1932 / 121 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 May 1932 18:00:01 GMT) scan diff

Reichs. und Staatsanzeiger Rr. 121 vom 29. Mai 1932. 2. 2

Im Reichs haus. Aunfag 3 2 . Aufgekommen sind hallsplan ist die Lfd * 5 Einnahme für das Bezeichnung der Einnahmen . im Monat Rechnungsjahr . im Mona 92 ü 9 Nr R . ö * April 1931 1932 pri 3 ö. ö April 1932 Millionen veranschlagt auf) RM RM RM ö = 2 3 4 5 EB. Zölle und VBerbrauchstenern. 18 J K a 140 647 383. 84 127,7 19 Tabalsteuer , 4 Tabaksteuer seinschl Aufschlag) i 1 9 16 265 03 54 36,3 b) Materialsteuer (einschl. Tabakausgleichsteuer)-̃ . 13 220 377 83 10 c) Tabakersatzstoffabgabe. ... K = . 857 zusammen lde. Nr. 19.35. 549 014,09 16,3 20 Zuckersteuer , . . 16157 605, ! 9, 21 Biersteuer JJ 1 24 4 104 28,6 22 Aus dem Spiritusmonopol 1 * 9 11028 912.67 17,4 23 Gssigsauresteue ; ö ö ö . 148 dog. 0, 3 282188 « ' 24 Schaumweinsteuer . Jill 3 4 363 163.0 95 25 Zündwarensteuer .. h 71 296.14 99 26 Aus dem Zündwarenmonopol J 1 1063 978,15 0,3 . 7 Leuchtmittelste ler d , ü 637 3959 04 2.8 =* 98632 513 ] 28 Spielkartensteuer JJ . 92 255 149 13 0,3 29 Statistische Abgabe kJ . 4182 3541, 06) 02 30 Süßstoffsteuer , , h ö 14 26. 40 D 31 599 k . 48 920. 36 09 32 Branntweinersatzsteuer.-.. 2 2 4619. * 33 Ausgleichsteuer auf Mineralöle (Mineralölsteuer) ! . 970 839 08 067 Summe B. .. 255 798 6800 59 233,9 Im ganzen .. .] 565 787 751,68 813,7

Im Monat April 1932 betrugen die Einnahmen des Reichs aus den Besitz⸗ und Verkehrssteuern rund 300 Millionen Reichsmark, aus den Zöllen und Verbrauchsabgaben 255,8 Mil lionen Reichsmark, im ganzen 555,8 Millionen Reichsmark. In den Monat April fielen Zahlungstermine für die vierteljähr lichen Vorauszahlungen auf die Umsatzsteuer der Betriebe mit einem steuerpflichtigen Jahresumsatz von nicht mehr als 20 000 Reichsmark, für die Krisensteuer der Veranlagten und für die vierteljährlichen Zollagerabrechnungen. Der ursprünglich in den April fallende Termin für die Vorauszahlungen auf die Ein kommen- und Körperschaftsteuer war auf den 10. März 1932 vorverlegt worden.

Berlin, den 14. Mai 1982.

Gegenüber dem entsprechenden Monat des een dem April 1931, sind im April 1932 an Besitz⸗ und Verkehrssteuern 279,8 Millionen Reichsmark weniger, an Zöllen und Verbrauchs⸗ abgaben dagegen 21,9 Millionen Reichsmark mehr, im ganzen also 257, Millionen Reichsmark weniger aufgekommen. Die Einnahmen in den beiden Monaten sind jedoch nicht ohne wei⸗ teres vergleichbar; denn im April 1931 waren im Gegensatz zum April 1952 Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer sowie allgemein auch auf die Umsatzsteuer zu entrichten. Andererseits sind seit April 1931 namhafte Er⸗ höhungen von Abgaben eingetreten und neue Abgaben eingeführt worden.

Reichsfinanzministerium.

Der Reichsrat stimmte in seiner gestrigen Voll⸗ sitzung, dem Nachrichtenbüro des Vereins Deutscher Zeitungs⸗ verleger zufolge, einer Neufassung der Ausführungs⸗ verordnung zum Kriegspersonenschäden⸗ gesetz zu, die notwendig geworden ist, weil seit dem Inkraft⸗ treten der bisherigen Verordnung, nämlich seit 1922, eine Reihe von Gesetzesänderungen, Aenderungen in der Aus⸗ legung des Gesetzes und wichtige gerichtliche Entscheidungen ergangen sind.

Ferner beriet der Reichsrat das kürzlich vom Reichstag angenommene Gesetz über die Rechtstellung der weib⸗ lichen Beamten. Das Gesetz gibt im Falle der Ver⸗ heiratung jedem weiblichen Beamten, aber auch der Dienst⸗ behörde das Recht zu unbefristeter Kündigung des Dienst⸗ verhältnisses. Für die Behörde ist das Kündigungsrecht an die Voraussetzung geknüpft, daß die Versorgung des aus⸗ scheidenden weiblichen Beamten gesichert ist. Die Ausschei⸗ denden erhalten eine Abfindung, deren Höhe sich nach der Dienstzeit richtet. Bei der Beratung des Gesetzes in den Reichsratsausschüssen waren von verschiedenen Seiten schwere Bedenken gegen einzelne Vorschriften, insbesondere gegen die Höhe der Abfindungssummen und dagegen erhoben worden, daß auch bei freiwilligem Ausscheiden sogar an nur kündbar angestellte Beamtinnen Abfindungen gewährt werden sollen. Es wurde betont, daß die beträchtlichen Aufwendungen, die das Gesetz dem Reich verursache, bei der gegenwärtigen Not⸗ lage des Reichs besonders drückend empfunden werden müßten. Trotzdem wurde Einspruch nicht erhoben. Auch der Reichs⸗ rat selbst nahm in seiner Vollsitzung die Annahme des Ge⸗ setzes durch den Reichstag zur Kenntnis, ohne Einspruch ein⸗ zulegen. Das Gesetz kann also nunmehr in Kraft treten.

