1930 / 261 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 07 Nov 1930 18:00:01 GMT) scan diff

Neichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 261 vom 7. November 1930. S. 4.

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wirtschaft ist, ohne private Initiative auf die Dauer nicht bestehen kann! Ein besonderer Vorteil der vorgesehenen Maßnahmen ist es, daß durch die Umstellung eine mäßige Senkung der Realsteuern erfolgen wird. Sie ist gewiß nur bescheiden, hat aber die 266 gabe, in erster Linie zu beweisen, 8 wir sest entschlossen sind, in der Steuerpolitik unter allen Umständen eine Erleichterung der Produktion zu erzielen. Es 2 populär und ch bequem zu sagen, man decke die Staatsausgaben durch die Belastung der vor⸗ handenen Objekte. Es gehört aber in das Kapital der Demagogie, zu glauben, daß eine solche Politik zu dem Ziel der Belebung der Wirtschaft und der Verringerung der Arbeitslosigkeit führen müsse. Sie würde im Gegenteil drosselnd auf die Wirtschaft wirken, sie würde nur auf dem Papier höhere Einnahmen bringen, würde aber die Arbeitslosigkeit mehren und damit die Herunter⸗ drückung des Lebensstandards der Bevölkerung herbeiführen.

Die Verhandlungen mit den Ministern der Länder haben gezeigt, daß trotz aller Meinungsverschiedenheiten in Einzelheiten volles Verftändnis für diesen Plan der Regierung besteht, und so darf ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß auch auf diesem Gebiet die Möglichkeit einer vollen Verständigung gegeben sein wird. Was die Frage des Finanzausgleichs angeht, so dürfte es sich empfehlen, diesen Punkt, soweit es sich um den endgültigen Finanzausgleich vom April 1932 handelt, nur grundsätzlich zu behandeln. Das wird schon deswegen notwendig sein, weil die letzte Hand an diese Dinge erst gelegt werden kann, wenn die Steuervereinfachung gesetzlich festgelegt ist. Allerdings geht der Plan dahin, bei einem endgültigen Ausgleich die Steuerquellen möglichst aufzuteilen. Eine zu weit gehende Abdrängung der Länder von der Einkommensteuer soll nicht erfolgen. Einer schleunigen Klärung und Erledigung bedarf aber die Regelung des Finanzausgleichs für 1930 und 1931. Der Reichsrat hat eine solche Uebergangsregelung im April d. J. bereits verab⸗ schiedet. Diese Vorlage enthält drei umstrittene Punkte: Einmal die Vorschrift, daß das Reich bei der Zuweisung von Ergänzungs⸗ anteilen aus der Einkommensteuer an steuerschwache Länder nicht gezwungen werden soll, den Ländern insgesamt mehr zu geben, als das einzelne Land selbst an Einkommensteuer aufbringt. Das ist die Frage der Aenderung des 5 35 des Finanzausgleichs⸗ gesetzes; zweitens die Verteilung der Kraftfahrzeugsteuer nach einem veränderten Schlüssel, der den Bedürfnissen der Länder Rechnung trägt, in denen die Abnutzung der Wege durch die Kraftfahrzeuge besonders stark ist; schließlich war den Ländern aus der Umsatzsteuer bisher ein Betrag von 450 Millionen Reichsmark garantiert, und wurde er nicht erreicht, so war ein Betrag aus der Einkommensteuer und Körperschaftssteuer, der dem fehlenden Betrage entsprach, nach dem Umsatzsteuerschlüssel auf die Länder zu verteilen. In dem Entwurf ist vorgesehen, daß nur noch dann, wenn die zur Verteilung kommende Umsatz⸗ steuerquote nicht die Summe von 375 Millionen Reichsmark er⸗ reicht, der fehlende Betrag aus der Einkommensteuer und Körper⸗ haftssteuer nach dem Umsatzsteuerschlüssel verteilt werden kann. Von diesen drei Punkten begegnet die Aenderung des § 36 bei einigen kleineren Ländern scharfen Widerstand. Die Reichs⸗ regierung befindet sich hier in etwas schwieriger Lage. Sig kann den Entwurf, der durch den Reichsrat bereits ergangen ist, nur entweder liegen lassen oder ihn dem neuen Reichstag in unver⸗ änderter Form zuleiten. Erst im Reichstage wäre dann die Mög⸗ lichkeit gegeben, etwaige Aenderungen anzubringen. Dort würde insbesondere auch zu entscheiden sein, ob die vorgeschlagene Neu⸗ regelung in allen drei Punkten oder doch in einzelnen von ihnen erst für 1931 und nicht schon für 1930 in Kraft treten soll.

Zur Etats⸗ und Kassenlage kam der Minister noch einmal zurück auf die Differenzen, die sich in der Reichstagssitzung er⸗ geben haben und welche dann in der Sitzung des Haushalts⸗ ausschusses restlos aufgeklärt worden sind. Im Reichstag ist be⸗ hauptet worden, daß die Reichsregierung mit einem Ausfall an Einnahmen in Höhe von etwa 1290 Millionen Mark rechnen müsse; sie rechne aber nur mit 609 Millionen. Was zunächst die letztere Annahme angeht, so bezieht sich diese Rechnung lediglich auf die Ausfälle, die das Reich treffen. Sie sind mit 600 Millionen Reichsmark angenommen. So steht es auch in dem Stenogramm meiner Rede. Allerdings verlieren die Länder weiter 175 Millionen Reichsmark und die Knappschaft sowie die Invalidenversicherung verlieren 119 Millionen Reichsmark. Diese sollten sie bekommen aus der Lohnsteuer, sofern sie in dieser Höhe über 1432 Millionen Reichsmark hinausgeht. Da die Lohn⸗ steuer nur 1438 Millionen Reichsmark bringen wird, erhalten beide Versicherungsträger so gut wie nichts. Die weitere Differenz von 309 Millionen Reichsmark, nämlich von 9g00 Mil⸗ lionen Reichsmark Verlust für Reich, Länder und Versicherungs⸗ träger bis zu der von der Opposition angegebenen Summe von 1200 Millionen Reichsmark erklärt sich daraus, daß dort übersehen wurde, in der gezogenen Bilanz die neuen Steuern zu berück⸗ sichtigen, welche durch die Notverordnung ausgeschrieben wurden. Sie werden schätzungsweise 300 Millionen bringen; allerdings erst im letzten Halbjahr einlaufen, erklären aber den zweiten Teil der Differenz.

