Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 27 vom 2. Februar 1931.
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lassen. Ein namhafter Betrag dieser Spende konnte zur Ver⸗ schickung erholungsbedürftiger Mütter verwandt werden.
Die Kinderspeisung, für die im laufenden Jahre auch wieder Reichsmittel im größeren Umfange zur Verfügung standen, hat einen erfreulichen Aufschwung genommen. Im ganzen sind durchschnittlich rd. 700 000 Kinder gespeist worden. Das sind etwa 12 vH der Kinder zwischen 6 und 14 Jahren.
Die von mir dem Hohen Hause vor Jahresfrist angekündigte Neuregelung des Kindergartenwesens ist in⸗ zwischen vollzogen. Von verschiedenen Seiten ist die Befürchtung ausgesprochen worden, auf Grund der Neuregelung würden die Aufsichtsbehörden an die Einrichtung und Ausgestaltung der Kindergärten zu hohe Forderungen stellen. Dies würde zur Schließung einer Anzahl von Kindergärten führen, deren Er⸗ haltung — trotz vorhandener Mängel — im Interesse der Kinder⸗ fürsorge erwünscht sei. Ich möchte demgegenüber ausdrücklich betonen, daß diese Befürchtungen unbegründet sind.
Ernste Besorgnisse erfüllen mich jedoch bei dem Gedanken an die Zukunft unserer vorbeugenden Kinder⸗ und Jugendfürsorge. Städte und Landkreise gehen unter dem Druck der Finanznot und der Belastung durch die Wohlfahrts⸗ erwerbslosen leider dazu über, gerade die vorbeugende Kinder⸗ und Jugendfürsorge abzubauen. Die rechtzeitige Hilfe für körperlich und sittlich gefährdete Kinder, nötigenfalls ihre anderweitige Unterbringung, ist aber keine Luxusausgabe, sondern im Gegenteil eine Sparmaßnahme, deren Unterlassung zwar im Augenblick scheinbar eine Entlastung her⸗ beiführt, in Wahrheit jedoch Gemeinden und Staat später mit um so größeren Kosten belastet. (Sehr richtig Ich möchte darum nachdrücklichst alle in Frage kommenden Stellen bitten, bei den Abstrichen auf dem Gebiet der Kinder- und Jugend⸗ fürsorge sich die im Interesse der Zukunft unseres Volkes erforder⸗ liche Zurückhaltung aufzuerlegen.
Die Jugendpflege hat im vergangenen Jahre noch besondere Bedeutung dadurch gewonnen, daß die immer stärker anwachsende Arbeitslosigkeit leider auch dazu geführt hat, daß eine größere Anzahl von Jugendlichen nach der Schulentlassung keine Lehrstelle findet, und ebenso können die Lehrlinge, die ihre Lehrzeit beendet haben, vielfach nicht in Arbeit vermittelt werden. Ich habe daher schon in der Sitzung des Landesbeirats für Jugendpflege, Jugend⸗ bewegung und Leibesübungen vom 15. Mai v. J. die Frage der Betreuung der erwerbslosen Jugendlichen durch bekannte Fachleute im Kreise aller berufenen Stellen erörtern und das Ergebnis der Aussprache im Druck erscheinen lassen, um Anregungen für eine planmäßige Hilfe zu geben. Weiter habe ich in einem Erlasse vom 16. Oktober 1930 bestimmt, daß alle noch zur Verfügung stehenden Mittel aus den Fonds für Jugendpflege und für Leibesübungen vorwiegend für die Betreuung erwerbsloser Jugendlicher verwandt werden.
Für die Wohlfahrtsschulen sind im vergangenen Jahre zum ersten Male Richtlinien für die Lehrpläne heraus— gegeben worden. Wir verdanken diesen Versuch der intensiven Mitarbeit aller Wohlfahrtsschulen. Im Anschluß an diese Arbeit wird die Methodenfrage, die Frage der Fortbildung der jüngeren Lehrkräfte in den nächsten Jahren eingehend bearbeitet werden müssen. Die wichtigste Aufgabe der Schulung wird neben dem eben angedeuteten allerdings darin bestehen, daß das Ziel der Ausbildung bei aller Vereinheitlichung nicht zu eng gesehen wird. Wohlfahrtsschulen sollen so ziale Schulen sein, die besonders auf die sozialen Aufgaben des gesunden Volkes, der gesunden Jugend vorbereiten. Sie sollen neben der öffentlichen Wohl⸗ fahrtspslege das weite Feld der privaten Liebestätigkeit und die neuen Bedürfnisse der geschlossenen Anstalten sehen. Nur auf solche Weise wird Deutschland vor einer unzweckmäßigen Zer⸗ splitterung des Ausbildungswesens bewahrt.
Wenn man auch die notwendigen Sparmaßnahmen an sich begrüßen muß, so dürfen sie, wie ich nochmals betonen möchte, von Anfang an nicht falsch gerichtet sein. Auch dürfen sie in einer Zeit allgemeiner Not, wie wir sie heute haben, auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege nur mit größter Vorsicht und Zurückhaltung angewandt werden. Schon der Reichssparkommissar hat mit Recht betont, daß die individuali⸗ sierende Fürsorge nicht nur die sachlich beste, sondern auch die sparsamste ist, daß also Sparmaßnahmen diese Wertung der sozialen Notwendigkeiten unter allen Umständen berücksichtigen müssen. Deshalb ist ein Abbau von Fürsorgerinnen, der nur aus fiskalischen Rücksichten erfolgt, im tiefsten Grunde keine Ersparnis. (Sehr richtig!)
