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Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 278 vom 28. November 1929. S. 4.
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106. Sitzung vom 27. November 1929, 12.20 Uhr. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.)
Der Preußische Landtag berät in seiner heutigen Sitzung
zunächst über den Antrag des ( 3 nungsausschusses, in 22 Fällen die Jmmunität von kommunistischen und nationalsozialistischen Abgeordneten zur Durchführung von Strafverfahren aufzuheben. Soweit es sich um kommunistische Abgeordnete handelt, wird allein in dier Fällen die Strafverfolgung des Abg. Golke, in drei Fällen die der Abgg. Leps und Merker verlangt. Die nationalsozialistischen Abgeordneten Lohse⸗Altona, Kube, Dr. Ley und Kaufmann-⸗Elberfeld sollen wegen Be⸗ leidigung durch die Presse verfolgt werden. Gegen den Abg. Kube wird vom preußischen Innenminister Strafantrag estell wegen der von ihm übernommenen Behauptung, hre ler Grzesinski habe sich in Bremen so stark be⸗ trunken, daß man ihn durch eine spanische Wand vor den Blicken der Leute schützen mußte. Die Strafanträge gegen die Kommunisten gründen sich auf Verstöße gegen das Demon— strationsverbot am 1. Mai d. J.
Abg. Schulz ⸗Neukölln (Komm.) beantragt, die Materie dem Geschäftsordnungsausschuß zurückzuverweisen, da der Reichs— tag in den Fällen gleicher Strafanträge wegen der Maidemon— strationen die Immunität nicht aufgehoben habe.
Abg. Ru schke (Dem.) wendet sich gegen die Rückverweisung, weil der Landtag seine selbständige Geschäftsführung aufrechtzu erhalten hätte und z. B. 1923 bei den Unruhen die Strafver⸗ folgung von Kommunisten nicht erlaubt hätte, während dies da⸗ mals im Reichstag der Fall war.
Abg. Jürgensen (Soz.) wünscht, daß die Entscheidung
über die Anträge jetzt herbeigeführt werde, erklärt aber, seine Freunde würden die Aufhebung der Immunität der Kömmu—
nisten ablehnen.
Die Zurückverweisung der Anträge an den Ausschuß wird gegen die Nationalsozialisten und Kommunisten abgelehnt. ̃ Als Berichterstatter begründet Abg. Nuschke (Dem) den Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abg. Kube (Nat. Soz.). Kube habe in Neden im Lande behauptet, Minister Grzesinski hätte bei einem Frühstück des Bremer Senats schon nach einer Stunde so viel Alkohol zu sich genommen, „daß er das von sich gab, was die anderen erst zu sich nahmen.“ Ein Kellner habe die anderen Gäste durch eine spanische Wand vor diesem Anblick ge⸗ schützt. Denigegenüber habe Minister Grzesinski durch eigene Be⸗ kundung nachgewiesen, daß er überhaupt keine Einladunng vom Bremer Senat erhalten habe. (Lebhaftes hört, hört! links und in der Mitte.) Angesichts der außerordentlichen Schwere der Be— schuldigung habe der Geschäftsordnungsausschuß einmütig, allein gegen die Kommunisten, die Strafverfolgung Kubes freigegeben.
Nachdem Dr. Rosenfeld (Soz.) in der Debatte mit geteilt hat, daß seine Freunde sich bei der Abstimmung über die Aufhebung der Immunität von Kommunisten wegen der Zwischenfälle am 1. Mai der Stimme enthalten würden, führt
Abg. Kube (Nat. Soz) aus, seine Freunde würden sich bei der Abstimmung über den Strafantrag Grzefinski gegen ihn der Stimme enthalten. Zur Sache habe er zu erklären, daß die eidkräftigen Polizeisubstituten des Herrn Grzesinski, die seine Ver⸗ sammlungen belauert hätten, wieder einmal . Aussagen gemacht hätten. Er habe nicht behauptet, a sich der Vorfall in Bremen abgespielt habe, sondern in Bremerhaven, und zwar im Hotel Exzelsior. Minister Grzesinski sei fonst nicht so empfindlich und benutze selbst für sich die Schimpffreiheit, indem er kleine an,. der Nationalsozialisten in pöbelhaftem Ton beantworte, obwohl der Landtagspräsident diese Anfragen habe durchgehen lassen. In Nr. 10 des „Herold“, Jahrgang 1925, seien ähnliche 6 Vorwürfe gegen Grzesinski enthalten, ohne daß man bis heute den Staatsanwalt mobilgemacht habe. Wenn der Minister gegenüber ihm, dem Redner, anders verfahre, so wolle er eben nur politische Gegner in der gehässigsten Weise kaltstellen. (Ge⸗ lächter bei den Sozialdemokraten. Die Nationalsozialisten sähen darin ein System der politischen Verfolgung. Die Nationalfozia⸗ listen würden gegen die Aufhebung der Immunität der Kommu⸗ nisten stimmen. Wenn man die Sppositionsparteien in Preußen anständig behandeln würde, würden auch sie ihr Temperament zügeln. Wenn aber der oberste Hüter der Ver assung, Reichsinnen⸗ minister Severing, öffentlich bei Erörterung der Bombenattentate vor Klärung durch das Gerichtspverfahren von „national⸗ sozialistischen Banditen“ spreche, dürfe man sich nicht darüber wundern, wenn die Opposition nach dem Wort des Alten Testa— ments handele: „Auge um Auge!“
Abg. Schulz⸗Neukölln (Comm.) zieht sich einen Ordnungs⸗ ruf zu, als er von der „Schwindlerparkei der Nationalsozialisten“ spricht. Ueber die Mai⸗Vorgänge, wegen deren die kommu— nistischen Abgeordneten jetzt bestraft werden sollten, habe der be⸗ kannte Untersuchungsausschuß der Liga für Menschenrechte ob⸗ jektive Feststellungen getroffen. Danach seien 30 Tote, 81 Schwer⸗ verletzte, viele hundert Leichtverletzte und weit über 1000 Ver⸗ haftungen das Ergebnis des 1. Mai gewesen. Die amtliche Be⸗ richterstettung des W. T. B. über die Vorgänge hätte auf Lügen beruht. Der Ausschuß unter Führung Stephan Großmanns habe u. a. die soforlige Amtsenthebung Zörgiebels gefordert. Der Ausschuß der Liga habe ausdrücklich, zum Teil durch Aussagen von Polizeioffizieren, festgestellt, daß die Polizei für das Blut⸗ vergießen am 1. Mai verantwortlich gewesen sei, weil ihre Führer, 3 der jetzige Leiter der Polizei⸗Abteilung des Innenmini— steriums, gerne „Krieg gegen den inneren Feind“ führten, der ö ie immer links stehe. Aus diesen Feststellungen ergebe sich der Charakter von Zörgiebel und seiner sozialdemokratischen Mörder⸗ partei. Präsident Bartels erteilt dem Redner den zweiten Ord⸗ nungsruf.) Selbst nach Ausführungen bürgerlicher Journalisten habe die Polizei am 1. Mai in Neukölln und am Wedding schon das stumme Erstaunen über die Aufbietung so großer Heeresmacht mit dem Gummiknüppel oder mit dem Erschießen der Arbeiter und Kleinbürger geahndet.
