1929 / 283 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Dec 1929 18:00:01 GMT) scan diff

hebliche Erschwerung des Auslieferungsgesetzes erblicken können Es ist nicht möglich, die Strafsysteme der verschiedenen Länder miteinander zu vergleichen; diese Strafsysteme sind sehr ver⸗ schieden. Wenn dieser Antrag angenommen wird, so würden wir vor der Frage stehen, ob wir zum Beispiel die nach dem

er

französischen Strafgesetzbuch zulässige Strafe der travaux foress,

der Deportierung in allen Fällen ausschließen müssen, ebenso natürlich Strafen, die in den Strafsystemen anderer Länder vor⸗ handen sind, mit den unsrigen aber nicht übereinstimmen. Wir würden dadurch vor die Schwierigkeit kommen, daß ausländische Staaten Gegenseitigkeitsmaßnahmen ergreifen, die uns unter Umständen in eine sehr unbequeme Lage bringen könnten. Der Herr Kollege Marum hat besonders darauf hingewiesen, daß die Todesstrafe, wenn sie bei uns abgeschafft werden sollte, und Leibesstrafe mit dem Antrag ausgeschlossen werden sollten. Ich bin mit ihm in dieser Zweckverfolgung durchaus einig, glaube aber, daß das Ziel erreicht werden kann, auch ohne daß eine der⸗ artige Bestimmung in das Gesetz selbst aufgenommen wird. Das kann einmal geschehen bei Abschluß der Auslieferungsverträge dort, wo es notwendig ist, und es kann praktisch auch bei den einzelnen Fällen der Auslieferung erreicht werden. Der Herr Kollege Marum hat selbst auf den Vorgang hingewiesen, den wir einst in Spanien bei den Dato⸗-Mördern gehabt haben, und wir haben auch den umgekehrten Fall gehabt, daß wir Spanien in einem Falle eine entsprechende Zusage gegeben haben. Bei aller Anerkennung dessen, daß wir sowohl bei Verträgen wie bei einzelnen Auslieferungsfällen den vorgetragenen Bedenken Rechnung tragen können, kann daher die Reichsregierung nur bitten, den Antrag abzulehnen, weil er für das Gesetz eine meines Erachtens sehr erhebliche Erschwerung bedeuten würde.

Herr Kollege Marum hat weiter einen Antrag befürwortet, wonach die Höchstdauer der Auslieferungshaft vier Monate und, soweit ein außereuropäischer Staat um die Festnahme ersucht hat, sechs Monate betragen soll. Der Herr Kollege Marum glaubte, diesen Antrag dadurch begründen zu können, daß der Schneckengang der Diplomatie beschleunigt wird. Es ist mir sehr fraglich, ob das möglich ist. Ich darf auch darauf hin⸗ weisen, daß es sehr leicht denkbar ist, daß Fälle sich sehr lange hinziehen. Wir haben doch strafrechtliche Ermittlungsverfahren gehabt und haben sie, die sich über sehr viel größere Zeiträume erstreckten als vier und sechs Monate, trotz aller Energie, die die Landesjustizverwaltungen in diesen einzelnen Fällen dahinter— setzten. Ich glaube, daß eine derartige Bestimmung uns in Schwierigkeiten bringen wird. Ich darf auch bemerken, daß trotz der Schnelligkeit des Verkehrs und der modernen Verkehrs⸗ mittel die gewiß kleiner gewordene Erde doch immerhin Ent⸗ fernungen hat, die gerade in solchen Fällen in Rechnung ge⸗ zogen werden müssen, und es nicht ermöglichen, unter allen Umständen in einer derart gesetzten Frist diese Dinge zum Ab⸗ schluß zu bringen.

zu den Ausführungen des Herrn kommunistischen Redners darf ich nur bemerken, daß ich bitte, diese Anträge abzulehnen. Sie sind eingehend alle im Ausschuß erörtert worden. Es ist nicht einer dabei, der nicht dort schon besprochen worden wäre. Die Herren von der Kommunistischen Partei stehen in diesen ganzen Fragen der Auslieferung auf einem anderen Stand⸗ punkt als die Reichsregierung. Der Herr Kollege Marum hat bereits hervorgehoben, daß das Asylrecht in dieses Gesetz über⸗ haupt nicht hineingehört, sondern vielleicht später einer be⸗ sonderen Regelung bedarf.

Ich bitte daher das hohe Haus, nach den Beschlüssen des Ausschusses der Vorlage zuzustimmen.

Abg. Em ming er (Bayer. Vp): Trotz mancher Schönheits⸗ fehler bringt das Gesetz doch gewaltige Verbesserungen, z. B. die Ersetzung des Verwaltungs⸗ durch ein Gerichtsverfahren. Um so mehr bedaure ich, daß der Entwurf mit der verfassungs⸗ ändernden Bestimmung des § 43a belastet worden ist. Reichs⸗ justizministerium und bayerische Regierung haben in eingehenden Gutachten ihren entgegengesetzten Standpunkt dargelegt. Die Justizpolizei ist nun einmal Landessache. Und wenn Minister von Gusrgrd sagt, es habe bisher keine Reibungen gegeben und es werde doch alles beim alten bleiben, indem die Ausführung den Ländern zurückübertragen werde, so . die vom Ausschuß eingefügte Bestimmung völlig überflüssig. Um diesen 5 43 a ein⸗ deutig als verfassungsändernd festzustellen, beantragen wir seine Streichung.