Nun ein Wort zur Kasse und zu den schwebenden Schulden. Die letzteren betrugen am 1. April d. Is 1670 Millionen Reichsmark. Wenn der Wirtschaftszusammenbruch nicht ge⸗ kommen und die Einnahmen des Reichs auf ihrer alten Höhe geblieben wären, wären in der Zwischenzeit mehr als die Hälfte dieser schwebenden Schulden getilgt worden. Fast 500 Millionen Reichsmark sind zurückgezahlt aus der Kreuger⸗Anleihe, insofern also ist die schwebende Schuld in eine dauernde umgewandelt. Der sogenannte Schacht⸗Kredit mit 350 Millionen Reichsmark ist getilgt. Ferner ist die Bankschuld um 100 Millionen Reichsmark verringert; aber die Defizite des Jahres erforderten neue Kredit⸗ aufnahmen. Auf der einen Seite die Ueberbrückungsanleihe, die auf zwei Jahre aufgenommen ist und insofern auch eine Ver⸗ besserung bezüglich der Fälligkeiten bedeutet. Sodann wurden Schatzanweisungen ausgegeben mit einjähriger Laufzeit, die das restliche Defizit vermindern sollen. Menschlicher Voraussicht nach werden unsere schwebenden Schulden am Ende des Etats⸗ jahres ungefähr wieder die gleichen sein wie zu Beginn. Dabei ist die Ueberbrückungsanleihe eingerechnet. Es mag bedauerlich sein, daß die gewaltigen Anstrengungen, die man dieses Jahr gemacht hat, die schwebenden Schulden zu verringern, ein nega⸗ tives Ergebnis ausweisen. Immerhin dürfte es beruhigend sein, wenn in einem solchen Katastrophenjahr, in welchem der Etat um rund 2 Milliarden Reichsmark umgestürzt wurde, das Reich nicht tiefer in die Abhängigkeit von kurzfristigen Krediten ge⸗ raten ist. Es gibt außerdeutsche Länder, bei denen diese Kredit⸗ wirtschaft einen ganz anderen Umfang angenommen hat. Der Minister führte zum Schluß noch einmal aus, daß die deutsche Finanz⸗ und Wirtschaftslage, wenn sie auch xecht schwierig sei, durchaus keine Veranlassung gäbe, den Katastrophenpolitikern nachzulaufen. Er ging auf die Entwicklung des Außenhandels ein, verwies auf die Tatsache, daß der innere Markt immer noch 2s der Gesamtwirtschaft umfasse und daß darin und in der Be⸗ hauptung der Ausfuhr eine Hoffnung der Genesung zu erblicken sei. Aber ohne Wiederherstellung des Vertrauens gehe es nicht. Dieses sei notwendig, damit der Unternehmer in Deutschland selber die Unternehmungslust wiederfinde, ohne die ein großes Volk nicht wirtschaften könne, und damit die finanziellen Sorgen, die aus der kurzfristigen Verschuldung an das Ausland her⸗ rühren, behoben werden. Zum Schluß ging der . auf das Problem der Kapitalflucht ein. Er erklärte, mit gesetzlichen Maßnahmen könne man in ihrer Bekämpfung kaum etwas er⸗ reichen. Das hätten die schlechten Erfahrungen bewiesen, die der Divisenkommissar früher gemacht habe. Die Hauptaufgabe sei eben die Wiederherstellung des Vertrauens in die Stabilität der deutschen Verhältnisse. Damit werde auch die Kapitalflucht von selbst aufhören.

deutsche

Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald führte hierauf u. a. aus: Das Reichsarbeitsministerium beschäftigten in den letzten Monaten vornehmlich drei Fragen: Erstens die Verselbständigung der Arbeitslosenversicherung (ihre o vom Etat), zweitens die Ueberleitung der stagtlichen Wohnungsbaupolitik in die private, drittens die . Selbst wenn das Reich imstande wäre, ZJuschuͤsfe oder Darlehen an die Arbeitslosenversicherung zu beschaffen, wäre damit noch wenig gedient, wenn andererseits da⸗ durch die Kreditwürdigkeit verringert würde. Die Abhängung der Arbeitslosenversicherung vom Etat it an sich richtig, strittig ist nur die Frage, wie hoch die Summe sein soll, die für die Arbeits⸗ losenunterstützung und für die Krisenunterstützung eingesetzt werden soll. Wir dürfen annehmen, daß die Arbeitslosigkeit 1931 nicht rößer sein wird als 1959. Für 1931 rechnen wir mit 15 Mil⸗ onen Hauptunterstützungsempfängern, 909 000 Krisenunterstützten und 7⸗ bis 800 000 Wohlfahrtserwerbslosen am 1. April 1931. Für diese, wie für die Krisenunterstützung besteht keine Gefahr. Für 1 Millionen Hauptunterstützungsempfänger reicht ein Bei⸗ fragssatz von 5 vH. Daher stellt der gegenwärtige Beitrags⸗ satz von 6 vH. die Arbeitslosenversicherung sowie die Krisen⸗ ürsorge sicher. Gefährlich ist die Lage nur für die Gemeinden. In dieser Hinsicht wird die Regierung demnächst noch sich weitere Schritte überlegen. Für eine grundlegende Reform der Arbeits⸗ losenversicherung bestehen zur Zeit noch keine festen Pläne. Die Wohnungspolitik der Reichsregierung wird am stärksten angegriffen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Wohnungspolitik ist das Ge⸗ lingen des Sanierungswerkes. Führt das Sanierungswerk nicht zum Ziel, dann ist weder die seitherige noch die neue Wohnungs⸗ olitik durchführbar, dann können auch bei Fortführung der seit⸗ erigen Wohnungspolitik keine 800 Millionen Mark Hauszins⸗ steuer zur k gestellt werden. Die in Aussicht genommenen Aenderungen sind nicht so grundstürzend. Die Frage ist lediglich, ob wir wieder privates Kapital für den Wohnungsbau bekommen und ferner, ob wir wieder zweite Hypotheken für den Wohnungs⸗ bau bekommen können. So wie in den letzten Jahren können wir natürlich nicht weiter bauen. Wir haben 1928 / 29 noch höhere Summen verbaut, als der Finanzminister angenommen hat, nämlich 9g Milliarden. Unser Volksvermögen hat sich jedoch nach zuver⸗ lässigen Schätzungen jährlich nur um rund 7 Milliarden ver⸗ mehrt. Wenn man aber 2 Milliarden mehr als die Gesamt⸗ ersparnis des Volkes allein in die Bauwirtschaft hineinsteckt, wird dadurch die ganze übrige Wirtschaft benachteiligt. Nun kann man die Wittschaftskrise und die Arbeitslosigkeit nicht plötzlich beseitigen. Gegenwärtig, wo es in der Welt mehr als 12 Mil⸗ lionen Arbeitslose gibt, fehlt es nicht an Kapital. Wenn aber das Sanierungsprogramm der Reichsregierung durchgeführt sein wird, wenn die Kapitalflucht aufhört und neues Kapital nach Deutschland hineinfließt, dann wird auch wieder Geld auf dem Baumarkt Anlage fuchen, und man sollte glauben, daß das Geld dann auch für erstftellige und zweitstellige Hypotheken gewonnen werden kann. Heute aber können wir nicht Wohnungsbau be⸗ treiben auf die Gefahr hin, einen Stoß ins Leere zu führen und im nächsten Jahre vor einer ,,. Arbeitslosigkeit im Bau⸗ gewerbe zu stehen. Daher bleibt nichts anderes übrig, als daß die Reichsregierung mit den Hypothekenbanken baldigst Verhand⸗ lungen aufnimmt und mit den Banken weitgehende Verein⸗ barungen trifft. In der Lohnpolitik herrscht in Deutschland große Verwirrung. Man spricht von stagatlicher Lohnsenkung, und von links her werde ich sogar der „Lohnraubminister“ ge⸗

