Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 145 vom 25. Juni 1929. S. 4.
Nun komme ich noch zu zwei Fragen, die Herr Graf Westarp angeführt hat, zu der Frage der Räumung und zu der damit im Zusammenhang stehenden Frage der sogenannten Versöhnungs— kommission. Ich bin nicht in der Lage, über die Besprechungen in Madrid hier irgend etwas zu sagen. (3uruf von den Nationalsozialisten: Schade) Ich glaube auch nicht, daß das wünschenswert wäre; denn ich bin der Ansicht, daß es das Ende solcher Besprechungen sein würde, wenn sie nachher Gegenstand von Erklärungen in den Parlamenten sein würden. (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien) Dem Kabinett habe ich darüber Rechenschaft gegeben. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß eine Differenz zwischen dem Herrn Grafen Westarp und dem Kabinett überhaupt nicht besteht. Bevor ich die Reise zur letzten Völkerbundsratstagung antrat, habe ich noch einmal im Kabinett festgestellt und nehme gern Veranlassung, das hier zu wiederholen, daß für alle Besprechungen und Verhandlungen über die Rheinlandräumung für die deutsche Reichsregierung eine dauernde „Versöhnungskommission“ außerhalb jeder Diskussion steht (lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien), daß nach unserer Auffassung alles das, was notwendig ist, im Locarno⸗ Vertrag durch die dortigen Bestimmungen gegeben ist, daß wir nicht die Absicht haben, die Bedeutung des Locarno⸗Vertrags herabzuwürdigen durch irgendeine neue wie immer gedachte ständige Kommission, und daß die ganze Räumungsfrage daran scheitern würde, wenn man uns zumutet, noch einmal irgendeine ständige Kommission im Rheinland einsetzen zu lassen. (Lebhaftes Bravo! In dieser Beziehung bestehen also, glaube ich, keine Notwendigkeiten für irgendwelche weitere Diskussion, und diese Selbstverständlichkeit war im Kabinett auch vor den Madrider Besprechungen vollkommen anerkannt.
Was die Frage der Kundgebungen angeht, die am 28. Juni stattfinden sollen, so möchte ich bemerken, daß die bedeutsamste Kundgebung wohl die des Herrn Reichspräsidenten und des Reichskabinetts ist, und daß beide hierbei Veranlassung nehmen werden, in einer Weise, über die sich der Herr Reichspräsident schon einmal in bezug auf diese Weise geäußert hat, zu der Frage Stellung zu nehmen. Ich habe niemals ein Hehl daraus gemacht, daß ich es als eine rein für politische Zwecke zurecht— gemachte Fassung des Friedensvertrags gehalten habe, wenn man davon gesprochen hat, daß auf Deutschland die Schuld fiele für alles das, was der Krieg mit sich gebracht hat. Niemals wird irgend jemand in Deutschland anerkennen, daß auf Deutschland die Schuld der alleinigen Herbeiführung des Krieges irgendwie liege. (Zuruf von den Nationalsozialisten) Ebenso darf man aber auch heute sagen, daß in den weitesten Kreisen der Welt, in allen Ländern dieselbe Auffassung besteht, und daß es kaum noch jemand gibt, der es wagt, einen solchen Satz im französischen oder englischen Parlament auszusprechen, ohne dabei den größten Schwierigkeiten im eigenen Parlament zu begegnen. (Sehr wahr! Ich warne nur vor dem einen. Ich kämpfe den Kampf vollkommen mit. (Zuruf von den Nationalsozialisten.) — Die Regierung hat es schon so oft erklärt, und die erste war zufällig eine sozialdemokratische Regierung, die das ebenfalls erklärt hat. (Hört, hört! Warum wollen Sie denn in dieser Frage, in der wir einig sind, fortwährend die Parteien aus⸗ einanderreißen? (Lebhafte Zustimmung. Es gibt, Gott sei Dank, in dieser Frage keine Differenz der Auffassung. Erneute lebhafte Zustimmung.) Moralisch diesen Kampf für Deutschland zu führen, ist jeder bereit, nur die Konsequenzen, die einzelne daraus ziehen, sind verschieden. Die Auffassung, als wenn die Kriegsschulden, die wir bezahlen müssen, eine Folge dieses einen Paragraphen wären anstatt Folge eines verlorenen großen Weltkrieges (lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien), das ist eine Torheit, die dem Volke vorgemacht wird. Lassen Sie uns das, was in bezug auf die Herabdrückung all der Lasten, die auf uns liegen, möglich ist, durchführen und lassen Sie uns moralisch einmütig den Kampf gegen jede Herabsetzung des deutschen Volkes führen. (Stürmischer Beifall bei den Regierungs⸗ parteien.)