Die neuere Entwicklung der Fürsorgeerzie⸗ hung war im größten Teil des Staatsgebiets durch die sich immer schärfer ausprägende Tendenz der Rechtsprechung be⸗ stimmt, von dieser Maßnahme nur noch im äußersten Falle bei bereits eingetretener oder sogar schon weit fortgeschrittener Ver⸗ wahrlosung Gebrauch zu machen. Bei der Haushaltsberatung im Hauptausschuß habe ich diese Entwicklung im einzelnen beleuchtet und durch genauere Zahlenangaben belegt. Ich darf mich deshalb hier darauf beschränken, noch einmal hervorzuheben, daß der An⸗ teil der vorbeugenden Fürsorgeerziehung an der Gesamtzahl der neuen Ueberweisungsfälle im Rechnungsjahre 1929 beispielsweise für Berlin und den Bezirk Nassau auf rund 6 3. herabgesunken ist. Man darf also feststellen, daß die vorbeugende Für⸗ sorgeerziehung nicht nur in diesen beiden Bezirken, sondern weit darüber hinaus praktisch so gut wie beseitigt ist. Alle Beob⸗ achtungen stimmen darin überein, daß das Durchschnittsalter und der Verwahrlosungsgrad der neu überwiesenen Jugendlichen ständig steigen. Diese Entwicklung bedeutet nicht allein eine die Erfolgsaussicht beträchtlich herabmindernde Verschleppung des Einzelfalls und damit eine Schädigung der gefährdeten Jugend selbst, sondern sie steigert auch die Schwierigkeiten der Arbeit unserer Erziehungsheime auf ein kaum noch erträgliches Maß. Je mehr in den Heimen die Zahl der Schwersterziehbaren an⸗ wächst, desto geringer wird selbstverständlich die Möglichkeit, sei es auch mit den fortgeschrittensten Methoden der Heilpädagogik, noch einen nachhaltigen Erziehungserfolg zu erreichen, desto mehr werden die Heime von der ihnen gestellten Erziehungsaufgabe zwangsläufig abgedrängt und zu Bewahrungsanstalten degradiert.
In Uebereinstimmung mit dem Landtagsbeschluß vom 4. Fe⸗ bruar 1950 erblicke ich in der freiwilligen Erziehungs⸗
hilfe eine wertvolle Ergänzung der Fürsorgeerziehung und ein geeignetes Mittel, um der gefährdeten Jugend beizeiten und zu⸗ gleich in schonendster Form eine wirksame erzieherische Betreuung angedeihen zu lassen. (Sehr richtig Um so mehr bedaure ich es, daß die Ausführung des Landtagsbeschlusses aus zwingenden finanziellen Gründen vorerst zurückgestellt werden mußte.
Einer oft gestellten Forderung entsprechend, haben sich alle beteiligten Behörden bemüht, die Rechtsstellung der Für⸗ sorgezöglinge, soweit irgend möglich, derjenigen der übrigen Jugendlichen anzupassen. Der versicherungsrechtliche Schutz der Zöglinge gegen Unfallfolgen ist in letzter Zeit nach mehreren Richtungen beträchtlich ausgebaut worden. Die ver⸗ hältnismäßig geringfügigen noch vorhandenen Lücken werden, wie ich hoffe, in nächster Zeit geschlossen werden.
Dem Inhalt des gemeinsamen Urantrages Nr. 5903 der sozialdemokratischen, der Zentrums⸗ und der Staatspartei glaube ich mit geringfügigen Vorbehalten zustimmen zu können. Eine ins einzelne gehende Stellungnahme bitte ich mir für die Be⸗ ratung im bevölkerungspolitischen Ausschuß, an den, wie ich an⸗ nehme, der Antrag überwiesen werden wird, vorbehalten zu dürfen.
Die Frage der Wohlfahrtserwerbslosen ist Gegenstand meiner ständigen Beachtung und Sorge. Im Ein⸗ vernehmen mit dem Herrn Innenminister und dem Herrn Finanzminister ist nach Möglichkeit den unter der Last der Für⸗ sorge für Arbeitslose besonders leidenden Gemeinden und Ge⸗ meindeverbänden aus den Mitteln des 5 39 des Ausführungs⸗ gesetzes zum Finanzausgleichsgesetz und den sonstigen hierfür ver⸗ wendbaren Haushaltsmitteln geholfen worden. Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß die Art dieser Hilfe bei steigender Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen den Bedürfnissen nicht mehr gerecht wird und eine grundlegende Neuregelung der Fürsorge für nicht⸗ versicherte und ausgesteuerte Arbeitslose unter Aenderung der Lastenverteilung dringend erforderlich ist.
Auf dem Gebiete der wertschaffenden Arbeits⸗ losenfürsorge ist leider im laufenden Rechnungsjahre eine tiefgreifende Umgestaltung des Geschäftsver⸗ fahrens erforderlich gewefen. Das Reich hatte infolge der ernsten Finanzlage in den Haushaltsplan des Reichsarbeits⸗ ministers nur einen sehr geringen Betrag für Zwecke der wert⸗ schaffenden Arbeitslosenfürsorge einsetzen können, der sich noch durch hohe Vorbelastungen aus 1929 so stark verringerte, daß nicht einmal den dringendsten Erfordernissen genügt werden konnte. Angesichts der immer ungünstiger werdenden Arbeits⸗ marktlage und der sich häufenden finanziellen Schwierigkeiten des Reichs wurde versucht, ohne weitere Belastung des Reichshaus⸗ halts den Fonds der wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge ange⸗ messen zu verstärken.
Auf Grund des 5 13 der Notverordnung des Herrn Reichs⸗ präsidenten vom 26. Juni 1930, der die Reichsregierung er⸗ mächtigt,
„die Forderungen des Reichs aus Darlehen der wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge in eine Gesellschaft des privaten Rechts einzubringen, die die Errichtung und den Ausbau wertschaf⸗ fender Anlagen fördern soll“, hat das Reich die Deutsche Gesellschaft für öffent⸗ liche Arbeiten geschaffen.
Diese Gesellschaft sollte unter Bürgschaft des Reichs Aus⸗ landsanleihen aufnehmen und hieraus die an die Stelle des früheren Reichsanteils tretenden Förderungsbeträge der wert⸗ schaffenden Arbeitslosenfürsorge für Notstandsarbeiten be⸗ willigen. Die Länder sind an dieser Gesellschaft nicht beteiligt, sie sind auch nicht aufgefordert worden, sich an der Gründung zu beteiligen. (Hört, hört!)