Abg. Nuschke (Dem.): Die Anklagen des Abgeordneten Schulz⸗Neukölln sind nur eine Wiederholung der seinerzeitigen Maidebatte. Neu ist aber der Abgeordnete Kube (Nat. Soz.) in der Rolle des Oberzeremonienmeisters, der empfindlich gegen scharfe Kritik ist. Mit seinen Wahlerfolgen brauchte Kube nicht u prahlen, denn in Zeiten wirtschaftlicher Bedrängnis gewinnen ie Radikalen immer. Schon 1924 hatten wir einmal mehr als 20 Völkische im Reichstag, die bei den sechs Monate später er⸗ folgenden Neuwahlen nicht einmal mehr Fxaktionsstärke erreichen konnten. Herr Kube selbst, der von den Deutschnationalen über die Völkischen zu den Nationalsozialisten gelangte, wird beim nächsten Konjunkturwechsel vielleicht den jetzt von ihm so scharf angegriffenen Minister Grzesinski um persönlichen Schutz vor den nationalsozialistischen Rowdys ersuchen, wie er ähnlich schon ein⸗ mal handelte. Die Nationalsozialisten verwechseln parlamenta⸗ rische Freiheit mit Beleidigungsfreihet. Dagegen muß man sich schützen. (Anhaltende Lärmkundgebungen der Nat.⸗Soz.)
Damit schließt die Debatte. . In persönlicher Bemerkung erklärt Abg. Kube (Nat. Soz), err Nuschke hatte seine Rede schon eingelernt, bevor er die utigen Ausführungen der Nationalsozialisten kannte. Er, Kube, nicht gegen die 2 seiner Immunität timmen. Solange die demokratische Presse selbst mit e mn. ungen arbeite, sei die Haltung Nuschkes gegen die Schimpffreiheit elende Heuchelei. (Abgeordneter Kube erhält einen Ordnungsruf.) Nach weiteren persönlichen Bemerkungen der Abgg. Nuschke (Dem) und Kube (Nat. Soz) wird über die Anträge des Geschäftsordnungsausschusses auf Aufhebung der
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Geschaftsord⸗
Immunität der kommunistischen und nationalistischen Ab⸗ geordneten abgestimmt.
Die Anträge auf Aufhebung der Immunität der kom⸗ munistischen Abgeordneten wegen der Verstöße gegen das Demonstrationsverbot am 1. Mai werden abgelehnt mit 187 Stimmen der Kommunisten, Sozialdemokraten, Wirt⸗ schaftspartei, Deutschen Fraktion und Nationalsozialisten gegen 156 Stimmen der Deutschnationalen, Deutschen Volks⸗ partei, Zentrum und Demokraten. (Beifall bei den Kom⸗ munisten) Nach Bekanntwerden dieses Ergebnisses verlassen die Deutschnationalen demonstrativ den Sitzungssaal.
Die Aufhebung der Immunität des Abg. Kube (Nat. Soz) wegen der erwähnten Beleidigung des preußischen Qnnenministers Grzesinski wird gegen Wirtschaftspartei, Deutsche Fraktion, Kommunisten und die Abgg. Diehl (Zentr.) und Schmelzer (Zentr.)) beschlossen. Die Nationalsozialisten enthalten sich der Stimme. Im übrigen wird aufgehoben die Immunitat der nationalsozialistischen Abgg. Lohfe Altona, Dr. Ley und Kaufmann ⸗Elberfeld wegen Beleidigungen durch die Presse sowie des Abg. Tunke! (Komm.) wegen Leistung des Offenbarungseides. .
Hierauf wird die am Dienstag abgebrochene des Städtebaugesetzes fortgesetzt.
