1931 / 244 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 19 Oct 1931 18:00:01 GMT) scan diff

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Rr. 244 vom 19. Oktober 1931.

S. 2

losungsscheine werden aufgefordert, Quittung und Wert⸗ papiere rechtzeitig einzureichen. Schwerin, den 15. Oktober 1931. Finanzministerium. J. A.: Schwaar.

Bekanntmachung.

Die am 17. Oktober 1931 ausgegebene Nummer 69 des Reichsgesetzblatts, Teil l, enthält: die Verordnung des Neichepräsidenten über Verlängerung der Steueramnestiefrist, vom 17. Oftober 1931. Umfang K Bogen. Verfaufepreis 015 RM. Postversendungsgebühren: G, 94 RM für ein Stück bei Voreinsendung.

Berlin NW 40, den 19. Oftober 1931.

Neichsverlagsamt. J. V.: Alleckna.

Prenssen.

Bekanntmachung

gemäß § 35 Abs. ? des Hausarbeitgesetzes in der Fassung vom 30. Juni 1933 (RGBl. S. 472).

Der Fachausschuß für die Kleineisenindustrie in Schmal⸗ kalden, Abteilung A: Nagelschmiede, hat in seiner Sitzung am 30. September 1931 gemäß 5 32 des Hausarbeitgesetzes bestimmte Mindestentgelte für die Nagelschmiedearbeiten in seinem Bezirke (Kreise Schmalkalden und Schleusingen) fest⸗ gesetzt. Die Mindestentgelte sind für jede vom 1. November 1931 ab ausgegebene Arbeit zu bezahlen. Mit dem gleichen Zeitpunkte treten die durch Beschluß des Fachausschusses vom 4. November 1930 festgesetzten Mindestentgelte außer Kraft.

Der Beschluß mit den Entgeltsätzen ist im Büro des Fach⸗ ausschusses in Kassel, Bismarckstraße 8, und im Bürger⸗

meisteramt zu Steinbach⸗Hallenberg einzusehen. Kassel, den 8. Oktober 1931. Namens des Fachausschusses für die Kleineisenindustrier Der Vorsitzende.

Bekanntmachung.

Der Fachausschuß für das Konfektionsgewerbe für die Provinz Pommern hat in seiner Sitzung vom 5. Oktober d. J. mit den Stimmen des Vorsitzenden, des Arbeitnehmerbeisitzers und der Arbeitnehmervertreter folgenden Beschluß wegen der Regelung der Hausarbeiterentgelte in der Damen⸗ und Kinder wäschekonfektion gefaßt:

„Von der laufenden Lohnwoche ab wird der Mindeststunden⸗ enigelt für Hausarbeiter in der Damen- und Kinderwäsche⸗ konsektion im bisherigen Geltungsbereich (Groß Stettin)) in demselben Verhältnis wie in Berlin, d. h. auf 53,8 Rpf., herab⸗ gesetzt. Der Fachausschuß vertritt hierbei die Ansicht, daß all⸗ mählich die völlige Anpassung an die Berliner Regelung, d. h. also sowohl hinsichtlich des Arbeitszeitenschemas wie auch des Stundenlohnsatzes, unumgänglich nötig ist. Diesmal wird die prozentuale Aufrechterhaltung der bisherigen Spanne im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse in Stettin noch für begründet angesehen.“

Gemäß § 35 des Hausarbeitgesetzes in der Fassung vom 30. Juni 1923 wird der vorstehende Beschluß hiermit be⸗ stätigt. Der obige Beschluß nebst den in Frage kommenden tariflichen Bestimmungen liegt im Büro des Fachausschusses in Stettin, Friedrich⸗Karl⸗Straße 7111, während der Dienst⸗ stunden zur Einsicht aus.

Stettin, den 8. Oktober 1931.

Der Regierungspräsident.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Der Botschafter der Union der Sozialistischen Sowjet⸗ Republiken Chintschuk ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Botschaft wieder übernommen.

Preußijcher Landtag. Nachtrag. 252. Sitzung vom 16. Okftober 1931.

Die Rede, die der Minister des Innern Severing in der kerl hren politischen Aussprache gehalten hat, lautet nach em stenographischen Bericht, wie folgt:

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich zu den

Ausführungen kurz Stellung nehme, die gestern hier im Hause zu den

verschiedensten Beratungsgegenständen gemacht worden sind. Ich folge dabei der Disposition der Rednerfolge und muß mich darum zunächst mit Herrn Kollegen Stendel beschäftigen, dem ich attestieren möchte, daß er sich gestern die redlichste Wühe gegeben hat, die Stellung⸗ nahme seiner politischen Freunde zu den vorliegenden Mißtrauens⸗ kundgebungen zu begründen. Ich glaube aber, daß ich ihm nicht un⸗ recht tue, wenn ich sage: das Material, das diese Stellungnahme motivieren sollte, war recht dürftig. Sonst hätte ich es nicht verstanden, daß der Herr Kollege Stendel eine Aeußerung des Herrn Minister⸗ präsidenten aufgegriffen hat, von der auch ihm aus dem Zusammen⸗ hang, in der sie gebraucht wurde, bekannt sein mußte, daß sie ganz ironisch gemeint war, daß der Herr Ministerpräsident sich also nicht des Vergehens schuldig gemacht hat, sich auf das tiefe Niveau der nationalsozialistischen Redner und Zeitungsredakteure begeben zu haben. Nur um einer Legendenbildung vorzubeugen, nicht, um in diesem Hause den Herrn Ministerpräsidenten in Schutz zu nehmen, möchte ich Ihnen aus der stenographischen Aufzeichnung der Rede des Herrn Ministerpräsidenten im Sportpalast die betreffenden Stellen mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Präsidenten verlesen. Der Herr Ministerpräsident hat u. a. ausge führt: Die Nazis werden besonders deutlich ihren Kampf⸗ und Bundes- genossen gegenüber. So soll kürzlich einer ihrer Redner nach un