Die Gründung der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Ar⸗ beiten ist nach meinem Dafürhalten nicht erforderlich gewesen ssehr richtig!; denn die beabsichtigte Entlastung des Reichshaus⸗ halts hätte auch erreicht werden können, wenn das Reich die Auf⸗ bringung der für die Zwecke der wertschaffenden Arbeitslosenfür⸗ sorge erforderlichen Mittel ebenso geregelt hätte, wie es Preußen seit dem Rechnungsjahre 1927 tut, nämlich durch die Aufnahme einer oder mehrerer Staatsanleihen. Dieser Weg erscheint jetzt um so naheliegender, als es sich auch bei den aufzunehmenden An⸗ leihen der „Deutschen Gesellschaft für öffentliche Arbeiten“ mittelbar um Reichsanleihen handeln wird, weil das Reich auf Grund der Notverordnung die Ausfallbürgschaft über⸗ nehmen soll.
In diesem Falle hätten sich auch die sehr erheblichen Verwal⸗ tungskosten vermeiden lassen, die durch die „Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten“ dem Reiche mittelbar erwachsen. Auch wäre die große Erschwerung des Geschäftsverfahrens, die durch die Einschaltung einer weiteren Instanz neben den Landesbehörden und den Organen der Reichsanstalt zwangsläufig entstanden ist, nicht eingetreten. (Zuruf: Jetzt dauert es mindestens 12 Monate, ehe ein Antrag erledigt wird!)
Die Förderung des Baues von Landarbeiter⸗ wohnungen aus Mitteln der wertschaffenden Arbeitslosen⸗ fürsorge wurde auch im laufenden Rechnungsjahre nach dem be⸗ währten Verfahren der früheren Jahre durchgeführt. Obwohl die überaus ungünstige Lage der Landwirtschaft auch hier mancher— lei Semmungen bereitete, ist es mir gelungen, die Zahl der durch zinslose Tilgungsdarlehen geförderten Wohnungen bis zum 1. Ok⸗ tober 1930 auf insgesamt 46 665 Wohnungen zu erhöhen, unter denen sich rund 24 200 Landarbeitereigenheime befinden. Hierbei ist es besonders erfreulich, daß nach Ueberwindung erheblicher Schwierigkeiten jetzt auch der Landarbeitereigenheim⸗ bau in den Ostprovinzen in größerem Ausmaße durch⸗ geführt wird. Mit Rücksicht auf die gegen früher stark veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse, besonders der östlichen Landwirt⸗ schaft, wird jetzt besonderer Wert auf die Ausstattung der Land⸗ arbeiterstellen mit größeren Landzulagen bis zu 14 Morgen ge⸗ legt, um auf diese Weise dem Landarbeiter eine selbständige, wenn auch bescheidene Existenz zu geben, insbesondere soll ihm dadurch ein festerer wirtschaftlicher Rückhalt — vor allem für die Zeiten der Arbeitslosigkeit — gesichert werden.
Was die Krankenversicherung betrifft, so sind die bekannten Aenderungen im vergangenen Jahre in der Oeffentlichkeit lebhaft erörtert worden. Nicht nur Arbeitgeber
und Arbeitnehmer, sondern auch Aerzte und Lieferanten, Apo⸗ theker usw. zeigten sich stark an ihnen interessiert. Den stärksten Widerspruch erfuhr die Krankenschein- und Arzneikostengebühr. Inzwischen hat die zweite Notverordnung vom 1. Dezember 1930 erhebliche Ausnahmen von der Gebührenpflicht gebracht. Danach sind mehr als 25 v5 der Bersicherten gegenwärtig von der Verpflichtung befreit, Krankenschein⸗ und Arzneikostengebühren zu entrichten. Außerdem brauchen arbeitsunfähig Erkrankte für Verordnungen, die nach dem zehnten Tage der Arbeits⸗ unfähigkeit ausgestellt werden, keinen Anteil mehr zu den Arznei⸗ und Heilmittelkosten zu bezahlen. Die große Bedeutung gerade dieser Ausnahme erhellt sich, daß z. B. 1929 die Durchschnittsdauer der mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen 12,4 Millionen Krank⸗ heitsfälle 23,7 Krankheitstage betrug.
Die Notverordnungen bezweckten in erster Linie eine Er⸗ mäßigung der Kranken kassenbeiträge. Dieser Zweck ist auch in großem Umfange erreicht worden. Von den wenigen Ausnahmen abgesehen haben die Kassen ihre Beiträge — zum Teil erheblich — senken können. So haben z. B. von den 175 Berliner Kassen 124 den allgemeinen Beitrag um 1 bis 3 v5 und nur 42 um weniger als 1 vH des Grundlohns herabgesetzt. Einen Beitrag von mehr als 6 vö erheben gegenwärtig in Berlin nur noch 8 Kassen. Zum Teil ist die Beitragssenkung sowie das Ausmaß derselben auch durch die Krankenschein- und Arzneikosten gebühren bestimmt worden. Im großen gesehen läßt sich jedoch feststellten, daß der Belastung Erkrank⸗ ter durch diese Gebühren in den allermeisten Fällen eine sämt⸗ lichen Versicherten zugute kommende deutungsvollere Er— sparnis an Beiträgen gegenübersteht. ᷣ
Was den Wohnungsbau, insbesondere den Wohnungs- neubau, anbetrifft, so kann ich feststellen, daß auch in dem eben abgelaufenen Jahre 1930 die Ergebnisse relativ günstige ge⸗ wesen sind.
Es sind fertiggestellt im Kalenderjahre 1930 rund 193 000 neue Wohnungen gegen 200 000 im Jahre 1929, das sind im Jahre 1950 nur 7000 weniger als im Vorjahre.