Abg. Dr. Breitscheid (Soz.): Graf Westarp stellte es so dar, als ob eine Herabsetzung der Daweszahlungen für die hnächsten 10 Jahre erreicht sei, weil wir unsere parteipolitischen Wünsche verfolgt hätten, und Herr Hugenberg beschuldigt uns, daß wir marzistische Experimente machen. Er denkt aber in einem olchen Moment, wo es . darum handelt, die Lasten des eutschen Volkes zu erleichtern, an kannn g g Probleme. Auch der Auswärtige Etat steht unter dem Gesichtspunkt der . Die Aufwandsentschädigungen unserer Diplomgten haben vielfach eine unverantwortliche Höhe erreicht. (Sehr xichtig! bei den Sozialdemokrgten. Die Diplomaten haben aller⸗ , weitergehende Verpflichtungen als ein Beamter im In⸗ land, aber ihr Einkommen darf nicht so hoch werden, daß die Diplomatie wieder ein Luxusberuf für Leute mit eigenem Ver⸗ mögen wird. An den Repräsentationen und der ganzen Art des Auftretens im Ausland muß wiegt werden. War diesmal beim Völkerbundsrat eine so große Zahl von deutschen Delegierten wirklich notwendig? Unsere Diplomaten müssen im Ausland möglichst einfach auftreten; das Ansehen Deutschlands im Aus⸗ land Hängt nicht von dem Glanz der Feste, die, ein Botschafter oder Gesandter gibt, ab. Der, he tisch Einfluß in der Welt hat ich heute auf die minderbegüterten Schichten verschoben. Wenn etzt von der Umbesetzung des Botschafterpostens in London ge⸗
rochen wird, so bitte ich zu bedenken, daß in England jetzt eine egierung ist, die auf Aeußerlichkeiten am allerwenigsten etwas gibt. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) Die Diplomatie arbeitet nicht mehr nach dem alten Rezept der Höfe, der Adel lenkt nicht mehr die Geschicke der Völker. Es ist aber zweifelhaft, ob ein großer Teil unserer heutigen Diplomaten, die nach Her— kunft und Erziehung, mit den oberen, Zehntausend verkehren können, auch das nötige Verständnis für die Angehörigen der Arbeiterklasse haben. Wir fordern immer wieder die Demokrati⸗ sierung des deutschen Auslanddienstes, nicht als ob nicht auch unter 6 Adel sehr tüchtige Menschen wären, sondern weil dem diplomatischen ö Menschen angehören müssen, die die Inter⸗ essen der Arbeiterklasse wahrnehmen können. Für die Kultur⸗ propaganda im Ausland bedarf es keiner Prachtentfaltung, . des Respekts vor den geistigen Leistungen und ihren rägern, selbst wenn diese den betreffenden Batschaftern politisch nichk angenehm sind. Ich brauche dies wohl nur anzudeuten, um verstehen zu lassen, woran ich denke. An solchen Rücksichten auf . deutschen Leistungen fehlt es leider in manchen diplomatischen ertretüungen. Vor allem fordern wir, daß unsere Diplonigten 6h auf den Boden der Republikanischen Verfassung stellen sehr wahr! links), daß sie keinen Zweifel lassen, daß sie innerlich ht der Republik verwachsen sind. Es darf nicht sein, daß ein
gtschafter, wie es in den letzten drei Jahren vorgekommen ist, m zwei . drei Tage vor der Verfassungsfeier seinen nimmt.
Der Minister sollte sein Augenmerk darauf
richten. Es geht nicht an, daß von unseren Vertretern draußen die Verfassungsfeier des deutschen Volkes offen verhöhnt und lächerlich gemacht wird. — im Auswärtigen Etat sind auch bei den Fonds zu machen. Der Minister des Auswärtigen muß allerdings einen Betrag für spezielle Zwecke zur Verfügung e n. über dessen Verwendung er öffentlich nicht immer i eng abgeben kann. Aber der Minister selbst muß persönlich eine sehr strenge Kontrolle über die Verwendung führen. Wie war es möglich, daß solche Jeheimgelder durch die Hände des übel beleumdeten Hauptmanns Pabst gegangen sind? Wer war der Verantwortliche im Aus⸗ wärtigen Amt dafür? Wer hat es fertiggebracht, diesen Mann als Mittler zwischen der deutschen Regigrung und gewissen deutschen Verbänden im Ausland anzustellen? Wer war der Verantwortliche, und ist er zur Rechenschaft gezogen worden? Hauptmann Pabst soll nach unserer Nachricht noch in der deutschen Gesandtschaft in Wien aus⸗ und eingehen. Ich würde mich freuen, wenn der Mi— nister diese Nachricht dementieren könnte. Durch solche Dinge ent⸗ steht immer neues Mißtrauen gegen unsere Diplomatie, die man vielfach noch als einen Fremdkörper in dem Verfassungsbau der Deutschen Republik ansieht. Unsere Missionen müssen hinter der Politik stehen, die der Außenminister im k mit uns treibt. In dem Lesezimmer des Deutschen Konsulats Pilsen liegen nur rechtsstehende Blätter aus; wir verlangen auch die Aus⸗ legung von Zeitungen der Linksparteien. Der Handelsvertrag mit Estland darf nicht wegen der estnischen Barone verzögert werden, die zum Teil erst 1926 ihr Herz für die Deutsche Republik entdeckt haben. (Sehr wahr! links.) Es scheint aber, als liefen verwandt— ee lich Beziehungen der estnischen