1931 / 31 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Feb 1931 18:00:01 GMT) scan diff

Reichs und Staatsanzeiger Nr. 41 vom G. Februar 1931.

S. Z.

für Verfassungs fragen behandelt worden. Jeder Ausschuß be⸗ stehe aus J Landern. Die Folge davon sei, daß allerdings das eine oder andere Land, das im Plenum nur eine Stimme habe, bei den Ausschußsitzungen mehrfach vertreten gewesen sei. Die Darlegungen des preußischen Vertreters über die Rechtslage stimmten auch nicht überein mit den Kommentaren zum Reichs⸗ und Staatsangehörigkeitsgesetz.

Thüringischer Gesandier Dr. n zel führte aus, eine ganze Reihe von Ländern hätten schon früher erhebliche Einwendungen

egen das Bestreben erhoben, in großem Umfange Ausländer e,. Art, namentlich Osteuropäer, nach Deutschland einzubürgern, sie hätien aber nicht genügend Widerhall im Reichs⸗ rat gefunden. Jetzt habe die than nf ce Regierung einen dent⸗ licheren Hinweis für notwendig gehalten. Es sei auch leineswegs richtig, daß alle Länder die thüringische Begründung für unzu⸗ lässig und sachlich unhaltbar gehalten hätten. Sonst hätten sie nicht in 7 Ausschußsitzungen diese An⸗ träge beraten. Deutschland müsse seinen Raum für seine Stats bürger freihalten. Rücsichten auf die Arbeits losig⸗ keiten träten hinzu. Die bisherigen Richtlinien empfehlen deshalb auch eine strenge Prüfung. Die Massenhaftigkeit der neuen Anträge habe endlich die thüringische Regierung zum Ein⸗ spruch veranlaßt. Andere Staaten schlössen sich heute gleichfalls viel strenger ab, als früher. Man könne wohl zweifeln, ob die Einbürgerung eines einzelnen Mannes das Wohl des Reiches oder eines Bundesstaates gefährde, aber die Kommentare hätten wiederholt hervorgehoben, daß die Einbürgerungen im Zu⸗ sammenhang mit anderen Fällen zu behandeln seien, und dann müsse man nicht das Interesse dessen voranstellen, der einge⸗ bürgert werden soll, sondern das Intereffe des Reiches. Die Günthersche Lehre sei eine wissenschaftliche Lehre, über die sich auseinanderzusetzen, hier nicht der geeignete Platz sei. Die Falle Lon Einbürgerungen nach Thüringen lägen mit den preußischen Fällen nicht gleich, sie seien auch nur vereinzelt. Wichtig sei aber die Namensfrage. Der Redner bittet daher den Berichierstatter, die einzelnen Namen der Antragsteller zu verlesen. Der Reso⸗ lution könne Thüringen zustimmen, bis hr dem dritten Absatz. Thüringen sei der Meinung, daß die 2bjährige Frist viel zu gering und schematisch sei, und daß der Reichsrat sich freie Sand vorbehalten müsse.

In seiner Antwort berief sich Minifterialdirektor Dr. Bre cht darauf, daß nach den bisherigen Richtlinien ein Mindestaufent⸗ halt von 160 Jahren vorgesehen wäre, und daß die Länder schon die Einbürgerungsanträge sehr streng gesiebt hätten. Bei seiner ganz generellen Begründung für die Einsprüche habe Thüringen in den Ausschüssen alle Stimmen gegen sich gehabt, mit Aus⸗ nahme derjenigen eines Landes. Deshalb habe Thüringen schließlich auch den Begriff der Fremdrassigkeit fallen lassen und nur noch eine Verlängerung der Frist verlangt. Es gehe nicht an, die Begründung Thüringen zum Anlaß zu nehmen, nun das Verfahren für die Vergangenheit zu ändern. Der Schnitt dürfe nicht mit dem 1. . gemacht werden, sondern nur mit dem 1. September. Von da ab könne man die Praxis einführen, über die sich die Ausschüsse ja geeinigt hätten, und zwar mit Rück⸗ t auf das Loch, das nach Kriegsende in den Grenzen ent⸗ tanden sei.

Darauf wurde die Ausschußentschließung gegen die Stimmen von Thüringen und Braunschweig angenommen. Der Berichterstatter, Freiherr von Im hoff, verlas dann 73 Namen von Ausländern mit einer Aufenthaltsdauer in Deutschland von 25 Jahren und darüber, bei deren Prüfung die Ausschüsse beschlossen haben, den Einspruch Thüringens zu ver— werfen. In namentlicher Abstimmung wurde die Einbürgerung dieser 73 Ausländer mit allen gegen die 3 Stimmen von Thürin⸗ gen und Braunschweig bei Stimmenthaltung der preußischen Provinzen Ostpreußen und Brandenburg beschlossen. Es folgten 15 Fälle, in denen die Aufenthaltsdauer in Deutschland unter 25 Jahren liegt. Auf Vorschlag der Ausschüsse wurde der Ein⸗ spruch Thüringens verworfen.

Dannn folgten 32 Fälle mit einer Aufenthaltsdauer unter 25 Jahren, bei denen die Ausschüsse die Einsprüche für begründet erklärt hatten. Darunter sind zunächst 14 Fälle mit einer Aufenthaltsdauer über 15 Jahren. Ministe rialdirektor Dr. Brecht verlas hierzu eine Liste von Einbürgerungen, die in Thüringen in den letzten Mongten vorgenommen worden sind. In ihr befinden sich lawische Namen wie Plah und auch ein französischer Name, während in den preußischen Listen die in jůdischen Familien häufigen deutschsprachigen Namen überwiegen. TDiese 14 Einbürgerungen wurden mit 36 gegen die 27 Stimmen von Bayern, Sachsen, Württemberg, Thüringen, Mecklenbu vg⸗ Schwerin, Oldenburg und Braunschweig genehmigt, während sich die preußischen Provinzen Ostpreußen, Brandenbürg und Grenz mark Posen / Westpreußen der Stimme enthielten.