nannt. Damit wird jedoch nicht das getroffen, worauf es gegen⸗ wärtig ankommt. Für mich wäre es natürlich das einfachste, wenn ich die Lohnfrage dem freien Spiel der Kräfte überließe,

wie es ja in allen Ländern, mit Ausnahme von Austrglien, der 9 ist. Sie hören z. B. in England und Belgien nichts von taatlichen ,,, und trotzdtzem sind in England und in Belgien in großem Ausmaß die Löhne gesenkt worden ohne Anrufung des Staates. Ich habe im Laufe der letzten Wochen auch mehrfach den Arbeitgebervertretern gesagt, in Deutschland, wo man überhaupt sehr zu Extremen und Maßlosigkeiten neige, würde das freie Spiel der . in der Lohnfrage gegenwärtig dahin führen, daß in vielen Bezirken Maßlosigkeiten in der Lohn⸗ senkung herbeigeführt werden könnten. Das kann Deutschland aber gegenwärtig nicht vertragen. In einer Stunde, wo wir in Deutschland 3, bald vielleicht bis zu 4 Millionen Arbeitslose haben, würde, wenn man die Lohnfrage plötzlich dem freien Spiel der Kräfte überließe, bald in diesem, bald in jenem Gewerbe ein großer Streik oder eine große Aussperrung ausbrechen. Persönlich könnte ich dafür die Verantwortung nicht übernehmen. Aufrecht⸗ erhaltung der Ruhe und Ordnung im Innern bedeutet einen wichtigen Teil des Sanierungswerkes der Reichsregierung. Ohne diese gibt es keine organische Kreditpolitik. Nun stehen wir vor der Frage, ob alle seitherigen Löhne stabili⸗ siert werden können. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß der Staat dafür in Deutschland nicht die Kraft hat. Der Stgat müßte sonst auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für diese Stabilisie rung Haff. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder erlebl, daß das, was zu spät erfolgte, nachher in viel schärferer Form nachgeholt werden nn Die Reichsregierung ganz ghich, wie sie sich parteipolitisch zusammensetzt steht vor drei Möglichkeiten: 1. Stabilisierung der seitherigen Löhne, 2. freies Spiel der Kräfte, 3. mäßigendes und regulierendes Ein⸗ reifen der Regierung. Meines Erachtens kann nur der letzte

eg gegangen werden. Vom Standpunkt des Staates sieht die Sache eben ganz anders gus, als vom Standpunkt der Arbeit⸗ geberverbände oder der Gewerkschaften. Im übrigen sind im Etat des Reichsarbeitsministerium 400 Millionen gestrichen worden. Davon entfallen 250 Millionen auf die Arbeitslosen⸗ versicherung. Für sie standen im letzten Etatsjahr über 700 Mil⸗ lionen zur Verfügung, in diesem Jahre nur etwas über 400 Mil⸗ lionen. Der zweite größere Posten, der eingespart wurde, ent⸗ fällt auf den Versorgungsetat. In ihm fehlt die Kapital⸗ abfindung für die Kriegsbeschädigten. ie Reichsregierung ist der Meinung, daß man in einer solchen Zeit der Finanznot wie gegenwärtig, die. Kapitalabfindung für die Kriegsbeschädigten vorübergehend einstellen muß. Die Einsparungen am Ver⸗ sorgungsetat betragen 100 Millionen, hinzu kommen noch nst ge Posten von insgesamt 50 Millionen. Gewiß ist der Sozialetat in Deutschland besonders empfindlich. Aber wenn man einen Sparetat aufstellen muß, kann man nicht am Sozialetat vorbei⸗ gehen. Ich habe schon kürzlich auf einer Pressekonferenz aus⸗ geführt: der diesjährige Etat des Reiches, der in seinem Ordi⸗ narium und Extraordingrium zusammen mit 10,5 Milliarden balancieren muß, enthält 3,X Milliarden Ueberweisungen an Länder und Gemeinden, 22 Milliarden Reparationen und Liqui⸗ dationsschäden, 1,1 Milliarden für Verzinsung und Tilgung der Reichsschuld. Das sind zusammen 6,5 Milliarden, die im Augenblick unabänderlich sind, so daß für den ganzen übrigen Etat nur noch 41 Milliarden bleiben. Von diesen 41 Milliarden entfallen auf den Etat des Reichsarbeitsministeriums 26 Mil- liarden, davon wieder eine Milliarde auf den Sozialetat, Arbeits⸗ losen⸗ Invalidenversicherung usw., 15 Milliarden auf den Ver⸗ sorgungsetat, Versorgung der Kriegsbeschädigten usw. Von den Pesten, an denen allein Einsparungen möglich sind, entfallen also 65 v5 auf das Arbeitsministerium. Da bann man bei der Aufstellung eines Sparhaushalts nicht völlig an diesem Etat vorübergehen. In vertraulicher Sitzung beriet der Reichsrat dann seinen Arbeitsplan.