Barone in die Kreise, wo unsere auswärtige Politik gemacht wird. Auf die materiellen Interessen der Leute, die sich in den deutschen Staat eingeschlichen haben, darf nicht Rücksicht genommen werden. Im Völkerbund ist für den Schutz der nationalen Minderheiten noch kein großer Erfolg erreicht worden, aber es ist wenigstens die Erweite⸗ rung des Dreierkomitees auf fünf Personen und die Möglichkeit er⸗ reicht worden, die Minderheitenfrage in der Septembertagung nochmals zur Diskussion zu stellen. Erreicht ist, wenn man will, in der Vollversammlung des Völkerbundes die ganze Frage noch ein⸗ mal zu erörtern. Es fragt sich, ob in den letzten Tagen nicht mancherlei durch das Verfahren der Delegation versäumt worden ist. Wir hoffen, daß keine deutsche Delegation je zulassen wird, daß die Minderheitenfrage je wieder von der Tagesordnung ver— schwinden wird. Dann die Frage des Joung⸗Plans. Wir halten die Rede des Grafen Westarp nicht für „Geschwätz“, als das Herr in. in Marburg alle parlamentarischen Reden bezeichnet hat. (Heiterkeit) Wir nehmen diese Rede ernst. Nur können wir uns nicht mit allen Einzelheiten , Für uns liegen die Vor⸗ schläge der Sachverständigen vor. ir sind damit einverstanden, daß die Regierung diese Vorschläge als Grundlage für ihre eigenen Verhandlungen akzeptiert hat. Als Grundlage akzeptieren heißt von ihrer Grundlage aus Verbesserungen zu versuchen. Wir haben uns erst zu entscheiden, wenn die ö der Regierungs⸗ vertreter uns vorliegen. Wir könnten gegenüber den Nachteilen, die die Deutschnationalen hervorheben, alle die Vorteile des . Planes aufzählen. Sie (zu den Deutschnationalen) werden be⸗ . daß es solche Vorteile überhaupt gibt. Denn Sie halten en Dawes-Plan, den Sie unter Schmerzen geboren haben, für die beste aller Lösungen (Heiterkeit). Wir ö daß der Joung-Plan dem deutschen Volk neue ungeheure Belastungen bringen wird. Aber wenn wir die Wahl haben zwischen Dawes⸗ und Joung⸗Plan, dann müssen wir ihn zunächst einmal prüfen und dürfen ihn nicht von vornherein verwerfen, wie die Deutschnationalen; die Deutschnationalen sagen, es sei gleich, ob wir 2,5 oder nur 2, Milliarde zahlen sollen, wir könnten es doch nicht aufbringen. Das ist ebenso, als ob ein Schuldner sagt: Es ist gleich, ob ich 190 000 oder 266 009 Mark Schulden mache, ich kann doch keinen Pfennig zurückzahlen. Das ist ein Fatalismus und ein Leichtsinn, den wir uns nicht zu eigen machen. In München sind Vorlesungen über das Reparationsproblem gehalten worden. Anwesend waren vierzehn Studenten und nach fünf Stunden
noch einer. (Hört, hört! — Heiterkeit Die Münchener Studenten haben gegen den JYJoung⸗Plan protestiert. Nach
6 ö halten wir dies Studenten aber doch nicht für sachverständig. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten) Die Transferkrise, auf die Sie (zu den Deutschnationalen) rech⸗ nen, würde nicht zum Schaden der Gläubiger, sondern zum Schaden des deutschen Volkes und namentlich des deutschen Mittelstandes ausschlagen. Sie müssen doch auch anerkennen, daß die Revision des . ar vom Willen des Deutschen Reiches ah⸗ hängt, nicht vom . der Gläubiger allein. Im Wirtschafts⸗ bericht des Deutschen Kreditvereins heißt es, nach dem Joung⸗Plan Lien für die nächste Zukunft störende Momente nicht zu befürchten. Die Tendenz des deutschen Wirtschafts- und Finanzwesens weise nach oben. Und wer ist Aufsichtsratsvorsitzender des Deutschen Kreditvereins? Herr Hugenberg! (Lebhaftes Hört! hört! bei der Mehrheit). Herr Hugenberg hat offenbar eine Aufsichtsratsseele und eine Parteiführerseele. Ueber die Lastenverteilung wird es unter uns wohl noch zu lebhaften Auseinandersetzungen kommen. Die Sachverständigen wollen die deutsche 6 aus der Haft entlassen, sie fügen hinzu, darauf werde bei minderen Lastenaus⸗ gleich Rücksicht zu nehmen sein. Sollen wir etwa dem Young⸗ Plan zustimmen, nur damit einige Industrielle Vorteil davon haben, während der Gesamtetat des Reiches weiter Not leidet? (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten). Die Industrie wird inner⸗ politisch zur Tragung der Lasten stärker herangezogen werden müssen. Aber wir warten zunächst einmal ab, welchen Ausgang die Verhandlungen der Regierung über die Gesamtliquidierung des Krieges haben werden. Der JYoung⸗Plan würde noch uner— träglicher sein, wenn das Reich nicht die volle Sou⸗ veränität über seine Gebiete bekäme. Wir verlangen deshalb volle Räumung der besetzten Gebiete, auf die wir seit langem einen Rechtsanspruch haben. Frankreich hat die Verbindung der Räumungsfrage mit der Repa⸗ rationsfrage hergestellt, obwohl die deutsche Regierung sich lange dagegen gesträubt hat. Wir erwarten jetzt also eine Er— klärung von der Gegenseite. Es