Abg. Köthe nb ürger (Zentr.) führt zum Städtebaugesetz u. a. folgendes aus: Nachdem im vorigen Landtag das Stadte⸗ baugesetz in 65 Ausschußberatungen beraten worden ist, trat in
Beratung
der öffentlichen Meinung eine wesentlich günstigere Beurteilung des Gesetzes ein, und er hoffte, daß durch die erneute Beratung noch etwa bestehende Einwände ausgemerzt werden würden und die Vorlage zur allgemeinen Zufriedenheit verabschiedet werden konnte. Er begrüßt das Gesetz zur Zusammenfassung der vielen Gesetze und Verordnungen und zur Modernisierung unseres Stadtebaues im Interesse der Gesundung unseres Wohnungs⸗ wesens und damit der Gesundung unseres Volles. Er bedauert das Fehlen des Abschnitts zur Umlegung, da hierdurch die Planung wesentlich erleichtert werden koͤnnké und manche Härte dem Grundbesitz gegenüber restlos ausgemerzt werden würde. Auch im Interesse der Gemeinden wäre ein Umlegungsgesetz erwünscht, da hierdurch eine wesentliche Erleichterung der Steuerbelastung' und sast vollständige Beseitigung von Enteignungen zu erreichen sei. Bei der Beratung sei aüf die schwierige Wirtschaftslage besonders Rücksicht zu nehmen, er glaube aber, daß dieses gerade durch ein Städtebaugesetz möglich sei, da eine planlose Stãdtebau⸗ entwicklung sicher teurer sei als eine geordnete. Seine Partei wolle an der Verabschiedung des Gesetzes zum Gesamtwohl des Volkes mitarbeiten und den Richtlinien des Kölner Parteitags entsprechend unbillige Enteignungen vermeiden. ( Abg. Schulz Neukölln (Komm.) betont, Städtebau im Interesse der Allgemeinheit könne man durch Enteignung mit Entschädigung nicht treiben. Die Gemeinden würden! dig un? geheuren Entschädigungssummen gar nicht aufbringen; sie würden daran bankerott werden und die Wohnungsbauaufgabe nur zu einem ganz geringen Bruchteil erfüllen. Der Redner empfiehlt das Beispiel Rußlands, wo man mit Widerständen nicht zu rechnen brauche wie bei uns. Alle kapitalistischen Länder Europas könnten keinen genügenden Wohnraum schaffen; es sei deshalb kein Wunder, daß die Auswanderung immer mehr zunehme. Ein großzügiges Städtebguprogramm werde ein kapitalistisches Preußen niemals durchführen können. Abg. von Eynern (D. Vp) begrüßt in dem Entwurf einen alten Bekannten, der schon etwas zu alt geworden und viele seiner einstigen Freunde überlebt habe. (Heiterkeit) Von den 29 Ausschußmitgliedern, die in der vorigen Session an der Beratung teilgenommen hätten, seien 12 aus dem Landtag ausgeschieden. Sachlich ,. der Entwurf wenig Neues. Wenn die Begründung, die sorgfältiger als früher sei, als Zweck der Vorlage angebe, daß man sich jetzt, ehe man eine Bebauung ge⸗ statte, darüber klar werden müsse, welche Flächen unbebaut bleiben müßten, so sei das insoweit ein neuer Gedanke, als nunmehr das Unbebautbleiben Selbstzweck sei. Das gelte nämlich für solche Flächen, die angeblich zur Landwirtschafk dauernd bestimmt sein sollen. Das alte Recht habe auch Baubeschränkungen, aber nur vorläufige, indem nach einer gewissen Zeit die Gemeinden ge⸗ zwungen seien, das Gelände zu übernehmen. Wenn diese Pflicht nach den alten Ausschußbeschlüssen in gewissen Fällen auch für landwirtschaftliche Gelände aufgestellt worden sei, so entspreche das nicht der Grundtendenz des Entwurfs. Man iönne also ver⸗ stehen, daß der Minister auf diesen Kompromißboden nicht ge⸗ treten sei. Damit sei aber die Frage der Entschädigung keineswegs im ablehnenden Sinne gelöst. Es sei nicht richtig, daß es Grund—Q satz des preußischen Polizeirechts sei, bei 26 ränkungen des Eigentums keine Entschädigung zu geben. Es hear, sich hier um (ne grundsätzliche Frage. Unter Umständen trete nicht nur eine Wertverminderung, sondern eine Wertvernichtung ein. Auch die Zentrumspartei habe auf ihrem Reichsparteitag beschlossen, doß eine Enteignung, zu der auch jede Beschränkung des Nutzungs⸗ rechts des Eigentums gehöre, nür gegen volle Enis. ädigung und endgültig nur in einem geordneten richterlichen erfahren sich vollziehen dürfe. Die Gefahr des unhygienischen und un sozialen Umbauen und Verbauens grüner Flächen bestehe weniger denn je. Die Vorlage könne umgekehrt ein neuer Impuls mit großen Ausgaben für die Gemeinden werden. Der Rebner bejahte 8 Notwendigkeit zwischengemeindlicher Regelung der Bebauungs⸗ frage. Es beständen aber auch jetzt schon Möglichkeiten in . Richtung. Bedenklich sei jedenfalls der Gedanke in der gründung, daß der richtige Städtebau nur eine Aufgabe der öffentlichen Hand sei. Die Privatinitiative sei schon viel zu sehr
ausgeschaltet. Die öffentliche Hand habe sich schon jetzt 8 6 —
Flächen gesichert. Anfang 1927 betrugen sie bei Köln võH, bei Frankfurt g. M. 56,5 vH, bei Königsberg 34 vH, bei Berlkn 26,3 v5, bei Magdeburg 2,5 vH, bei Breslau 255 v5 der ge⸗ samten riesigen Stadtflächen. Bei der Aufstellung der Stadt⸗ planungen seien starke Konfliktsmöglichkeiten zu befürchten. Die Rede des Ministers sei auf verhältnismäßig elegischen Ton ge⸗ , . gewesen. Fast hätte man den Eindruck, als ob er auf ie Annahme des ersten Teils des Entwurfs (Flächenaufteilungs? plan) verzichten und sich nur mit dem kodifizierenden Teil be⸗ gnügen wolle. Ob sich auf diese oder jene Weise ein Ausgleich finden lasse, werde sich im Ausschuß zeigen müssen.