widersprochenen Berichten sich sehr wenig schmeichelhaft über seine vollsentscheidlichen Bundesbrüder ausgelassen haben. Er hat ge⸗ sagt: ‚Unsere Bundesgenossen vom 9. August haben schauerlich versagt. Die Kommunisten sind nie ehrlich gewesen, so auch gestern nicht. Das ist kein Wunder, denn sie haben die sittlich verkommenen Judenschweine in ihren Reihen.“ Dann hat er weiter gesagt, „bei den Deutschnationalen habe es zwar noch einigermaßen geklappt, aber die anderen Parteien hätten kläglich versagt“. Die nationalen Bürger haben sich geschlagen wie die Säue und sind ausgerissen wie Schafleder. Das ist ein rauher, aber herzlicher Ton, der bei diesen rauhen Kämpfern offenbar üblich ist. Das hat aber nicht nur ein Redner in einer Versammlung gesagt, wo er bei seinen geistig wenig anspruchsvollen Zuhörern damit Erfolg zu erzielen suchte, sondern die nationalsozialistische Presse hat auch ganz offiziell in einem Artikel erklärt: „Da kann es kein sentimentales Vertuschen mehr geben, man nehme auch keine Rücksicht mehr auf den oder jenen Führer, wer sich zu einer Schweinebande bekennt, ist eben ein Schwein!“ Das bezieht sich alles auf die Bundesgenossen vom 9. August. Nun weiß man, es geht in der Familie ja auch so zu, wenn alles gut geht und man Erfolge hat, ist alles eitel Seligkeit und Freundschaft; wenn es aber schief geht, dann erlebt man ost, daß der Ton nicht mehr so liebenswürdig ist wie vorher. Die Art aber, wie diese rauhen Kämpfer mit ihren Bundesgenossen um⸗ gehen, gibt es doch wohl anderswo nicht. Sie sehen aber daraus, welch eine Verblüffung unser Erfolg vom 9. August in diesen Kreisen ausgelöst hat. Ich werde die Herrschaften in ihrem Vergnügen nicht weiter stören. Wir werden damit zu rechnen haben, daß diese Schweinebande (lebhafter Beifall wenn ich nun einmal im Jargon der Nationalsozialisten reden muß, so darf man es ihnen nicht übel nehmen, daß ich auch diese Bezeichnung anwende, denn ich möchte ja auch von diesen Kreisen als „national“ anerkannt werden (Heiterkeit) daß diese „Schweinebande“ nunmehr den Kampf fortsetzen will, denn in allen ihren Blättern rechts und links heißt es: der Kampf geht weiter und wird fortgesetzt! Soweit der stenographische Bericht. Aus dem Zusammenhang wollen Sie erkennen, daß der Herr Ministerpräsident nur die Aeuße⸗ rungen der Nationalsozialisten in ihren Versammlungen und ihrer Presse ironisiert hat.

Und noch etwas anderes hat der Herr Ministerpräsident offenbar beabsichtigt er hat mich zu dieser Erklärung nicht autorisiert, aber ich glaube, ich bin berechtigt, seine Auslassung so zu kommentieren —, nämlich den Herren der bürgerlichen Parteien, die gerade in diesen Wochen und Tagen sich anschicken, mit den Männern der rauhen Ton⸗ art sich zu politischen Kampfgenossenschaften zu verbinden, zu be⸗ scheinigen, daß sie in ihrem politischen Verhalten wenig Selbstachtung aufbringen. (Sehr richtig! bei der Soz. Dem. P.) Aber sich darüber zu entrüsten, daß der Herr Ministerpräsident mit diesem ironischen Aus⸗ druck einige Male seine Ausführungen gewürzt hat, das beweist doch, daß Sie sachliche Argumente nicht aufzubringen vermochten. Wenn Herr Steuer eben meinte, daß das der Ton der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion sei, so möchte ich Ihnen empfehlen, Hospitant der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zu werden. Dann brauchte er Knigges „Umgang mit Menschen“ nicht mehr zu lesen. (Zuruf des Abg. Steuer.) Das tun sie nicht mehr in der Fraktion.

Das war das Unwesentliche. Ich möchte mich nun einigen wichtigeren Gegenständen zuwenden, zu der Diskussion über den Volksentscheid und der Beteiligung der Polizeioffiziere. Der Herr Kollege Stendel hat gestern sehr temperamentvoll die Forderung aufgestellt, man muß nun endlich Ruhe geben. Sie erinnern sich, Herr Stendel, daß ich diese Forderung zu einer Zeit aufgestellt habe, als allen Parteien chr nachzukommen nicht allzu schwierig war. Jetzt, wo ich aus dem Lärm, den Sie mitentfacht haben, die Folgerungen ziehen muß, beschweren Sie sich darüber, daß dieser Lärm ein Echo findet. Diese Beschwerde ist meines Erachtens durchaus unberechtigt. Wenn gehobelt wird, fallen Späne, Sie haben den Hobel angesetzt und dürfen sich jetzt nicht wundern, daß darüber noch Unruhe im Lande ist. Durch Ihren Befehlston, Herr Stendel, wird die Ruhe nicht einkehren, sondern nur dann, wenn Sie mit allen Stellen, die die Ruhe wieder⸗ herstellen können, einig find.