ist unmöglich, daß wir unsere Unterschrift unter den Joung⸗Plan vorausleisten. Der Schieds⸗ spruch von Locarno gibt allen Beteiligten alle notwendigen Ga— rantien. Auch muß jetzt zum mindesten die Erörterung über die Rückkehr des Saargebietes angeschnitten werden. Frankreich hat ür die zerstörten Kohlengruben in Nordfrankreich genügenden Er⸗ atz erhalten. Ueber das Wohl der Saarbevölkerung wird diese Bevölkerung selbst zu entscheiden haben; sie will nicht unter dem bisherigen Regime bleiben, aber auch nicht unter irgend eine Kontrolle kommen. Wenn im Young⸗Plan die Beseitigung aller Kontrollen beschlossen wird, muß auch die Kontrolle über das Saargebiet fallen. Unsere Hoffnung auf solche Auswirkunger sind gestärkt durch den Eintritt der Arbeiterpartei in die englische Regierung. Diese Partei tritt mit uns seit Jahren für die Räumung der Rheinlande ein und ebenso tut es die französische , Partei, die Fleisch vom Fleische der deutschen Sozial⸗ emokratie ist. Die Deutschnationalen erklären, mit den Sozial⸗ demokraten sei keine Politik zu machen. Ich glaube, wenn 3 land siegreich gewesen wäre und wir heute für unsere französischen Brüder eintreten sollten, dann würden wir des Vorwurfs des Landesverrats noch weniger sicher sein als heute. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokrgten). Der neue amerikanische Botschafter in London, Dawes, äußerte, die militärischen Sachverständigen könnten die Abrüstung nicht machen. Sachverständige sollten die Staatsmänner überhaupt immer nur beraten, sie dürften nicht stärkeren Einfluß bekommen. Sie zu den Deutschnationalen) werfen uns vor, daß wir Ihre Demonstrationen gegen die Kriegs⸗ schuldlüge nicht mitmachen. Wir fühlen uns zu stolz, um mit Ihnen gemeinsame Sache zu machen, da Sie uns sagen, mit uns ei keine Politik zu machen. Sie haben ja sogar einen Partei— reund des Außenministers Stresemann nicht für national genug
gehalten, um in einer solchen Versammlung zu sprechen. (Hört! hört! Herr Staatssekretär Schubert, bekommen diese Ver— bände, die gegen die Kriegsschuldlüge demonstrieren und die den Parteifreund Ihres Ministers nicht sprechen , Unterstützungen vom Auswärtigen Amt? Nur die Entwicklung der Arbeiter⸗ ter g ng in allen Ländern wird den Triumph der Gerechtigkeit, den Sieg der Vernunft und den Frieden der Welt zur Folge haben. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Abg, Ulitzka (Zentr) hebt hervor, daß seit der langen außenpolitischen Stagnation jetzt eine Wendung eingetreten 91 von der man aber noch nicht wisse, ob sie zu einer Besserung führen werde. Je länger man . mit dem neuen Plan be— hatte, je schwerer werde einem die Entscheidung, ob man unter⸗ hreiben solle oder nicht. Die Deutschnationalen hätten bei der Beurteilung des a elch, Uebertreibungen vorgebracht, die 6. seien, den Ernst des Urteils zu beeinträchtigen. Das Recht der nationalen Opposition zur Kritik erkennt der Redner an, nur möge sie in den schweren Don, der bevorstehenden Entscheidungen nicht wieder eine große Hetze vergnlassen. Der Anfang damit sei schon wieder gemachk in einem Artikel, in dem behauptet werde, der Versailler Vertrag sei in der Weimarer Nationalversammlung gar nicht ordnungsgemäß angenommen worden. Gewissen generellen Betrachtungen über den Houngplan wird man sich, so erklärt der Redner, nicht entziehen können. Er bedeutet eine schwere Enttäuschung. Er bringt eine ungeheure Belastung des deutschen Volles auf zwei Generationen mit sich. Man wird ihm nicht ohne Vorbehalte zustimmen können; daher auch die von den Sachverständigen gemachten Vorbehalte. Männer wie Fehrenbach und Marx haben die Untragbarkeit der . auch schon vorausgesagt. Eine jährliche Belastung von hundert Mark pro Kopf der Steuerpflichtigen kommt dabei heraus. Mit Bedauern stellt der Redner fest, ö. in dem Urteil der Sach⸗ berständigen eine Empfehlung des Abbaues dex hohen Schutzzoll⸗ mauern der übrigen Länder vollkommen fehlt. Hierzu wäre gerade eine günstig Gelegenheit gewesen. Der Youngplan be⸗ deute eine ungeheure Zumutung für das den tsche Volk. Wir stehen, so erklärt der Redner, vor einer Gewissensfrage, deren Beantwortung unser Schicksal entscheidet. Würden wir . Plan nicht annehmen, dann würde das geschehen mit der vollen Ver⸗ antwortlichkeit; da befinden wir uns vollkommen im Einver⸗ nehmen mit der Aeußerung unseres Parteivorsitzenden: Lieber ein ehrliches Nein als ein falsches Ja! Wir müssen aber die Pariser Einigung sehen im großen Zusammenhang der ganzen politischen , Die Lösung des Repargtionsproblems ist nicht nur eine Aufgabe Deutschlands, sondern aller beteiligten Länder. Ohne guten Willen oder i i . Vertrauen sind alle Verein⸗ barungen ohne Wert. Wir