Schließlich genehmigte der Reichsrat noch Satz ungs⸗ änderungen der Thüringischen Landes-Hypothekenbank A.-G. in Weimar, der Sächsischen Bodenereditanstalt in Dresden, der Süddeutschen Bodencreditbank in München, der Bayerischen Vereinsbank in München, der Vereinsbank in Nürnberg, der Württembergischen Hypothekenbank A.⸗G. in Stuttgart und des Württembergischen Kreditvereins A.-G. in Stuttgart.

Preußischer Landtag. 2. Sitzung, 25. Mai 1932. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Die heutige zweite Plenarsitzung des Vierten Preu⸗ ßischen Landtags bringt die ersten entscheidenden Abstim⸗ mungen über die parlamentarische Weiterarbeit in Preußen. Das Interesse der Oeffentlichkeit ist unverändert stark, wo⸗ möglich noch gestiegen. Die Publikumstribünen sind dicht ge⸗ drängt besetzt, desgleichen Diplomaten⸗ und Abgeordnetenloge, während höhere Ministerialbeamte auf den Bänken der Regie⸗ rung Platz genommen haben. Die Staatsminister haben ihre Abgeordnetenplätze inne.

Alterspräsident Litzmann eröffnet die Sitzung. Ich habe aus de: Presse erfahren, so führt der Präsident aus, daß schwere Angriffe von der Linken des Hauses gegen mich gestern gerichtet wurden. (Lachen bei den Kommunisten. Unruhe bei den Natio⸗ nalsoziglisten) Ich habe diese Angriffe nicht verstanden. Soweit aber die Beleidigungen mich persönlich angehen, ist es meine Sache, wie ich damit verfahren will. Ich kann mich auf den Standpunkt stellen, daß ich von dieser oder jener Seite überhaupt nicht belsidigt werden kann. (Stürmisches Händeklatschen bei den Nationalsozialisten. Die Kommunisten rufen im Chor: Nieder mit dem Präsidenten! Soweit die Beleidigung aber weitere Kreise erfaßte, habe ich nicht das Recht, zu schweigen. Wenn g. B. gerufen wird: „Nieder mit den kaiserkichen Generalen!“, so wird dadurch auch der Generalfeldmarschall von Hindenburg be⸗ leidigt, (Lachen bei den Kommunisten und Rufe: Dem Sie das Gefühl für nationales Interesse absprechen Wenn ich wüßte, wer den. Ausdruck gebraucht hat „Nieder die kaiserlichen Generale“ (Rufe bei den Kommunisten: Die ganze Fraktion! Das spricht nicht für Ihre Fraktion! (Lachen) Der Präsident teilt

dann mit, daß für die heutige Sitzung der Abg. Haake (Nat. Soz) und die Zentrumsabgeordnete Giese als Beisitzer sungieren.

Vor Eintritt in die Tagesordnung verlangt Abg. Schmelzer (Zentr.) debattelose Ausschußüberweisung eines Antrags seiner Fraktion, der Hilfsmaßnahmen für die Mechernicher Werke forder. Die Ent⸗ scheidung über die Ausschußüberweisung wird zurückgestellt.

Abg. Hausladen (Komm.) wünscht, daß ein Antrag seiner Fraktion dem Hauptausschuß überwiesen werde, der materielle Unterstützung für die Opfer der Zechenkatastrophe von Dorstfeld verlangt und straf⸗ rechtliche Verfolgung der verantwortlichen Betriebsführer wünscht.

Abg. Kasper (Komm.) bringt einen Antikriegs⸗ antrag der Kommunisten ein, bei dessen Verlesung er wiederholt von den Nationalsozialisten durch Zurufe unter⸗ brochen wird, während die Kommunisten fortgesetzt Beifall klatschen. Der Antrag will das Staatsministerium ersuchen, beim Reich zu erwirken, daß die deutsche Delegation auf der Genfer Abrüstungskonferenz den Abrüstungsvorschlägen der

Sowjetdelegation zustimme, daß Deutschland den Austritt aus dem Völkerbund vollziehe und daß sofort alle Demon⸗ strations⸗ und Versammlungsverbote aufgehoben werden.

Auf Antrag Jürgensen (Soz.) wird dieser Antrag mit auf die Tagesordnung der Sitzung für nächsten Mittwoch gestellt.

Nunmehr ruft der Alterspräsident Litzmann als ersten Punkt der gedruckten Tagesordnung die Wahl des Landtagspräsidiums auf.

Zur Geschäftsordnung führt Abg. Lohse (Nat. Soz.) aus: Wir Nationalsozialisten sind bereit, uns den bisherigen parlamen⸗ tarischen Gepflogenheiten anzuschließen. (Stürmisches Hört, hört! bei den Kommunisten.) Das heißt, wir stellen als größte Fraktion den Antrag, unseren Abg. Kerrl zum Präsidenten des Hauses zu wählen. Von dem Verhalten der übrigen Fraktionen bei der Wahl des Präsidenten werden wir unser Verhalten bei der Wahl des Vizepräsidenten abhängig machen. (Rufe bei den Kommu— nisten: Kuhhandel! Jüdischer Schacher! Lachen.) Ich be⸗— antrage, den Abg. Kexri durch Zuruf zu wählen.

