗ politik hin, von der man auch in nft das beste erwarten dürfe. Abg. Riedel (Dem) polen zegen die Deutsch⸗ nationalen und meinte, die Parteizugehöri es Minister⸗ präsidenten zur Sozialdemokratie sei der Gi ie Rechte, alles herunterzureißen, was vom Staatsminis ganze Ostagitation richte sich in dieser gegen die Staatsregierung. Zum Schluß präsidenten um Auskunft darüber,

er den Minister⸗ e Verhandlungen zwischen meinschaft stünden. Es sei Gefahr vorhanden, daß Thüringen, wenn Preußen

nicht entgegenlomme, mit Fühlung nähme. Abg. Christian (V. Frakt.) glaubt, daß der Landwirtschaft zunächst durch entsprechende Zolltarife zu helsen sei. Dann ine sich auch das Genossenschaftswesen entwickel Abg r D. Vp.) wünschte ebenfalls die Münchener pt che Ges jaft aufrecht zu erhalten, weil die Aufhebung eine Verletzung Bayerns im gegenwärtigen Augenblick bedenten Au m habe man seiner Meinung nach auch im alten Staat n zen Gesandt⸗ schaften gute Erfahrungen gemacht. Er auch mit

einem thüringischen Gesandten einverstanden frage sehe er in dem jetzt zwis dem abgeschlossenen Vertrag keine s Abschluß eines Konkordats Für dieses Konkordat verwies die in sechs Punkten festgeleg

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ken gegen den x em Batikan. r auf die Grundsätze seiner Partei, ind von seinem Parteivorstand (Wirtsch. P) meinte, wenn

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es n B dafür bedürfe, daß der heutige Staat unfäh e Geschicke Deutschlands zu ordnen, so brauche man nur kratischen Blätter der letzten Wochen zu lesen. Unser Un as parlamentarische System, sein Schlachtopfer der den tsche d. Die Kultivierung des sozialen Fürsorge⸗ gedan Verbindung mit dem gesetzlichen Verbot der freien Ausnutzung der Arbeitskraft überführe den selbständig schaffenden Mittelstand ins Proletariat, mache das Volk in seiner Mehrheit wurze und zu Lohnsklaven der Fabriken und Betriebe. Die

Forderung der Stunde sei Entlastung der Wirtschaft von un— errräglichen Lasten, d. h. Verbilligung der Warenerzeugung und Lebensfähigkeit des Mittelstands durch Beseitigung der Ver⸗ waltungsbürokratie, für deren Unterhalt in unverantwortlicher Weise große Teile des Volkseinkommens verschwendet würden, Ministerpräsident Dr. Braun erwiderte dem Abgeordneten Ladendorff, auch die Wirtschaftspartei habe sich leider im Reich der posittwen Mitarbeit entzogen, wohl weil sie nur in der Opposition gedeihen könne, während sich die Sozialdemokratie den Staatsnotwendigkeiten seit 1913 niemals verschlossen hätte, Was im Reich vor sich gehe, sei im übrigen als Kinderkrankheit e

des Parlamentarismus anzusprechen. Alle Parteien müßten sich darüber klar sein, daß sie, ob sie nun in der Opposition oder in der Regierung fäßen, mitvergntwortlich für die Geschicke es seten Praktische VBor⸗