Zu den 18 Fällen mit einer Aufenthaltsdauer unter 16 Jahren erklärte der Thüringische Gesandte Dr. nzel, darunter befänden sich ganz ungeeignete Fälle, z. B. ein Student, der ruhig noch auf die deutsche Staatsbürgerschaft warten könne, und ein bulgarischer Assistenzarzt, obwohl kürzlich erst der preu— Rische Kultusminister von der Ueberfüllung des ärztlichen Studiums in Deutschland gesprochen habe. Ministerialdirektor Dr. Brecht erwiderte darauf, alle diefe Fälle seien eingehend geprüft. Der bulgarische 23 habe z. B. Schulter an Schulter mit unseren Soldaten im We tkrieg gekämpft und in Deutschland das Stagtseyamen gemacht. Dr. n zel erklärte, er habe nichts gegen die einzelnen Herren, aber sie könnten sich ja in ihrer Heimat betätigen. Die Einbürgerung dieser 18 Ausländer wurde mit 33 gegen die 30 Stimmen von Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Thüringen, Mecklenburg⸗Schwerin, Oldenburg und Braunschweig genehmigt. Die drei preußischen Provinzen enthielten sich wiedeyum der Stimme.

Der Reichsrat erledigte dann noch einige kleinere Vorl agen. Er stimmte einigen Anderungen des Seefahrts⸗ buches zu. Auf Grund der Verordnung von 20. Oktober 1930 wurde ein fünfgliedriger zie eh un' hen für Zollern, in welchem die Länder Preußen, Bayern, Baden und Hamburg vertreten sind, gewählt. .

Ferner wurde das von der Weltwirtschafts konferenz empfohlene Genfer Handelsabkommen gegen die Stimmen einiger Länder genehmigt. Die siebenprozentigen Goldschuld⸗ verschreibungen der Zentrale für Bodenkulturkredit in Berlin vom 16. Dez. 1930 im Betrage von 5 Millionen Goldmark erklärte der Reichsrat für mündelsicher. Genehmigt wurde eine Verordnung, durch welche der Begriff des Großhandels im Umsatzsteuergesetz näher erläutert wird. Schließlich nahm der Reichsrat die Annahme des Gesetzes über die Er tattung von Kriegswohlfahrtsausgaben durch den Reichstag zur Nenntnis und stimmte der Wiedereinbringung des Gesetz⸗ entwurfs über den Übergang der Unterwarnew⸗Wasserstraße, der Seewasserstraße bei Wismar und des Kraffehlkanals auf das Reich zu.

Dentscher Reichstag. Nachtrag.

Die Rede, die der Reichsarbeitsminister Dr. Steger⸗ wald im Laufe der Beratung der Anträge auf Aufhebung der Schlichtung verordnung des Reichspräsidenten und der Interpellationen über die Lohnsenkungen der Reichsregierung gehalten hat, lautet nach dem vorliegenden Stenogramm,

Meine Tamen und Herren! Ich habe heute nicht vor, Abgeordneter Muhsal: Etwas lauter vorlesen, Herr Angeklagter!

Lohnpolitik zu halten. Ich din bereit, bei der Besprechung des Etats des Arbeitsministeriums im Haushaltsausschuß über alle Einzelheiten des staatlichen Schlichtungswesens in Rede und Gegenrede meine Meinung zu sagen über das, was ist. In einer öffentlichen Sitzung des Reichsrats im Oktober vorigen Jahres habe ich bereits ausgeführt, daß über die staatliche Lohnpolitik in Deutschland gegenwärtig eine große Verwirrung herrscht. Ledig⸗ lich zur Aufhellung dieser Verwirrung möchte ich heute einige all⸗ gemeine Bemerkungen machen.

Wir haben gegenüber dem, was ist, von zwei Tatsachen aus—⸗ jugehen. Die eine ist folgende. Wir leben in Deutschland im wesentlichen noch in einer privatlapitalistischen Ordnung. (Leb⸗ hafte Zurufe von den Nationalsozialisten) Lassen Sie mich doch einen Satz nach dem anderen aussprechen. Ich glaube, daß man, wenn ich ein paar Sätze ausgesprochen habe, ungefähr schon erkennen kann, was ich will. Aber einen schon nach dem ersten Satz durch Zwischenrufe zu unterbrechen, ist eine Methode, die man vielleicht in Vollsversammlungen anwenden kann, die aber hier im Reichstag nicht üblich werden sollte. Ich sage also, wir haben in Deutschland im wesentlichen noch eine privatkapita⸗ listische Ordnung, und lein Mensch mit Verantwortung glaubt

kreditpolitischen Lage Deutschlands in kurzer Zeit an Stelle dieser privatkapltalistischen Ordnung etwa eine kommunistische, eine sozialistische oder eine nationalsozialistische Ordnung gesetzt wer⸗

ganz klar ins Auge zu sehen. steht nur das eine fest, daß dann in ganz kurzer Zeit die Arbeits⸗ lofigkeit riesengroß weiterwächst. (Zuruf von den National⸗ sozialisten: Herr Minister, was haben Sie denn vom Voung⸗Plan behauptet? Sie wollen ja letzten Endes nicht Ordnung, sondern Sie wollen erst das Chaos und glauben, erst nach diesem Chaos bessere Zustände schaffen zu können, so daß man mit Ihnen über diese Dinge nicht diskutieren kann. (Zuruf des Ab⸗ geordneten Dr. Goebbels) Bei denjenigen, die aufbauen wollen,

Glocke) Die zweite Tatsache ist die, daß sich die deutsche Wirtschaft

befindet, die aus vielen Ursachen heraus resultiert, unter anderem daraus, daß in Deutschland die öffentlichen Abgaben außerordent⸗ lich hoch sind. Diese dürften für 1959 28 bis 30 Milliarden Mark betragen, natürlich einschließlich aller Abgaben, auch der für

ihrer geringen Rentabilität gegenwärtig etwa 5 bis 7 vp auf,

Handel, Verkehr, Freien Berufen, Beamten, Angestellten,

und beschäftigt auch ungefähr 25 des deutschen Volkes. Sie ist gegenwärtig aber nur in geringem Maße leistungsfähig. Sie hat weniger Schulden als im Jahre 1913, hat dafür aber nahezu dreimal soviel an Zinsen aufzubringen wie in der Vorkriegszeit. Der übrige Teil der Wirtschaft ist mit öffentlichen Abgaben über⸗ belastet. Die Landwirtschaft wird stark dadurch bedrückt, daß der allgemeine Index viel höher steht als der Agrarindex, und weiter⸗ hin durch die im Vergleich zu früher sehr viel höheren Zinsen. Der übrige Teil der Wirtschaft wird stark bedrückt durch die hohen öffentlichen Abgaben.