Abg. Koenen (Komm.): Durch die soeben gehörte Er⸗ klärung der Nationalsozialisten ist der grundsätzliche Unterschied zwischen den Kommunisten und den übrigen Parteien des Land— tags einschließlich der Nationalsozialisten scharf und präzise dar— gestellt worden. Die Nationalsozialisten brechen mit ihrer bis⸗ herigen Praxis. (Sehr wahr! bei den Kommunisten) Sie haben bisher nicht anerkannt das Recht der größten Fraktionen und die parlamentarischen Gepflogenheiten und auch nicht die hier im Hause geltende Geschäftsordnung, sondern Wert darauf gelegt, sich in Gegensatz zu stellen gegen das bisherige System. Jetzt sind sie Teilhaber des Systems geworden. (Sehr wahr! bei den Kommu⸗ nisten Ohne diesen Schacher könnten die Nationalsozialisten den Präsidentenposten nicht besetzen. Im Aeltestenrat habe sich bereits die erste Verständigung zwischen Zentrum und Nationalsozialisten vollzogen. (Hört, hört! bei den Kommunisten) Die Kommunisten würden in allen Wahlgängen nur ihren Parteigenossen Kasper wählen. (Rufe rechts: Kasperle⸗Theater) Sie würden auch zu verhindern wissen, daß der Regierungsschacher zwischen Zentrum und Nationalsozialisten zu einem Erfolge führe. Sie würden darauf im außerparlamentarischen Klassenkampf durch Streiks und Erwerbslosenaktionen antworten. (Beifall bei den Kommu— nisten.)

Abg. Heilmann (Soz.) wiederholt seine Erklärungen im Aeltestenrat. Abg. Lohse habe gesagt, die Nationalsozialisten wollten sich den parlamentarischen Gepflogenheiten anschließen. Wir stellen fest, so erklärt der Redner, daß die Nationalsozialiften im letzten Landtag gegen den Anspruch der stärksten Fraktion auf den Präsidentenposten gestimmt und ihre Stimme weder Bartels noch Wittmaack gegeben haben. Ebenso haben sie im Reichstag nicht für den Präsidenten Löbe gestimmt, sondern ihm entgegen— gestellt den Kandidaten der fünftstärksten Fraktion, den volks⸗ parteilichen Abg. Dr. Scholz. Wenn eine Fraktion früher den Anspruch der stärksten Fraktion nicht anerkannt hat, dann hat sie jetzt kein Recht, sich darauf zu berufen. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten. Wir sind auch nicht sicher, daß, wenn wir

für Kerrl stimmten, die Gegenseitigkeit gesichert wäre. (Aha-Rufe

bei den Kommunisten) Die Erklärung des Abg. Lohse war in dieser Beziehung gewollt unklar. Aber selbst wenn in diesem Punkte keine Zweifel bestünden, wären wir nicht in der Lage, einen Kandidaten der Nationalsozialisten zu wählen. Die Natio. nalsozialisten find eine antiparlamentarische Partei. (Rufe bei den Kommunisten: gewesen) Nach ihrem Programm wollen sie das Parlament nicht erhalten und schützen, sondern herabwürdigen und zerstören. Wir glauben deshalb nicht, daß ein National⸗ sozialist ein geeigneter Führer der preußischen Volksvertretung sein kann. Es kommt hinzu, daß der Posten des Landtagsprasi⸗ denten zugleich ein politischer Posten ist, da er einen Teil der Be⸗ fugnisse des Staatspräsidenten besitzt, den Preußen nicht hat. Auch aus diesem Grunde sind wir nicht in der Lage, den National⸗ sozialisten eine politische Machtstellung in der Republik auszu⸗ liefern. (Alterspräsident Litzmann weist den Redner darauf

daß seine Redezeit abgelaufen sei. Abg. Heilmann er-

ert, daß er dann gezwungen wäre, sich noch einmal zu melden.

Der Präsident bittet ihn, sich kurz zu fassen) Die natio⸗ nalsozialistischen Landtagspräsidenten in Braunschweig und An⸗ halt haben ihr Amt nicht sachlich und loyal ausgeübt, sondern es im Interesse ihrer Partei mißbraucht. Auch wenn das Zentrum angekündigt hat, daß das Präsidium in 4 Wochen neugewählt werden könne, haben wir keine Sicherheit, daß nach den ersten 4 Wochen sich nicht ein ganz anderes Bild ergibt als in den ersten 4 Wochen. (Der Alterspräsident verweist erneut auf die ab⸗ gelaufene Redezeit. Der Redner verläßt das Pult und meldet sich erneut zum Wort.)

Abg. Kube (D. Nat) erklärt, es sei seiner Partei bekannt, daß der Posten des Landtagspräsidenten auch politische Be—= deutung habe. Die Herren der Sozialdemokratie müßten sich daran gewöhnen, daß der neue Landtag auf Grund der politi⸗ schen Willensbildung der deutschen Nation ein anderes Bild habe als der letzte. Solange sie von Demokratie reden, würden sie sich auch daran zu halten haben. Wenn hier eine große Partei die Erklärung abgibt, daß sie im Rahmen der Geschäftsordnung und Verfassung mitarbeiten will (stürmisches Hört, hört! links), dann sollte das genügen. Unsere Forderungen entsprechen dem Willen, den das Volk zum Ausdruck gebracht hat. Die Sozial⸗ demokraten sind am wenigsten berechtigt, die Loyalität des künftigen Präsidenten anzuzweifeln angesichts des unerhörten

Verhaltens des Präsidenten Löbe, der im Reichstag nur partei⸗ politisch arbeite. Von einem nationalsozialistischen Präsidenten werde man einen so ungeheuren Mißbrauch seines Amtes nicht erleben (Beifall rechts).