Abg. Falk (Dem.) unterstreicht, daß das preußische Städte⸗ baugesetz zur Erfüllung der gegebenen Aufgaben nicht ausreiche und ein Reichsgesetz dazu erforderlich sei. Man könne aber nicht auf die Initigtive der Reichsregierung warten, zu der er nicht allzu großes Vertrauen hege. Man müsse daher für das größte Land, für Preußen, selber den Anfang machen. Der Staatsrat lehne das Gesetz ab, erkläre aber gleichzeitig, daß es „eine in ethischer und sozialer Hinsicht notwendige Gefundung des Wohn⸗ wesens zu schaffen berufen“ sei. Das Städtebaugefetz müffe — trotz dem Votum des engeren und weiteren Ausschusses des Deut⸗ schen Städtetages — begrüßt werden. Es handele fich nicht nur um eine Großstadtfrage, sondern um eine Frage der Gesundung des ganzen Volkes. Wolle man die Wohnungsfrage richtig an⸗ Reifen, so müsse man die Vorbedingungen zu einem gesunden Wohnen schaffen. Das Gesetz müsse einer gründlichen Prüfung unterzogen werden. Die Meinung einer Reihe von Sberbürger— meistern, die Großstädte hätten ein Städtebaugesetz nicht nötig, sei irrig. Auf einen Zwischenruf des Abg. Schellknecht (Wirtsch. P.) betont der Redner, die Demokraten wollten keine Sozialisierung auf dem Gebiete des Wohnungsbaues. Man wolle eine feste, gesunde bodenständige Bevölkerung schaffen. Privateigentum bedeute aber noch längst keine Bodenspekulation. An hohen Boden⸗ preisen habe das deutsche Volk überhaupt kein Interesse. Zur Bekämpfung des Bodenwuchers diene die Bodenvorratswirtschaft, die man sie in Köln seit 20 Jahren getrieben habe mit dem
Erfolge, daß es in Köln eine Bodenspekulation überhaupt nicht mehr geben könne. Die Stadt sei in der Lage gewesen, auch den gemeinnützigen Siedlungsgesellschaften billig e. Flächen zur Verfügung zu stellen. Die Wünsche der Bodenspekulanten fänden in diesem Hause sicher kein Gehör. Das Gesetz sei nicht als Ein griff in die Selbstverwaltung der Städte zu betrachten. Die SZelbstverwaltung, so betont der Redner zum Schluß, sei nicht Selbstzweck, sondern solle dem Staatsganzen dienen. Die Vor⸗ schreibung großer allgemeiner Richtlinien sei hier die Pflicht des Staates.
Abg. Mentz (Wirtsch. P) erklärt, das Städtebaugesetz zeige in seinem Kernstück, dem Flächenaufteilungsplan, eine ih Eigentumsmißachtung und Ueberspannung der Machtbefugnisse der Gemeinden, daß man füglich von einem Obereigentum der Gemeinden sprechen könne. Der deutsche Mittelstand habe mit der Raffgier der Gemeinden, der Ausbeutung des Haus- unb Grundbesitzes so schlechte Erfahrungen gemacht, daß man nicht verlangen könne, Vertrauen zu einer Gesetzgebung zu haben, deren rücksichtslose Tendenz in der Begründung so klar zum Ausdruck komme. Das Gesetz sei nichts weiter als der Versuch, die stecken⸗ gebliebene Sozialisierung weiter zu treiben. Es verfolge den⸗ selben Grundsatz wie der bisherige Finanzausgleich. Nach dem Städtebaugesetz solle der Eigentümer die Lasten tragen, über die Verwendung der Früchte aber sollten diejenigen entscheiden, die weder den Mut noch den Fleiß zum Eigentumserwerb gehabt hätten. Die Allgemeinheit habe die Pflicht, für Spiel- und Erholungsplätze benötigtes Gelände wie jeder anständige Mensch käuflich zu erwerben. Jede andere Art der Wertlosmachung und Ueberführung von Privateigentum in die öffentliche Hand werde von der Wirtschaftspartei aufs schärfste bekämpft weyden. Die Grundsätze eines Rechtsstaates müßten endlich auch dem Haus⸗ und Grundbesitz gegenüber wieder hergestellt werden. 96
Abg. Ponfick (Dt. Frakt.) begrüßt, daß eine Kodifizierung der Bestimmungen erfolgen solle, die das Bauwesen in den Groß⸗ städten regeln. Das geplante Gesetz lehnten seine Freunde aber trotzdem ab, weil sie kein Vertrauen zu der jetzt herrschenden öffentlichen Amtsgewalt hätten und einen Mißbrauch der Amts- gewalt befürchteten. Noch schärfer als die Enteignung, die nur als ultima rätid und unler Sicherstellung des ordentlichen Ge⸗ richtsweges in Betracht kommen dürfe, müsse die Beschränkung des Nutzungswertes im vorliegenden Gesetz abgelehnt werden. Die Landwjrtschaft erkenne die Zweckmäßigkeit an, eine einheitliche Grundlage für den Städtehau zu schaffen. Dabei dürften aber weder die Ernährungswirtschaft beeinträchtigt noch die Grund⸗ sätze eines Rechtsstaats verletzt werden.