Nun sagt dieser Teil der Wirtschaft: Abgesehen von dem, was wir zum Einkauf der Rohstoffe benötigen, bestehen 90 vY der Ausgaben aus Frachten, aus öffentlichen Abgaben, aus Beiträgen zur Sozialversicherung und aus Löhnen und Gehältern; wenn wir weiter rentabel wirtschaften wollen, dann brauchen wir so wird argumentiert Erleichterungen; wo man uns diese gewährt, das ist uns ganz gleichgültig. Das haben mir in den letzten Monaten sehr häufig Industrielle und erste Wirtschaftler in Deutschland gesagt. Wir kaprizieren uns durchaus nicht auf die Löhne, wir wissen, daß auch die Lohnfrage mehrere Seiten hat, und wenn man uns auf anderen Gebieten entgegenkommen kann, sind wir sehr gern bereit, die Lohnfrage zurücktreten zu lassen.

Bei Frachten sind nun gegenwärtig durchgreifende Aende⸗ rungen nicht zu erzielen. Die deutsche Volkswirtschaft hat gegen⸗ wärtig für den Verkehr ungefähr 10 Milliarden Mark. Davon entfallen etwa 75 v5 auf Reichsbahn und Reichspost, der Rest auf Kleinbahnen, Straßenbahnen, Speditionsgewerbe, Kanal⸗ gebühren usw. Etwa 50 vH der Verkehrsausgaben entfallen auf die Reichsbahn. Die Reichsbahn sagt: Ich kann große Tarif⸗ erleichterungen nicht gewähren, weil ich zu stark mit politischen Abgaben belastet bin; ich muß einmal 660 Millionen Mark Re⸗ parationslasten bezahlen, zweitens etwa 500 Millionen Mark an Pensionen und drittens etwa 8090 Millionen Mark an Be förde⸗ rungssteuer. Etwa 380 vo sämtlicher Ausgaben der Reichsbahn sind, für den Betrieb an sich gesehen, unproduktiv. Die Post hat ebenfalls einen großen Pensionsetat und muß weiterhin größere Beträge an das Reich abliefern. Die Städte verdienen an Gas, Elektrizität und Straßenbahnen meist größere Beträge, sind aber gegenwärtig nicht imstande. diese Verkehrsgebühren zu senken, weil sie durch Wohlfahrtsausgaben sehr stark belastet sind und daher auf diese Erträge nicht verzichten können. Ich sehe also keine Möglichkeit, wie in kurzer Zeit von der Frachtseite her der Wirt⸗ schaft eine wesentliche Erleichterung gewährt werden kann. Bei den öffentlichen Abgaben muß man im allgemeinen froh sein, wenn man bis auf weiteres um Erhöhungen herumkommt.

Wenn man aber von der Frachtseite und von den öffentlichen Abgaben her wesentliche Erleichterungen nicht schaffen kann, und wenn man zugibt, daß die Wirtschaft, besonders die industrielle und gewerbliche Wirtschast, gegenwärtig mit öffentlichen Abgaben sehr stark belastet ist, dann bleiben in der Hauptsache nur soziale Abgaben und Löhne und Gehälter übrig. Nun glauben weite Kreise der Wirtschaft, daß eben diese notwendigen Erleichterungen

wie folgt:

Glode) Ich habe heute nicht vor, eine längere Rede über die

daran, daß bei der gegenwärtigen politischen, wirtschaftlichen und

den könnte. Ob einem das gefällt oder nicht, darauf kommt es gegenwärtig gar nicht an. Wir haben dieser nüchternen Realität Wenn man das nicht tut, dann

nicht bestehen. (Weitere Zurufe des Abgeordneten Dr. Goebbels.

gegenwärtig, von Ausnahmen abgesehen, in einer schweren Lage

Sozialversicherung usw. Davon bringt die Landwirtschaft infolge während der Rest von g3 bis 95 v5 von Industrie, Gewerbe,

Arbeitern usw. aufgebracht werden muß. Die Landwirtschaft stellt in Deutschland etwa 25 vp der volkswirtschaftlichen Werte her!