haben genügend Beweise für unseren guten Willen gegeben. Daher müssen wir heute an die anderen Mächte appellieren: Was wollt Ihr aus dem YJoungplan machen?, Soll er nur ein Schema zur Eintreibung der Forderungen an Deutschland sein? Dann ist kekne Möglichkeit der Annahine ge— geben. Wir verlangen in erster Linie aber Bescheid über die Stellung der Mächte zur Frage der Rheinlandräumung. (Sehr richtig! Das deutsche Volk am Rhein knebelt man . seit einem Jahrzehnt. eh wahr!! Für die 1 e der nationalen Ehre sollte gerade Frankreich besonderes Verständnis haben. Das bisherige Spiel mit der Räumung darf nicht weitergetrieben werden. E Klarheit über die Räumung! Das ist eine Frage, die mindestens gleichzeitig mit der Entscheidung gelöst werden muß. „Deutschland ist in den Völkerbund aufgenommen worden, aber die Erwartungen der Locarnopolitik sind nicht erfüllt worden. Von einem wirklichen Frieden kann nicht 9e prochen werden, . noch fremde Truppen auf deutschem Boden stehen. Wir
. bereits alle Garantien erfüllt, die nach dem Vertrag von Versailles uns berechtigen, die vorzeitige Räumung zu ver⸗ bedarf keiner neuen Kontrollen mehr. Unser
langen. Es . ist in dieser Frage einig und muß einmütig hinter unseren Unterhändlern . damit sie das Beste beim Youngplan erreichen. Wir verlangen die Räumung gratis und franko, aber nicht per Nachnahme. Die Franzosen verlangen die Feststellungs⸗ und e nner en Diese Kommission ist überflüssig. Wozu brauchen die Franzosen noch eine solche Kommission? Frankreich ist doch wahrlich ge⸗ nügend geschützt und gesichert. Gran e nicht ein unbeschränktes Vertrauensverhältnis unter den Staaten besteht, ist es unmöglich, die schweren Aufgaben des YJoungplanes zu erfüllen. Wir können uns nur freuen, wenn der Minister für das besetzte Gebiet am Sonnabend auf die dankbare Aufgabe hingewiesen hat, das wertvolle Gebiet wieder aufzubauen. Und wenn ich dabei den Wunsch ausspreche, daß man neben der großen Fürsorge für das besetzte Gebiet auch den Osten nicht vergessen möchte, so hat auch der Minister am Sonnabend, als er vom Ausbau des Westens sprach, gesagt, daß man auch an den Osten denken müsse. (Beifall.) Im Sinne der Genfer Abmachung vom vorigen Jahr sollte die Gesamtliquidation des Krieges erfolgen. Wenn man aber das Gesamtproblem der deutsch⸗französischen Beziehungen lösen will, so kann man an der Saarfrage nicht vorbeigehen. Diese Frage ist noch immer ein Hemmnis für die Verständigung, Es liegt im eigenen Interesse Frankreichs, daß diese Frage gelöst wird, oder soll ctwa der wirtschaftliche und seelische Bankerott des Saar⸗ gebiets herbeigeführt werden? Die Abschnürung kann eine solche Folge zeitigen. Die Bevölkerung des Saargebiets ist, bis auf verschwindende Ausnahmen, durch und durch deutsch. (Lebhafter Beifall.) Ich warne vor den Eprschütterungen, die mit Experi⸗ menten immer verbunden sind. Wer wirklich den Frieden will, muß auch die Saarfrage im Sinne der Bevölkerung bald lösen. Dem sozigldemokratischen Redner gegenüber meine ich, daß wir der Bevölkerung überlassen wollen, wo sie ihr Schicksal am besten aufgehoben glaubt. Neben der Reparationsfrage ist keine andere Frage für den Frieden Europas so entscheidend, wie die Lage der Minderheiten. Ueber den , ,, man seit Jahren schöne Worte gesprochen, aber den schönen Worten nicht die Taten folgen lassen. (Sehr richtigl Das Minderheitenproblem hat grundsätzliche politische Bedeutung: es ist die Frage, wie das Per⸗ hältnis der Minderheiten zum Staat und zum Volkstum zu lösen ist. Die geheiligten Rechte der ,, sind in den Minder⸗ heitenverträgen niedergelegt. Die Begründung des Dreier⸗ omitees spricht auch mit schönen Worten von den Rechten der Minderheiten, leider hat das Komitee aber nicht den Mut ge⸗ funden, aus diesen Erwägungen die Folgerungen zu ziehen. Ver— schiedene Staaten haben durch den Krieg auf Grund des Ver⸗ trags von Versailles Gebiete mit starken Minderheiten bekommen, und sie haben sich verpflichtet, die Verantwortung dafür zu über⸗ nehmen, daß die Minderheiten ihre Rechte und Freiheiten be⸗ halten; aber es sind wohl schöne Grundsätze aufgestellt worden, wir sehen aber keine Konsequenzen. Die Garantie des Völker⸗ bundes für die Minderheiten ist niemals wirksam in die Er⸗ scheinung getreten. Man hat sich nur mit der Frage der Be⸗ ,. beschäftigt und das Beschwerdeverfahren einigermaßen ,,, Das bisherige System diente dazu, die Petitionen einfach abwürgen zu können. (Sehr richtig!) Der Redner schildert
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
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8
1929
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Inhalt des amtlichen Teiles: Dentsches Reich.