Abg. Frick (Nat. Soz.): Jeder französische Offizier der Besatzungsarmee kann die Auslieferung eines jeden Deutschen aus dem unbesetzten Deutschland verlangen. Die Beseitigung dieses Zustandes wäre wichtiger als dieses ganze Auslieferungs—⸗ gesetz. Den Antrag seiner Partei begründet der Redner mit der nach seiner Meinung „auf ganz gemeine Art“ zustande ge⸗ kommenen Auslieferung von Fahlbusch und Eckermann, die „eine

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schamlose Judenpresse zu Fememördern gestempelt“ habe. Reichsminister der Justiz von Gusrard: Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Frick hat aus einer Reihe ihm sehr nahestehenden Blätter Darstellungen über den Fall Eckermann gegeben. Ich muß sagen, daß ich diesen Dar— stellungen von vornherein sehr skeptisch gegenüberstand (Abge⸗ ordneter Dr. Frick: erst untersuchen, erst untersuchen, bevor Sie ein Urteil abgeben!, sie können keineswegs unbedingteste Glaub⸗ würdigkeit für sich in Anspruch nehmen. Im übrigen, Herr Abgeordneter Dr. Frick, warten Sie doch erst meine Antwort ab; Sie werden schon Antwort auf das bekommen, was Sie soeben gesagt haben. Nichtsdestoweniger hat die Reichsregierung Ver⸗ anlassung genommen, durch das Auswärtige Amt den Dingen nachzugehen. (Abgeordneter Dr. Frick: Das sind ja die Ange⸗ klagten! Der Minister macht eine bezeichnende Geste an der Stirn. Große Heiterkeit) Ich bitte, mir die Bemerkung zu gestatten, daß ich Sie (zu den Nationalsozialisten) ab und zu gänzlich unverständlich finde. (Lebhafte Zustimmung links und in der Mitte.) Ich fahre fort: Die Ermittlungen haben bisher ergeben, daß fast alle vom Herrn Abgeordneten Dr. Frick hier vorgetragenen Einzelheiten unrichtig sind (hört, hört!; die Er⸗ mittlungen sind indes noch nicht völlig abgeschlossen. Die Reichs⸗ vegierung sieht keine Veranlassung, vor dem völligen Abschluß der Ermittlungen hier Stellung zu nehmen, ist aber bereit, das zu tun, sobald die Ermittlungen endgültig abgeschlossen sind. (Abge⸗ ordneter Dr. Frick: Die Angegriffenen haben Beleidigungsklage zu stellen, und ein unabhängiges Gericht kann dann darüber ur— teilen, ob die Beschuldigungen wahr sind oder nicht) Das interessiert die Reichsregierung gar nicht; darum kümmern wir

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Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 282 vom 3. Dezember 1929. S. 4.

der Mitte.)

schließlich in die Hand des Reiches.

wenn die Tat mit mehr als

nationalen außerhalb des Saales. heschlußfähig. etwas umgestellter Tagesordnung.

richtlich beurkundet zu werden.

ganze Reihe von Aenderungen, z.

reform Umsatzsteuerfreiheit ordern.

andere Gewerbetreibende.

schuß überwiesen.

Vorlagen.

uns nicht (sehr gut); für Ihre guten Ratschläge, Herr Abgeord⸗ neter Dr. Frick, bedanke ich mich. (Lebhafter Beifall links und in

Abg. Koch⸗Weser (Dem.): Den vom Dr. Frick kritisierten Zustand im besetzten Gebiet beseitigt man die Besatzung beseitigt. Dafür haben wir uns eingesetzt; die Partei des Dr. Frick hat aber nichts dafür getan. nicht ein Gesetz schaffen, in dem man nicht bestimmt, wer für seine Ausführung zuständig ist. Wir dürfen uns nicht um eine klare Entscheidung herumdrücken. Auch Minister hat das Reich für zuständig erklärt. Erst auf Widerspruch hat er nachgegeben und bei der Einbringung des Gesetzes die Lücke ge⸗ lassen. In Wirklichkeit ist es mit dem Streit zwischen Reich und Ländern gar nicht so schlimm. Die Handhabung der Auslieferung ist immer eine Angelegenheit des Reiches gewesen, schon unter Bismarck. Anders darf es auch gar nicht sein, den jede Aus⸗ lieferung hat erhebliche außenpolitische Bedeutung, und die Ver⸗ fassung legt die Pflege der außenpolitischen Beziehungen aus⸗

man am besten,

Man kann

Damit schließt die allgemeine Aussprache.