Ich möchte mich an dieser Stelle entschieden dagegen wenden, daß man mir Wortbruch vorwirft. Wer mich kennt, weiß (Zuruf). Sie nicht, Herr Kollege Stendel; aber dieses Wort ist in der Presse und gestern auch hier in einer Abwandlung der Terminologie des Ausdrucks Wortbruch von dem Herrn Abg. Kliesch gebraucht worden. Meine Damen und Herren, von Wortbruch kann gar keine Rede sein! Ich stehe zu meinen Aeußerungen und zu meinen Versprechen. Wenn Sie mich aber auf eine Erklärung festlegen wollen, die ich hier im Plenum des Landtages am 24. März abgegeben habe, so habe ich dazu zunächst zu bemerken, daß ich davon nichts zurücknehme. Aber die Erklärung im Plenum darf doch nur im Zusammenhang mit der Erklärung gewertet werden, die ich schon vorher im Ausschuß des Landtags abgegeben habe. Ich habe hier nicht gesagt: was ich im Ausschuß erklärt habe, wird damit gegenstandslos. Nein, meine Damen und Herren, Sie dürfen meine Erklärung im Plenum nur im Zusammenhang mit meinen Aeußerungen im Ausschuß verstehen. Der Bericht über die Hauptausschußsitzung vom 11. März verzeichnet meine Aeußerungen in folgender Fassung:

Dem Beamten seiner Verwaltung, der in der Oeffentlichkeit in sachlicher Form die Auflösung des Landtages im gegenwärtigen Zeitpunkt fordere, werde er nicht ein Haar krümmen; er werde aber auf Grund eines solchen Vorgehens den Geistes⸗ zustand dieses Beamten beurteilen können. Das habe ich durch spätere Ausführungen begründet, die ich Ihnen auch zur Kenntnis bringen möchte:

Nach den eindeutigen Bestimmungen der preußischen Ver⸗ faffung müßten vor dem 19. Mai 1932 die Neuwahlen stattfinden. Die Auffassung, daß der Wahltermin etwa bis in den Juni ver⸗ schoben werben könnte, sei irrig. Wenn das feststehe, und wenn an⸗ dererseits bei peinlichster Innehaltung der Fristen des Stimm⸗ gesetzes die Auflösung des Landtags durch einen Bolksentscheid im August oder September ausgesprochen werden könne, und wenn dann die Fristen, die im Wahlgesetz vorgesehen seien, für die Neu⸗ wahl gewahrt blieben, dann ergebe sich, da, immer unter der Vor⸗ aussetzung, daß die Auflösungsaktion Erfolg habe, die Neuwahlen höchstens 4 oder 5 Monate früher als bei normalem Ablauf der Wahlperiode stattfinden würden. Ein Beamter, der diesen politischen Effekt in der heutigen Notzeit durch Kosten in Höhe von 14 Million Reichsmark und durch eine

dauernde Beunruhigung des größten Teiles des deut⸗ schen Volkes in den nächsten Monaten erreichen wolle, habe von seinen Dienstpflichten eine sehr laxe Auf⸗ fassung.

Und weiter: Er erwarte aber von den preußischen Beamten, daß sie die finanziellen, wirtschaftlichen und politischen Schädigungen, die sich aus dieser Aktion ergäben, bei ihrer Betätigung entsprechend berücksichtigten. Hierdurch solle den Beamten ein Stück Selbstverantwortung auferlegt werden.

Meine Damen und Herren, deutlicher konnte ich nicht werden,

und deutlicher konnte ich den Standpunkt der preußischen Staats⸗

regierung denn mit diesen meinen Auffassungen haben sich später auch der Herr Ministerpräsident und meine Herren Kollegen identi⸗ fiziert nicht zum Ausdruck bringen. Außerdem wollen Sie auch gefälligst berücksichtigen das sage ich nicht zur Verteidigung meiner Maßnahmen gegen einige Polizeioffiziere, sondern zu Ihrer In⸗ formation und zur Aufklärung in der Oeffentlichkeit daß in der politischen Gesamtlage ein kleiner Unterschied zwischen dem 11. und 241. März und den Juli⸗ und Augusttagen dieses Jahres bestand.

Die Aktion des Stahlhelms, die damals noch nicht ofsiziell von der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei unterstützt wurde, konnte man im Februar, März und April als eine zwar zwecklose, immerhin aber als eine Demonstration werten, die die Aktivität des Stahlhelms in der Oeffentlichkeit wieder einmal zeigen sollte. Als dann aber diese Aktion zum ersten Erfolg führte, als das Volks⸗ begehren Erfolg hatte und die Vorbereitungen zum Volksentscheid getroffen werden mußten, da haben sich im wirtschaftlichen und poli⸗ tischen Leben Deutschlands Dinge ereignet, die jedem einsichtigen Beamten, der auf vorgeschobenem Posten stand, die Verpflichtung auferlegten, nun von sich aus zu überlegen, ob seine Veteiligung am Volksentscheid noch zweckmäßig und zu verantworten sei. Am 5. und 6. Juni hatte die Reichsregierung Verordnungen erlassen, für die zwar die preußische Staatsregierung nicht die formelle Verantwortung trug. Aber, meine Damen und Herren auf der rechten Seite, das wissen Sie doch auch, daß für manches, was die Reichsregierung in dieser Zeit an unpopulären Maßnahmen getroffen hat, fälschlicher⸗ weise und in erster Linie auch die preußische Staatsregierung verant⸗ wortlich gemacht wird. Das wissen Sie, und gerade Sie ziehen aus diesen falschen Auffassungen im Lande Ihre Folgerungen, indem Sie durch kleine Anfragen und Uranträge noch den Eindruck verstärken, als ob für die Maßnahmen der Reichsregierung auch und in erster Linie die preußische Staatsregierung verantwortlich sei. Deshalb konnte auch und mußte die Notverordnung der Reichsregierung im Juni d. J. günstig für die Aktion des Stahlhelms, ungünstig für die Position der Staatsregierung wirken.