des Lande schläge zur Sparsamkeit habe Herr Ladendorff auch nicht gemacht. Abg. Schulz⸗Neukölln ( Fomm) trat der Behauptung des Ministerpräsidenten entgegen, daß das Konkordat die Interessen der werkiätigen Massen nicht berühre. Die Kommunisten forderten jedenfalls, daß die Regierung ihr Schweigen in dieser Beziehung breche. Weiter verlangten sie, daß am Rundfunk, den die Kommu⸗ niften schon einmal für ihre Zwecke benutzt hätten (Heiterkeit) und den sie wieder benutzen würden, wenn es ihren Zwecken dienlich sei, grundsätzlich auch kommunistische Redner sprechen dürften. Abg. Könnecke (D. Nat.) meinte, wenn Preußen früher die Hausmacht der preußischen Könige war, so sei es heute die Haus— macht der Sozialdemokratie geworden. Im Parlament aber werde eine Politik des Alibi getrieben, die den Ministerpräsidenten verhindere, über Aeußerungen seiner Minister sich zu erklären. Man müsse die Regierungen unabhängig von den Parlamenten machen. Wenn der Panzerkreuzer ein Spielzeug sei, so könne man nicht verstehen, warum die sozialistischen Reichsminister die zweite Rate geschluckt hätten. Gegenüber dem Abg. Heilmann sei zu be⸗ tönen, daß die Deutschnationalen im Konkordat auch die Eltern⸗ rechte gewahrt wissen wollten nicht nur die Stagtsrechte auf dem Gebiet der Schule. Auf die Frage, warum sich Preußen nicht bei der Beisetzung Hünefelds habe vertreten lassen, sei der Minister⸗ 2 die Antwort schuldig geblieben. Wenn der Minister⸗ präsident den Beamten unter Hinweis auf die Verfassung die Zugehörigkeit zum Stahlhelm verbieten wolle, so müsse er dieses Verbot auch auf die Mitglieder der sozialistischen Partei aus— dehnen, die ja auch einen ganz anderen Staat als den gegen⸗ wärtigen erstrebten In der Landwirtschaft gebe es nicht, wie der Ministerpräsident behaupte, eine Kapital⸗, sondern eine Renta⸗ bilitätskrise, die am meisten die mittleren und kleinen Betriebe erfasse. Abg. Heilmann (Soz.) betonte zu den Ausführungen des Abg. Schulz (Komm.), man habe allerdings kürzlich einen kommunistischen Rundfunkredner ablehnen müssen, weil er im Gegensatz zu seinem Thema nur eine kommunistische Propaganda⸗ rede halten wollte. Uebrigens gehörten dem Ueberwachungs⸗ ausschuß Vertreter aller Parteien mit Ausnahme der Kommu⸗ nisten und der Nationalsozialisten an. Dem Abg. Könnecke sei nochmals zu erwidern, daß durch die Unabhängigmachtng der Regierung das Parlament zu derselben Verantwortungslosigkeit kommen würde, wie das bei den Parlamenten der Vorkriegszeit der Fall gewesen sei. Wenn Herr Könnecke den Stahlhelm der Sozialdemokratischen Partei gegenüberstelle, so müsse betont werden, daß es zwar in jeder Partei Außenseiter gebe, daß aber der Stahlhelm offiziell 6. Haßkundgebung erlassen habe. Nach kurzen Schlußworten des Berichterstatters wurde auch noch die Einzelberatung durchgeführt. Dabei wurden nebst allen anderen Aenderungsanträgen auch, gegen Sozialdemokraten und Kommu⸗ nisten, die Anträge auf Streichung der preußischen Gesandtschaft in München abgelehnt. Damit war die Vorberatung des Haus- halts des Staatsministeriums beendet. Der Ausschuß vertagte sich.

Der . Preußischen Landtags beriet am 18. d. M. den Haushalt des Finanz- ministerium s. Abg. Grebe (Zentr) wies als Bericht⸗ erstatter darauf hin, daß der Finanzminister selbst in seinem

Etat vorbildliche Sparsamkeit walten lasse, jedoch falle gui daß bei den Ruhegehältern, Witwen- und Wgisengeldern Milllonen

weniger als im Vorjahre angesetzt worden seien. Ob das nichh zu unbilligen Härten führe? er Berichterstatter fragte weiter, ob nicht die hohe Zahl der Angestellten in der Katasterverwaltung abzuändern sei n,, Dr. Höp ker⸗Aschoff er⸗ widerte, daß aus Anlaß der Besoldungserhöhung die Mehrauf⸗ wendungen für Versorgungsgebührnisse usw. zu hoch geschätzt worden seien, woraus sich der geringere Ansatz für das kommende Etatjahr erkläre. Er müsse aber darauf aufnierksam machen, daß

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