Die umfangreichen kom munistischen Anträge werden gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. genommen wird jedoch mit den Stimmen der Sozialdemo⸗ kraten und Kommunisten bei Stimmenthaltung der Deutsch⸗ nationalen der kommunistische Antrag, nur auszuliefern, Gefängnis bedroht ist. Dieselbe Mehrheitsbildung ergibt sich bei der Ab⸗ stimmung über den sozialde mokratischen Antrag, die Auslieferung nur zuzulassen, wenn Gewähr dafür besteht, daß keine nach deutschem Strafrecht unzulässige Strafe voll⸗ streckt wird. Bei der Auszählung bleiben jedoch die Deutsch⸗ Für den Antrag werden

112, dagegen 92 Stimmen gezählt. Das Haus ist also nicht

Präsident Löbe beraumt eine neue Sitzung

Nach Wiedereröffnung der Sitzung wird zunächst die erste Lesung einer Novelle zum gesetz vorgenommen, die die Rationalisierung im Genossen⸗ schaftswesen erleichtern soll. Und zwar dürfen künftig Re⸗ visionsverbände verschmolzen werden und Verschmelzungen von Genossenschaften brauchen nicht mehr notariell oder ge⸗

Genofsenschafts⸗

Abg. Schröter⸗Merseburg (Komm.): Das Genossenschafts⸗ gesetz ist ein reaktionäres Gesetz, das schon längst einer Um⸗ arbeitung bedurfte. Die Vorlage bringt jedoch keine Verbesse⸗ rungen im Interesse der Arbeiter. Deshalb beantragen wir eine Streichung der Be⸗ stimmung, daß Konsumgenossenschaften nur an Mitglieder ver⸗

kaufen dürfen. Bei der Zollnovelle Lebensmittel für die Konsumgenossenschaften und bei der Finanz⸗

Abg. Borrmann (Wirtsch. P.): Genossenschafts⸗ gesetz hat sich 49 Jahre durchaus bewährt, es bedarf nur einer gründlichen Neubearbeitung. Die Rationalisierung ist notwendig, deshalb begrüßen wir die Vorlage. Ablehnen müssen wir dagegen die kommunistischen Anträge. Konsumvereine nur an Mitglieder verkaufen. Wir fordern aber, daß die Ge⸗ nossenschaften nach denselben Grundsätzen besteuert werden wie

chaft ist doch kein Ge⸗

dürfen natürlich

Abg. Peine (Soz): Eine Genossen werbebetrieb. (Unruhe bei der Wirtschaft Damit schließt die Aussprache. Die Vorlage wird samt den kommunistischen Anträgen dem volkswirtschaftlichen Aus⸗

Es folgt die Beratung des Berufsausbildungs⸗ gesetzes. Das Gesetz faßt alle bisher stimmungen über Lehrverhältnisse und dergleichen zusammen und regelt diese Verhältnisse für solche Berufsgruppen, in denen bisher solche Vorschriften noch nicht galten. Von einer Begriffsbestimmung wurde jedoch abgesehen, weil der Begriff „Lehrling“ nicht erschöpfend umschrieben werden kann. genommen von dem Gesetz sind die Beamten, die landwirt⸗ schaftlichen Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge, die Prakti⸗ kanten in Apotheken, die Lehr⸗ und Arbeitsverhältnisse, bei denen die Eltern Arbeitgeber sind. können Reichsregierung und oberste Landes weichende Anordnungen treffen. Die gleiche Ermächtigung besitzt die Reichsregierung für die See⸗ und Binnenschiffahrt.

Reichsarbeitsminister Wissell Wort. Seine Rede wird im Wortlaut veröffentlicht werden.

Abg. Blenkle (Komm.) bekämpft die Jugendpolitik des ö Reichsarbeitsministers, die nur eine

verstreuten

ördenbetriebe

etzung der bisherigen Bürgerblock⸗Regierung sei. Von Fort ei keine Rede; das Gesetz sei durchaus reaktionär. Insbesondere r jede Bestimmung über den so wichtigen Arbeiterschutz. en eines Kulturstagtes unwürdigen Zuständen in den Berufs⸗ schulen ändere der Entwurf gleichfalls nichts.

Die Vorlage geht an den Sozialpolitischen Ausschuß.

Darauf vertagt sich das Haus auf Dienstag 3 Uhr. Auf der Tagesordnung stehen das Auslieferungsgesetz und kleinere

Schluß 6 Uhr.

erste Lesung des Haushalts anschließen.

Polizeiverwaltung in Uerdingen a. Rh.

wurde am 30. v.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Aeltestenrat des Reichstags einigte sich gestern darauf, daß die bereits auf der Tagesordnung des Reichstags stehenden Gegenstände heute weilerberaten und erledigt werden sollen. Mittwoch wünscht die Mehrheit die erste Lesung des Republikschutz⸗ gesetzes vorzunehmen. Die Deutschnationalen dagegen fordern für Mittwoch die Beratung der polnischen Liquidationsabkommen. Am Donnerstag sollen dann die Richtlinien für den Wohnun bau beraten werden. Nach viertägiger Pause will der Reichs erst am Dienstag der nächsten Woche wieder zusammentreten.