Erfreulich ist auch die Feststellung, daß am 31. Dezember 1930 noch rund 95 0090 un vollendete Wohnungsbauten vor⸗ handen waren. Es ist allerdings hierbei zu berücksichtigen, daß in dem sogenannten Ueberhang in das Jahr 1931 rd. 15000 in der Ausführung begriffene Wohnungen enthalten sind, die mit Mitteln des sogenannten zusätzlichen Reichswohnungsnot⸗— programms 1930 gefördert worden sind
Was das neue Baujahr 1931 anbelangt, so stehen wir hier, wie den Damen und Herren bekannt ist, vor einer völlig ver⸗ änderten Situation.
Nach Abrechnung des Betrages, der durch die Reichsnot⸗ verordnung von den Wohnungsbaumitteln für Zwecke der Real⸗ steuersenkung abgezweigt worden ist, und unter Berücksichtigung der Vorleistungen und der Sonderleistungen verschiedenerlei Art, die aus den Wohnungsbaugeldern bestritten werden müssen, bleibt für die eigentliche Produktion an Wohnungen im neuen Jahre kaum mehr als die Hälfte der Summe, die noch im letzten Jahre zur Verfügung stand. Gört, hört! im Zentrum.)
Wie groß ist die Zahl der Wohnungen, die hiernach voraus⸗ sichtlich im neuen Jahre mit Hilfe von Hauszinssteuerhypotheken gefördert werden können? ;
Geht man davon aus, daß entsprechend den von der Reichs⸗ regierung aufgestellten Grundsätzen die durchschnittliche Wohn⸗ fläche der einzelnen Wohnung künftig erheblich kleiner zu halten ist als bisher und daß aus diesem Grunde — vor allem aber wegen der bereits infolge des Rückganges der Bautätigkeit ein⸗ getretenen und noch weiter zu erwartenden Senkung der Bau— kosten — auch die Höhe der Hauszinssteuerhypotheken im einzelnen gesenkt werden kann, so müßte damit gerechnet werden, daß im neuen Jahre entsprechend mehr als die Hälfte der im Jahre 1930 mit öffentlicher Hilfe errichteten Neubauten hergestellt werden könnte. In Wirklichkeit kann aber nur mit der Förderung von etwa 65000 Wohnungen in diesem Baujahre gegenüber 138 000 im Vorjahre gerechnet werden, weil die hohe Produktion des Vorjahres nur durch ganz besonders starke Leistungen der Ge— meinden, im besonderen auch durch Vorgriffe auf die Hauszins⸗ steuer des laufenden Jahres, zustande gekommen ist.
Um diesen wohnungspolitisch wie vor allem auch arbeits⸗ marktpolitisch nicht tragbaren Rückgang der Bautätigkeit im laufenden Jahre zu mildern, wünscht die Reichsregierung in starkem Umfange die Einsetzung von Zinszuschüssen aus der öffentlichen Hand. Um Zinszuschüsse gewähren zu können, ist aber zweierlei notwendig: 1. die Festsetzung öffent⸗ licher Mittel zur Bewilligung der Zins⸗— zuschüsse, und zwar für längere Dauer, da ja der Zins⸗ zuschuß, wenn dem Bauherrn überhaupt eine Disposition möglich sein soll, für längere Zeit gewährt werden muß, 2. vor allem das Kapital vom freien Geldmarkte, dessen Kosten durch Zinszuschüsse aus der öffentlichen Hand verbilligt werden sollen.
Die Mittel für die Zinszuschüsse wären in größerem Umfange wohl zu beschaffen, namentlich aus den Rückflüssen des Staates und der Gemeinden an Zins⸗ und Tilgungsbeträgen für die bereits früher ausgegebenen Hauszins⸗ steuerhypotheken. Ob aber und in welchem Maße das notwendige Kapital für zweite Hypotheken — denn um solche handelt es sich — auf dem freien Geldmarkte beschafft werden kann, dessen Kosten durch Zinszuschüsse aus der öffentlichen Hand verbilligt werden sollen, ist im Augenblick jedenfalls eine offene Frage, und es bleibt uns zunächst nicht viel mehr als die Hoffnung, daß die Verhältnisse auf dem Geld⸗ markte sich in einer Weise nach dem Günstigen hin entwickeln,
(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)
Verantwortlich Ai: Schriftleitung und Verlag:
Direktor Mengering in Berlin.
Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗ALAktiengesellschaft. Berlin. Wilhel mstr. 32.
Sechs Beilagen leinschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandels registerbeilagen),
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs anzeiger und Preußischen Staatsanzeiger
Nr. 27.
Berlin, Montag, den 2. Februar
1831
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(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)
damit die Durchführung des von der Reichsregierung aufgestellten Programms wenigstens in der Hauptsache erreicht werden kann. Wie gesagt, ich habe da sehr starke Zweifel, weil es sich hier um Gelder handelt, die an Stelle von Hauszinssteuerhypotheken, also als zweitstellige Hypotheken, gegeben werden sollen. Daß dies ohne ganz weitgehende Bürgschaften von Reich, Ländern und Kommunen auch nur zu einem einigermaßen erträglichen Zinssatz möglich sein kann, kann ich vorläufig nicht annehmen.