Abg. Heilmann (Soz.) betont, daß die Geschäftsführun des Präsidenten Löbe weit über die Sozialdemokratie hinaus vo allen Parteien als vorbildlich anerkannt sei (Gelächter rechts). Vorfälle wie in Anhalt, wo der Abgeordnete Seeger von der Journalistentribüne gewiesen worden sei, würden sich unter Löbe nie ereignen. Auf den Willen der Bevölkerung könnten sich die Nationalsozialisten bezüglich des Präsidenten nicht berufen. Der Landtag wähle sich selbstverständlich durch Mehrheit seinen Prä—⸗ sidenten. Der Wille der Wähler hätte nicht gehindert, daß mit den Stimmen des Zentrums, der Sozialdemokraten und Kom— munisten der Abgeordnete Wittmaack wiedergewählt worden wäre. Diese Wiederwahl sei unmöglich dadurch, daß das Zentrum für Kerrl stimme und die Kommunisten erklärt hätten, sie würden unter keinen Umständen für Wittmaack ihre Stimme ab⸗ geben (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten). Die Kom⸗ munisten hätten dadurch dazu beigetragen, daß das Präsidium den Nationalsozialisten ausgeliefert wird. (Lärm bei den Kom— munisten.)

Abg. Pieck (Komm) meint, Herr Heilmann sei in den Rechenkünsten genug bewandert, um zu wissen, daß, wenn auch die Kommunisten für den Sozialdemokratischen. Kandidaten stimmen würden, noch keine Mehrheit für den Sozialdemokraten in diesem Hause herauskäme. (Lachen rechts, Rufe bei den Sozial- demokraten: Das ist Euch wohl peinlich!) Die Sozialdemokraten seien nicht zu beneiden um die Treue, die ihnen das Zentrum beweise, das jetzt den Nationalsozialisten Kerrl zum Landtags- präsidenten wählen wolle (sehr wahr! bei den Kommunistemn). Hier reicht das Zentrum den Nazis den kleinen Finger schon für die Verhandlungen um die Regierungsbildung (sehr wahr! bei den Kommunisten). In einer Polemik gegen die Nationasozia⸗ listen spricht der Redner von einer lügenhaften Politik. Als der Alterspräsident ihn fragt, ob er damit ein Mitglied des Hauses gemeint habe, verneint der Redner diese Auffassung. Der Redner schließt mit der Erklärung, nach Ansicht, der Kom⸗ munisten werden die SPD. in allen bedeutsamen Fragen mit den Nationalsozialisten gemeinsame Sache machen. Das sei der Grund, weshalb die K. P. D. alle Arbeiter aufforderte, mit ihr die Einheitsfront zum Sturz dieses Systems zu bilden. (Gände⸗ klatschen bei den Kommunisten.)

Das Haus schreitet dann zur Wahl des Präsidenten. Der Wahlakt wird durch Namensaufruf und mit verdeckter Stimmabgabe auf weißen Papierzetteln vollzogen. Der Auf⸗ ruf der Abgeordneten beginnt diesmal, da es sich um den ersten Namensaufruf im neuen Parlament handelt, mit dem Buchstaben A. Das Verfahren der Zettelwahl ist außerordent⸗ lich zeitraubend. Der Namensaufruf dauert etwa eine halbe Stunde; die Feststellung des Wahlergebnisses abermals längere Zeit.

Gegen 4 Uhr verkündet Alterspräsident Litzmann das Ergebnis der Abstimmung. Es sind insgesamt 416 Stimmen abgegeben worden. Davon sind 6 Zettel unbeschrieben, einer ungültig. Von den gültigen 409 Stimmen beträgt die Mehr⸗ heik 205. Es haben erhalten der Abg. Kerrl (Nat. Soz. ) 262 Stimmen (Beifall und Händeklatschen bei den National⸗ sozialisten; Lärm und Rufe bei den Kommunisten: Von Zentrums Gnaden); der Abg. Wittmaack (Soz.) M Stimmen, der Abg. Kasper (Komm.) 55 Stimmen.

Alterspräsident Litzmann: der Abgeordnete Kerrl ist somit zum Präsidenten gewählt. Ich frage ihn, ob er die Wahl annimmt.

Abg. Kerrl (Nat. Soz.): Ich nehme die Wahl an.

Der Alterspräsident übergibt dann dem Präsidenten Kerrl das Präsidium. Als Präsident Kerrl das Präsi⸗ dentengestühl betritt, wird er von den Kommunisten mit dem Zuruf Nieder mit dem Faschismus!“ empfangen. Die Nationalsozialisten begrüßen den neuen Präsidenten mit Händeklatschen, erheben sich hierauf von den Plätzen und grüßen den Präsidenten Kerrl mit dem Faschistengruß, der aber diesen Gruß nicht erwidert.

Präsident Kerrl: Ich danke zunächst unserem verehrten Alterspräsidenten für die große Mühewaltung, der er sich bei der vorläufigen Führung der Geschäfte trotz seines hohen Alters unterzogen hat. Ich übernehme hiermit das Amt des Präsidenten des Hauses, zu dem Sie mich mit absoluter Mehrheit gewählt haben, nachdem zuvor in einzigartiger Erhebung das Preußische Volk durch seine Willenskundgebung vom 24. April die Sechs- Männer⸗-Gruppe des bisherigen Landtags (stürmische Unter⸗ brechungen links und Rufe: Die erste Provokation!) zur stärksten Fraktion nicht nur dieses Hauses gemacht hatte, sondern zur stärksten, die es überhaupt jemals hier gegeben hat. Ich werde mein Amt den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend und wie es sich für einen Nationalsozialisten von selbst gehört, unparteiisch verwalten. (Lachen bei den Kommunisten.) Die Kommunisten, so erklärt der Präsident dann noch, haben gestern

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d heute schon genügend Gelegenheit gehabt, uns von der Güte ihres Stimmenmaterials zu überzeugen. Es liegt in Ihrem Interesse, nun auch davon zu überzeugen, daß zu dem Stimmenmaterial auch der notwendige Verstand da ist. (Beifall rechts und stürmische se bei den Kommunisten: Frecher Bursche) Der Präsident uft die Abgg. Kasper und Pieck (Komm.) zur Ordnung. der Lärm der Kommunisten andauert, ruft der Präsident vingen Sie mich nicht zu scharferen Maßnahmen.