Dann kam der Bankkrach hinzu, der Run auf die Sparkassen im Juli d. J. und endlich die Beteiligung (Zuruf bei den Komm.: Der Kommunisten! jawohl, der Kommunisten. (Heiterkeit. Ich habe bei meinem politischen Kalkül, bei meinen Berechnungen über die Aus⸗ sichten des Volksentscheids nicht die optimische Auffassung gehabt wie die Herren des Stahlhelms. Die Herren des Stahlhelms das haben sie mir selbst bei einer persönlichen Vorstellung gesagt rechneten nach dem Beschluß der Kommunistischen Partei und bei Berücksichti⸗ gung der Folgen aller der harten Maßnahmen, von denen ich eben gesprochen habe, mit einem Stimmaufkommen von 15 Millionen. Die Herren des Stahlhelms haben auch alles getan, um diese Auf⸗ fassung im Lande zu verbreiten. Als der Beschluß der Kommunisten vorlag, hat man mit wahrem Feuereifer, mit verstärkten Kräften auf der Rechten die Agitation betrieben. In dieser Situation haben wir es in der preußischen Staatsregierung für unsere Pflicht gehalten, das preußische Volk auf bie Folgen eines erfolgreichen Volksentscheids aufmerksam zu machen. Die Beamten können deswegen nicht sagen, daß sie über die Stellungnahme der preußischen Staatsregierung nicht unterrichtet gewesen seien. Ob die Form unserer Kundgebung den Beifall der preußischen Wähler gefunden hat oder hier im Landtag die Mehrheit der Volksvertretung findet, darüber läßt sich streiten. Aber die preußische Staatsregierung hat es für ihre Pflicht gehalten, dem preußischen Volke in letzter Stunde noch einmal vor Augen zu führen, was die Folgen eines erfolgreichen Volksentscheids sein könn⸗ ten. Es ift deswegen nicht richtig, daß die Beamten über die übrigens keineswegs „veränderte“ Stellungnahme der preußischen Staats- regierung nicht unterrichtet gewesen seien. Die Grundauffassung der preußischen Staatsregierung hatte sich nicht geändert. Die preußische Staatsregierung hat aber zum Ausdruck gebracht, daß sie die Beamten unter den anderen wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen es sich drei⸗ und viermal überlegen müßten, bevor sie sich am Volksent⸗ scheid beteiligten.

Ich befinde mich, was die Beurteilung der Folgen eines erfolg⸗ reichen Volksentscheids anlangt, in Uebereinstimmung nun raten Sie einmal, Herr Kollege Stendel, mit wem mit Ihrem Partei⸗ führer, in Uebereinstimmung mit Herrn Dingeldey. Die „Hamburger Nachrichten“ ein in dieser Beziehung sicherlich sehr unverdächtiges Organ, haben am 26. September ein Interview veröffentlicht, das ein Redakteur der, Hamburger Nachrichten“ mit Herrn Abg. Dingeldey gehabt hat. Eine der letzten Fragen in diesem Interview, an Herrn Dingeldey gerichtet, lautete: „Rechnen Sie mit baldigen Neuwahlen?“ Herr Dingeldey antwortete darauf: „Die Politik der nationalen Opposition gefährdet sofortige Ausschreibung von Neuwahlen, die ich zudem nicht für gefahrlos halte, weil in diesem Winter ein Wahlkampf gleichbedeutend wäre mit schärfsten Gewelt⸗ taten.“ (Hört, hört! links) Meine Herren, stellen Sie sich einmal vor, daß wir in den nächsten 16 Tagen Neuwahlen zum Preußischen Landtag hätten! (Zuruf rechts: Hoffentlich) Nein, diese Hoffnung trügt. (Heiterkeit Zuruf rechts: Sie wissen warum) Ich weiß, warum diese Hoffnung trügt? Weil der Landtag verständig ist! (Abg. Steuer: Weil es Ihnen nicht paßt!) Das hängt ja nicht allein von mir ab, Herr Abg. Steuer. Ich wiederhole: die Hoffnung trügt, weil der Landtag verständig ist!

Was für das Reich gilt nach der Auffaffung des Herrn Abg. Dingel⸗ dey, das gilt auch für den größten deutschen Einzelstaat, der mehr als , der Fläche und mehr als * der Einwohner des Deutschen Reiches zählt. Wir haben gestern einen Vorgeschmack davon bekommen, was die Kommunistische Partei in diesen Zeiten der höchsten wirtschaftlichen Not in den Großstädten beabsichtigt. Wir haben in den letzten Wochen Pläne entdeckt (lebhafte Rufe bei den Komm.: Hu! Abg. Kasper: Jüterbog ist auch solch ein Schwindel) Haben Sie von mir etwas über Jüterbog gehört? (Abg. Kasper: Sie haben gesagt,

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 244 vom 19. Ottober 1931.