müssen. Diese Dinge liegen auch nicht einfach. Ich sogte

die Landwirtichaft gegenwärtig im Hinblick auf die gesamte Vell lage und im Hinblick darauf, daß in Deutschland fast ebensori⸗ Menschen von dem industriellen Export als von der Landwirtsch leben müssen, nicht von heute auf morgen zu einer wesents höheren Kaufkraft für den inneren Markt gebracht werden lam Die Landwirtschaft und die Gehalts- und Lohnempfänger stelln aber in Deutschland zusammen 80 bis 85 vH der gesamten 8 völkerung dar. Etwa 80 v5 unserer gesamten deutschen gewen. lichen und industriellen Produktion muß der Inlandsmartt uu nehmen. In einer solchen Sitnation ist es ein großer 2m schluß, zu glauben, daß alle Erleichterungen der Wirtschaft don der Lohnseite her kommen können. (Zuruf von den National sozialisten: Durch den Joung⸗Plan aber) Der DJoung . Plan Das wird ja allmãhlich so abgedroschen —— (Lachen und 3 rufe von den Nationalsozialisten. Glocke des Prãsidenten⸗ Daß wir den Joung⸗Plan revidieren wollen, darüber bestehr dog im ganzen Hause keine Meinungsverschiedenheit. Erneute Iu⸗ rufe von den Nationalsozialisten) Die Streitfrage ist nur, wann auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln man das nil Und wenn heute der Joung⸗Plan nicht beftände, dann wirlten die anderen Begleiterscheinungen des Krieges auch sehr starh auf unsere Wirtschaft zurück; denn durch den Krieg und seine Begleit. erscheinungen sind ja ungefähr 109 bis 150 Milliarden Reichs man Werte in Deutschland vernichtet worden. (Zustimmung in de Mitte und bei den Sozialdemokraten. Wiederholte Zurufe von den Nationalsozialisten Daß der Joung⸗Plan baldigst gt ändert werden soll, darüber braucht man doch nicht zu reden, wel darüber in diesem Hause doch keine Meinungsverschiedenheit he steht. Die Frage ist nur, wie man das kann, mit welchen Mglig⸗ keiten und Realitäten man bei der Durchführung dieser Be strebungen rechnen muß. (gurufe des Abgeordneten Dr. Goebbelz Glocke des Präsidenten) Ich sage also: Da in Deutschlam etwa 80 bis 85 vH der Bevölkerung aus Landwirtschaft und ang Gehalts- und Lohnempfängern bestehen und man die Kau fftrast der Landwirtschaft nicht beliebig von einem Tag zum andern er⸗ höhen kann, und da etwa 60 vH unserer deutschen Produktion in Inlande abgesetzt werden müssen, wäre es ein großer Trugschluß zu glauben, daß alle Erleichterung der Wirtschaft von der Lohn seite her kommen könnte.

können über das, was ich gesagt habe, Meinungsverschiedenheiten

*

Auf dem Gebiete der Sozialversicherung ist vielleig; ech das eine oder andere möglich. Aber zu glauben, wie das auch in weiten Kreisen geschieht, daß man an der Sozialversicherung noch 1 bis 2 Milliarden sparen könne, ist ebenfalls ein Trugschluß, e sei denn, daß es in absehbarer Zeit gelingen sollte, die Arbeitz, losigkeit in stärkerem Maße zurückzudrängen. Im letzteren Fall lassen sich allerdings ein paar Milliarden sparen. Denn gegen⸗ wärtig geben Reichsanstalt, Reich und Gemeinden etwa 3 Mil. liarden Mark für die Arbeitslosen aus. An der übrigen Sozial= versicherung aber noch 1 bis 2 Milliarden zu sparen, wie daz von verschiedenen Seiten gemeint wird, halte ich nicht für möglich.

Was nun die Lohnpolitik selbst anlangt, so wiederhole ich was ich vor drei Monaten in einer öffentlichen Sitzung de Reichsrats gesagt habe. Ich sagte damals, daß es für die Staatz macht drei Möglichkeiten des Verhaltens zur Lohnentwicklung gebe. Einmal: man hält durch die Staatsmacht starr die seit— herigen Löhne fest, die früher unter anderen wirtschaftlichen Vor= aussetzungen festgesetzt sind. Das ist die eine Möglichkeit. Die zweite Möglichkeit ist: man überläßt die Lohnfrage dem freien

Spiel der Kräfte, den Arbeitgeberverbänden und den Gewerk schaften. Die dritte Möglichkeit ist: man greift mäßigend und regulierend in die sozialen Kämpfe zwischen Arbeitgebern und Arbeitern durch die Staatsmacht ein. Im ganzen muß man sich klar einprägen, daß die Regulierung der Löhne durch die Staatlt⸗ macht etwas fundamental anderes ist als freie Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Ein starres Festhalten der Löhne durch die Staatsmacht bedeutet nicht, daß die seitherigen Löhne weiterbezahlt werden, daß die Gesamtlohnsumme in Deutsch⸗ land dieselbe bleibt. Ein starres Festhalten der Löhne durch die Staatsmacht in allen Fällen bedeutet in einer großen Wirtschaftz⸗ krise, daß in einer privatkapitalistijchen Ordnung zahlreiche Still legungsanträge kommen. Nun geht es vielen Betrieben gegen⸗ wärtig tatsächlich schlecht, und wenn man eine Stillegung dieser Betriebe verhindern will, dann kann man nicht einfach auf der ganzen Linie durch die Staatsmacht die Löhne festhalten, die unter anderen Voraussetzungen geschaffen worden sind, oder aber, wenn man es will, dann muß man diese Betriebe schließlich durch den Staat übernehmen oder eine Subvention gewähren, und beides ist bei der gegenwärtigen Gesamtlage Deutschlands nicht möglich. Wenn aber in einer Reihe von Betrieben die seit⸗ herigen Löhne nicht durch die Staatsmacht festgehalten werden können, dann ist es ausgeschlossen, ausgerechnet in den Industrien und Gewerbezweigen ohne Auslandskonkurrenz die seitherigen Löhne durch die Staatsmacht zu stabilisieren.

Machen Sie das einmal den Bergleuten plausibel! Der Kon litt im Ruhrbergbau lag sehr tief. Die Arbeiter sagten von ihrem Standpunkt aus ganz mit Recht: Es gibt zwei Kohlen, veviere in Europa mit der höchsten Leistungsquote auf den einzelnen Mann, und diese liegen alle beide in Deutschland. In Oberschlesien fördert heute der einzelne Bergmann ungefähr 20 Zentner pro Tag, an der Ruhr etwa L986 bis 29 Zentner pro Tag. Es gibt kein anderes Kohlenrevier in Europa mit einer ähnlich hohen Leistungsquote. Soweit ich unterrichtet bin, sind es in England 22 Zentner pro Kopf und Tag, in Frankreich 1 bis 18, in Belgien 12 bis 18. Nun sagen die Ruhrberglenute von ihrem Standpunkt aus bei diesem Lohnkonflikt an der Ruhr ganz mit Recht: Uns kann doch kein Mensch plausibel machen, daß in diesem wichtigsten europäischen Kohlenrevier, das neben Oberschlesien die höchste Leistungsquote auf den einzelnen Mann hat, keine Kohlenpreis senkung ohne Lohnsenkung möglich sein sollte. Auf der anderen Seite haben aber auch die Arbeitgeber mit seht durchschlagendem Material nachgewiesen, daß sie in den letzten Jahren gewaltige Kapitalinvestierungen und Rationalisierungen im Bergbau vornehmen mußten. Ez kam zum Beispiel vor, daß Schram maschinen aufgestellt werden mußten, die ungefähr 26 Ar= beiter sparten, aber dann so viel Ausgaben und Abschreibungen erforderten, daß man davon 24 Arbeiter hätte bezahlen können. Derartige Kapitalinvestierungen bedeuten, rein innenwirtschaftlich

ausschließlich bei den Sozialabgaben und bei den Löhnen ersolgen

gesehen, eine Hyperrationalisierung, weil mit diesen teuren

NMeiche⸗ und Staatsanzeiger Nr. 21 vom 6. Februar 1931.