Der Gesetzentwurf wird dann einem neu zu bildenden Ausschuß von 29 Mitgliedern überwiesen. ;
Bei der folgenden Beratung des vom Ausschuß zur Ab⸗ lehnung empfohlenen kommunistischen Antrages auf Rück⸗ gängigmachung der Ausweisung politischer Emi⸗ granten aus Ostpreußen bezeichnet
Abg. Schubert (Komm.) die Ausweisung durch den ost⸗ preußischen Oberpräsidenten als „deutliche Verneigung der sozial⸗ demokratischen Preußenregierung vor dem damals noch regierenden litauischen Arbeitermörder Woldemaras“. Er behauptet u. a. auch, daß in Litauen die verfolgten Arbeiter mit mittelalterlichen Torturen zu Geständnissen gezwungen würden. Es seien ihm Fälle bekannt, in denen den ö Arbeitern Streichhölzer unter die ,, getrieben wurden, um sie zu Geständnissen zu zwingen. sPfui⸗RKufe bei den Kommunisten) Durch die Aus- weisungspraxis unterstütze die sozialdemokratische Preußen⸗ regierung dieses Vorgehen der Faschisten.
Der kommunistische Antrag auf Rücknahme der Aus- weisungen wird mit großer Mehrheit abgelehnt, wie auch der Ausschuß beschlossen hatte.
Dann wird der Antrag des Rechtsausschusses beraten, der das Staatsministerium ersucht, „die Schleswig⸗ Holsteinische Höfe⸗Bank bei dem Bestreben, zu einer gütlichen Vereinbarung mit den Siedlern in Schwartbuck zu kommen, weiter wirksam zu unterstützen und dabei zu prüfen, ob nicht zu diesem Zweck die schwebenden Vollstreckungsverfahren einstweilen eingestellt werden können“. Zugunsten dieser Entschließung hat der Rechtsausschuß die Ablehnung des den Beratungen zugrunde gelegten schärferen kommunistischen Antrags ,, worin verlangt wird, daß die Höfe⸗Bank vom . mit dem jetzigen Grafen von Hessenstein zurücktreten und die durchgeführten Pfän⸗ dungen rückgängig machen solle.
Abg. Bruhn (Komm.) erklärt, die Höfe⸗Bank habe trotz der Entschließung des Landtagsausschusses noch am 15. November neue Pfändungen vorgenommen. Die Regierung wolle mit dem Land 65 von Hessenstein die Enteignung der Siedler durchführen.
durch sozigldeniokratische Wahlversprechungen ließen sich die ver— bitterten Kleinbauern nicht mehr einfangen. Die in Aussicht ge⸗ nommenen Pfändungen würden den stärksten Widerstand finden. Die Kleinbauern würden nicht gutwillig ihre Schweine, Hühner und soñstigen zum Leben notwendigen Produkte von dem Gerichts⸗ vollzieher sich vom Hofe holen lassen. Das sei die Siedlungspolitit dieser feln ber rr fh Koalitionsregierung. Eine Arbeiter⸗ und Bauernregierung werde mit diesem i aufräumen.
Der Ausschußantrag wird hierauf angenommen.
Das Haus vertagt sich dann auf Donnerstag 12 Uhr: Wahl des zweiten Vizepräsidenten. Novelle zur Kommunal— verfassung. Kleine Vorlagen.
Schluß 6 Uhr.
Parlamentarische Nachrichten. Der Auswärtige Ausschuß des Reichstags behandelte
gestern unter dem Vorsitz des Abg. Sche idem ann (So.) die Polenfragen. Reichsminister des Auswärtigen Sr. Curtius
erstattete über die deutsch⸗polnischen Verhandlungen und die damit zusammenhängenden politischen Probleme ein ausführliches Reserat. Als erste Diskussionsredner nahmen Abg. UI itz Fa (Jentr.) und Abg. Dr. Hoetz sch (D. Nat.) das Wort. Im weiteren Verlauf der Sitzung sprachen 2 die Abgg. Da uch (D. Vp.) und Tont Sender (Soz.. esandter Rguscher berichtete über die einzelnen Phasen der deutschpolnischen Verhandlungen und deren Ergebnisse. Reichsfinanzminister Dr. H il ferdin g und Ministerial⸗ direftor Dr. Dorn behandelten die finanzpolitische Seite des Problems. Beschlüsse faßte der Auswärtige Ausschuß nicht. — Die Weiterberatung findet heute statt.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage)
Verantwortl. Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft, Berlin. Wilhelmstraße 32. Fünf Beilagen seinschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen),
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; ; — lle Drudauftrãge beschriebenem Papier völlig druckreif einzusenden,
Fettdruck (zweimal unter⸗
Nr. 279. Neichs bantgirokonto.
9 T 2 =
Berlin, Freitag, den 29. Rovember, abends. Postschecktonto: Berlin 41821.
vor dem Einrückungstermin bei der Geschäftsstelle eingegangen sein. 1
1929
Inhalt des amtlichen Teiles: Dentsches Reich.
Preuszen. Bekanntmachung, betreffend die Ziehung der 3. Klasse der 34. Preußisch⸗Süddeutschen Klassenlotterie.
Bescheid über die Zulassung von Zündmitteln.
Im Nichtamtlichen Teil ist eine Statistik der Bodenkreditinstitute — Umlauf an Schuld verschreibungen, Bestand an Hypotheken und Kom⸗ munaldarlehen — für Ende Oktober 8. J. sowie
eine Uebersicht über die preußischen Staatseinnahmen und ausgaben in den Monaten April / Oktober des Rech⸗ nungsjahres 1929 veröffentlicht.
gar , e e r me e m e e , . e .
Amtliches.
Deutsches Reich.
Der Herr Reichspräsident hat an Stelle des Oberlandes⸗ gerichtsrats Dr. Igenicke, der infolge Ernennung zum dienst⸗ hufsichtführenden Ersten Staatsanwalt bei dem Landgericht München J aus bem Amt eines Mitglieds der Reichsdisziplinar⸗ kammer in München ausscheidet, den Oberlandesgerichtsrat Dr. Schuler in München ernannt.
Ernennungen ꝛe.
Preußen.
Generallotteriedirektion.