Kommunisten hätten das Attentat begangen) Habe ich das be⸗ hauptet? (Abg. Kasper: Die von Ihnen und Ihrer Polizei inspirierte Presse!) Herr Abgeordneter Kasper, das notorische Sündenregister der Kommunistischen Partei ist so lang und jede einzelne Position wirkt so schwer, daß es ein müßiges Beginnen wäre, zu diesem Sünden⸗ register noch Sünden zu erfinden. (Lebhafte Rufe bei den Komm.: Heraus mit den Plänen! Heraus mit allem, was Sie im Liebknechthaus beschlagnahmt haben! Was wir von den Plänen der Kommunisten lennen, will ich hier nicht weiter vertiefen. (Abg. Kasper: Na also! Das ist auch solch ein Schwindel!) Herr Kasper, Sie dürfen von mir denken, was Sie wollen; aber es würde mir weh tun, wenn Sie mich für einen dummen Kerl hielten. (Abg. Paul Hoffmann: Wir kennen Sie als einen rücksichtslosen Menschen) Bravo! (Große Heiterkeit bei der Soz⸗Dem. P.) Nein, Sie können unmöglich von mir ver⸗ langen, daß ich das hier von der Tribüne des Landtags bekanntgebe, was ich von diesen Plänen kenne, die, wenn sie bis zu Ende verfolgt werden und sie werden bis zu Ende verfolgt werden —, zu einer Unschädlichmachung derjenigen führen sollen, die diese Pläne auszu⸗ führen beabsichtigen. Ich will darum heute noch gar nicht von diesen Plänen sprechen, aber davon, daß beabsichtigt war, die neuen Unruhen in den Bergbaubetrieben sowohl im Ruhrrevier als auch in Ober⸗ schlesien zu einer politischen Aktion umzubringen. Was zudem in den ersten Ottobertagen an der Wasserkante bekannt wurde, ließ erkennen, daß die Kommunisten in diesen Wochen auf der ganzen Linie zu einem großen Schlage ausholen wollten. Wenn ihnen das im Ruhrrevier, wenn ihnen das in Oberschlesien, in Kiel, in Altona und in Hamburg nicht gelungen ist, dann lag das nicht an ihrem guten oder bösen Villen, sondern daran, daß die Gewerkschaften mit ihrer Disziplin und die Polizei in Wachsamkeit auf dem Posten waren. (Zurufe bei den Komm.: Verräter!) Aber es liegt nicht allein in der Absicht der Kom⸗ munisten, mit Hilfe erbitterter Lohnarbeiter und Angestellten politische Aktionen in Deutschland zu entfesseln, sondern der Guerillakrieg des Bürgerkrieges wird heute doch schon an jedem Tage praktiziert. Terrorgruppen sind in der Kommunistischen Partei festgestellt. (Leb⸗ hafte Zurufe bei den Komm.) Was sich gestern in Neukölln ereignet hat, ist nichts anderes als eine neue Probe der Terrorakte der Kommu⸗ nistischen Partei. (Zuruf bei den Komm.: Hitler sagt dasselbe !) Wenn er damit Recht hat!

Und nnn stellen Sie sich einmal vor, daß in dieser Zeit Wahlen stattsinden, bei denen auf der ganzen Linie mit äußerster Erbitterung gekämpft werden wird, Wahlen, bei denen in den Versammlungen nicht etwa die besten Methoden der staatlichen Verfassung oder des politischen Kampfes erörtert werden, sondern bei denen der Revolver, die Zaun⸗ latte, Gasrohre und Dynamit die größte Rolle spielen werden! Glauben Sie, Herr Abgeordneter Stendel, daß in einer solchen Zeit Wahlen für Preußen und für das Reich von Nutzen sein würden?

Damit komme ich auf meine Stellungnahme gegenüber den Polizeioffizieren. Die Polizeioffiziere und Polizeimannschaften hätten die Zeche eines solchen frivol heraufbeschworenen Wahlkampfes zahlen müssen, Leben, Gesundheit und Nervenkraft der Polizeibeamten aller Grade sind mir aber viel zu wertvoll, als daß ich leichtfertig Aktion mit derartigen Gefahren aufkommen lassen dürfte. Und wer von den Polizeioffizieren, die noch dazu an Polizeischulen tätig sind die Polizeioffiziere, die an Polizeischulen tätig sind, sind am meisten von der Versetzung betroffen —, das nicht erkannt hat, ist ungeeignet, auf die Jugend, auf den Nachwuchs unserer Polizeibeamten im päd⸗ agogischen Sinne einzuwirken. Meine Damen und Herren, so lange ich auf diesem Posten stehe, wird von dieser Auffassung um keinen Milli⸗ meter abgewichen werden! (Bravo! bei der Soz.⸗Dem. P. Abg. Steuer: Quousque tandem?) Ja, gewiß, aber diese Frage haben Sie ja jetzt schon über 12 Jahre gestellt. (Abg. Steuer: Dann wollen Sie also gar nicht wählen? Nachher ist es aber genau so gefährlich wie jetzt)

Was Sie Herrn Ministerialdirektor Klausener in den Mund legen, hat er gar nicht gesagt. Es ist ein übles Zeichen für den Geist der Kameradschaft, daß über eine festliche Veranstaltung, die Herr Ministe⸗ rialdirettor Klausener benützt hat, um die Stellungnahme des Ministe⸗ riums zu diesen Dingen klarzulegen, eine falsche, verzerrte Bericht⸗ erstattung in die Presse kommt, und daß die politischen Parteien aus dieser verzerrten Berichterstattung neues Material ziehen, um das sage ich Ihnen besonders, Herr Abg. Stendel die Unruhe zwischen Ministerium und Polizeioffizieren noch zu vermehren. (Abg. Stendel: Dadurch haben wir sie vermehrt? Das ist sehr gut h Ich erkläre Ihnen: das, was Sie durch Ihre Bemerkungen hier gestern von der Tribüne des Landtages dem Ministerialdirektor Klausener in den Mund gelegt haben, ist unwahr. (Hört, hört! bei der Soz⸗ Dem. P. Abg. Stendel: Dafür sind Zeugen genug da; riskieren Sie die Untersuchung, Herr Minister ) Herr Abg. Stendel, Sie verschieben das Gefechtsfeld; ich habe nichts zu riskieren! Zu ris— lieren haben nur diejenigen etwas, die sich dieser unwahren Bericht⸗ erstattung schuldig gemacht haben. Ich lasse keinen Zweifel darüber: bei einer solchen Untersuchung hätten nur die Männer etwas zu ris⸗ kieren, die der falschen Berichterstattung begründet bezichtigt und über⸗ führt werden. (Abg. Stendel: Ja, die der falschen Berichterstattung überführt werden! Aber sie werden auch dann bestraft, wenn es wahr ist, und das ist das Schlimme!) Damit kann ich die Ausführungen bes Herrn Abg. Stendel verlassen.