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zawitalinvestierungen nicht viel billiger gearbeitet werden kann ab arbeit intenfwen Betrieben. Die Industriellen konnten mit * ö Gründen nachweisen, daß es, wenn fie diese Kapftalinveftie⸗ . die se Rationalisierung nicht vorgenommen hätten, ganz u often wäre, dag der deutsche Keahlenbergban noch Mil Tonnen jährlich an Kohlen auf den Weltmarkt werfen ren. Die Verhältnisse im Ruhrkohlenbergban lagen also anßer⸗ 6 kompliziert, so daß man nicht mit ein paar Schlag⸗ über diese Dinge hinwegkommen konnte.

Nun kann man aber den Berglenten nicht plausibel machen, deß sie auf der einen Seite sich mit Feierschichten abfinden und da⸗ „en noch eine Lohnkürzung gefallen lassen sollen, während auf e waeren Seite etwa die Gemeinde- die Verkehrs⸗ die Reichs⸗ mo Staatsarbeiter einen rineinhalbmal jo hohen Lohn be⸗ kämmen sollten wie die Bergleute, die unterirdisch tätig sind, und dieser Lohn durch die Staatsmacht festgesetzt werden soll. Das sihrte zu ungeheurer Unzufriedenheit unter den verschie denen Lrbeitergruppen. Und darum habe ich vorhin gelagt, es sei ein fundamentaler Unterschied, ob zwischen Gewerkschaften und Unter⸗ nehmern freiwillige Vereinbarungen zultande lommen oder ob man durch die Staatsmacht in bestimmten Industriezweigen und Gewerben die Löhne stabilisiert.

Ich sage also: Bloßes starres Festhalten der Löhne durch die Etaats macht bringt den Arbeitern nicht die Löhne, die seither be⸗ zahlt worden find, sondern in vielen Fällen die Gefahr von Still⸗ legungen ganz großen Stils, die der Staat dann nicht hintanhalten kann, weil er nicht die Betriebe übernehmen und auch nicht über= al mit Subventionen eingreifen kann. .

Die zweite Möglichkeit, von der ich vor einigen Monaten im Reichsrat sprach, war die, das freie Spiel der Krãfte einzuführen, das heißt die Lohnfrage den einzelnen Betrieben zu überlassen der aber den Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Das kann man in einer Stunde, in der in Denutschland zwischen pier und fünf Millionen Arbeitsloser vorhanden sind, nicht machen. Denn wir haben in Deutschland seit fieben Jahren oder eigentlich schon länger das staatliche Schlichtungswesen. Es ist eine Jort⸗· sezung dessen, was im Kriege die Generalkommandos der ein⸗ nen Armeekorpsbezirke anordneten. Im Kriege haben die Generalkommandos einfach angeordnet, in Mnnitionsindustrien dürsen Streiks nicht geführt werden. Dafür wird ein Schlich- iungsausschuß eingesetzt, der den Lohnstreit zu schlichten hat. Das staatliche Schlichtungswesen gründet sich auf die Vorarbeiten der Fencralkommandos während des Kriegs. Ich sage also: nachdem das staatliche Schlichtungswesen in Denutschland seit Jahren be⸗ standen hat, ist es nicht möglich, in einer Stunde, in der Dentsch⸗ land vier bis fünf Millionen Arbeitslose hat, einfach die ganze Lohnfrage wieder dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen. Das würde zu derartig starken politischen und sozialen Erschütterungen führen, daß man politisch und sozial ganz bestimmt mehr zerschlagen würde, als man wirtschaftlich aufbanen könnte. (Zurufe von den Nationalsozialisten: Mehr zerschlagen kann man nicht als Sie. . Sie sind ja schon pleite) Das sind Schlagworte. Wenn Sie des meinen, müßten Sie einmal nach all den Oststaaten und vielen Weststaaten gehen und sich dort die Lebenshaltung der Bevõlke⸗ rung ansehen. (Lachen und Zurufe von den Nationalsozialisten)

Es ist ganz klar, daß auch die dritte Möglichkeit, daß näm⸗ lich die Staatsmacht mäßigend und regulierend in die sozialen Kämpfe und in die gewaltigen Spannungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eingreift, kein Allheilmittel ist. Man muß sich auch darüber klar sein, daß sich beim staatlichen Schlichtungs⸗ wesen eine gewisse Schematisierung gar nicht hintanhalten läßt, wenn man sie auch nicht will. Denn man kann nicht in einer Industrie, die sich in sehr schwerer Lage befindet und sich gegen⸗ über der Weltkonkurrenz nicht behaupten kann, schließlich in der Lohnfrage nachgeben, um Schlimmeres zu verhüten, und gleich⸗ zeitig in anderen Gewerben die seitherigen Löhne durch die Staats⸗ macht stabilisieren. Das ist eine Unmöglichkeit.