. ,, an die öffentliche Sitzung fanden vertrau⸗ liche Beratungen es Reichsrats statt, über die das Nachrichten⸗ büro des Vereins deutscher Zeitungsverleger erfährt, daß sich an der allgemeinen Aussprache über die Erklärungen des Reichskanzlers, des Reichsfinanz. und des Reichsarbeits⸗ ministers die Ministerpräsidenten ö. aller Länder beteiligten. Wenn gegen Einzelheiten auch Bedenken geltend gemacht

worden seien, so sei in der Aussprache doch der einmüti

Wille zur Mitarbeit an dem großen Reformwerk und de

grundsätzliche Zustimmung zum Ausdruck gekommen. Die Vorlagen wurden den Ausschüssen zur weiteren Beratum überwiesen.

Der Reichsrat genehmigte in seiner offen lich Sitzung am 6. d. M. laut Bericht des Nachrichten büros dez Vereins deutscher Zeitungsverleger, einen Gesetzentwurf übe die Deutsche Golddiskontban k. Dadurch wird da Fortbestand der dur

den neuen Aufgaben entsprechend umgestaltet.

Privatbanken treten. Genehmigt wurden weiter

führungsvorschriften zum

gesetz, in denen die Vorschriften für die Milchbehandlung den technischen Fortschritten entsprechend umgestaltet werden Weiter wurde genehmigt ein Antrag des Bäckerinnungs; verbandes Thüringen um Berleihung der Rechts fähigkeit, eine Verordnung über die Zulassung vor

nicht metrischen Meßgeräten im eichpflich— tigen Verkehr und eine Verordnung über Krank— heitserreger.

Es stand dann der Entwurf einer Verordnung zu Senkung der Verkehrssteuer zur Beratung. Die Verordnung ist notwendig geworden, da das Steuermilde— rungsgesetz zur Erleichterung von Betriebszusammenschlüssen

am 1. Oktober außer Kraft getreten war. Die Grundlage der

Verordnung bildet das vom Reichstag beschlossene Ermächti= gungsgesetz für Steuererleichterungen. der Gesellschaftssteuer, der Grunderwerbssteuer und der Wert zuwachssteuer bei Verschmelzungen und Umwandlungen von Kapitalgesellschaften vor. Daxüber hinaus wird der allgemein Satz der Gesellschaftssteuer von 4 auf 2 vH und die Wert— papiersteuer grundsätzlich auf 1 v5 ermäßigt.

Berichterstatter, Ministerialdirektor Dr. Hammer, teilt.

mit, daß die Ausschüsse Bedenken trugen, die Kanitalverkehrs steuern in diesem weitgehenden Umfange zu ermäßigen. Von verschiedenen Seiten wurde darauf aufmerksam gemacht, daß die

ñ J

Senkung bei der gegenwärtigen Finanznot nicht verantwortet werden könne. Trotzdem hat nach längerer Aussprache die Mehr heit dem Entwurf zugestimmt, nachdem das Reichsfinanzministe⸗ rium erklärt hatte, sonst gern nen zu sein, bei der gegenwärtigen

Wirtschaftslage von Fall zu Fall Steuererlaß verfügen zu , um wünschenswerte Neu⸗ und Umgründungen zu ermöglichen.

Eine Aenderung wurde bei der Grunderwerbssteuer vorgenommen,

bei der für den Fall des Einbringens von Grundstücken in eiñ e, n,. usw. grundsätzlich der Einheitswert maßgebem sein sollte. Die Ausschüsse waren der Meinung, daß diese Frage, ob Einheitswert oder gemeiner Wert, allgemein bei einer Ueber prüfung der Grunderwerbssteuer geregelt werden müsse. Eine weitere Aenderung geht dahin, daß von der Steuervergünstigunz nicht nur, wie die Vorlage vorsieht, sogenannte Grundstücksver— wertungsgesellschaften, sondern au geschlossen sein sollen.

Der Reichsrat stimmte der Vorlage mit den Aenderungen mit Mehrheit zu.

Die nächste Reichsrats-Sitzung findet erst am 20. No—

vember statt.

Der ischechossowakische Gesandte Dr. Chvalkovsky hat Berlin verlassen. rat Dr. Blahoz die Geschäfte der Gesandtschaft.

Nummer 31 des Reichsarbeitsblatts vom 5. November 1941 Amtlicher Teil: JI. Arbeitt⸗ vermittlung und Arbeitslosenversicherung. Gesetze, Verordnungen, Erlasse; Milchgesetz. Berichtigungen. Berichtigungen zum vorläufigen Verzeichnis der Arbeitsämter. II. Arbeitsver- Arbeitsgerichtsbarkeit,

hat folgenden Inhalt: Teil J.

fassung, Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Schlichtungswesen. Gesetze, Verordnungen, Erlasse: Bekannt— machung, betreffend das Genfer Uebereinkommen über den Heuer— vertrag der Schiffsleute. Vom 19. Oktober 1936. Bescheid Urteile: 96. Die Vorschrift des 5 2 der vorläufigen Landarbeit ordnung, wonach Dienstverträge landwirtschaftlicher Arbei nehmer mit mehr als halbjähriger Dauer unter gewissen Vorau een schriftlich abzuschließen sind, hat nicht zur Folge, da ormlos abgeschlossene Verträge nichtig sind. Solche Verträge laufen zunächst 6 6 Monate und gelten dann als auf un— ö Zeit verlängert. 97. Notwendiger Inhalt der Re— visionsbegründung, insbesondere Bezeichnung der verletzten Rechts, norm. Anhang 1 i r ü, Entwurf eines Ges über die Gemeinnützigkeit von Wohnungsunternehmen. An, hang II: Ausländische Gesetzgebung. Italien. Entwurf ein Gesetzes über die Regelung der Arbeitszeit in gewerblichen B trieben. Berichtigung. Teil II. Nichtamtlicher Tei Das Gesetz über die Gemeinnützigkeit von Wohnungsunternehmen Von Werner Meier, Oberregierungsrat im Reichsarbeitsminist rium. Aufstellung eines Arbeitszeitschemas durch einen Gesam fachausschuß. Von Else Lüders, Oberregierungsrat im Reich arbeitsministerium. 7 Struktur der Arbeitslosigkeit. Vo Dr. Georg Schneider, itglied der Reichsanstalt für Arbeit vemittlung und Arbeitslosenversicherung, Hauptstelle. Meta verarbeitende Berufe. Von Reg.⸗Rat Sr. List, Stettin. Hie

zu die Beilagen: Der Arbeitsmarkt im Deutschen Reiche. Die Arbeitsmarktlage Mitte Oktober 1930: J. Din Arbeitsmarktlage nach der Stichtagzählung bei den Arbeitsämter nanspruchnahme der Arbeit. 6 Sozial politisch