Dem Herrn Abg. Leinert bin ich für seine Mitteilung sehr dankbar, daß eine von mir erteilte Auskunft, die die Polizeiverwaltung Hameln meinem Ministerium erstattet hat, den Tatsachen nicht entspricht. Ich werde sie benützen, um eine Aufklärung über die Dinge herbeizuführen. Sollten sich die Behauptungen des Herrn Abg. Leinert bewahrheiten, so wird selbstverständlich Remedur eintreten.

Nun zu den Ausführungen des Herrn Abg. Borck! Der Herr Abg. Borck hat nach den mir erteilten Informationen seine Rede un⸗ gefähr damit begonnen, daß er sagte, nicht die Abgeordneten, sowern der Minister hätte die Pflicht, Vorschläge zu machen, wie dem Hungern gesteuert werden könne. Das sollte wahrscheinlich eine Antwort auf meine Bemerkung sein, daß bei der Besprechung der verfassungsrechtlichen Dinge, die wir in den letzten Tagen gehabt haben, die Herren von der Deutschnationalen Volkspartei zu diesem wichtigeren, aktuelleren Problem keine Vorschläge gemacht haben. Das Verhältnis der Landtagsparteien und des Landtags zu der Re- gierung ist nach den Bestimmungen der Verfassung ganz anders, als Sie anzunehmen scheinen. Gewiß ist der Landtag auch Kontroll⸗ und Aufsichtsorgan, aber der Landtag ist auch berechtigt, Initiativ= anträge mit Gesetzeskraft hier im Hause zu beschließen. Deswegen

erwächst nicht nur den Ministern gleiche Rechte bedingen gleiche

Pflichten in diesen Notzeiten die Verpflichtung, fich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man den Hunger stillen kann, sondern die gleiche Pflicht haben auch die Abgeordneten, die in diesen Notzeiten ihre Pflicht als Volksvertreter erfüllen wollen. Wenn Sie aber schon die ser Meinung sind, Herr Abg. Borck, dann verstehe ich nicht, warum Sie in anderen Dingen so eminente Rechte des Landtags in Anspruch nehmen. Sie dürften sich dann wirklich nicht so sehr in die Exekutive einmischen, wie Sie das gestern in Ihren weiteren Ausführungen getan haben. Ich nehme Ihnen das aber gar nicht übel; denn ich gestehe dem Landtag und jedem einzelnen Abgeordneten durchaus zu daß er ein Kontrollrecht hinsichtlich der Maßnahmen der Staatsregierung hat.

Nun hat Herr Abg. Borck gemeint, ich hätte hier erklärt, die Polizei stände hinter mir und hinter der Regierung. Das habe ich nie getan. Ich rufe den ganzen Landtag als Zeugen dafür auf, daß eine solche Behauptung ganz irrig wäre. Ich habe auch nicht gesagt, daß die Polizei etwa hinter der Regierung, d. h. hinter den Personen der Regierung, stände. Wenn ich davon gesprochen habe, daß die Polizei ein verläßliches Instrument in der Hand des zuständigen Ministers sei, dann habe ich mich nicht als Person gemeint, sondern als Organ der Staatsregierung und damit auch als Organ des Staates. Ich leugne aber gar nicht, daß ich wünschte, ich hätte ein gutes persönliches

Verhältnis zu allen Mitgliedern der Polizei, zu den Offizieren und bestimmungen so zu erweitern, daß sie dem einzelnen Polizeibeamten diesen Anreiz geben. Sie dürfen aber überzeugt sein, meine Damen der Polizei zu mir dann sein müßte wie das Verhältnis einer Prä! und Herren, daß die Polizei trotz aller Kritik, trotz aller Erörterungen torianergarde zum Konsul oder, wie Sie einmal geschrieben haben, zu „Seiner Majestät dem Minister“. Das Verhältnis muß vielmehr

zu den Mannschasten, und ich bestrebe mich, dieses gute Verhältnis herzustellen. Dabei bin ich nicht der Meinung, daß dieses Verhältnis

sein wie das eines guten Kameraden an der Spitze zu guten Kameraden in der Provinz. So fasse ich mein Amt in der Tat auf.

Wenn Sie der Auffassung Ausdruck gegeben haben, Herr Abg. Borck, daß sich die aus der Reichswehr Ausscheidenden besser stünden als die Ausscheidenden bei der Polizei, oder daß sonst für die An⸗ gehörigen der Reichswehr besser als für die Angehörigen der Polizei gesorgt würde, dann sind Sie auf dem Holzwege. Ich lasse mich das wiederhole ich hier an Fürsorge für alle Sparten der Polizei von niemandem übertreffen. Wenn es im vergangenen Jahre dahin kam, daß wir die Exekutivbeamten der Polizei in Ansehung der schweren Aufgaben, die sie zu erfüllen haben, für die Gehaltsabzüge in einigem entschädigt haben, dann hat die Initiative zu diesem Vorgehen, dem sich erst später die Reichswehr für ihre Angehörigen angeschlossen hat, das preußische Innenministerium ergriffen. Das vor dem Lande und vor dem Polizeikorps, den Offizieren wie den Mannschaften, in diesem Augenblick festzustellen, halte ich für meine Pflicht.