Neue bedeutungsvolle Aufgaben sind mir durch die in Kap. III des 7. Teiles der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 enthaltenen Vorschriften über die Gemeinnützigkeit von Bauunternehmen zugewiesen worden. Die durch diese BVorschriften herbeigeführte gesetzliche Regelung der Anerkennung der Gemeinnützigkeit entspricht einer seit Jahren vom Reichstage, vom Landtage und den Spitzenorganisationen der gemeinnützigen Bauvereine erhobenen Forderung und einem auch von den Ver⸗ waltungen anerkannten Bedürfnis. Ich habe darüber im Aus⸗ schuß nähere Ausführungen gemacht; hier würde es leider zu weit führen. ;
Das Gebiet der Wohnungszwangswirtschaft kann ich in diesem Jahre wesentlich kürzer behandeln, als es in den Vorjahren der Fall war. Das liegt in der Hauptsache daran,
daß hier infolge der systematischen Abbaumaßnahmen bereits ein
gewisser Beharrungszustand eingetreten ist. Insbesondere gilt dies für das Wohnungsmangelgesetz, das die öffentliche Wohn⸗ raumbewirtschaftung in engerem Sinne, das ist die Beschlagnahme und Zuweisung von Wohnungen, regelt. Das Geltungsgebiet dieses Gesetzes ist heute so weit eingeschräntt, daß es für die Ge⸗ meinden unter 15 000 Einwohnern überhaupt nicht mehr, in den größeren Gemeinden nur noch für solche Wohnungen gilt, die unterhalb einer bestimmten Mietgrenze liegen. Diese Grenze ist in Uebereinstimmung mit den Wünschen des Landtags allmählich immer weiter herabgesetzt worden. Sie beträgt jetzt 1300 RM in Berlin und geht über die verschiedenen Ortsklassen stufenweise bis zu 200 RM in der Ortskasse D hinunter. In praxi kann sich also der Vermieter auch in den Orten, die mehr als 15 0090 Einwohner zählen, bereits für einen großen Teil der Wohnungen seine Mieter selbst aussuchen. Der weiteren Förderung dieses Vermieterwahlrechts, wenn man so sagen soll, durch das manche nutzlose Verärgerung der Bevölkerung, der Vermieter wie der Mieter, beseitigt worden ist, dienen auch die fortgesetzten Be⸗ mühungen, dem System der sogenannten Mietberechtigungskarte immer weitere Verbreiterung zu verschaffen. Es gelangt daher auch in denjenigen Orten, in denen eine Zwangsbewirtschaftung des Wohnraums an sich noch stattfindet, neben den sogenannten teuren Wohnungen ein möglichst großer Kreis von Wohnungen ohne behördliche Tätigkeit zur Bermietung.
Die Versorgung der Bauwirtschaft mit Real⸗ kredit war im Jahre 1930 im ganzen befriedigend; es kann festgestellt werden, daß wohl jedes irgendwie kreditwürdige Objekt auch seinen Geldgeber gefunden hat. Sah es noch Ende 1929 so aus, als ob es schwer werden würde, den 8Rigen Pfand⸗ brief gegenüber einem höheren Zinstyp aufrechtzuerhalten, so hat sich gleich zu Anfang des Jahres 1930 eine ganz überraschende Nachfrage nach Pfandbriefen eingestellt. Der Absatz gestaltete sich so günstig, daß eine Gewährung von Bonifikationen meist überhaupt nicht mehr in Frage kam. (Sehr richtig! rechts) Der 8zXRige Brief überschritt in seinen Kursen die Parigrenze. Ich konnte deshalb bereits in den ersten Tagen des Juli mit als⸗ baldigem Erfolge das Verlangen nach Uebergang zum 72 igen Pfandbrief stellen, und die Preußische Landespfandbriefanstalt als die dem Preußischen Staat nächststehende Kreditanstalt brachte dann auch als erstes von allen Instituten mit bestem Erfolge und zu günstigen Kursen erhebliche Posten ihrer 72 igen Emissionen unter. Die Hypothekenbanken und die öffentlich-rechtlichen Pfand⸗ briefinstitute folgten mehr oder weniger zögernd, schließlich aber nahezu in ihrer Gesamtheit.
Der Absat an Pfandbriefen im Jahre 1930 stellte sich allein bei den privaten Hypothekenbanken auf rund 1,2 Mil⸗ liarden Mark und bei den öffentlich⸗rechtlichen Kreditanstalten auf knapp 3. Milliarde Mark; unter Berücksichtigung der Ab⸗ gänge durch Rücklauf und Tilgung ergab sich als Nettozahl bei den Hypothekenbanken ein Absatz von rund 875 Millionen Mark und bei den öffentlich⸗rechtlichen Anstalten ein solcher von rund 375 Millionen Mark, so daß von allen deutschen Pfandbriefinsti⸗ tuten zusammen im Jahre 1930 ein Nettoabsatz von rund 1,25 Milliarden Goldmark festgestellt werden kann. (Abg. Laden⸗ dorff: Für sämtliche Typen? — Jawohl, für sämtliche!
Die Kosten des Realkredits sind entsprechend dieser Entwicklung zurückgegangen, und der Darlehnsnehmer kann heute eine erste Hypothek zu etwa 8 8. (Gesamtkosten) abschließen. Diese immer noch viel zu hohen Kosten werden sich weiter herab⸗ drücken lassen, wenn der Kampf zugunsten des 7 Rigen Pfand⸗ briefs zähe durchgehalten wird und demgemäß die Kurse für diesen Typ an die Parigrenze herangebracht werden.
Eine besondere Erscheinung bildet im Jahre 1930 die starke Fusionsbewegung im Hypothekenbankgewerbe, die sich namentlich in Preußen scharf geltend gemacht hat. Ich habe mich dieser Bewegung nicht entgegengestemmt, sie vielmehr gefördert, da zweifellos der bisherige Zustand eine Ueberzahl an Hypothekenbanken aufwies, und andererseits eine Zusammen— legung nach mehrfachen Richtungen volkswirtschaftlichen Nutzen versprechen kann. (Abg. Ladendorff: Aber die Konkurrenz ver— billigt die Preise)ꝭ — Nicht immer! Mitunter steigert die Kon⸗ kurrenz auch die Preise; es gibt auch dafür Beispiele. Man kann das nicht immer so ohne weiteres apodiktisch behaupten.