Der Preuffische Staatsrat nimmt heute seine Plenar⸗ sitzungen auf. In den beiden ersten Tagen des Sitzungsabschnittes sollen kleine Gegenstände erledigt werden. soll sich dann die

8 Auf der Tagesordnung der

Eröffnungssitzung steht die Vorlage über die Verstaatlichung der

Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge, eingehend mit dem Finanzausgleich. Dabei trug er seinen schon mehrfach in der Deffentlichteit erörterten Plan vor, wonach die Reichseinkommen. und Körperschaftssteuern nicht mehr an Länder und Gemeinden überwiesen werden, die statt dessen einen normalisierten Beitrag zu den Personal⸗ Schul⸗, Polizei-, Wegebau, Wohl fahrtslasten zu erhalten haben. Finanzminister Dr. Höpker Aschoff wies darauf hin, daß gegenüber den Vorschlã gen von Dr. Kayser starker Widerspruch von den Hansestädten und Sachsen zu erwarten sei. Vei der Reichsfinanzreform zeige sich wieder einmal, daß die hundesstaatliche Verfassung Deutschlands größtes Unglück sei. Weder die Reichsfinanzreform noch irgendeine andere große Maßnahme sei unter ihrer Herrschaft zu machen. Man be— schäftige sich immer mit dem Finanzausgleich, aber man übe rsehe die Möglichkeit eines organischen Ausgleichs durch Uebernahme von Verwaltungszweigen auf das Reich. Die Unzweckmäßigkeit der bundesstaatlichen Verfassung zeige sich auch bei der Vor— bereitung der Reichsfinanzreform, über deren Einzelheiten mit den Ländern nicht verhandelt werde. Bei aller Anerkennung der sorgfältigen und sachkundigen Arbeit des Reichs finanzministeriums könne man die Befürchtung nicht von der Hand weisen, daß bei dem Fehlen einer direkten Verbindung zwischen Reich und Ge— meinden die Gemeinden nicht die gebührende Berücksichtigung finden werden. Jedenfalls scheint nach den in der Oeffentlichkeit bekanntgewordenen Plänen des Reichsfinanzministeriums eine Zurückdrängung der Länder von den direkten Steuern ins Auge gefaßt worden zu sein. Preußen hat einen ausgleichenden Mittebl⸗ weg zwischen Ländern und Gemeinden gefunden durch das im Sommer beschlossene Polizeilastengesetz und will auf diesem Weg durch den in Vorbereitung befindlichen neuen Volksschullasten= ausgleich fortschreiten. In der Aussprache forderten Dr. Rum pf AG) und Frhr. von Gayl (AG.) die unverzügliche Durch führung der Verwaltungsreform, soweit sie durch innere obligatorische Maßnahmen möglich sei. Oberbürgermeister Brauer Soz.) setzte sich für die Reichsreform ein. Landrat von Maiboocm und Dr. Graf zu Rantzau⸗Rastdorf (AG.) trugen Wünsche der Grenzgebiete vor. Abschließend er⸗ klärte Finanzminister Dr. Höpker Aschoff, daß über die in den Haushalt eingestellten Fonds hinaus besondere Beträge für die Grenggebiete nicht zur Verfügung gestellt werden könnten. Weitere Maßnahmen seien vom Gang der Verhandlungen mit dem Reich abhängig. In Ergänzung von Ausführungen des Heer beg rn if e, Brauer beschäftigte sich der Finanzminister schieflig noch mit dem § 35 des Finanzausgleichsgesetzes, der den eistungsschwachen Ländern ein gewisses Maß von Ueberweisungs⸗ steuern garantiert. Diese Bestimmung wirkt sich für Preußen nur nachteilig aus. Wenn das preußische Staatsgebiet nicht als Einheit, sondern wenn jede Provinz gesondert behandelt würde, so würde sich ergeben, daß in der Einkommen⸗ und Körper⸗ schaftssteuerkraft unter 80 vH des Reichsdurchschnitts stehen: Ost— preußen, Brandenburg, Pommern, Posen⸗Westpreußen, Nieder⸗ schlesien, Oberschlesien, Hannover, Hohenzollern. Diese Gebiete umfassen zusammen 15 Millionen Einwohner. Für sie wird ein Reichszuschuß nicht gewährt, vielmehr müssen die preußischen Ueberschußgebiete herangezogen werden. Für die außerpreußischen steuerschwachen Länder brauchen dagegen die außerpreußischen Ueberschußländer, nämlich Sachsen und die Hansestädte, nichts abzugeben, sondern der r n wird vom Reich, also zu drei Fünfteln auch wieder zu Lasten Preußens, gezahlt. Würde Preußen entsprechend seinen Zuschußgebieten nach Maßgabe des 5 35 Reichszuschüsse erhalten, so würden sich diese auf 72 Millionen Reichsmark belaufen.