Das Haus schreitet dann zur Wahl des ersten Pizepräsidenten, die wieder durch verdeckte Stimm⸗ zettel erfolgt.

Bei diesem Namensaufruf geben die Deutschnationalen

id die Mehrzahl der Nationalsozialisten keine Stimmzettel Um beschlußfähig zu sein, braucht das Haus 2 Stimmen. Es werden insgesamt 253 Stimmen ab geben. Davon entfallen auf den Abg. Witt maack (Soz) f, auf den Abg. Kasper (Komm.) 56 Stimmen. Un⸗ schrieben sind Il Zettel, ungültig eine Stimme. Mithin Abg. Witt maack (Soz.), der bisherige Landtagspräsi⸗ dent, zum ersten Vizepräsidenten des neuen Parlaments hählt. (Als dieses Ergebnis verkündet wird, rufen die Kommunisten: „Mit Duldung der Nazis!“)

Auf Befragen durch den Präsidenten Kerrl erklärt Abg. Wittmaack, daß er die Wahl zum ersten Vizepräsidenten annehme.

Für den Posten des 2. Vizepräsidenten schlägt Abg. Steger (Zentr.) den Abg. Baum hoff (Zentr.) vor. Da die Kommunisten Widerspruch gegen die Wahl durch Zuruf erheben, muß auch der zweite Vize präsident durch das zeitraubende Verfahren der Zettelwahl festgestellt werden. Es werden 410 Stimmen abgegeben, wovon 3 Zettel unbeschrieben sind. Von den übrigen 407 Stimmen entfallen auf den Abg. Baum hoff (Zentr) 354, auf den Abg. Kasper (Komm.) 53. Der Abg. Baumhoff Gentr.) ist somit zum zweiten Vizepräsidenten gewählt. Er nimmt die Wahl an.

Abg. Borck (D. Nat.) schlägt nunmehr vor, zum 3. Vizepräsidenten den Abg. Dr. von Kries (D. nat. zu wählen. Die Wahl wird abermals durch Namensaufruf und Jettelabgabe vollzogen. Es werden insgesamt 306 Stimmen abgegeben, von denen eine ungültig ist. Auf den Abg. von Kries (D. nat.) entfallen 254, auf den Abg. Kasper (Komm.) 50, auf den Abg. Pieck (Komm.) eine Stimme. (Lachen) Abg. von Kries ist somit gewählt. Er nimmt die Wahl an. (Die Sozialdemokraten haben sich an der Abstimmung nicht beteiligt.)

Damit ist das Präsidium des Landtags gewählt bis auf die Beisitzer, die von den einzelnen Fraktionen je nach der Stärke der Fraktionen zu stellen sind. Es sind insgesamt zwölf Beisitzer zu benennen. Das Haus beschließt, die Bei⸗ sitzer durch Zuruf zu wählen, und zwar fünf National⸗ sozialisten, drei Sozialdemokraten, zwei zentrumsabgeord⸗ nete und je einen Kommunisten und Deutschnationalen. Die Beisitzer nehmen die Wahl an.

Vizepräsident Baumhoff, der inzwischen die Ver⸗ handlungsleitung übernommen hat, schlägt dem Haus vor, nachträglich noch eine Reihe von Anträgen auf die Tages⸗ ordnung zu setzen und sie den Ausschüssen ohne Debatte zu überweisen. Das Haus schließt sich dem an.

Somit werden u. a. in die Ausschußberatung verwiesen ein nationalsozialistischer Antrag auf Einsetzung eines Aus⸗ schusses zur Vorbereitung der neuen Geschäftsordnung, deutschnationale und nationalsozialistische Anträge auf Frei⸗ lassung des Bauernführers Klaus Hein, nationalsozialistische ind kommunistische Anträge auf Aufhebung des Ministerial⸗ erlasses über das Verbot der Zugehörigkeit von Beamten zu bestimmten politischen Parteien sowie über die Betriebs— itewahlen für 1932, Anträge mehrerer Fraktionen auf Auf⸗ hebung des Verbots politischer Versammlungen, auf Durch⸗ sührung von Hilfsmaßnahmen anläßlich der Unwetterkata⸗ trophen im Moselgebiet und des Grubenunglücks auf Zeche dorstfeld. Auch die zu Beginn der heutigen Ple narsitzung vor Eintritt in die Tagesordnung eingebrachten Anträge gehen in die Ausschußberatung. ö