Ich will aber auch an dieser Stelle den Trägern des organi— sierten Realkredits ohne Ausnahme danken dafür, daß sie bestrebt waren, in immer steigendem Maße Mittel für den Neubau von Wohnungen zu beschaffen, und ich möchte daran die Bitte knüpfen,
.
daß die Institute aller Art dieses Interesse gerade in der gegen⸗ wartig so ernsten Wirtschaftszeit noch verstärken und damit zu ihrem Teile mitwirken an der Abstellung unserer vollswirtschaft⸗ lichen Nöte. Nur auf diese Weise wird es uns möglich sein, im kommenden Jahre unsere Wirtschaft wenigstens einigermaßen wieder in Gang zu bringen. Ohne die Ingangsetzung der Bau⸗ wirtschaft sehe ich keinen Weg, um unsere Wirtschaft wieder zu beleben. Dazu ist selbstverständlich ein gesunder Realtredit notwendig. Darüber hinaus wird es aber notwendig sein, in stärkerem Maße, als es bis jetzt in gesetzlichen Maßnahmen vor⸗ gesehen ist, öffentliche Mittel für den Bau von Wohnungen zur Verfügung zu stellen. (Hört, hört! bei der Wirtschaftspartei.) Die Behauptungen, daß in den letzten Jahren die Erträgnisse der deutschen Volkswirtschaft in die Bauwirtschaft hineingegangen seien, will ich an sich nicht bestreiten; aber ich möchte darauf hin⸗ weisen, daß von diesen gesamten Erträgnissen der deutschen Volks⸗ wirtschaft, von den 8 bis 9 Milliarden Mark, ein Drittel in den gewerblichen Raum gegangen ist. Das ist aber in Zukunft kaum zu erwarten, weil so viele Millionen Quadratmeter an Läden, Büros, Fabriken usw. leerstehen (sehr richtig!), so daß niemand daran denten kann, daß auf diesem Gebiet etwas zu tun ist. Der öffentliche Bau ist ebenfalls lahmgelegt worden; denn das erste, was heute an Sparmaßnahmen in allen öffentlichen Anstalten durchgeführt wird, ist das, daß keine Bauten mehr ausgeführt werden, ohne daß man dabei berücksichtigt, daß dadurch naturgemäß soundso viele Menschen wieder nicht be⸗ schäftigt werden können. Es bleibt also nur das eine Drittel der Bauwirtschaft übrig.
Der Wohnungsbau ist zur Hälfte bereits gedrosselt, und wenn es uns nicht gelingt, öffentliche Mittel auf anderen Wegen für den öffentlichen Wohnungsbau flüssig zu machen, dann sehe ich für die Bauwirtschaft in diesem Jahre schwarz, dann habe ich für die Bauwirtschaft überhaupt die größten Befürchtungen. Des⸗ wegen würde ich auch dem Hohen Hause dankbar sein, wenn alle, die dazu beitragen können, mit dazu beitragen würden, der Bau— wirtschaft neue Mittel zuzuführen, damit wir in größerem Um— fange unserer Arbeitslosigkeit in Deutschland Herr werden. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Sophie Christmann (Soz) bedauert in der fort⸗ esetzten allgemeinen Aussprache, daß angesichts der geringen
ittel vorbeugende Fürforge kaum noch möglich sei. Die Behaup⸗ tung, die freie Wohlfahrt sei besser als die öffentliche, halte sie nicht für richtig. Der Bericht des Präsidenten des Reichsgesund⸗ heilsamts sei sehr mit Vorsicht aufzunehmen. Bedenklich sei der Abbau der Mittel für Wöchnerinnen, für Schwangeren fürsorge, für Bekämpfung der Kinder- und Säuglingssterblichteit. Auch die , der Mittel für Kinderspeisungen würde sich rächen. Die Unterernährung stiege damit, die Volksgesundheit der— schlechtere sich weiter. Bei der schulärztlichen Betreuung dürfe man nicht noch weitere Einschränkungen eintreten lassen. Die Klagen über den Rückgang der Geburten seien angesichts der wirt⸗ schaftlichen Not unberechtigt. Notwendig sei eine Reform der Abtreibungsbestimmungen besonders deshalb, damit dem Kur⸗ , . entgegengearbeitet werde. Die Cheberatungsstellen verdienten weitere Förderung. Das Reichshebammengesetz müsse endlich g' halfen werden, da der heutige Zustand unhaltbar sei. Die Re nerin erklärt, die, deutschnationale Abgeordnete von Watter sei nicht zuständig, über den Marxismus zu urteilen. Man dürfe auch für den Zustand der Volksgesundheit nicht, wie sie es tue, den Joung⸗Plan verantwortlich machen; Schuld an dem Elend sei der verlorene Krieg.
Abg. Fritzsche (D. Nat.) bedauert, daß für produktive Fürsorge keine Mittel bereitgestellt worden seien. Trotz aller Be⸗ schlüsse des Landtags sei nichts geschehen. So sei auch ein Antrag angengmmen, für den Altwohnungsraum Mittel zur Verfügung zu stellen. eschehen sei nichts!! Auch die ländliche Wohlfahrts⸗ pflege sei trotz eines Landtagsbeschlusses nicht weiter gefördert worden; das Stagtsministerium erkläre einfach, es seien keine Mittel da. Der Redner beschäftigt sich dann mit dem Problem der Einführung eines Arbeitsdienstjahres. Diese große Frage dürfe doch nicht einfach sang⸗ und klanglos verschwinden. Be⸗ denklich sei die Heruntersetzung der Mittel für die Volkswohl⸗ ahrt trotz des Anwachsens der Aufgaben. Der Finanzminister habe den Antrag des Zentrums, 1099 Millionen für die Erwerbs⸗ losen in den preuftsschen Haushalt einzustellen, einfach ab⸗ gelehnt. Gerade bei steigender Not die Wohlfahrtsausgaben zu drosseln, . unsozial im höchsten Grade. Der Redner erinnert an die falschen Voraussagen hinsichtlich der Wirkung des Young⸗ Plans. Die Folgen seien katastrophal gewesen. Dabei habe man
mit den ungesetzlichsten Mitteln den Widerstand gegen diesen Plan
bekämpft. Ohne Lösung der Tributfrage gebe es keine Volks⸗ wohlfahrt. Deshalb dürfe der Kampf gegen die Tribute nicht aufhören.