Statistik.

am 15. Oktober 1930. II. Die losenversicherung und der Kri

ö Bücherbe Statistische achweisungen über Löhne in Teil v. Reichsversorgungsblatt: Amtliche Nachricht über die Versorgungs⸗ und Fürsorge Angelegenheiten der Krieg beschädigten und Kriegshinterbliebenen. ; 68. Reichshilfe der Personen des öffentlichen Dienstes. 69. Ver 1 70. Erstattung zu Unrecht empfangen

ersorgungsgebührnisse. 71. Ergänzung der Durchführung 3. Titel (Reichsversorgung) des 4. Abschnit

prechungen und Bücheranzeigen. die

bestimmungen zum

der Verordnung des Reichspräsidenten zur Behebung finanzielle wirtschaftlicher und sozialer Notstände vom 26. Juli 1830 (Reich Winke für die Praxis. Soziale Abfertigung vor Amt Bekanntmachungen über Tarif

orge. 73. Ausweise zur bevorzugten tellen. Teil VI. verträge.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

. 1S. 311). 72.

Verantwortlich für Schriftleitung und Verlag: Direktor Mengering in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft Berlin, Wilhelmstr. 32.

Fünf Beilagen (einschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen

Gesetz von 1924 gegründeten Gon diskontbank grundsätzlich bejaht und der Betrieb der Ban t Die Golde diskontbank soll auch fernerhin nicht in Konkurrenz 3 den

us Vieh seu chen

Sie sieht den Erlh

Grundstücksgesellschaften aus

ährend seiner Abwesenheit führt Legationt⸗

Arbeitsverhältnisse und den Hauptbergbaubezirken im 2. Vierteljaht 193

Versorgungs recht

26.

Erste Beilage

Verlin, Freitag, den 7. November

1939

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Nichtamtliches.

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)

Preußischer Landtag. 183. Sitzung vom 5. November 1930.

ö Nachtrag.

ie Rede, die der Minister für Handel und Gewerbe chreiber im Laufe der Aussprache über die Gruben⸗ bhen in Alsdorf und Neurode gehalten hat, lautet

em vorliegenden Stenogramm wie folgt: 3 den Begründungen, die für die verschiedenen Uran⸗

3

1 nd Großen Anfragen gegeben worden sind, entnehme ich, 1 große Mehrheit des Hauses mit der Regierung darin 1 stimmt, daß solche furchtbaren Katastrophen, wie wir Lebt haben, die ein unendliches Unglück über so zahlreiche beiterfamilien in Deutschland gebracht haben, ganz be⸗ wenig geeignet sind für eine agitatorische und partei⸗ ilch Behandlung. (Sehr richtig! Zurufe bei den Kom⸗ en) Ich glaube vielmehr, daß solche ernsten Vorgänge elt werden sollten mit dem Willen zur Sachlichkeit und

hene Leidenschaft, die nur darauf abgestellt ist, in den beitern eine ganz falsche Vorstellung von dem zu erwecken, ihrem Schutze geschieht, und was bisher geschehen ist. richtig! rechts Zurufe bei den Kommunisten) Wenn öon diesem Standpunkt ausgeht, daß man solche ernsten nge mit aller Sachlichkeit zu prüfen und aufzuklären hat,

Iz ich zu der Feststellung kommen, daß es auf Grund der ungen, die auf das sorgfältigste angestellt worden sind, lt imen unberechtigt wäre, den Bergbehörden oder den Be⸗ L agnern bei den Unfällen sowohl in Neurode wie in Als—