Der Sklarek⸗Untersuchungsausschuß des Preußischen Land⸗ tags nahm am 2. d. M. seine Verhandlungen wieder auf. Während der Montag für die Entgegennahme weiterer Berichte bestimmt war, sollen am Dienstag die Zeugenvernehmungen fort⸗ esetzt werden. Für Dienstag sind Direktor No varra, Pro—⸗ 6 Liebert, Oberrechnungsrevisor Sakolofski, Ober⸗ magistratsrat Schindler und Bücherrevisor Schwarz geladen. Am Mittwoch werden Stadtrat Benecke, Betriebs⸗ ratsmitglied Kullmann, Betriebsratsmitglied Liedtke, Obermagistratsrat Dr. Clementz, Direktor Brolat und Oberbürgermeister Böß vernommen. Für Donnerstag ist lediglich die Vernehmung des Buchhalters Lehmann und der Brüder Leo, Max hund Willy Sklarek in Aussicht ge⸗ nommen. Bisher kal der Ausschuß keine Mitteilung darüber erhalten, daß eine Vernehmung der Sklareks nicht möglich i würde. Am Freitag werden die Mitglieder des e d Hu ses, nämlich die Stadtverordneten Bunge, Rosenthal und Mühlmann sowie die Stadtbankdirektoren Schmitt und ö n gehört, am Sonnabend schließlich Stadtkämmerer Dr. Lange und Stadtrat a. D. Wege. Die Sitzungen werden mit Unterbrechung während der Landtagsplenarsitzung bis zum 21. Dezember fortgesetzt.

Die gestrige Sitzung leitete mit einem längeren Vortrag über den weiteren Akteninhalt der Ausschußberichterstatter Abg. Koennecke (D. Nat.) ein. Er sprach dem Nachrichten⸗ büro des Vereins deutscher Zeitungsverleger i. über das seinerzeit fehlende Material, soweit es ihm bisher zugegangen ist, sowohl hinsichtlich der KBG. wie der BAG. und über die letzten Jahre der Tätigkeit der BAG. Auch heute noch, so er⸗ klärte er u. a., liegen nicht vor der Gesellschaftsvertrag und die Dienstvorschriften der KVG. Dagegen geht aus einem Prüfungs⸗ bericht der Hauptprüfungsstelle vom 1. Dezember 1924 über das erste Tätigkeitsjahr der KVG. nach der Inflation hervor, daß in diesem einen Jahr die Goldmarkkredite der Gesellschaft bei der Stadt Berlin von 53 000 auf über 1,7 Millionen RM gestiegen waren. In keiner Bilanz ist von diesen Goldmarkkrediten die Rede. Auffallend ist auch die von der Stadt gewährte Herab⸗ seß ng der Zinsen in che von über 77 000 Mark. Vor allem erscheint aber bemerkenswert, daß die KVG, ihre e , . ten mit nicht weniger als 45 Prozent des Umsatzes angegeben hat. (Hört, hört! rechts. Die Aufteilung dieser Geschäftsunkosten ist um so eigenartiger, als en g alle Posten spezifiziert . ührt werden, z. B. allein 13 Prozent des fa für Gehälter und dann außerdem noch eine Position von 11 Prozent

für „allgemeine Unkosten“, ohne daß ersichtlich ist, was sich darunter

verbirgt. nfolge der verminderten . der Bevölkerung 6 ein Umsatz in dem erwarteten großen Umfange nicht er olgen önnen. Der ahr umsa muß im Verhältnis zum investierten Kapital als zu gering bezeichnet werden. Das Inventar wird als mit 4000 Mark zu Buche stehend bezeichnet, für den Fall der Liquidation sei aber ein höherer Erlös zu erwarten. Stlarek hat dann das Inventar für nur 2090 Mark, also zu 50 Prozent, über=

nommen. In dem Gutachten heißt es dann: „Grundsctzlich muß

aber daran festgehalten werden, daß die in Gesellschaftsform ge⸗ führten Betriebe der Stadt, selbst bei gemeinnütziger Grund⸗ lage, sich selbst erhalten müssen.“ Am 23. Juli 1935 verhandelte

(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)

und die Beschlu die Wahl des Nachfolgers von Dr. Vögler, der sein Staatsrat niedergelegt hat. Als Nachfolger kommt der Gewerkschafts— sekretär Haas aus Weidenau (Sieg)-Westfalen in Frage, der der Fraktion der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen gehört und bisher Stellvertreter von Dr. Vögler im Staatérat war.

fassung über

Volkspartei an⸗

Im verstärkten Hauptausschuß des Preußischen Staatsrats ) M. der Haushalt der A Finanzverwaltung beraten, mit dem die Generaldebatte über den Haushaltsplan verbunden war. Dr. Kayser (Zentr.) beschäftigte sich, dem Nachrichtenbüro des

1IIge meinen

Der Berichterstatter

Verantwortl. Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg.

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft. Berlin Wilhelmstraße 32.

Sechs Beilagen

.

3 2

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Deutscher Reichsanzeiger Staatsanzeiger.

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Nr. 283. RNeichsbantgiroktonto. Berlin, Mittwoch

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Inhalt des amtlichen Teiles:

Deutsches Reich. Exequaturerteilung. Bekanntmachung über den Londoner Goldpreis. Aufhebung des Verbots eines Filmstreifens. Bekanntmachung der Filmprüfstelle Berlin, betreffend Zu⸗ lassungskarten. Bekanntmachung, betreffend die J. und III. Mecklenburg⸗ Schwerinsche 5, Roggenwertanleihe.

Amtliches. Deutsches Reich.

Dem Wahlvizekonsul von Guatemala beim Konsulat von Guatemala in Wiesbaden, Karl Sichel, ist namens des Reichs das Exequatur erteilt worden.