Abg. Heidenreich (D. Vp) wünscht Förderung der ärzt⸗ lichen Und zahnärztlichen Betreuung der uljugend. Hervor⸗
24 verdiene, daß — mit wenigen Ausnahmen — die deut⸗ chen Aerzte immer noch das Wort bewahrheiteten: „Des Arztes Leitstern ist die Pflicht!“ (Beifall rechts) Der Sozialisierung des Aerztestandes setze seine Partei den stärksten Widerstand entgegen. (L fte Unterbrechungen bei Sozialdemokraten und Kommu⸗ nisten) Wenn der Reichstagsabgeordnete Dr. Moses vom „Aerzte⸗ schwein“ gesprochen und ein anderer Arzt erklärt habe, die Mehr⸗ zahl der Aerzte sei gewerbsmäßig eingestellt, e legten es darauf an, möglichst viel Reisekosten herauszuholen, so habe er für eine solche Verunglimpfung eigener Berufskollegen kein Verständnis. Dr. Böhm habe aber unterstrichen, daß die Streichungen, die die Wirtschaftspartei zum Beispiel bei den Medizinalbeaimten bean— tragt habe, nicht im Interesse der Wahrung der Volksgesundheit liege Der Minister habe durchaus recht, daß die Notverordnung des Reichs den Zweck der Beitragssenkung bei den Krankenkassen habe. Aber der 6 müsse auch seinerseits für Senkung der Kosten bei . Krankenkassen sorgen, was in erster Linie bei den Neubauten nottue. um Beispiel des Eilenburger Instituts für fallene
ädchen, sei äußerst kostspielig und wenig weck len Die zu rettenden Mädchen brauchten in ihrem eigenen Intere nicht gleich an Möbelausstattungen gewöhnt zu werden, die sie im Leben . entbehren müßten. Es solle vorkommen, daß für den Unterhalt von Fürsorgezöglingen bis zu 12 4 täglich auf⸗ gewandt würden. (3urufe von den Kommunisten) Das sei unter keinen Umständen zu verteidigen. Die ,, , , , , sei erziehlich besser und weit weniger kostspielig. Luch die karitatwen Anstalten böten einen besseren und billigeren Weg. Seine Partei⸗ freunde forderten ihre nachträgliche Unterstützung. (Zurufe bei den Kommunisten Mißgriffe kämen überall vor. Man denke nur an Scheuen. (Lärm bei den Kemmunisten. Die Kommu⸗ nisten sollten sich freuen, daß sie in Deutschland seien. In Ruß⸗ land habe man 109 000 Kinder auf der Straße verhungern lassen.
(Sehr richtig! rechts) Auch die innere Ausstattung,
Erneuter Lärm bei den Kommunisten) Die Lasten für die Er— werbslosenfürsorge seien bekanntermaßen für die Gemeinden all- mählich unerträglich geworden. Manche Gemeinden könnten aber ben, wirtschaften, E sei nicht richtig, wenn man in der zresse ihn (Redner) schlechthin als einen Gegner der Arbeits. re g, fl hr hinstelle. Er habe im Hauptausschuß anerkannt, daß für manchen jungen Mann ein Arbeits dienstjahr durchau] förderlich sein könne. Aber die finanziellen Bedenken dürften nicht übersehen werden. Die ganze Aufziehung besonders in größeren Kolonnen verlange ungehenre Mittel, die im umgekehrten Ver hältnis zu dem Erreichten stehen würden. Dazu komme die un⸗ geheure Erwerbslosenziffer, die die Einführung einer Arbeits- dienstpflicht erschwere. Die neue Gesellschaft für Arbeitsbeschaffung habe auch nur wieder einen kostspieligen Beamtenapparat auf⸗ gezogen, aber geleistet habe sie nichts. (Sehr richtig! rechts) Der Redner wünscht eine bessere Regelung der kommunalen Alt. rentnerfürsorge und warnt vor Uebertreibungen bei der Förde? . Jugendwanderungen und Jugendherbergen. Die Führer⸗ ausbildung könne eine gute sein, ohne daß gleich ganze Ski⸗ ausstattungen zur Berfügüng gestellt werden müßten. Man sollte mehr ehrenamtlich Kräfte zur Jugendpflege heranziehen. Das würde große Kosten ersparen. (Beifall rechts.)
Abg. Schmitt⸗Limburg (D. Frakt.) behandelt den Etat vom Standpunkt der Wirtschaft, insbesondere der Landwirtschaft. Er. schildert die allgemeine Arbeitslosigkeit und ihre Folgen. Heute sei der Zustand der, daß die eine Hälfte der deutschen Menschen die andere Hälfte mit ernähren müsse. Besonders groß sei die Not der kleinen Landwirtschaft; ihr hoher Prozentsatz bei der Zahl der unterernährten Kinder zeige das sehr deutlich. Der Redner sprach den Frauen in der Landwirtschaft für ihre Mitarbeit besonderen. Dant aus. Er fordert ausreichenden Schutz der Landwirtschaft gegen die Konkurrenz des Auslandes und eine Einschränkung der Einfuhr entbehrlicher Auslandsware. Der Staat müsse sich be⸗ sonders der kinderreichen Familien annehmen. Bei der Frage der schulärztlichen Betreuung a man auch an die Finanznot denken. Im Intersse der Volksgefundheit würde es liegen, wenn die Aerzte ihre Honorare niederiger ansetzten. Es sei doch kaunn glaublich, daß das Reichsgericht Ein Honorar von 15 00090 M für die Operation eines Kindes nicht als unberechtigt abgelehnt habe.