ken Vorwurf zu machen. enn ich zunächst noch mit ein paar Worten auf das Un— in Neurode eingehen soll, so haben Sie ja schon aus den Ihrungen des Leiters des Grubensicherheitsamts eben nähere Len über das Ausmaß und den Hergang des Unglücks er⸗ Wenn ich Ihnen aus dem Bericht, der soeben erstattet ard n ist, nur die allerwichtigsten Zahlen, die für die Be⸗ wg dieses Unglücksfalles bestimmend sind, noch einmal her⸗ ae zen darf, so weise ich darauf hin, daß bei dem Kohlensäure⸗ ich in Neurode ein Kohlenblock in der Breite von 1656 und 8d Tiefe von 8 Metern durch den Kohlensäureausbruch her⸗ Preßt worden ist, und daß Berg- und Kohlenmassen im von 3000 Tonnen durch den Kohlensäureausbruch her⸗ sen worden sind. Wenn man diese Tatsache kennt d, Herr Sobottka, Sie kennen ja diese Tatsache so kein Mensch behaupten, daß gegenüber einem solchen at ereignis, das nur mit einem Erdbeben oder etwas Aehn⸗ verglichen werden kann (sehr richtig), Beschuldigungen Bie sie erhoben haben, angebracht sind. (Zurufe des Ab⸗ Meten Sobottka Glocke des Präsidenten) Bei dem n solcher Naturgewalten hat niemand das Recht, anderen Schuld zuzuschieben (fehr richtig an dem, was vorge⸗ en ist. An dem Kohlensäureausbruch und seiner furcht⸗ Wirkung haben die Bergbehörden und die Betriebseigner B so wenig Schuld wie etwa der Abgeordnete Sobottka. . Bas das Grubenunglück in Alsdorf anlangt, so haben Sie gehört, daß die Ursachen dieses Unglücks noch nicht auf⸗ sind. Deshalb wäre es leichtfertig, wenn man in diesem Höblick irgendwelche Beschuldigungen erheben wollte. Das teht fest, daß, wenn die weiteren Ermittlungen ergeben daß irgendwelche Versehen vorgekommen sind, die schuld⸗ nennen sind, dann mit aller Entschiedenheit durchgegriffen n wird. Nach den Ermittlungen, die auch in diesem Fall orgfältigste vorgenommen sind, und unter Hinzuziehung der rragendsten Sachverständigen, die uns zur Verfügung stehen, denfalls festgestellt, daß die Mißstände, die der Antrag der iunistischen Partei vom September dieses Jahres auf dieser e rügt, nicht vorhanden gewesen sind; im Gegenteil, die gten, und zwar auch der Grubenkontrolleur (Zuruf bei den nunisten) ich weiß nicht, warum wir solche Einrichtungen en, wenn man auf ihre Ansicht und Beobachtungen keinen legt ssehr richtig) und die Mitglieder des Betriebsrats bestätigt, daß keineswegs Schlagwetter in nennenswertem ang festgestellt worden sind, von denen im Urantrag Sobottka Rede ist. Es ist ferner festgestellt, daß gerade diese Grube r Bergbehörde häufig befahren und kontrolliert worden ist. Nun hat der Herr Abgeordnete Sobottka gemeint, der Revier⸗ te habe ihm entgegnet, als er darauf hingewiesen worden zaß die Betriebsleitung auf die Kontrollbesuche des Revier⸗ ten aufmerksam gemacht worden wäre, das entspreche einem B. den ich herausgegeben hätte. Davon kann keine Rede sein, ein Erlaß ergangen wäre, daß die Revierbeamten ihre Pollbesuche vorher der Betriebsleitung anzeigen müssen. Ich e an, daß hier ein Mißverständnis vorliegt insofern, als Antrag der kommunistischen Fraktion durch die interessierte gegangen ist, als er hier dem Hause zugeleitet worden ist. rlich haben die Beteiligten im Aachener Revier von den luptungen des Urantrags Kenntnis erhalten, und so hat die sebsleitung von den Vorwürfen in dem Antrag Kenntnis men, ehe der Revierbeamte in der Lage war, diese Vorwürfe prüfen. Das ist also ein abfolut natürlicher Borgang, und nn leine Rede davon sein, daß die Betriebsleitungen, wie Sobottka es geschildert hat, amtlich sozusagen gewarnt en, ehe die erforderlichen Kontrollen stattfinden. lber auch hinsichtlich der allgemeinen Entwicklung Sicherheitsverhältnisse im preußischen Bergbau Perr Sobottka in seinen Ausführungen vorhin ein Bild ge⸗ 1. das durchaus nicht dem wirklichen Sachverhalt entspricht H falschen Eindruck erwecken muß, als wenn unsere Mühen J. Arbeiten auf dem Gebiet der Grubensicherheit wobei der ag zu meiner Freude die Regierung immer unterstützt hat NMislos gewesen wären. Die Dinge liegen anders. Die

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ö.

3 .

Zahlen der tödlichen Unfälle, auf 10009 Mann der Belegschaft berechnet, sind in den Jahren 1923 und 1929 im Ruhrbergbau keineswegs besonders hoch gewesen; sie sind vielmehr niedriger gewesen als in allen anderen Jahren seit 1900. Die Zahlen sind so, daß wir 1929 auf 1000 Mann der Belegschaft im Ruhrgebiet 2,06 tödliche Unfälle hatten und daß 1928 die Zahl noch etwas günstiger lag, nämlich 1,33. Die Zahl im einzelnen Jahre schwankt selbstverständlich. Es braucht nur einmal ein größerer Unglücksfall einzutreten, der viele Todesopfer fordert, um die ganze Entwicklung in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Man muß also eine mehrjährige Entwicklung ins Auge fassen, und da ist das Bild keineswegs so trostlos, wie Herr Sobottka es ge⸗ schildert hat.

Wenn ich Ihnen die Gesamtunfälle nennen soll, nach⸗ dem ich von den tödlichen Unfällen gesprochen habe, so liegen die Dinge so, daß auch hier die Zahl 1929 die günstigste ist, die wir in den vergangenen Jahren gehabt haben; sie liegt 1929 auch günstiger als 1928. Wir hatten 1929 205,23 Unfälle im Ruhrgebiet auf 1000 Mann Belegschaft und hatten im Jahre 1928 211,55 Unfälle.

Nun habe ich den Eindruck, als wenn bei der scharfen Kritik, die von seiten der Kommunistischen Partei auch heute wieder an dem Grubensicherheitswesen geübt worden ist, doch übersehen wird, daß eben leider in dem Bergbau aller Länder und aller Wirtschaftssysteme eine große Reihe von Unfällen vorkommt. Ich habe schon bei früherer Gelegenheit darauf hingewiesen und habe damals Zahlen angegeben, die beweisen, daß auch im russischen Bergbau, von dem der Herr Abg. Sobottka doch wohl nicht be⸗ haupten wird, daß dort ein Antreibersystem stattfindet (Heiterkeit), die Unfallziffern keineswegs gering sind. Ich höre sogar eben, daß die Gesamtzahl der Unfälle im Steinkohlenbergbau in Ruß⸗

land höher ist als in Deutschland. (Hört, hört! bei der Sozial⸗ selbst als Mitglied der Untersuchungskommission von der Als⸗

demokratischen Partei, in der Mitte und rechts. Widerspruch und Zurufe bei den Kommunisten) Es ist also nicht berechtigt, in der Weise Anklagen und Beschuldigungen zu erheben, wie Herr Abg. Sobottka es getan hat. Ich behaupte vielmehr und möchte es einmal hier von dieser Stelle aus mit aller Deutlichkeit aus⸗ sprechen, daß in keinem Lande der Welt zum Schutze und zur

Sicherung der Bergarbeiter so viel geschieht wie in Deutschland.

(Bravo!)

Auch was die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bergarbeiter im Aachener Revier anlangt, so sind doch die Darstellungen des Herrn Abg. Sobottka nicht zutreffend, die darauf hinausliefen, als wenn die Bergarbeiter gerade in diesem Revier nicht voran— kämen und ganz ungeheuerlich ausgebeutet würden. Herr Abg. Sobottka hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Förderung im Aachener Gebiet sehr stark gestiegen ist. Aber wie liegen denn dort die Dinge im einzelnen? Es trifft zu, daß der Schicht⸗ förderanteil pro Mann von 798 kg im Jahre 1924 auf 1198 kg gestiegen ist (hört, hört! bei den Kommunisten), das sind genau 50 275. Das habe ich bei den Etatsberatungen hier an dieser Stelle schon mitgeteilt. Aber nun muß man auch darauf hinweisen, daß in der gleichen Zeit, nämlich von 1924 ab, der Schichtlohn von 5,30 M bis zum zweiten Quartal 1930 auf 7,95 4, also auch genau um 50 3, gestiegen ist. Daraus ergibt sich also, das der Lohn durchaus parallel zum Schichtförderanteil gestiegen ist. Wenn in den letzten Jahren in so großem Umfange mehr gefördert ist als früher und insbesondere im Jahre 1924, so erklärt sich das eben einerseits aus der Steigerung des Schichtförderanteils, zum anderen daraus, daß auch die Belegschaft sehr stark zugenommen hat. Sie ist von 18 495 im Jahre 1924 auf 26 647, also um 44 85, gesteigert worden. (Hört, hört Daraus ergeben sich die stark gestiegenen Förderziffern.