Die Neulose zur 3. Klasse der 34. Preußisch⸗ Süddeutschen (269. Preußischen) Klassenlotterie sind nach den 88 6 und 13 des Lotterieplans unter Vorlegung des Vorklassenloses und Entrichtung des Einsatzbetrages er ita Freitag, den 6. Dezember 1929, bis 18 Uhr, bei Ver⸗ meidung des Verlustes des Anspruchs bei dem zuständigen Lotterieeinnehmer zu entnehmen.
Die Ziehung der 3. Klasse 34. 260. Lotterie beginnt Freitag, den 13. Dezember 1929, 8 Uhr, im Ziehungssaal des Lotteriegebäudes, Jägerstraße 56.
Berlin, den 26. November 1929.
Generaldirektion der Preußisch⸗Süddeutschen Staatslotterie.
Bescheid über die Zulassung von Zündmitteln. Der Aktiengesellschaft . Berlin NW. 40,
Moltkestraße 1, werden hiermit für den Bezirk des unterzelch⸗ neten Oberbergamts die folgenden in der Fabrik in Reichenstein Schlesien) hergestellten Zündschnüre unter den nachstehenden Bedingungen zugelassen:
1. die doppelte weiße Zündschnur,
2. die doppelte geteerte Zündschnur,
3. die einfache n er , mu
4. die dreifach geleimte Zündschnur.
a) Beschaffenheit:
Die Pulverseele der Zündschnüre enthält einen blauen Markenfaden. Die Zündschnüre entsprechen den von dem Herrn Minister für Handel und Gewerbe am 28. September 1929 erlassenen Beslimmungen über die Beschaffenheit und Prüfung von Zündmitteln für den Bergbau.
b) Besondere Bedingungen:
Die Zündschnüre zu 1, 2 und 3 dürfen in Gruben mit brennbaren Gasen verwendet werden, soweit Zündschnur zur Zündung dort überhaupt zugelassen ist.
Die Zündschnur zu 1“ kann auch beim Schießen mit flüssiger Luft Verwendung finden, wenn Zündschnurzüůndung überhaupt zulässig ist.
.Die Zäündschnur zu 4 muß zur Vermeidung von Spät— zündungen und Versagern trocken gelagert werden. Clausthal⸗Zellerfeld, den 23. November 1929. Preußisches Oberbergamt.
J. V.: Schünemann. 1 MU
Nichtamtliches.
Deutsches Reich.
Der Reichsrat beriet in seiner gestrigen öffentlichen Vollsitzung das neue R pu blikschutz = ; . . Bericht⸗ erstatter der Ausschüsse. Preußischer inisterialdirektor Dr. Badt r nach dem Vericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger folgendes aus:
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Als im Reichstag die Vorlage über Verlängerung des Republikschutzgesetzes nicht die für . , , vor⸗ geschriebene Mehrheit gefunden hatte, erklärte der Reichsminister des Innern sofort, daß durch die Ablehnung eine Lüce entstanden sei, die notwendigerweise angesichts der gesamten Situation in Deutschland ausgefüllt werden müsse, und daß er sich daher namens der Reichsregierung vorbehalten müsse, eine neue Vorlage vorzubereiten. 8 ferner, es sei die Anwendung des Gesetzes o gedacht, daß auch eine Handhabe zur Sicherung der politischen
reiheit der Staatsbürger gegeben sei. Diesen beiden Grund⸗ edanken (Schutz der Republik und Sicherung der 1 Frei⸗ eit des Staatsbürgers) trägt der Regierungsentwurf Rechnung. ür die Uebergangszeit bis zum Inkrafttreten des neuen Straf⸗ ger buhs wird durch besondere Strafbestimmungen dem Ge⸗ anken des Schutzes der Republik Rechnung getragẽn. Der Ent wurf sucht das dadurch zu erreichen, daß Schutzbestimmungen ein⸗ gefuhrt werden für alle diesen gen, die, wie der Entwurf sich aus⸗ rückt, „eine amtliche oder berufliche Stellung im politischen Leben bekleiden und in dieser Stellung besonderen Angriffen, sei es gegen das Leben, sei es gegen die persönliche Ehre, ausgesetzt sind“. Der Entwurf verzichtet auf alle diejenigen Bestimmungen des früheren Gesetzes, die der für Verfassungsänderungen vor⸗ geschriebenen e ge bedürfen, insbesondere sind also die Be⸗ timmungen fortgefallen, die sich gegen Angehörige vormals landesherrlicher Familien richten. Die Ausschüsse haben die Regierungsvorlage eingehend beraten und ich ihre Grundgedanken in vollen Umfange zu eigen gemacht. Sie haben folgende Ab— änderungen vorgenommen? 1. Den Kreis der durch die erhöhte Strafdrohung geschützten Personen haben die Ausschüsse anders abgegrenzt als die Regierungsvorlage. Diese sah den Schutz für Personen „wegen ihrer amtlichen oder beruflichen Stellung im politischen Leben“ vor. Den Ausschüssen erschien diese Abgrenzung nicht genügend deutlich, ste befürchteten insbesondere Schwierig keiten bei der Anwendung des Gesetzes in der Praxis. Sie haben daher bei den schwersten Straftaten, der Teilnahme an einer Ver⸗ bindung oder Verabredung, die Verbrechen wider das Leben be⸗ zweckt (5 1 der Regierungsvorlage) keinerlei Begrenzung des Kreises der geschützten Personen vorgenommen, so daß vor solchen Delikten in Zukunft jeder geschützt sein soll, ganz gleich, an welcher Stelle er steht. Die Ausschüsse waren sich darüber klar, daß solche Verbindungen und Verabredungen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle einen politischen Charakter tragen würden, so daß es sich im, 1 in der Regel. m Pölitische Delltte handeln wird, wenn, gleich das in der jetzigen Fassung nicht besonders zum Ausdruck getommen ist. 2. S2, der eine Strafdrohung für denjenigen vor— sieht, der von dem Bestehen einer solchen Verbindung oder Ver⸗ abredung Kenntnis hat und gleichwohl der Behörde oder dem Bedrohten keing Mitteilung macht, ist im wesentlichen un derändent geblieben. 