Abg. Martha Dön ge, (D. Staatsp.) macht auf die Ci hebungen des Deutschen Stäbtetages über die Wirkungen des Ge—⸗ setzes zur Bekämpfung der Geschlechtstrankheiten aufmerksant. Hier werde sestgestellt, daß diejenigen Unrecht hätten, die eine Zu⸗— nahme der Straßenprotistution seit jenem Gesetz behaupten. * sei ein erfreuliches Ergebnis, wenngleich bei seiner bisher kurze Lebensdauer das Ziel des Gesetzes och nicht habe erreicht werden können. Der Kampf gegen den Alkoholmißbrauch werde erschwerk sowohl durch die einseitigen Fanatiker, die sich für die bedingungs lose Trockenlegung Deutschlands aussprächen, wie durch die Gleich- gültigen. Die Fachorganisationen zur Bekämpfung des Alkohol⸗ mißbrauchs seien keineswegs überflüssig, aber es handle sich doch hier um eine soziale und kulturelle Frage, die einen ganz weiten Feen nn , interessieren sollte. Zu begrüßen seien die Erleichte⸗ rungen bei den Krankenschein⸗ und Arzneikostengebühren. Das Ministerium müsse die Sorgen der kleinen Apotheker auf den Lande beachten und ebenso die Klagen, die die Hebammen oft gegenüber den Krankenkassen vorzubringen hätten. Die In stitution der Ehe und Sexualberatungsstellen, die sich in den Städten bewährt habe, sollte auch der ländlichen Bevölkerung zu— gute kommen. Die Frage, ob eine Revision des Abtreibungspara⸗“ graphen sich ermöglichen lasse, könne zwar geprüft werden, aber immer unter Beachtung der Tatsache, daß weite medizinische Kreise der Meinung seien, daß auch medizinisch einwandfrei aus geführte Eingriffe vom Gesundheitsstandpunkt ans gewissen Be denken begegneten. j
Abg. Leonhardt (Wirisch. P.) weist darauf hin, daß die öffentlichen Aufwendungen für soziale Zwecke in Deutschland von 163 Milliarden im Jahre 1913 auf 7.4 Milliarden 1929 gestiegen seien. Dazu kämen Ausgaben für die Jugendpflege, Sportplätze usw. Das verarmte Reich habe alles ihm mögliche zur Förde rung . der Jugendwohlfahrt getan. Leider aber habe die politische 2 . heßu ng der Jugend dazu geführt, daß die Jungendlichen Haupt. estandteile gewisser Straßentumulte und Demonstrationen seien An zweckdienlichen Stellen des Wohlfahrtsetats könne gesparh werden, aber auch die Wirtschaftspartei begrüße es, daß der Mit nister das Jugendherbergswesen und andere Fugendbestrebungen unterstützen wolle. Allerdings müsse darauf geachtet werden, da nicht etwa aus der Jugendherbergsbewegung heraus eine Kon; kurrenz für den gewerblichen Mittelstand entstehe, wie es sich leider beim Reichsverband für Jugendherbergen andeéute, der Waren / haus ähnliche Geschäfte unterhalte. Mittel für die Jugendwohl⸗ fahrt könnten z. B. frei gemacht werden, wenn man den vers schwenderischen Krankenkassen ein Notopfer auferlege, selbst wenn es auf Kosten von Leuten ee müsse, die aus rein partei politischen Gründen in Aemter gefetzt würden, denen ste gar nicht gewachsen seien. Mittel für die Volks: vohlfahrt könnten auch frei werden, wenn endlich in den Städten sparsamer gewirischaftel werde. Wieviel habe man über die Finanznot Breslaus gen sprochen, die ja zum Teil Ostnot sei. Aber Finanzminister Höpker, Aschoff habe doch auch feststellen müssen, daß in der Breslauer Stadtverwaltung Zustände herrschten, wie in keiner anderen Stadt Deutschlands. Der Breslauer Stadtetat fei um über 10 Millsonen Reichsmark zu hoch angesetzt gewesen. Nach Protest gegen den teuren Verwaltungsapparat in vielen Einrichtungen der Wohl fahrtspflege stellt der Redner noch eine Reihe von Einzelforde⸗ rungen u. a. auf besonderen Schutz für Kinderreiche und Unter⸗ stützung der Errichtung von Altersheimen für Handwerker. Da erste derartige Handwerkerheim solle im Sandwerkskammerhezi Niederschlesien errichtet werden. Die Wirtschaftspartei unterstütze auch den Antrag. Krankenhäuser aus Mitteln der Osthilfe zu er! richten, zumal in der ganzen Grenzmarkprovinz Vosen West preußen nur 15 Krankenhäuser vorhanden wären. Im übri en aber lehne die Wirtschaftspartei Anträge auf Ausbau der sozialen Fürsorge ab, weil man geradezu bereits von einer Krise der so⸗ zialen Fürserge durch Ueberspannung der Beiträge, Luzusbaufen und große Verwaltungsapparate sprechen könne. (Beifall bei der Wirtschaftsparteĩ.
Abg. Zobel (Komm) protestiert gegen die Unterdrückung der Arbeitersportbewegung und wirft den Sozialdemokraten vor, daß, sie die Arbeitersportbewegung sabotieren und zersplittern wollten. Die sozialdemokratische Landtagsfraktion wirke im Wohl⸗ ; fahrtsministerium dahin, daß oppositionlle Arbeitersportvereine für staatsfeindlich erklärt würden. vorzugt bei der Mittel ver⸗ teilung würden vor allem katholische Sportvereine. — Als Wohl⸗ fahrtsminister Hirtsiefer bei diesen Ausführungen den Saal ver⸗ läßt, lärnten die Kommunisten und rufen: Hierbleiben!)
Um 4 Uhr wird die Weiterberatung auf Montag 12 Uhr vertagt. 16
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Parlamentarische Nachrichten.
— Im Reichstagsausschuß für die Strafrechtsreform wurde, dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger 53 olge, am 39. Januar 1931 unter Borsitz des Abg. D. Dr.
ahl (D. Vp.) nach Erledigung des 5. Abschnitts, der die Strafen behandelt, mit der Beratüng des 6. Abschnitts begonnen,