Meine Damen und Herren, mir liegt daran, bei dieser Ge⸗ legenheit nochmals Worte des aufrichtigen Dankes für die hin⸗ gebende Arbeit zu sagen, die die Rettungsmannschaften auch bei dem großen Unglück in Alsdorf geleistet haben. (Lebhafter Bei⸗ fall) Die Wehren und Rettungsmannschaften, die von nah und fern herbeigeeilt sind, haben auch bei dieser Gelegenheit wieder hervorragende Beispiele von Tapferkeit und wahrhaft berg⸗ männischer Kameradschaftlichkeit gezeigt, für die wir ihnen auf⸗ richtig dankbar sein müssen. Ebenso möchte ich ein Wort des Dankes sagen an alle diejenigen, die durch Spenden dazu bei⸗ getragen haben, das schwere Los der Hinterbliebenen und der beim Unglück Verletzten zu lindern.

Meine Damen und Herren, im Ausschuß, dem ja wohl die Anträge überwiesen werden, werden wir Gelegenheit haben, die weiteren Ergebnisse der Untersuchung mitzuteilen. Ich fühle mich mit Ihnen vollständig einig darin, daß wir nach wie vor alle Mittel, die überhaupt nur in Menschenhand liegen, um die Sicher⸗ heit im Bergbau zu verbessern, zu ergreifen haben und ergreifen werden. (Bravo!)

184. Sitzung vom 6. November 1930. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Vor Eintritt in die Tagesordnung der heutigen Vollsitzung des Preußischen Landtags gibt t Ladendorff , folgende Erklärung ab: „In der Sitzung des Preußischen and⸗ tags am Dienstag, dem 4. November 18530, sind mir von. Mit⸗ gliedern der sozialdemekratischen Fraktion wiederholt Zwischen⸗ 2 mit Bezug auf den angeblichen Korruptionsfall im An— haltischen Landtag gemacht worden, die ich im einzelnen nicht enau verstanden . (hört, hört! links) sonst hätte ich schon am Cie ee sofort darauf ausführlich erwidert. Nachdem nunmehr in der ö des sozialdemokratischen Zentral⸗ organs ein solcher Zwischenxuf im Wartlaut zitiert worden ist im „Vorwärts“ steht der Zuruf: „Der Mensch Ladendorff be⸗ sticht Abgeordnete in Anhalt!“ gebe ich hiermit vor der Oeffent⸗ lichkeit folgende Erklärung ab, die ich jederzeit bereit bin, zeugen⸗ eidlich zu erhärten (Rufe bei den Sozialdemokraten: „Wie Franzen!“ : Ich habe in —— e, , , . die mit der Gründung der Deutschen Realkreditbank A.-G. in Dessau oder mit der Erlangung der Hypothekenreichskonzession für diese Bank

* Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

oder mit dem Staatsvertrag zwischen Preußen und Anhalt, be⸗ treffend die Leopoldshaller Werke, niemals Gelder zum Zwecke der Bestechung oder zu anderen unlauteren Zwecken bezahlt. Ich habe in dieser geh g her auch niemals Vas Versprechen oder die Zahlung solcher Gelder vermittelt oder sonst bei dem Ver⸗ sprechen oder der Zahlung mitgewirkt. Was ich hier von geld⸗ lichen Zuwendungen gesagt habe, gilt in genau dem gleichen Um⸗ ange auch für andere Vorteile. Diese meine eidesstattliche Ver⸗ icherung deckt sich vollinhaltlich mit den Aussagen, die die Auf⸗ ichtsratsvorsitzenden der Dessauer Realkreditbank A—-G. anläßli ihrer Vernehmung als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuß des Anhaltischen Landtags unter Eid abgegeben haben. Jeder, der behauptet, ich hätte jemals irgendwie zu Bestechungszwecken un- mittelbar oder mittelbar auch nur einen Pfennig gezahlt bzw. versprochen, ist ein 6 Ehrabschneider und ehrloser Ver⸗ leumder.“ (Beifall bei der Wirtschaftspartei. Lärm links.)

Auf Antrag des Abg. Jürgensen (Soz.) wird, da von keiner Seite sich Widerspruch erhebt, ein sozialdemokra⸗ tischer Antrag dem Geschäftsordnungsausschuß überwiesen, der sich mit dem Fall Franzen⸗Lohse beschäftigt. Der Antrag besagt, daß vor dem Braunschweiger Gericht der Abg. Lohse zugegeben hatte, er habe am Tage des ersten Reichstags⸗ Zusammentritts seine Abgeordnetenlegitimation seinem Parteifreund Guth überlassen, damit der an der Reichstags⸗ sitzung teilnehmen könne. Ob die Legitimation auch zu un⸗ berechtigten Fahrten auf der Reichsbahn benutzt wurde, sei noch nicht festgestellt. Die Sozialdemokraten beantragen, der Landtag möge beschließen, dem Abg. Lohse wegen dieses un⸗ erhörten Mißbrauchs mit seiner Abgeordnetenlegitimation die schärfste Mißbilligung auszusprechen und den Geschäfts⸗ ordnungsausschuß zu beauftragen, Vorschläge zu machen, wie ein derartiger Mißbrauch der Abgeordnetenlegitimation in Zukunft verhindert und geahndet werden kann.

Nachdem weitere Hochwasseranträge debattelos in die Ausschußberatung verwiesen sind, wird die Aussprache über die Gruben katastrophen fortgesetzt.