3. Eing einschneidende Aenderung haben die Ausschüsse jedoch in den 5s 38 und 4 vorgenommen. Die Regierungsvorlage wollte hier wiederum nur Gewalsttätigkeiten, d. h. im wesentlichen also einfache oder gefährliche Körperberletzungen gegen Personen wegen ihrer amtlichen oder berüflichen Jellung im politischen Leben“ treffen. In der Begründung der Vorlage war ausdrück⸗ lich darauf hingewiesen worden, es e nicht erforderlich, daß es sich dabei um besonders bekannte, besonders hervorragende Poli⸗ tiker handele. Auch wer sich in kleinen Verhältnissen eine politische Stellung erworben habe, solle ohne Rücksicht auf die Ansichten, die er vertrete, den erhöhten Schutz genießen. Folglich hatte die Regierungsvorlage auch keine Sonderstellung für Mitglieder der Reichs- oder einer Landesregierung oder für den Reichspräsidenten vorgesehen. Die Ausschüsse haben hier den Kreis derer, die vor einfachen Gewalttätigkeiten bei Austragung politischer Meinungs⸗ verschiedenheiten geschützt werden sollen, erweitert. Nach dem neuen § 3, dem bisherigen 8 4, soll ganz allgemein jede Gewalt⸗ tätigkeit gegen eine Person „wegen ihrer positischen Betätigung“ unter Strafe gestellt werden. Die Ausschüsse hielten es aber für er⸗ forderlich, eine erhöhte Strafandrohung für die Fälle vorzusehen, in denen sich die Gewalttätigkeit gegen den Reichspräsidenten oder gegen ein Mitglied der Reichs- oder einer Landesregierung richtet. 4. In Uebereinstimmung mit der Regierung vorlage haben die Ausschüsse die erhöhte Strafdrohung auch für die Teilnahme an geheimen oder staatsfeindlichen Verbindungen festgesetzt, die die Bestrebungen verfolgen, die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reiches zu untergraben oder die unbefugt. Waffen besitzen. 5. Die neue Fassung des 5 5 — jetzt § 6 — sieg für die öffentlich oder in einer Versammlung be⸗ gangenen Besch mf oder absichtlichen Perächtlichmachung der ber fegen hn estgestellten republikanischen Stagtsform eine erhöhte Strafdrohung bor, und zwar auch für die Fälle, in denen der Täter, um sein Ziel zu erreichen, Beschimpfungen oder Ver⸗ lcumdungen des Reichspräsidenten oder eines Mitglieds der Reichs- oder Landesregierung begeht. Die gleiche e e n, i für den vorgesehen, der die Reichs- oder Landes farben be chimpft oder durch Bekundung der Mißachtung absichtlich in der öffent⸗ lichen Meinung herabzusetzen sucht. Nach Ziffer 3 des Regie⸗ rungsentwurfs sollte die gleiche Strafe Beschimpfungen und Ver⸗ leumdungen von Personen treffen, „wegen ihrer amtlichen oder beruflichen Stellung im politischen Leben“ r , gegen sie erichtete Gewalttätigkeit getötet worden sind. Hier haben die
usschüsse den Personenkreis anders abgegrenzt und unter diese erhöhte Strafdrohung, alle Beschimpfungen, und Verleumdungen eines verstorbenen Reichspräsidenten oder eines verstorbenen Mit⸗ liedes der Reichs- oder einer Landesregierung gestellt, also ohne i af ht darauf, ob der Betreffende durch eine Gewalttätigkeit ums Leben gekommen ist oder nicht. Unverändert übernommen haben die Ausschüsse die Strafdrohung für die Auf orderung zu Gewalt⸗ tätigkeiten oder erwähnten Art oder für die Verherrlichung solcher Gewalttätigkeiten. 6. den 5 6 der Regierungsvorlage — jetzt 3 3 — haben die Ausschüsse in einem Punkte geändert. Der bei Beamten vorgesehene ganze oder teilweise Verlust des Gehaltes ist in Fortfall gekommen. Maßgebend für diese Milderung war die Erwägung, daß alle Bestimmungen vermieden werden sollten,
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die auch nur zu Zweifeln Anlaß geben könnten, als erfordere der Gesetzentwurf für sein Zustandekommen eine verfassungsändernde Mehrheit. J. 5 8 (jetzt 5 9) sieht vor, daß Versammlungen, in denen die vorerwähnten Zuwiderhandlungen „vorkommen der geduldet werden“, polizeilich aufgelöst werden könnten. Hier haben die Ausschüsse, um klarzustellen, daß ein Widerspruch zu Artikel 123 Abs. 1 der Reichsverfassung nicht vorliegt, die Worte „vor= kommen und geduldet werden“ durch die Worte „den Frieden stören“ ersetzt. 8. Auch bei dem 5 13, der das Verbot . Druckschriften, also auch von Tageszeitungen behandelt, haben die Ausschüsse die gleiche Regelung vorgesehen wie bei den Vereins⸗ auflösungen. Sie haben auch hier ein unmittelbares Verbot durch den Reichsminister des Innern nicht für erforderlich gehalten, sondern für ausreichend erachtet, daß bei Meinungsverfchieden⸗ heiten zwischen dem Reichsminister des Innern und der obersten Landesbehörde über die Notwendigkeit eines Verbotes das Reichs⸗ verwagltungsgericht entscheidet. 9. Endlich haben die Ausschüsse im Schlußparagraphen eine ausdrückliche Bestimmung dahin getroffen, daß dieses Gesetz mit dem Inkrafttreten des neuen deutschen allgemeinen Strafgesetzbuches außer Kraft tritt. Sie haben also den Uebergangscharakter des Gesetzentwurfes, den die Regierungsvorlage lediglich in der Begründung hervorgehoben hatte, nunmehr auch im Gesetzesteyt zum Ausdruck gebracht. 10. Die Ausschüsse haben schließlich auch die Ueberschrift geändert und 4 das Gesetz nunmehr entsprechend seinem erweiterten Inhalt „Gesetz zum Schutze der Republit und zur Befriedung des politischen Lebens“ zu nennen. Der Bericht⸗ erstatter hatte auch hervorgehoben, daß in den ne fen Be⸗2 denken dagegen geäußert worden seien, daß die neue Fassung des F 3 auch den Gegnern der Republik zugute kommen würde.