Bekanntmachung

über den Londoner Goldpreis gemäß § 2 der Ver⸗ ordnung zur Durchführung des Gesetzes über wert⸗ beständige Hypotheken vom 29. Juni 1923 (RGBl. 1 S. 482). Der Londoner Goldpreis beträgt für eine Unze Feingold ... . 84 sh 113 4, für ein Gramm Feingold demnach . . 32,7736 pence. Vorstehender Preis gilt für den Tag, an dem diese Bekannt⸗ machung im Reichsanzeiger in Berlin erscheint, bis einschließ lich des Tages, der einer im Reichsanzeiger erfolgten Neuveröffentlichung vorausgeht.

Berlin, den 4. Dezember 1929. Reichsbankdirektorium. Bu dez ies. Fuchs.

Aufhebung des Verbots eines Bildstreifens.

Der laut Bekanntmachung im Deutschen Reichs- und Preußischen Staatsanzeiger Nr. 263 vom 9. November 1929 durch Entscheibung der Jilme berprüjsstele Berlin vom 7. No⸗ vember 1929 verbotene Bildstreifen: „Bulldogg Drum mond“, Prüfnummer 24963, Antragsteller: Filmhaus Bruckmann & Co.,, A.-G., Berlin, Ursprungsfirma: United Artists Cor⸗ orgtion, New York, ist auf Grund des 5 7 des Reichslicht⸗ pielgesetzes durch Entscheidung der Filmprüfstelle Berlin vom 29. November 1929 unter Prüfnummer 24 360 mit dem gleichen Haupttitel 7 Akte 1890 m zur öffentlichen Vorführung im Deutschen Reich, jedoch nicht vor Jugend⸗ lichen, zugelassen worden.

Berlin, den 2. Dezember 1929.

Der Leiter der Filmprüfstelle Berlin. Zimmermann.

Bekanntmachung betreffend Zulassungskarten.

1. Die Zulassungskarten Prüfnummer 23 788 vom 9. Oktober 1929 k auf dem Lande“ sind ab 26. November 1929 ungültig. ur die durch erneute Zulassung des Bildstreifens vom 11. November 1929 unter Prüfnummer 24 168 mit dem neuen Haupt⸗ titel Säuglingspflege auf dem Lande“ erteilten Zulassungskarten sind gültig.

2. Die Zulassungskarten , 23 974 vom 25. Oktober 1929 „An heiligen Wassern“ sind ab 26. November 1929 ungültig. Nur die durch erneute Zulassung des Bildstreifens vom 11. November 1929 unter Prüfnummer 24 165 mit gleichem Haupttitel erteilten Zulassungskarten sind gültig.

3. Die Zulassungskarken Prüfnummer 5374 vom 23. Februar 19227 „Das verschwundene Haus“ sind ab 27. November 18929 un- gültig. Nur die durch erneute Zulassung des Bildstreifens vom 12. November 1929 unter Prüfnummer 24172 erteilten Zulassungs⸗ karten sind gültig.

4. Die G 23111 vom 9. August 1929 „Vier Teufel! sind ab 29. November 1929 ungültig. Nur die durch erneute Zulassung des Bildstreifens vom 14. November 1929 unter k 24209 mit gleichem Haupttitel erteilten Zulassungs—⸗ arten sind gültig.

5. Die Zulassungskarten Prüfnummer 23 897 vom 19. Oktober 1829 „Evelyn und ihr Rinslintin! sind, ab 26. November 1929 ungültig, wenn sie nicht den neuen Haupttitel Evelyne“ tragen.

6. Die Zulassungskarten Prüfnummer 23 728 vom T. Oktober 19829 .Das Mädel aus der Tanzbar‘ sind ab 28. November 1929 ungültig, wenn sie nicht das Ausfertigungsdatum ‚Ausgefertigt 13. 11. 29 tragen.

I. Mie 6 Prüfnummer 23 783 vom 11. Oktober 1925 Der uhrmann des Todes“ sind ab 28. November 1929 ungültig, wenn sie nicht das Ausfertigungs datum „Ausgefertigt 13. 11. 29“ tragen.

Berlin, den 30. November 1929. Der Leiter der Filmprüfstelle. Zimmermann.

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J und IIIE Mecklenburg⸗Schwerinsche 59. Roggenwertanleihe. Eine Auslosung erfolgt nicht, da die Tilgung für 1930 durch freihändigen Rückkauf geschehen ist. Schwerin, den 3. Dezember 1929. Mecklenburg⸗Schwerinsches Finanzministerium. J. A.: Schwaar.

Nichtamtliches.

Deutscher Reichstag.