Vor kurzem trat an mich folgender praktischer Fall heran. In Oberschlesien bestand der Tarifstreit in der Eisenhütten⸗ industrie. (Zuruf von den Nationalsozialisten: Im Erzbergbauh Dort werden sich die Dinge, wie ich hoffe, in den nächsten Tagen von selbst regulieren. Im Erzbergban in Oberschlesien ind ja nur ein paar tausend Leute beschäftigt. In der Hauptsache handelt es sich also in Oberschlesien um die Berglente und Hütten⸗ leute, und von der Hütteninduftrie wollte ich eben sprechen. Bei uns in Deutschland liegt die Sache so, daß wir in unserer Schwer⸗ eisenindustrie deshalb so schwer zu geregelten Verhältnissen kommen lönnen, weil die Schwereisenindustrie in Oberschlesien und an der Saar mit am schwersten zu kämpfen hat. Wäre dies nicht der Fall, befände sich unsere Eisenindustrie in den Grenzbezirken und an der Saar nicht in dieser schweren Lage, dann wäre auch von Staats wegen eine andere Eisenpolitik möglich. Sie ift aber nicht möglich, wenn man diese Bezirke nicht drangeben, opfern will.

Nun schwebte vor einiger Zeit in Oberschlesten der Konflikt in der Eisenhüttenindustrie. Die dortige Industrie kann sich nur schwer behaupten, trotzdem in Oberschlesien die Löhne mit am niedrigsten von ganz Dentschland sind. In Polen und in der Tschechoslowakei sind die Löhne in der Eisenindustrie aber noch sehr vel niedriger. Wenn man sich nun in Oberschlesien stark von seiten der Staatsmacht darauf stützt, daß an diesen Ver— hältnissen nichts geändert werden darf, dann kommen ganz be⸗ stimmt die Stillegungsanträge, weil sich die Betriebe infolge der Frachtpolitik gegenüber ihren östlichen Nachbarn nur sehr schwer behaupten können. In solchen Fällen müssen wir selbst bei niedrigen Löhnen, die einem innerlich widerstreben, leicht nach⸗ geben. Tut man das aber, so kann man nicht gleichzeitig in Ober⸗ schlesien Holzarbeiterlöhne von 107 Mark durch die Staatsmacht für verbindlich erklären. (Zuruf von den Kommunisten: Herr Minister, haben Sie ein Mannstript von Mussoliniz) Ich glaube, ich habe viel weniger Verwandtschaft mit Mussolini als Sie mit Moskau. Ihnen werden jedenfalls von Moskau mehr Weisungen gegeben, als ich Reden von Mussolini vorgelegt bekomme. Ich sage also: man muß fundamental unter⸗ scheiden zwischen der Regulierung der Lohnpolitik durch die Staatsmacht und den freien Bereinbarungen zwischen Arbeit⸗ gebern und Arbeitnehmern. Die Staatsmacht kann in dem Schlich⸗

nehmern möglich sind. Bei der Politik der freien Vereinbarun⸗ gen sind ganz andere Dinge möglich als durch die staatliche Lohn⸗ politit. Herr Schröter (Merseburg) behauptete nun, es seien Lohn⸗ senkungen von 25 auf 40 vp vorgekommen. Ich kann diese Be⸗ hauptungen im einzelnen gegenwärtig nicht nachprüfen. Durch das staatliche Schlichtungswesen ist eine solche Lohnkürzung be⸗ stimmt nicht vorgekommen. Es kann sich lediglich um Senkungen

im Rahmen bestehender Tarifverträge, um Aktordsätze handeln.

In diese Verhältuisse aber kann das staatliche Schlichtungswesen

nicht eingreifen. Die Lohn senkungen, die vom staatlichen Schlich⸗

tungs wesen mitreguliert find, bewegen sich zwischen 3 und 8 vo;

andere Kürzungen sind nicht zustande gekommen. Sollten also

höhere Kürzungen vorgekommen sein, so kann daran durch das

staatliche Schlichtungswesen nichts geändert werden. Das sind

Dinge, die innerhalb eines Tarifvertrages möglich sind an den

Akkordsätzen, nicht an den Zeitlöhnen.

Im übrigen müssen wir uns darüber klar sein, daß in

Krisenzeiten die Löhne noch nie auf der ganzen Linie gehalten werden konnten. Mit der formalen Staatsmacht allein lassen sie sich ebenfalls nicht halten.

Daß auf dem Gebiete der Preissenkung nichts geschehen sei, stimmt nicht. In den letzten Monaten sind Preissenkungen in Stahl und Eisen von 10 und 12 v5 vorgenommen worden, bei den Kohlen eine Senkung von 9 vß, bei Markenartikeln von 10 vH und bei einer Reihe anderer Artikel. Ohne Zweifel richtig ist aber, daß diese Preissenkungen durch den Staat sehr schwer auf der ganzen Linie durchzuführen sind. Was möglich war, ist in den letzten Monaten geschehen und wird auch weiterhin getan werden. Die gegenwärtige Reichsregierung und auch der Reichs⸗ arbeitsminister können das, was in den letzten 13 Jahrzehnten in Deutschland geschehen ist, nicht plötzlich an einem Tage ändern. Kein Reichsarbeitsminister, der die Dinge sieht, wie sie find, kann bei der gegenwärtigen Gesamtlage Dentschlands eine wesentlich andere Politik treiben als die, die ich in den letzten Monaten gemacht habe. Die Regierung wird weiterhin in den sozialen Kämpfen mäßigend einwirken und bestrebt fein, eine größere Elastizität in das Tarifvertragswesen hineinzubringen; sie wird auf der anderen Seite aber auch bemüht sein, das Tarifvertrags wesen und das Schlichtungswesen zu erhalten.

Die Anträge der Kommunistischen Partei, die eine Beseiti⸗ gung des Schlichtungswesens und eine Aufhebung der Not- verordnung des Herrn Reichspräsidenten wollen, bitte ich ab= zulehnen. Gegen eine Beratung dieser Anträge im Sozial- politischen Ausschuß hat die Reichsregierung selbstverständlich nichts einzuwenden. (Gravo! im Zentrum. Zuruf von den Kommunisten: Der Angeklagte ift schuldig! Glocke des Präsi= denten.)

17. Sitzung vom 5. Februar, 3 Uhr.

halts des Reichsministeriums, des Reich s⸗ kanzlers und der Reichskanzlei in Verbindung mit dem nationalsozial Au flösung.