Bekanntmachung über den Londoner Goldpreis.
Bekanntmachung, betreffend die 80 Lübeckische Staatsanleihe von 1928.
Preußen.
Bekanntmachung, betreffend die Ziehung der 4. Klasse der 33. Preußisch⸗Süddeutschen Klaffenlotterie.
Amtliches.
Deutsches Reich.
D m a chung über den Londoner Goldpreis gemäß § 2 der Ver— ordnung zur Durchführung des Gesetzes über wert— beständige Hypotheken vom 29. Juni 19233 (RGBl. 1 S. 48). Der Londoner Goldpreis beträgt für eine Üinze Feingold.? ...... 84 sh 114 d, für ein Gramm Felngold demnach .. 32, 777 Pence. Vorstehender Preis gilt für den . an dem diese Bekannt⸗ nachung im Reich anzeiger in Berlin erscheint, bis einschließlich des Tages, der einer im Reichsanzeiger erfolgten Neuveröffentlichung vorausgeht. Berlin, den 26. Juni 1929. Reichsbankdirektorium. Dreyse. Ehrhardt.
8 Ye Lübeckische Staatsanleihe von 1928.
Die im Jahre 1929 planmäßig zu tilgenden RM 200000 Schuldverschreibungen der obigen Anleihe sind durch freihändigen Ankauf gedeckt.
Lübeck, den 24. Juni 1929. Die Finanzbehörde.
Preußen. Generallotteriedirektion.
. nl osz zur 4. Klasse der 33. Preußisch⸗ Süd deutschen 259. Preußischen) Klassenlotterie sind nach den 55 6 und 13 des Lotterleplans unter Vorlegung des Vorklassenloses und Entrichtung des Einsatzbetrages spätestens bis Freitag, den 5. Juli 1929, 18 Uhr, bei Vermeidung des Verlustes des Anspruchs bei dem zuständigen Lotterie einnehmer zu entnehmen.
Die Ziehung der 4. Klasse 33/259. Lotterie beginnt Frei⸗ tag, den J. Jull 1929, 8 Uhr, im Ziehungssaal des Lotterie⸗ gebäudes, Jägerstraße 56.
Berlin, den 24. Juni 1929.
Generaldirektion der Preußisch⸗Süddeutschen Staatslotterie.
/ /// / / Nichtamtliches.
Deutscher Reichstag. 94. Sitzung vom 24. Juni 1929. a cht r eg
Die zweite Rede, die der Reichsminister des Auswärtigen Dr. Stresemann im Laufe der Debatte gehalten . lautet nach dem vorliegenden Stenogramm, wie folgt:
Meine Damen und Herren! Im Verlauf der heutigen Debatte haben verschiedene der Herren Abgeordneten, ins⸗ besondere die Herren Dr. Schnee und Dr. Bell, von der Not⸗ wendigkeit eigener deutscher Rohstoffgebiete gesprochen und sich dabei auf das deutsche Memorandum vom Dezember 1924 berufen. Dieses Memorandum geht bekanntlich von der Erwartung aus, daß Deutschland zu gegebener Zeit aktiv am Mandatssystem beteiligt werde, wodurch die Rohstoffbasis der deutschen Wirtschaft erweitert würde. An dieser Auffassung hält die deutsche Re⸗ gierung nach wie vor fest, sie stimmt in dieser Beziehung mit den Ausführungen der beiden Herren Abgeordneten völlig überein. 96. Im Zusammenhang damit haben die genannten Herren Abgeordneten auch die britischen Unifizierungspläne in Ostafrika erwähnt, wie sie in dem Bericht der sogenannten Hilton⸗Houng⸗
haben dabei die Mahnung an die Regierung gerichtet, sich nicht vor vollendete Tatsachen stellen zu lassen. Auch nach meiner Auffassung sind die Vorschläge der genannten Kommission in ihrem Endziel mit dem Mandatscharakter Ostafrikas nicht ver— einbar, wenn auch in dem Bericht mehrfach hervorgehoben ist, daß ste mit dem Mandatsstatut übereinstimmen. Es entstünde eine politische Union innerhalb des britischen Reiches; das Mandatsgebiet verlöre seine staatsrechtliche Freiheit und würde zu einer Provinz der Ostafrikanischen Union, innerhalb deren es von anderen Bundesmitgliedern majorisiert werden könnte. Die Eingeborenen, welche nur bis zur politischen Reife unter Vormundschaft bleiben dürfen, würden darin dauernd fest⸗ gehalten. Es gingen dadurch gerade die charakteristischen Merk— male des Mandats: Internationalität, staatsrechtliche Eigen⸗ persönlichkeit, die Nichtsouveränität des Mandats und ihre zeit⸗ liche Begrenzung verloren. Artikel 10 des Tanganjika⸗Statuts kann als Stütze der britischen These schon deshalb nicht in An— spruch genommen werden, weil dort nicht von politischer, sondern nur von Zoll⸗, Finanz- und Verwaltungsunion die Rede ist. Zudem muß diese Stelle im Sinne des Artikels 22 des Völker— bundsstatuts ausgelegt werden, zu dessen Ausführung sie be⸗ stimmt ist und das die englische Regierung ohne Zustimmung aller Versailler Vertragsmächte nicht ändern darf.