Abg. Fries⸗Siegen (Soz.) schildert die Eindrücke, die er

dorfer Katastrophe hatte. Auf den Tisch des Hauses habe er zahlreiche bildliche Darstellungen der furchtbaren Explosion nieder- gelegt. Man ersehe daraus, daß z. B. Mauern von einer Stärke von 80 em bis zu einem Meter wie Papier weggeblaßsen seien. Unter Tage böten sich Bilder des Grauens und stärkster Ver— wüstungen. Bis jetzt = niemand in der Lage, die wirkliche Ursache des Unglücks festzustellen. Wenn die ersten Autoritäten noch nicht einmal die genaue Ursache angeben könnten, läge in den Beschuldigungen des Abg. Sobottka (Komm.) wohl doch ein gut Teil Ueberheblichkeit. (Lärm bei den Kommunisten) Nux einige sekundäre Momente lägen schon zutage. So hätten sich auf Grube Anna II und den anderen Gruben des gleichen Reviers in der Tat schon öfters Schlagwetter gezeigt. Auch wären die Versatzarbeiten nicht ordnungsgemäß und nicht rechtzeitig getätigt worden. Er persönlich könne sich in diesem Falle nicht der Auf⸗ fassung der Bergbehörde anschließen, daß überall einmal eiwas versäumt werden könne. In den Firsten seien die Versatzarbeiten nicht immer mit der notwendigen Sorgfalt ausgeführt worden: noch heute könne man infolgedessen dort vielfach gefährliche Hohl⸗ räume feststellen. Weiter könne das Vorhandensein von sehr viel Kohlenstaub auf Anna II nicht geleugnet werden. Das sei eine Folge des Antreibersystems, das zum Ueberladen der Wagen führte. Man habe auch ermittelt, daß sich der Kohlenstaub mit entzündete. Die Frage sei immer nur, wo die primäre Ursache für die Explosion liege. Es seien weitere Zeuge pvernehmungen darüber eingeleitet worden, ob die kommunistische Behauptung stimme, daß autogene Schweißarbeiten an verbotenen Stellen in den Schächten ausgeführt worden seien. Eine außerordentliche Gefahr liege weiter zweifellos in der Verwendung von Benzol. lokomotiven unter Tage. Gerade in der Nähe der Grube Anna I sei schon einmal ein Brand durch eine Benzollokomotive ver- ursacht worden. Der Redner wendet sich dann scharf gegen den Abg. Sobottka (Komm.), der gestern persönliche Angriffe gegen die sozialde mokrgtischen Bergarbeiterführer gerichtet und ihnen dabei politische Versumpfung vorgeworfen hätte. Er betont, die besonnenen deutschen Bergarbeiter ständen nach wie vor hinter ufelmann und den anderen Gewerkschaftsführern und seien ihnen dankbar für die Leistungen die sie für die bereits vollbracht haben. Den Vorwurf der politischen Gemein- heit und r gebe er dem Abg. Sobottka zurück. (Sehr mut! bei den Sozialdemokraten, Lärm bel den Kommun isten) Das uftreten der Kommunisten an der furchtbaren Unglücksstelle in Alsdorf konnte bei jedem anständigen und vernünftigen Menschen nur ein Gefühl des Ekels und des Abscheus hervorrufen. Stür⸗ mische Zustimmung bei den Sozialdemokraten. Anhaltende lärmende ischenrufe bei den Kommunisten.) Der Abg. Sobottka (Komm.) habe sich zum Leidwesen der Untersuchungskommission nicht bei den 26 Beratungen eingefunden; er hätte mitraten und mittaten follen. Herr Sobottkg habe das aber wohlweisli unterlassen, weil dann der Unterschied zwischen Schwätzen un Wirken zu kraß sich gezeigt haben würde. (Sehr 2 bei den Sozialdemokraten. Lärm bei den Kommunisten) er Redner legt weiter dar, daß gerade auf. der Grube Anna II die Leistungen der Arbeiter gegen die Vorkriegszeit um über 27 v gestiegen

seien. Die S BP. D. lehne das scharfe Antreibersystem grund⸗ ätzlich ab. Der Redner schildert an Einzelbeispielen das helden · hafte Verhalten der Bergarbeiter, bei den Rettungsaktionen.

Seinen Dank dehnt er aus auf die Arbeit der Sanitäter und Terzte. Mit ironischen Bemerkungen wendet er sich dagegen, daß als angeblicher Sanitäter auch der nationalsozialistische Reichstags abgeordnete Dr. Ley mit in die Unglücksgrube eingefahren sei, nur, damit er in seinen Parteizeitungen und für eine Reichs tags⸗ interpellation Material bekomme. Für die Hinterbliebenen und anderen Opfer der Alsdorfer Katastrophe sei in der Oeffentlichkeit bisher eine Summe von über 600 00 M gesammelt worden, Es fei blamabel, daß demgegenüber der Eschweiler Bergwer ls Verein nur ganze z0b C0 A aufgebracht habe, obwohl seine Dividende mit 4 bS noch auf Jahre hinaus garantiert sei. In diesem Zusammenhang verweist der Redner nochmals auf die in der „Bergwerks⸗Zeitung“ veröffentlichte Notiz, daß durch das Unglück bie Dividend? der Grube Anng Il nicht berührt werde, und nennt eine solche Auffassung unter Polemik gegen den verantwortlichen Redakteur des Blattes, Abg. Schmidt⸗Hoepke (Wirtschp.). ver- werflich. Er schließt mit der Aufzählung einzel ner fach männischer Forderungen für den Ausbau der Grubensicherheit. Dabei ersucht er den Maister u. a., sich entschieden gegen den geplanten Abst ich an den Mitteln für die Grubenkontrolleure zu wehren. (Minister Schreiber gibt durch ein Kopfnicken seine Zustimmung zu er⸗ kennen) Im , zu den Erklärungen der Arbeitgeber ver⸗ kündete die S. P. D. die Parole; „Hände weg von der sozialen

Fürsorge, von der Kürzung der Löhne und herbei mit der Arbeits⸗ zeitkürzung sowie Aufbesserung

der unzureickenden Löhne gerade

auch einiger Bergarbeitergtuppen!“ (Zustimmung bei den

Sozialdemokraten.) Auch dadurch werde man eine bessere Sicher⸗

heik im Bergbau erreichen. (Lebhafter Beifall bei den Sozial- demokraten.)

Abg. Dr. von Waldthausen (D. Nat.): Aus den Dar⸗

legungen der Regierungsvertxeter ergibt sich für uns, daß die

Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

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