Ein Antrag des Abg. Stöcker (Komm) verlangt, mit der Etatsberatung die

Verbindung mit Regiexungsmitgliedern streich geplant, durch den der Reichstag ausgeschaltet, ein

einberufen werden sollte.

Präsident Löbe bemerkt, daß die Fristen für die Ein— bringung der Interpellation nicht erfüllt seien. J

bg. Stöcker (Komm.) erwidert darauf, daß die Inter⸗ ellation mitberaten werden könne, wenn der Reichskanzler sie

antworten wolle.

Präsident Löbe: Der Reichskanzler ist bereit, zu antworten. Heiterkeit.) ;

Darauf nimmt der Reichskanzler Dr. Brüning das Wort. Seine Rede wird nach Eingang des Stenogramms veröffentlicht werden.

Präsident Löbe teilt mit, daß der Antrag der Kommu⸗ nisten auf Erteilung eines Mißtrauensvotunis eingegangen ist. (Beifall bei den Kommunisten)

Abg. Stöhr Gat. Soz.) beantragt, wie es nach solchen bedeutsamen Regierungserklärungen üblich ist, die Beratung auf

morgen zu vertagen. . ; ; zräsident Löbe bedauert, daß dieser Wunsch nicht schon im ich darüber hätte

Aeltestenrat angekündigt worden sei, wo man einigen können. Bielleicht genüge eine Stunde Vertagung zur Vorbereitung der Fraktionen. n ;

Abg. Hermann Müldler (Soz) macht darauf aufmerksam, daß schon wiederholt nach Regierungserklärungen die Debatte J. begonnen habe. Zur Erwiderung auf diese Erklärung des

eichskanzlers brauche man sich nicht eist zu präpapieren oder es würde dazu eine Stunde genügen.

Die Vertagung wird abgelehnt, da die Kommunisten gegen die Vertagung stimmen.

Reichskanzler Dr. Brüning: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weniger als je liegt in diesem Jahre seit dem Beginn der zweiten Lesung des Reichshaushaltsplans die Be⸗ deutung der Beratungen bei den technischen Fragen, sondern bei den politischen. In dem Stadium einer politischen und wirt⸗ schaftlichen Krise, in der sich Deutschland befindet, ist die parla⸗ mentarische Erledigung des Etats eine Frage ersten Ranges. Ich möchte deshalb die Beratung zweiter Lesung in Uebereinstimmung mit meinem hochverehrten Kollegen, dem Herrn Reichsfinanz⸗ minister, mit einigen Bemerkungen einleiten, wobei ich gleich hinzufüge, daß es nicht meine Absicht ist, eine programmatische Erklärung über alle Fragen, die mit diesem Etat im Zusammen⸗ hang stehen, hier irgendwie abzugeben.

Es ist zunächst meine Pflicht, allen Persönlichkeiten und

sprechen, die sich an den bisherigen Beratungen des Etats be⸗ teiligt und das schnelle Vortreiben dieser Beratungen ermöglicht haben. Mein Dank gilt vor allem dem Herrn Reichsfinanz⸗

minister und seinen Mitarbeitern; er gilt den Mitgliedern des

tungsverfahren eine ganze Reihe von Dingen nicht machen, die bei freien Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbemt⸗

*) Mit Ausnahme der du

der Herren Minister, die im rtlante wiedergegeben sind.

Gericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger“) Auf der Tagesordnung steht die 2. Beratung des Haus⸗

istischen Antrag auf

bereitungen für die Beratungen so treffen und so beschleu nigen eratung einer dringenden kommu⸗ ter. , . e, . . eee. 2 . nistischen Interpellation zu verbinden, in der behauptet wird, Wir legen um so mehr 4 n e. e ne. von der Volkspartei und anderen Regierungsparteien sei in von den Möglichkeiten und dem Ausmaße z

i Staats⸗ 2 * legentlich auch durch einige Oppositionsparteien ganz besonders ge⸗

neues Wahlrecht oktrohiert und eine Nationalberfammlung legen auch des e. Wert darauf, meine Damen und Herren, weil wir im Interesfe der Kreditsicherheit wünschen missen, daß überhaupt die parla— entarische Beratung unter allen Umständen die Regel bleibt.

Gremien den anfrichtigen Dank der Reichsregierung auszu⸗

Reichsrats; er gilt auch dem Saushaltsausschuß diese⸗ Hanses und seinem verehrten Vorsitzenden.

Meine Damen und Herren! Die Beratung des Haushaltg fällt in eine Zeit schwerster wirtschaftlicher Krise. Ueber die Gründe dieser Krise sind wiederholt von seiten der Regierung Ausführungen gemacht worden. Sicherlich ist diese Krise zu einem großen Teil bedingt durch weltwirtschaftliche Einwirkungen (Lachen bei den Nationalsozialisten), aber sie ist zugleich eine Krise des Vertranens in die Stabilität der deutschen Politik und der deutschen Wirtschaft. (Sehr gut! in der Mitte. Abgeordneter Dr. Goebbels: und des Kabinetts Srüningh Das nur bei Ihnen, Herr Goebbels! (Abg. Dr. Goebbels: Nein, auch bei vielen anderen!) Aus diesem Grunde hält es die Reichs regierung als außerordentlich entscheidend für die weitere finanzielle und wirtschaftliche Entwicklung, daß der Etat auf normalem parla⸗ mentarischem Wege verabschiedet wird. (Abg. Torgler: Und was für ein Etat) Der vorliegende. (Allgemeine große Seiterkeit) Mit berechtigtem Stolz kann der Herr Reichsfinanzminister darauf hinweisen, daß kaum je so frühzeitig wie dieses Mal der Etat dem Reichsrat und dem Reichstag zur Beratung vorgelegt worden ist. Es gilt deshalb der Appell der Reichsregierung an dieses hohe Haus, alles daranzusetzen, um dem Etat auch in parlamentarischer Verabschiedung rechtzeitig bis zum 31. März Gesetzeskraft zu ver— leihen. (Abg. Schneller: Er ist zwar miserabel, aber rechtzeitig! Glocke.)