Die deutsche Regierung beabsichtigt, zunächst abzuwarten, mit welchem Ergebnis der nach Afrika entsandte Unterstaats— sekretär Wilson zurückkehrt und wie sich die britische Regierung dazu stellt. Eine tatsächliche Bedrohung des Mandatssystems würde die deutsche Regierung aber, wie ich in diesem hohen Hause schon einmal gesagt habe, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern suchen. Wir hoffen dabei die Unter— stützung aller zu finden, die in dem Mandatssystem einen wesent⸗ lichen Bestandteil der den Weltkrieg abschließenden Verträge sehen. (Lebhafte Zustimmung.)
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, im Anschluß hieran auf Ausführungen zu sprechen zu kommen, die der Herr Abgeordnete von Freytagh⸗Loringhoven speziell zu diesem Punkt hier gemacht hat. Herr von Freytagh⸗Loringhoben hat, wie ich aus dem Bericht der Telegraphen-Union entnehme, der mir schon vor seiner Rede vorlag (große Heiterkeit links und in der Mitte), gesagt:
.Und da geht Stresemann hin und schließt am 10. Dezember
1928 einen Auslieferungsvertrag mit England, nach dem die
Einwohner der Mandatsgebiete als britische Staatsangehörige behandelt werden sollen.
Meine Herren! Wie ist nun der Wortlaut des Noten— austauschs, der sich auf dieses Mandatsgebiet bezieht. Es heißt in dem Absatz 2, den Herr v. Freytagh⸗Loringhoven wahrschein⸗ lich meint:
Die Anträge auf Auslieferung aus und nach diesen Gebieten sollen in derselben Weise gestellt werden, als wenn diese Ge⸗ biete auswärtige Besitzungen Seiner Britischen Majestät und die Angehörigen der Eingeborenen dieser Gebiete britische Staatsangehörige wären. (Zuruf von den Deutschnationalen: Na alsoh — Nein, nicht „Na also“! Es ist ja gerade das Gegenteil. (Leb⸗ hafte Zustimmung und Heiterkeit links und in der Mitte) Die Einwohner dieser Gebiete sollen ihre Anträge so stellen, als wenn sie Untertanen der britischen Nation wären. Daraus geht klar hervor, daß sie es nicht sind! (Zuruf von den Deutschnationalen.) — Ich habe im Augenblick nicht verstanden, was Sie eben reden. Man braucht aber nicht Außenminister zu sein, sondern nur einen praktischen gesunden Menschenverstand zu haben, um zu ver⸗ stehen, was hier gesagt wird. (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien Ich finde: gerade wenn England darauf hinausgeht, dieses Mandatssystem zu ändern, würde es niemals einem solchen Notenwechsel zustimmen können. (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien Herr v. Freytagh⸗Loringhoven hat ja nachher auch gesagt, anscheinend habe das nur formellen Charakter. Wenn ich jemand sage: du sollst so behandelt werden, als wenn du zu diesem Lande gehörst, dann stelle ich damit fest: du gehörst nicht zu diesem Lande; nur in dieser rein formellen Frage sollst du so behandelt werden, als wenn es so wäre. Also ich glaube, daß nach dieser Richtung aus dem dem Reichstag vorgelegten Vertrag nicht die geringsten Folgerungen gezogen werden können, als ob hier wieder einmal „deutsche Rechte leichtfertig vom Aus⸗ wärtigen Amt preisgegeben worden seien“.
Meine Herren, ich möchte dann auf verschiedene Ausführungen zu sprechen kommen, die im Laufe der Debatte erfolgt sind. Der Herr Abgeordnete Dr. Breitscheid hat in seiner Kritik an manchen Erscheinungen im Auswärtigen Amt unter anderem darauf hin⸗ gewiesen, was schon vor ihm der „Vorwärts“ getan hatte, daß
Kommission zum Ausdruck kommen. Die Herren Abgeordneten
die Zahl derjenigen Personen, die auf der Konferenz in Madrid
anwesend waren, eine außergewöhnlich große gewesen sei. Ich gebe zu, daß es zunächst einen eigentümlichen Eindruck auf den Unbeteiligten machen kann, wenn er hört, daß die Zahl der deutschen Vertreter — aber mit allen Hilfskräften, die in Betracht kommen! — 41 beträgt. Gestatten Sie mir aber, darauf hinzu⸗ weisen, daß ich anläßlich meines kürzlichen Aufenthalts in Paris in der französischen Presse das Bedauern gelesen habe, daß die französische Delegation nicht so wie die deutsche für alle in Betracht kommenden Fragen ihre Sachverständigen zur Stelle habe; es ist der dringende Wunsch ausgesprochen worden, daß ei der künftigen politischen Konferenz doch die französische Re⸗ 5
E gierung in der Beziehung es an nichts fehlen lassen möge.