Abg. Dr. Freisler (N. Soz), der nunmehr zur Ge⸗ Häftgordnung das Wort nimmt. beginnt seine Ausführungen mit der Bemerkung, die nationalsoziglistische Fraltion betrachie es als eine der vordringlichsten Aufgaben des Landtags, Preußen zu einem Rechtsstaat zurückzuführen (Lärm und Zurufe links und in der Mittes. Tausende von Männern, die bereit seien, ihr BHestes für das Vaterland herzugeben, säßen jetzt in den Gefäng⸗ nissen des Systems auf Grund von ürteilen, die vom Volke nicht verstanden würden (Sehr wahr! bei den Nationalsozialisten; anhaltende Unruhe und Zurufe links). Weiteste Kreise der Jevölkerung zweifelten an der Objektivität der gegenwärtigen Rechtspflege. Die einseitige Stellungnahme vieler Staats⸗ anwaltschaften lege den Schluß nahe, daß sie von oben herab, vom Ministerium, angeordnet werde (anhaltender Lärm links, der durch laute Zustimmungserklärungen der Nationalsozialisten übertönt wird). Die Naktionalsozialisten wollten Gelegenheit nehmen, in einem besonderen Untersuchungsausschuß diese Dinge zu klären und dabei dem Schriftsteller Zarnow die Möglichkeit geben, sein in der Gefesselten Justiz“ enthaltenes Material vorzu⸗ tragen (anhaltende große Unruhe im ganzen Hause; Rufe bei den Sozialdemokraten: „Das ist doch keine Geschäftsordnungs— emerkung“). Ein neuer Skandal in dieser Hinsicht sei jetzt den Nationalsozialisten durch eine telegraphische Mitteilung bekannt geworden. Der Redner verliest das Telegramm, worin es u. a. heißt, daß gegen 3 Nationalsozialisten in Elberfeld, die sich in berechtigter Notwehr befunden hätten, der Staatsanwalt Zucht⸗ gausstrafen von 7 bis 10 Jahren beantragt habe sstürmisches Hört, hört! bei den Nationalsozialisten; Gegenxufe links). Da das Urteil in diesem Falle bereits morgen gesprochen werden olle, müsse der Landtag noch heute sich mit diesem Skandal be⸗ caftigen. Es sei ja von den Staatsanwälten nichts anderes zu erwarten, wenn der Polizeipräsident von Berlin schon von der Fundepeitsche spreche, mit der man Hitler herausschlagen müsse. Große Erregung und stürmische Pfuirufe bei den National⸗ sozialisten; die Nationalsozialisten erheben sich von den Plätzen und rufen zu den Sozialdemokraten: Wo ist der Hundepeitschen⸗ Tälident? es droht zu Tätlichkeiten zu kommen: da auch die zialdemokraten erregte Zurufe machen; Vizepraäsident aan m 1 gelingt es jedoch, die Ruhe zunächst einigermaßen viederherzustellen.)

Der Antrag Dr. Freisler (Nat. Soz.), die Ein⸗ setzung des Untersuchungsausschusses über die Rechtspflege 285 heute zu beschließen und die drei Nationalsozialisten in dlberfeld vor dem Zuchthaus zu bewahren, kann nicht sofort handelt werden, weil von sozialdemokratischer Seite wider⸗ brochen wird, was erneute Lärmszenen bei den National⸗ ozialisten auslöst. hatt lb S eil m ann (Soz.) erklärt, die Nationalsozialisten atten ihre Absicht, parlamentarisch zu verhandeln, schon nach

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kurzer Zeit wieder aufgegeben. (Rufe rechts: Das geht Sie gar nichts an) Wenn eine Partei vergesse, im Aeltestenrat rechtzeitig ihre Anregungen vorzubringen, könne man die Parteien damit nachher im Plenum nicht überfallen. Im übrigen bedürfe es keiner Aufregung, da der Untersuchungsausschuß nach der Ver⸗ fassung eingesetzt werden müsse. Bei dem Zarnow⸗Buch handle es sich um olle Kamellen, auf die kein denkender Mensch noch irgendwelchen Wert lege. Allerschärfster Protest müsse aber gegen den Versuch des Abg. Freisler erhoben werden, in einen schweben⸗ den Prozeß einzugreifen. (Lärmende Rufe rechts; Die Männer, von denen er hier gesprochen habe, und für die er den Strafantrag des Staatsanwalts mitgeteilt habe, hätten drei Menschen getötet. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten und großer Lärm bei den Nationalsozialisten. Einer der Getöteten sei der Bruder des sozialdemokratischen Abgeordneten Fries-Köln. Einfachste mensch liche Rücksicht hätte dem Abg. Freisler verbieten müssen, diesen Fall hier vorzutragen. Das Gericht werde zu entscheiden haben, ob die Angeklagten in Notwehr gehandelt haben oder ob sie schuldig des Mordes sind. Wir verwahren uns dagegen, daß in dieser Weise versucht wird, in den Gang der Rechtspflege einzu

grei en.

Abg. Kube (Nat. Soz.): Wir verwahren uns aufs schärfste gegen den Versuch des Abg. Heilmann, uns eine Einmischung in schwebende Verfahren vorzuwerfen. Abg. Freisler hat die

unerhörten Anträge des Staatsanwalts dazu benutzt, um die Be gründung dafür zu geben, daß endlich einmal die Rechtspflege in Preußen nachgeprüft wird. (Rufe links: Schulz und Heines. Erregte Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Natio⸗ nalsozialisten Vizepräsident Baumhoff bittet, ihn nicht zu schärferen Maßnahmen zu zwingen.) Die Sozialdemokraten sind es, die hervorragende Mitglieder des Hauses bereits als Mörder beschimpfen. (Pfuirufe rechts) Braun und Severing wären längst nicht mehr, wenn wir nicht Männer wie Schulz ge⸗ habt hätten. (Beifall bei den Nationalsozialisten. Wir lassen uns jedenfalls diese Rechtspflege nicht weiter bieten und werden

werden muß. Die preußische Staatsanwaltschaft ist zu 90 vn wert, den Anklagezustand gegen Rechtsbeugung gestellt zu werden. (Stürmischer Beifall bei den Nationalsozialisten.)