Ich kann die feinen verfaffungsrechtlichen Unterschiede, die Sie konstruieren, Herr Abg. Borck, darum wirklich nicht gelten lassen. Sie sagten, die Polizei habe nicht die Pflicht, die Regierung zu schützen, sondern die Verfassung zu schützen. Die verfassungsmäßige Regierung ist ein Stück der Verfassung, und deshalb muß auch eine verfassungs⸗ mäßige Regierung von der Polizei genau so geschützt werden wie die Verfassung selbst. Ich möchte den Mann in der Polizei nicht kennen⸗ lernen, der sich die staatsrechtliche Auffassung des Herrn Abg. Borck zu eigen machte. (Abg. Borck: Das habe ich nicht gesagt, Sie haben ja meine Rede nicht gehört! Ich bedauere dann, falsch informiert zu sein. (Abg. Borck: Ich habe gerade das Gegenteil gesagt, nämlich: so lange die Regierung verfassungsmäßig da ist, ist diese verfassungs⸗ mäßige Regierung selbstverständlich zu schützen, aber nur dann! Wenn sich aber die Regierung über die Verfassung hinwegsetzt, so hat sie nicht von der Polizei Treue zu verlangen) Damit die wichtige Er⸗ klärung, die Sie in diesem Zwischenruf machen, auch ins Protokoll kommt, will ich sie wiederholen. Sie sagen: Es ist die selbstverständliche Aufgabe der Polizei, jede Regierung zu schützen, die auf verfassungs⸗ mäßigem Boden steht und mit verfassungsmäßigen Mitteln regiert, (Abg. Borck: Richtig h in jeder Situation und zu jeder Zeit, nicht wahr? (Abg. Borck: Jawohl! Große Heiterkeit links.) Ich danke Ihnen. (Abg. Steuer: In dem Augenblick, wo sie verfassungswidrig handelt, das Gegenteil! Erneute große Heiterkeit links.)

Nun ein paar kurze Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Abg. Borck, die eine angebliche Bespitzelung von Polizeiorganen be⸗ treffen. Herr Borck, die Einzelfälle, die Sie gestern hier ange führt haben, geben mir Veranlassung, den Dingen sorgfältig nachzugehen. Wenn so etwas wirklich vorgekommen sein sollte, so erkläre ich hier im voraus, daß ich eine solche Bespitzelung aufs schärfste mißbillige, daß also von einem solchen „System“ nicht gesprochen werden kann. Sie dürfen davon überzeugt sein, daß die Schuldigen zur Rechenschaft ge⸗ zogen werden sollen. Wenn jemand von den Polizeioffizieren oder von den Mannschaften in dem Verdacht steht, daß er entweder gegen Be⸗ stimmungen des Strafgesetzbuchs verstößt oder daß er einer der Organi⸗ sationen angehört, die die Staatsregierung nach ihren Beschlüssen nicht dulden kann, so ist eine ehrliche, offene Befragung eines solchen Mannes in der Polizei das bessere Mittel. Denn wie soll schließlich ein Polizeibeamter seine Funktionen erfüllen, wenn er sich von seinen Kameraden bespitzelt fühlt? Ein solches Gefühl will ich auf keinen Fall aufkommen lassen.

Nun noch ein sehr wichtiger Punkt! Der Herr Abg. Borck hat gemeint, daß die Bestimmungen über den Waffengebrauch nicht aus⸗ reichten Dazu möchte ich folgendes sagen: Meine Herren, die Waffen gebrauchsbestimmung in diesem Augenblick zu ändern, würde meines Erachtens dem Ansehen der Polizei äußerst abträglich sein und würde uns nicht mit Unrecht unterstellen, wir fühlten uns nicht mehr sicher; man würde uns sagen, wir seien nervös. Ich glaube, eine solche Auf⸗ fassung von der Polizei zu verbreiten, ist das Schlimmste, was man ihr antun kann. Aber selbstverständlich müßten alle diese Bedenken zurücktreten und es müßten wirklich andere Bestimntungen über den Waffengebrauch herbeigeführt werden, wenn eine solche Aenderung notwendig wäre. Sie ist aber nicht notwendig. Ich habe einige Monate nach meinem Amtsantritt noch einmal diese Bestimmungen überprüft, und im Juni oder Juli d. J. find sie abgeändert worden. Jetzt weiß jeder Polizeibeamte, der den Unterricht in den Polizei- schulen mit Erfolg genossen hat, in welchen Situationen er von der scharfen Waffe Gebrauch machen darf. (Zuruf b. d. Komm.: Wenn Arbeiter demonstrieren) Meine Herren, das ist das Törichtste, was Sie sagen können. Wenn Sie die Polizei nicht nur durch Ihre Ankündigungen täglich bedrohen, sondern wenn Sie die Polizei auch durch Ihre Aufmärsche zum Eingreifen provozieren, und wenn Sie der Polizei mit Revolvern und anderen Kampfmitteln entgegen⸗ treten, dann können Sie es der Polizei nicht verdenken, daß auch sie von den allerschärfsten Mitteln, die ihr zu Gebote stehen, Gebrauch macht. (Sehr richtig! Sehr gut! b. d. Soz⸗Dem. P.) Es wäre nicht