Staatssekretär Dr. We ismann erklärte zu diesem Punkte namens der preußischen Regierung:
In 3 3 finde der Grundgedanke der Regierungsvorlage, jede politische Betätigung ohne Rücksicht auf die ö Stellung des einzelnen unter erhöhten Strafschutz zu stellen seine ausgeprägteste Form. Die preußische Staatsregierung hal sehr erhebliche Bedenken gegen die beabsichtigte weitgehende Ver⸗ wirklichung, sie befürchtet insbesondere, daß diese Vorschrift Gegnern der Republik, die sie in herausfordernder Weise be⸗ kämpfen, zugute kommen könnte. Um diesen Bedenken Ausdruck zu verleihen, würde sich die preußische Staatsregierung bei einer etwaigen Abstimmung über 8 3 der Stimme enthalten. Sie wird jedoch in der Gesamtabstimmung für den Gesetzentwurf stimmen, da mit Rücksicht auf die übrigen dringend notwendigen Vor⸗ schriften die preußische Regierung das Zustandekommen des Ge⸗ setzes weder gefährden noch verzögern will. .
schloß sich
Der Vertreter von Hamburg e, Erklärung an. ; Nachdem der Vorsitzende Staatssekretär Dr. Zweigert festgestellt hatte, daß keine namentliche Abstimmung über einzelne Paragraphen der Vorlage gewünscht werde, bemerkte er weiter: 3 den §8§ 10, 14 und 15 der — vorge ehen, daß für die Auflösung von Verellien Und das rbot von Druck⸗ chriften auch der Reichsminister des Innern zuständig sein solle, alls die Laudeszentralbehörde von einer Auflösung oder einem erbot absieht. Die Aunsschüsse schlagen statt de n eine Regelung vor, wonach der Reichsminister des Innern solche Maßnahmen nicht einheitlich er das ganze Reich treffen kann, sondern nur die Landeszentralbehörde darum erfuchen kann und daß, wenn diesem Ersuchen richt entsprochen wird, die Entscheidung des Reichsverwaltungsgerichts bzw. des Stgatsgerichtshofs 6 ist. Die Reichsregierung hält solche ö im Hinblick auf
dieser
die Dringlichkeit der evtl. zu treffenden Maßnahmen für un zweckmäßig. Das gerichtliche Verfahren ist umständlich und zeit= raubend in einem Stadium, wo meist sehr schnell gehandelt werden muß. Es nötigt auch zu dem unziweckmäßigen Ergebnis, daß die gerichtliche Instanz zweimal mit derselben Sache befaßt wird, im 89 wegen Erlasses des Verbots und im weiteren bei der Beschwerde eines ,,. Vereins oder der Heraus⸗ eber einer berbotenen Druckschrift. Die Reichsregierung bean⸗
ragt, die Zuständigkeit des Reichsministers des Innern wieder herzustellen. = ; 33
Staatssekretär Dr. Weissmann erklärte, daß die preußische Staatsregierung keine namentliche Abstimmung über 5 3 wünsche. Den Anträgen der k werde sie zustimmen.
Bayrischer Gesandter Dr, von Preger: Die bayrische Regierung wird gegen die Anträge der Reichsregierung stimmen, weil diese einen untragbaren Eingriff in die Polizeihoheit der Länder bilden. z
Sächsischer Fesandter Dr. Gradnauer:; Ich glaube, daß die Anträge der Reichsregierung die Situation für 6 Länder⸗ vertretungen ,, erschweren. Auch meine sierung sieht in diesen Anträgen einen schweren Eingriff in die Landes= rn, Im Fall der Annahme dieser Anträge würde sie daher heute nicht in der Lage sein, zu dem gesamten 6 eine i . Haltung einzunehmen. Ich bitte daher, die Mnträge
r Reichsregierung abzulehnen.
In namentlicher Abstimmung werden die Anträge der Reichsregierung mit 38 gegen 25 Stimmen bei 3 Stimm enthaltungen abgelehnt. Für die Anträge stimmten das preußische Staatsministerium, der Vertreter der Provinz Sachsen, die Vertreter von Baden, Hamburg, Anhalt, Bremen, Lippe, Lübeck, Mecklenburg⸗Strelitz, Schaumburg-Lippe. Da⸗ gegen stimmten: die Vertreter der preußischen Provinzen Ost⸗
preußen, Brandenburg, Pommern, Grenzmark Posen⸗West⸗ y. Niederschlesien, Oberschlesien, Schleswig ⸗Holstein, Dannover, der Rheinprovinz, ferner die Staaten Bahern,
Sachsen, . Thüringen, Hessen, Mecklenburg- Schwerin, Oldenburg, Braunschweig. Der Stimme enthielten sich die Vertreter von Berlin, der Vertreter von Westfalen und der Vertreter von Hessen⸗Nassau.
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