Es ist keine Frage, daß In- und Ausland diesmal mit be—⸗ sonderem Interesse auf die Beratungen und auf die Art der Ver⸗ abschiedung des vorliegenden Haushalts blicken. Der Herr Abg. Stoecker hat eben eine Interpellation eingebracht über angebliche Diktaturpläne. Ich lann versichern, daß die Reichsregierung solchen Plänen, sollten sie überhaupt bestehen, restlos ablehnend gegenübersteht. Der beste Beweis dafür ist die Tatsache, daß die Reichsregierung gerade den größten Wert darauf legt, den Haus⸗ halt varlamentarisch zu verabschieden. (Bravo! in der Mitte)

Die Reichsregierung hat wiederholt in den vergangenen Mo⸗ naten zu dem Hilfsmittel des Artikels 48 Zuflucht nehmen müssen. Es ist nicht ihre Absicht gewesen, und es wird nicht ihre Absicht sein, etwa zu versuchen, namentlich in solchen Fragen auf die Dauer und häufiger von dem gleichen verfassungsmäßigen Mittel Gebrauch zu machen. (Zuruf von den Kommunisten: „Ver⸗ fassungsmäßhig“ ist gut! Verfassungswidrig!) Sie ist der Ansicht, meine Damen und Herren, daß es im Interesse der Reich zregie⸗ rung sowohl wie dieses hohen Hauses liegt, wenn möglichst wenig vom Artikel 48 überhaupt Gebrauch gemacht wird. Cachen und Zuruf von den Kommunisten: Sie ist auf dem besten Wege! Sie ist der Ansicht, daß bei gutem Willen und bei vollem Verantwor⸗ tungsbewußtsein es der gemeinsamen Arbeit von Reichsregierung und Reichsrat möglich sein muß und möglich sein wird (Zuruf von den Kommnnisten: Das Volk auszuplündern!, auch auf parla⸗ mentarischen Wege die schwebenden gesetzgeberischen Aufgaben zu lösen. Zu diesem Standpunkte hat sich die Reichsregierung immer bekannt, und ich habe wiederholt von dieser Stelle aus darauf hin gewiesen, daß es die vornehmste und ehrwürdigste Pflicht eines Parlaments ist (Zuruf von den Rationalsozialisten: Ehrwürdig ist

gut!), dafür zu sorgen, daß der Etat auf normalem parlamen⸗ tarischem Wege rechtzeitig verabschiedet wird. Wir sind uns des⸗ wegen schon im Herbste darüber klar gewesen, daß wir die Vor⸗

hohen

falsche Vorstellung herrscht (aha! bei den Kommunisten), die ge⸗

nährt wird. (Sehr gut! in der Mitte) Wir legen auch deshalb

Wir haben den Etat, ohne daß ich auf Einzelheiten eingehen will der Herr Finanzminister hat wiederholt vor der Oeffent⸗ lichkeit über den Etat gesprochen so aufgestellt e r . Torgler: Daß für soziale Ausgaben nichts mehr übrig bleibth. daß er ein Beispiel der Sparsamkeit und der vorsichtigen Schätzungen ist. (Abg. Torgler: Aber nicht beim Wehretat! .

Wir sind uns von vornherein darüber klar gewesen, daß bei gewissen Einnahmeschätzungen die Richtigkeit unserer Schätzungen davon abhängig ist, wie die weitere wirtschaftliche Entwicklung sein wird. Wir haben nach dieser Richtung hin uns bereits bei Ve rabschiedung des Etats im Kabinett entschlosse n, für den Fall, daß die weitere wirtschaftliche Entwicklung bei gewissen Einuahme⸗ schätzungen Mindererträgnisse bringen würde, den Ausfall nicht durch neue Steuern oder durch eine Vermehrung der Schulden zu decken, sondern durch eine Senkung von Ausgaben und weitere Ersparnisse. (3Zurufe von den Komm unisten: Welche? Wieder auf Kosten der Werktätigen! Glocke des Präsidenten) .

Aus diesem Grunde hat die Reichsregierung selbst das Gesetz eingebracht, das garantieren soll, daß der Etat über eine gewisse Höhe in den nächsten Jahren nicht steigen darf. Aus diesem Grunde hat die Reichsregierung auch schon in dem vergangenen Jahre nicht etwa, wie es vielfach in der oppositionellen Presse dar⸗ gestellt wird, eine leichtsinnige Schätzung in dem Etat der Not⸗ verordnung aufgestellt, sondern sie hat namentlich bei den Aus⸗ gaben für die Krisenfürsorge und Arbeitslosenversicherung eine pessimale interne Schätzung aufgebaut. Ich kann dem hehen Sause mitteilen, daß bislang in keinem Monate die internen Schätzungen der Reichsregierung erreicht worden sind. *

Sie sehen daraus, mit welcher Verantwortung und Sorg⸗ falt (Zuruf von den Kommunisten: Eine wunderbare Finanz⸗ politik! die Reichsregierung im vergangenen Jahr an die Auf⸗ stellung der Schätzungen herangegangen ist. Dies sind die Richt⸗ linien auch für die Etataufstellung in diesem Jahr gewesen. In dieser Auffassung hat die Reichsregierung sich mit den Forde⸗ rungen einer Reihe von Parteien gefunden (Zurufe von den Kommunisten: Und der Schwerindustrie ), vor allem mit der Deutschen Volkspartei. (Lebhafte Rufe bei den Kommunisten und den Nationalsozialisten: Aha! Abgeordneter Torgler: Jetzt kommt die Verbeugung vor Herrn Dingdey! Heiterkeit. Zuruf von den Kommunisten: Herr Dingeldeny, aufstehen! 3 Erneute Heiterkeit. Glocke. Abgeordneter Dreher: Dis Reichsregierung erhebt fich zu Ehren des Herrn Dingeldey! In

Spe rrdruck heworgehobenen Reden

wiederholten Aussprachen hat sich ergeben, daß nach dieser Rich-