Abg. Pieck (Komm.) erklärt, die nationalsozialistische Auf⸗ regung sei unbegründet, da mehr als 50 vH der Richter National⸗ sozialisten seien. Das sehe man, wenn man die Urteile gegen Kommunisten und Faschisten vergleiche. Durch die Nationalsozia⸗ listische Partei, so erklärt der Redner, ist der Massenmord gegen revolutionäre Arbeiter eingeführt worden. In Ihren Reihen (nach rechts) sitzt eine ungeheure Zahl von Mördern.

Bei den Nationalsozialisten entsteht bei diesen Worten eine ungeheure Erregung. Die Abgeordneten erheben sich von den Plätzen und stürmen mit erregten Gebärden auf die Rednertribüne zu. Die Kommunisten tun das gleiche und stellen sich schützend hinter den Abg. Pieck. Zwischen Kommu⸗ nisten und Nationalsozialisten entstehen stürmische Aus⸗ einandersetzungen. Vizepräsident Baumhoff versucht vergeblich der Situation Herr zu werden. Im Verlauf des Streits schlug plötzlich ein kommunistischer Abgeordneter den nationalsozialistischen Abg. Hinckler ins Gesicht. Das war für die Nationalsozialisten das Signal zum Gegenangriff. Es entstand eine ungeheure Schlägerei, wie sie in diesem Aus⸗ maß in einem deutschen Parlament noch nie ereignet haben dürfte. Vizepräsident Baum hoff verließ seinen Platz und hob damit die Sitzung auf. Die gesamte national⸗ sozialistische Fraktion stürmte auf die Kommunisten los, die in wenigen Minuten vollkommen aus dem Saal gedrängt waren. Zahlreiche Abgeordnete er⸗ hielten blutende Wunden und wurden von ihren Parteifreunden bewußtlos aus dem Saal getragen. Nach⸗ dem der Saal von den Kommunisten vollkommen geräumt war, blieb fast nur noch die vollständig versammelte national⸗ sozialistische Fraktion zurück, die darauf die Hand zum Faschistengruß erhob, das Horst⸗West⸗Lied sang, in das die Mehrzahl der Tribünenbesfucher einstimmte. Der Plenar⸗ sitzungssaal bot nach der Schlägerei ein Bild der Verwüstung. In den Wandelgängen herrschte eine außerordentlich starke Erregung, die auch das Publikum ergriff, das sich auf den Wandelgängen des Tribünengeschosses versammelte, wo es beinahe zu einer Fortsetzung der Schlägerei gekommen wäre, wenn nicht Beamte des Hauses eingegriffen hätten. Unten im Saalgeschoß, wo die Abgeordneten beieinander standen und aufgeregt debattierten, bemühten sich die Fraktions⸗ führer, ihre Fraktionsgenossen zu einer sofort stattfindenden Fraktionssitzung zusammenzuberufen. Es wurde inzwischen bekannt, daß vor allen einige kommunistische und sozialdemo⸗ kratische Abgeordnete nicht unerheblich verletzt worden sind. Die Beamten des Hauses mußten bei Besichtigung des Kampf⸗ feldes feststellen, daß dem Landtag ein sehr erheblicher Sach⸗ schaden entstanden ist.

Etwa eine halbe Stunde nach den blutigen Schlägereien wurde der Aeltestenrat einberufen, an dessen Be⸗ ratungen auch der Berliner Polizeipräsident Grzesinski teilnahm.

In der Sitzung gaben Nationalsozialisten und Kom⸗ munisten Erklärungen ab, daß ihnen an der Klärung der Schuldfrage nichts gelegen sei und daß sie ein Eingreifen der Polizei nicht wünschen. Die Sozialdemokraten erklärten, daß sie angesichts der Verwundung des Abg. Jürgensen und des ganzen Tatbestandes sich nicht damit abfinden könnten, daß die Beteiligten erklärten, sie seien ohne weiteres Interesse. Ein ähnliche Erklärung wurde vom Zentrum abgegeben. Be⸗ schlüsse wurden vom Aeltestenrat nicht gefaßt. Der Aeltesten⸗ rat wird am 1. Juni eine neue Sitzung abhalten, um sich nochmals mit der Angelegenheit zu befassen. Auch die nächste Plenarsitzung findet erst am 1. Juni statt.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Haushaltsausschuß des Reichstags beschloß am 25. d. M. zunächst, einen kommunistischen Antrag, der einen Initiativgesetz- entwurf zur Milderung der Not und zum Schutze der Gesundheit des werktätigen Volkes enthielt, an den Reichstagspräsidenten zu⸗ rückzuüberweisen, da der Antrag zunächst vom Sozialpolitischen Ausschuß beraten werden müsse. Alsdann wurde ein kommu⸗ nistischer Antrag behandelt, der die Reichsregierung beauftragen will, gegen das vom Deutschen Städtetag . sogenannte Finanz⸗ und Wirtschaftsprogramm verschiedene Maßnahmen zu ergreifen. Nach einer Aussprache wurden, laut Bericht des Vachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger, mit den Stimmen der Nationalsozialisten und der Kommunisten bei Stimmenthaltung der Sozialdemokraten folgende Maßnahmen beschlossen: 1. Die der Reichsregierung gemachten Vorschläge auf weiteren Abbau der Arbeitslosenversicherung und der öffentlichen Wohlfahrtsfürsorge werden zurückgewiesen und nicht durchgeführt; dasselbe gilt für alle sonstigen Vorschläge, deren Durchführung soziale oder kulturelle Verschlechterungen für das werktätige Volk bedeuten würde. 2. Die Landesregierungen sind anzuweisen, ihrerseits ebenfalls die Durchführung der Vorschläge des Städte⸗