107. Sitzung vom 3. Dezember 1929. Nachtrag.

Die Rede, mit der der Reichsarbeitsminister Wissell die Beratung des Berufsausbildungsgesetzes einleitete, hat nach dem vorliegenden Stenogramm folgenden Wortlaut:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem Kriege zeigt sich wohl in allen Industriestaaten das Bestreben, die beruf⸗ liche Leistungsfähigkeit der Bevölkerung und damit auch die Pro⸗ duktivität der Wirtschaft zu steigern. Auch bei uns in Deutsch⸗ land ist das der Fall; vielleicht kann man sogar sagen: insbesondere bei uns ist das der Fall. Auf diese Tatsache verweisen die Er—⸗ örterungen über diesen Gegenstand in der Tages⸗ und Fachpresse; das zeigen auch die Maßnahmen und Einrichtungen, die in den letzten Jahren die Wirtschaft selbst, sowohl die Arbeitgeber⸗ wie die Arbeitnehmerseite, mit dem Ziel getroffen hat, einen gut ausgebildeten, geistig und körperlich geeigneten Nachwuchs heran⸗ zuziehen. In der gleichen Linie liegt die Errichtung zahlreicher Sonderinstitute, die der wissenschaftlichen Forschung und der Er⸗ örterung aller Fragen der Berufsausbildung dienen; ferner die Tätigkeit der Berufsberatungsstellen und endlich der früher kaum geahnte Aufschwung, den das Berussschulwesen in den letzten Jahren genommen hat. .

Es bricht sich immer mehr die Erkenntnis Bahn, daß eine mit guten Berufskenntnissen ausgestattete und von innerem Interesse für den Arbeitsprozeß erfüllte Arbeitnehmerschaft das

Rückgrat der neuzeitlichen Wirtschaft ist. (Sehr gut! bei den

Sozialdemokraten.)

Auch der rationalisierte Betrieb bedarf einer Arbeitnehmer⸗ schaft mit gründlichen Berufskenntnissen. Eine Minderung des Bedarfs an Facharbeitern ist bei der Rationalisierung überhaupt nur insoweit denkbar, als die Betriebe auf bestimmte Methoden der Massenerzeugung abgestellt sind. Für absehbare Zeit wird nur für einen Teil der deutschen Produktion die ausgesprochene Massenherstellung in Frage kommen, weil nur insoweit die Vor⸗ aussetzungen des Marktes gegeben sein werden. Der deutsche Innenmarkt und namentlich die deutsche Stellung auf dem Welt— markt deuten bis auf weiteres nicht so sehr auf eine Massen⸗ erzeugung als auf höchstmögliche Qualitätssteigerung hin, und hierfür wird der Bedarf an Fach⸗ und Qualitätsarbeitern mehr Bedeutung haben als in der Vergangenheit.

Aber auch soweit die deutsche Industrie zur Massenherstellung mit den Behelfen der Fließarbeit usw. übergeht, mird sie den Facharbeiter nicht entbehren können, sondern unter den mannig⸗ fachsten Gesichtspunkten auf eine ausreichende Fach⸗ und Berufs⸗ ausbildung Wert legen müssen (sehr wahr! bei den Sozial⸗ demokraten), die auch den einzelnen Arbeiter selbst vor vor⸗ zeitigem Verbrauch seiner Kräfte besser schützt und damit wieder Wirtschaft und Allgemeinheit vor mannigfachen Schäden bewahrt.

Damit komme ich zu der sehr ernsten sozialen Seite, die eine unzulängliche Berufsausbildung für Arbeiter und Angestellte mit sich bringt. Die mangelhafte Berufsausbildung ist in vielen Fällen die Ursache dafür, daß der Arbeitnehmer zu seiner Arbeit

kein inneres Verhältnis gewinnt. Die geringe Verwendungs⸗ möglichkeit des ungenügend oder einseitig ausgebildeten Arbeiters ist auch oft der Anlaß, daß er bei technischen und organisatorischen Aenderungen des Betriebes, namentlich auch bei Konjunktur⸗ schwankungen, sofort entlassen wird. In solchen Fällen ist die mangelhafte Berufsausbildung vielfach die Ursache der Arbeits⸗ losigkeit in den verschiedensten Formen. Gut ausgebildete Ar⸗ beiter sind für den Betrieb so wertvoll, daß sie auch in Zeiten schlechter Konjunktur eher durchgehalten werden als die nicht gut ausgebildeten Kräfte. Jedenfalls finden die gut ausgebildeten Arbeiter in den Zeiten der Arbeitslosigkeit erheblich schneller neue Arbeit als die anderen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Aus allen diesen Erwägungen heraus hat die Reichsregierung

bereits bei ihrem Antritt die baldige Vorlage des Entwurfs eines Berufsausbildungsgesetzes angekündigt, das das gesamte Gebiet der Berufsausbildung einheitlich und umfassend regeln soll. Die

den 4. Dezember, abends.

1929

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Postscheckkonto: Berlin 41821.

bisherige Reichsgesetzgebung auf diesem Gebiet ist zersplittert, ist unzulänglich, lückenhaft und zum Teil auch veraltet. Ein Teil dieses Rechtsgebietes ist in der Gewerbeordnung, ein anderer wieder im Handelsgesetzbuch geregelt. Große Teile des hier in Betracht kommenden Gebietes entbehren der gesetzlichen Rege⸗ lung überhaupt. Dazu kommt, daß die neuzeitliche Entwicklung unserer Wirtschaft Lehr⸗ und Ausbildungsverhältnisse auch in Berufen hat entstehen lassen, die ähnliche Einrichtungen früher nicht kannten. Bisher gibt es also kein allgemeines Recht der Berufsausbildung Jugendlicher; man hat auch nie versucht, es zu schaffen. Man begnügte sich damit, gelegentlich den Bedürf⸗ nissen der wirtschaftlichen Entwicklung, die jeweils in dem einen oder anderen Berufe besonders dringlich hervortraten, durch gesetz⸗ liche Maßnahmen Rechnung zu tragen. Selbstverwaltung und Beaufsichtigung des Lehrlingswesens galten nur für die Lehr—⸗ lingsh)altung in Handwerksbetrieben. Ebenso ist auch das Prü⸗ fungswesen nach dem heutigen Recht grundsätzlich auf die hand⸗ werkliche Lehrlingshaltung beschränkt. Das ist sachlich unzureichend und eine ständige Quelle von Schwierigkeiten und Unklarheiten rechtlicher Art.