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Ich darf bei der Gelegenheit gleich auf einen ähnlichen Vor⸗
wurf zu sprechen kommen, den der Rechnungshof beim Aus— wärtigen Amt erhoben hat, und zwar handelt es sich um die Londoner Konferenz von 1924. Meine Herren, an sich ist es überhaupt eine eigentümliche Situation, wenn man fünf Jahre nach einer Konferenz die Beanstandungen über das liest, was dabei geschehen sei. Es wird darauf hingewiesen, daß die Zahl der Vertreter der deutschen Delegation, die anfänglich mit 46 angemeldet waren, später auf 72 gestiegen sei, und daß die deutsche Regierung — nicht das Auswärtige Amt, sondern die Reich s⸗ regierung hatte diese Konferenz zu führen — sich anscheinend in einem großen Irrtum befunden hätte und nun für die später nach London kommenden Vertreter zu zahlen hatte, während die angemeldeten Vertreter Gäste der englischen Regierung waren. Daß sich dabei der Satz befindet: „Und dabei wurden die Später⸗ kommenden genau so behandelt wie die Eingeladenen“, verstehe ich nicht ganz; denn schließlich mußten sie ja wohl selbstverständlich ebenso behandelt werden. Was man dabei vergessen hat, ist, daß im Laufe der dreiwöchigen Londoner Konferenz eine ganze Reihe von Fragen auftauchten, die mit dem Londoner Zahlungs⸗ plan gar nichts zu tun hatten, die ganze Polizeifrage, Verhand⸗ lungen über damals noch nicht geregelte Angelegenheiten. Sie wissen, wie viele Ausstände in bezug auf die Verhandlungen der Länder untereinander bei dieser Konferenz aufiauchten und infolgedessen auch neue Persönlichkeiten angeordnet werden mußten. Daß im übrigen verschiedene Länder entscheidendes Gewicht darauf legten, neben der Reichsregierung vertreten zu sein, liegt in der Struktur unsenes Reichs, und das Auswärtige Amt war in dieser Beziehung wohl mehr das Gezwungene als das Vorangehende. . Was ich aber noch mehr bedauert habe, ist der Umstand, daß jetzt in dem Bericht des Rechnungshofs eine Kritht daran zum Ausdruck kommt, daß ein Ministerialdirektor des Auswärtigen Amts eine Reise nach den Vereinigten Staaten von Amerika ge⸗ macht habe, und zwar zum Studium der Verhältnisse der Rüͤck⸗ gabe des deutschen Eigentums. Bei aller Notwendigkeit des Sparens und der Ueberprüfung des ganzen Geschäftsgebarens meines Amts muß ich doch Wert darauf legen, daß die politische Entscheidung darüber, ob ein hoher Beamter des Auswärtigen Amts nach den Vereinigten Staaten von Amerika zum Studium einer für die deutsche Wirtschaft so wichtigen und in die Milliarden⸗ werte hineingehenden Frage geht, dem Amt überlassen bleiben muß. (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien) Man kann mir Vorwürfe machen, wenn diese Neise zuviel kostet; aber die Entscheidung über die Reise selbst ist nicht Sache des Rechnungs⸗ hofs, sondern Sache des betreffenden Ministers. (Sehr wahr! bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abgeordneten Torgler.) — Ich weiß nicht, was die Reise nach Madrid mit dem Studium der Frage der Rückgabe des deutschen Eigentums in den Ver⸗ einigten Staaten zu tun hat. — (Sehr gut! und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)
Es ist weiter sowohl von dem Herrn Berichterstatter Dr. Hötzsch als auch von Herrn Dr. Breitscheid die so oft im Haupt⸗ ausschuß erörterte Frage der Repräsentation unserer deutschen Vertreter gestreift worden. Ich stimme Herrn Dr. Hötzsch und Herrn Dr. Breitscheid darin vollkommen zu, daß auch in der Repräsention, in dem Auftreten, in dem gesellschaftlichen Verkehr der deutschen Vertreter zum Ausdruck kommen soll, in welcher schweren wirtschaftlichen Lage sich das Deutsche Reich befindet. Gestatten Sie mir aber auch, auf das eine hinzuweisen, was ich im Hauptausschuß auch zum Ausdruck gebracht habe: vielfach ist es nicht die Initiative unserer Vertreter, die sie veranlaßt, diese gesellschaftliche Repräsentation zu übernehmen, sondern vielfach werden sie dazu gezwungen von denjenigen aus der Heimat, die mit Empfehlungsschreiben anderer dort hinkommen und sich in der Heimat beschweren, wenn sie nicht sofort den gedeckten Früh⸗ stückstisch in der Botschaft vorfinden. (Zustimmung) Wenn in einer Botschaft wie der zu Madrid in zwei Monaten 200 Einzel⸗ besucher aus Deutschland erscheinen und wenn dann auch, wie sie wünschen und was auch für den Zusammenhang zwischen dem