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nur mit Ruhe, Ordnung und Sicherheit, sondern auch mit dem Staate selbst vorbei, wenn die Polizei in solchen Situationen anders handelte = (Sehr wahr! b. d. Soz⸗Dem. P. Unruhe b. d. Komm.) Ich glaube aber, daß es augenblicklich nicht notwendig ist, daß es überhaupt nicht mehr notwendig sein wird, die Bestimmungen über den Waffen⸗ gebrauch zu ändern. Würden wir diese Bestimmungen so fassen, daß wir den Polizeibeamten sozusagen einen Anreiz gäben, auch bei gering fügigen Anlässen mit der Waffe einzuschreiten, dann hätte ich zu be⸗ sorgen, daß sehr viel mehr als heute von dieser Stelle aus über miß⸗ bräuchliche Anwendung der scharfen Waffe durch die Polizei Klage geführt würde. Im Augenblick und in den nächsten Monaten und, wie ich fürchte, in den nächsten Jahren, liegen die Dinge doch so. Die Polizei hat die Anweisung bekommen, alle ihre Funktionen von der Auffassung aus auszuüben, daß sie Helfer und Freund des Volkes sein soll; die Polizei kann die schwere Aufgabe, die sie in den nächsten Monaten zu erfüllen hat, aber nur dann durchführen, wenn das Publikum zugleich Freund und Helfer der Polizei ist. (Sehr richtig! b. d. Soz⸗Dem. P.) Die Polizei, die sich durch einen unzweck⸗ mäßigen Wafsengebrauch um die Sympathie bei weiten Kreisen der Bevölkerung bringen würde, könnte auf den Bundesgenossen Volk, gut meinendes Volk, staatsbejahendes Volk nicht mehr rechnen. Ich kann deshalb meine Hand nicht dazu bieten, die Waffengebrauchs⸗

und Kämpfe um die Polizei und in der Polizei auch dann ihre Pflicht tun wird, wenn sich die Verhältnisse noch schlimmer gestalten sollten, daß sie sich auch den Zuständen gegenüber gewachsen zeigen wird, die durch die Verschärfung der wirtschaftlichen und politischen Lage für die nächsten Monate befürchtet werden müssen. (Bravo! bei den Regierungsparteien.)

Parlamentarische Nachrichten.

Der Strafrechtsausschuß des Reichstags trat am 17. d. M. unter dem Vorsitz des Abg. D. Dr. Kahl (D. Vp.) und in Anwesenheit des Reichsjustizministers Dr. Josl zu einer Sitzung zusammen, um über die Fortführung seiner Arbeiten zu beraten. Die Vertreter der sogenannten nationalen Opposition waren zu der Sitzung nicht erschienen. Von seiten des Vorsitzenden und des Reichsjustizministers wurde empfohlen, die Beratungen bereits im November wieder aufzunehmen. Der Ausschuß be⸗ schloß nach eingehender Aussprache, mit Rücksicht auf die politische Lage nicht schon unmittelbar im November zu beginnen, sondern erst am 12. Jannar 1932, und seine Arbeiten alsdann mit mög⸗ lichster Beschleunigung und allem Nachdruck zu Ende zu führen. Einmütig wurde festgestellt, daß das Fernbleiben der Oppositions⸗ parteien der Rechten an der pflichtmäßigen Erledigung der dem Ausschuß übertragenen Aufgabe nichts zu ändern vermöge. Der Strafrechtsausschuß wird nach seinem Wiederzusammentritt in der Einzelberatung des großen Strafrechtsentwurfs fortfahren, und zwar beim 16. Abschnitt: Gemeingefährliche Handlungen, Störungen des öffentlichen Verkehrs §§ 230 ff.

Der Reichstagsausschuß für das Wohnungswesen wird seine Arbeiten am 19. November wieder aufnehmen. Auf der Tagesordnung stehen zunächst die Initiativanträge der Sozial⸗ demokraten und des Christlich⸗sozialen Volksdienstes für den Entwurf eines Wohnheimstättengesetzes, ferner sonstige dem Aus⸗ schuß zur Borberatung überwiesene Anträge. l

Ueber die Einberufung der übrigen Reichstagsausschüsse, ins⸗ besondere des Haushaltsausschusses, dem die zahlreichen Aende⸗ rungsanträge zu den Notverordnungen überwiesen worden sind, ist eine Entscheidung bisher noch nicht getroffen.

Handel und Gewerbe. Berlin, den 19. Oktober 1931.

Die Elektrolytkupternotierung der Vereinigung für deutsche Elektrolytkupfernotiz stellte sich laut Berliner Meldun s des W. T. B. am 19. Oktober auf 7000 4 (am 17. Oktober auf 7000 A) für 100 Eg.

Telegravhische Auszahlung.

19. Oktober 17. Oktober Geld Brief Geld Brie

O 983 0987 0,968 0.972 3,746 3,754 3,1 3,724

2.076 2080 2076 2.180 1673 1677 1666 16,70 1633 1637 1626 1630

4209 47217 4209 4217

0.237 O0, 2099 O.261 0, 263

1,299 1,301 1,3œ2F9 1,331

179,78 171,12 170,783 171,12 b, 195 5,205 b. 195 5.205

5909 59,21 2,557 2063 Budayest lo0 Peng 73.28 73, a2 Danzig... l00 Gulden 82.57 82.73 100 finnl. A6 ; 8. 49 8.51 100 Lire 21.78 21,82 100 Dinar 7.473 7.487 100 Litas 42, ls 42,24 100 Kr. 92.76 92,97

1484 14586 92.51 92.69 16,65 16,69 12.47 1249

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113,14 113,36 5719 57,31

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London.... New Jork .. Rio de Janeiro 1 Goldpeso

l00 Gulden Athen ..... 100 Drachm. Brüssel u. Ant⸗ 100 Belga

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Stockholm und Gothen urg. Talinn (Reval,

Estland). .. Wien loo Schilling Warschau ... 100 391.

Kattowitz ... 100 91. Posen .... . 10031.

13, 14 113,36 o 7.94 58 06

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