Der Ihnen vorliegende Entwurf eines Berufsausbildungs⸗ gesetzes ist vom Reichswirtschaftsministerium und vom Reichs⸗ arbeitsministerium gemeinsam bearbeitet. Er macht zum ersten⸗ mal den Versuch, das gesamte Gebiet der Berufsausbildung ein⸗ heitlich zu regeln, mit Ausnahme der Berufsausbildung in der Landwirtschaft, von der ich gleich noch sprechen werde, und mit einigen anderen unbedeutenderen Ausnahmen in den 2 bis 4. Es ist also von dem bisherigen Verfahren der Einzelregelung für besondere Berufe oder Berufsgruppen bewußt abgewichen worden. Damit ist keine schematisch gleiche Regelung für verschiedenartige Verhältnisse getroffen. Die ins einzelne gehende Regelung soll den gesetzlichen Berufsvertretungen überlassen bleiben. Denn der Entwurf ist in der Hauptsache ein Rahmengesetz, das der beruf- lichen Selbstverwaltung der Beteiligten den weitesten Spielraum gewährt.

Der Entwurf beschränkt sich ferner nicht auf die Berufs- ausbildung im Lehrverhältnis, sondern erfaßt auch, wenn auch im geringeren Umfange, die angelernten und ungelernten Arbeit- nehmer. Es handelt sich also um ein allgemeines Berufs⸗ ausbildungsgesetz, nicht nur um ein Lehrlingsgesetz, welch letzteres die Gefahr einer unverhältnismäßigen Zunahme der Gruppen der An⸗ und Ungelernten gegenüber der Gruppe der Lehrlinge mit sich gebracht haben würde. Diese Gefahr bestände nämlich, wenn für das Lehrverhältnis auf der einen Seite strenge zesetzliche Vor⸗ schriften aufgestellt würden, während auf der anderen Seite der Arbeitgeber bei der Beschäftigung jugendlicher angelernter und ungelernter Arbeitnehmer das Arbeitsverhältais frei und ohne gesetzliche Bindung hätte regeln können. Durch eine solche Rege— lung hätte die Neigung gestärkt werden können, immer weniger Lehrlinge einzastellen, und zwar zweifellos zum Schaden der Jugend, die einen gelernten Beruf ergreifen will, aber auch zum Schaden der gelernten Berufe selbst sowie zum Schaden der All- gemeinheit.

Dieser Neigung will der Entwurf dadurch begegnen, daß für die Beschäftigung Jugendlicher bestimmte allgemeine Mindest⸗ vorschriften aufgestellt werden. TDiese Vorschriften liegen in für⸗ sorgerischer und auch in erzieherischer Richtung. Auf ihren Schutz sollen alle Jugendlichen Anspruch haben. Schließlich sei auch noch betont, daß der Entwurf den eigentlichen Arbeitsschutz, insbesondere den Unfallschutz und die Regelung der Arbeitszeit, dem dem Reichstag ja schon vorliegenden Arbeitsschutzgesetz überläßt. Er wird nach der Seite der theoretischen Berufsausbildung auch durch ein zukünftiges Berufsschulgesetz ergänzt werden müssen. (Sehr wahr)

Die Grundlagen des Entwurfs sind eingehend mit den Ver⸗

tretern aller Beteiligten erörtert worden. Es ist anzunehmen, daß sich in weitesten Kreisen die Erkenntnis der Notwendigkeit gesetz= licher Regelung entwickelt hat.

Wenn ich nun zu den einzelnen Abschnitten das Wesentlichste

kurz sagen darf, so möchte ich folgendes betonen: Der erste Ab⸗ schnitt des Entwurfs betrifft den Geltungsbereich des zukünftigen Gesetzes. Das Gesetz umfaßt grundsätzlich alle Jugendlichen vom 14. bis zum 18. Lebensjahr, die einer Beschäftigung nachgehen, d. h. die entweder Arbeit gegen Entgelt oder Arbeit zum Zwecke der Berufsausbildung leisten. Er umfaßt ferner die Jugendlichen unter 14 Jahren, die nicht mehr zum Besuch der Volksschule an⸗ gehalten werden können, und er umfaßt auch Lehrlinge über 18 Jahre, wenn das vorher begonnene Lehrverhältnis nach Vollendung des 18. Lebensjahres endet.

Allerdings sind gewisse Aenderungen notwendig gewesen, von

denen die wichtigsten die Landwirtschaft und das Arbeitsverhältnis zwischen jugendlichen Arbeitern und Angestellten und ihren Eltern betreffen. Es kann zweifelhaft sein, ob es richtig ist, die Land⸗

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