e, e n , und kulturelle BVerschlechterungen zu rückzuweisen nd ihre Durchführung zu unterlassen. 3. Die bereits entsprechend dem Finanz⸗ und Wirtschaftsprogramm des Deutschen Städtetages durchgeführten Maßnahmen werden rückgängig gemacht. 4. Die Länder und Gemeinden werden verpflichtet: a) die Wohlfahrts— unterstützung allgemein mindestens in Höhe der Sätze der ge⸗— hobenen Fürsorge nach dem Stande vom 1. Januar 1931 zu 6 b) die Schließung oder Einschränkung von Kranken⸗ äusern, Badeanstalten und sonstigen dem Allgemeininteresse dienenden Einrichtungen zu unterlassen; e) auch auf dem Gebiet des Schulwesens die Zusammenlegung von Schulen oder Klassen di

und die Einschränkung des Lehrkörpers zu unterla Der wahl⸗ freie Unterricht ist beizubehalten. Die Lehrmittel sind in Volks schulen und in höheren Lehranstalten für Kinder der Minder— bemittelten kostenlos zu liefern. Die Schulspeisungen sind in vollem Umfange wieder aufzunehmen. Es folgte die Beratung über einen sozialdemokratischen Antrag, der einen Initiativ gesetzentwurf über eine Geld⸗Prämien⸗Anleihe des Reichs zur Arbeitsbeschaffu zielt. Von deutsch⸗ nationaler Seite wurde dabei auf di er

Anleihe, namentlich mit Rücksicht au r, en. Die hierzu gemachten rungen wurden von den Regierungsparteien mit Unterstützung der Deutschen Volkspartei und der Wirtschaftspartei für vertraulich erklärt, woraufhin sich die Vertreter der Deutschnationalen ausdrücklich vorbehielten, ihre Ausführungen vor der Oeffentlichkei holen. Ministerialrat Bay rhoffer vom Reichsf rium erklärte, daß die Verhandl über die Aufl Prämienanleihe für die Arbeitsbeschaffung noch nicht abg seien. Ueber Einzelheiten der Ausstattung der beabsichtigt leihe könnten wegen der schwebenden Verhandlungen Ungabe noch nicht gemacht werden. Die Abstimmung über den Antrag wurde zurückgestellt und der Ausschuß vertagte sich auf s

Dienstag.

Der Aeltestenrat des Preußischen Landtags hielt gestern

mittag sfine ezste Sitzung ab, auf, deren Tagesordnung die Wghl des Landtagspräsidiums stand. Als erster

Redner nahm der Führer der nationalsozialistischen Fraktion Abgeordneter Kube das Wort, um auszuführen, seine Fraktion würde bei den Präsidentenwahlen im Plenum nach der Stärke der Fraktionen wählen und beanspruche daher für ihren Kandi⸗ daten, den Abgeordneten Kerrl, den Posten des Landtags⸗ präsidenten. Gegen die Wahl des Abgeordneten Wittmaack (Soz.) als ersten Vizepräsidenten hätten die Nationalsozialisten nichts einzuwenden, als zweiten Vizepräsidenten würden sie den Abgeordneten Baumhoff (Zentr) und als dritten Vize⸗ präsidenten den Abgeordneten Dr. von Kries (D. nat.) wählen, da die Kommunisten ja Gegenseitigkeit nicht übten und sich auch gestern nicht so bengmmen hatten, daß die Ngtignalsozialiften für ihren Kandidaten stimmen könnten. Der stellvertretende Vor⸗ sitende der Zentrumsfraktion Abgeordneter Steger führte aus, das Zentrum würde ebenfalls sich bei den Pxäsidenten⸗ wahlen nach der Stärke der Fraktionen richten und also für den Abgeordneten Kerrl (Nat. Soz.) als Landtagspräsidenten und für die anderen vom Vorredner genannten Kandidaten stimmen. Abg. Heilmann (Soz.), der Führer der Sozialdemokraten im Landtag, wies darauf hin, daß der Alterspräsident Litzmann

gestern eine Bemerkung gemacht habe, die in Zweifel stellte, ob die Nationalsozialisten die gegenwärtig geltende Geschäftsordnung = 1.

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ch xechtsvęrbindlich anerkennten. Ngch An kratie müsse das Zentrum an erster Stelle ü *

genheit restlos Klarheit schaffen helfen. Wenn diese Sache i, dann sei die S. P ĩ

a . *** 5 42 * D. noch immer aus folgenden d

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en Abgeordneten Kerrl (Nat.

Soz.) zu stimmen. Die mnalsozialisten hätten weder für die sozialdemokratischen Präsidenten und Wittmaack im Landtag noch f den sozialdemok: zräsidenten Löbe im Reichstag gestimmt, obwohl die die stärkste Fraktion hätten daher sich auf ein Her⸗ kommen zu berufen, das sie niemals anerkannt hätten. Weiter könne die S. P. D. der Erklärung der Nationalsozialisten, daß sie den Abgeordneten Wittmaack (Soz.) als ersten Vizepräsidenten wählen würde kein unbedingtes Vertrauen entgegenbringen, da noch 1e icht iziell die Erklärungen von Strasser Und anderen nationalsozialistischen Führern zurückgenommen seien,

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„diesem System gegenüber“ keine age und kein Ehren⸗ wort gelte. Auch seien die Nationalsozialisten eine antiparla⸗ mentarische Partei, die die Rechte des Parlaments nicht schützen und seine Würde nicht erhöhen wollte, sondern die das Par⸗ lament erniedrigen und schließlich zerstören wollte. Die Sozial⸗ demokraten hielten sich für verpflichtet, gerade als parlamen⸗ tarische Demokraten dieses Vorhaben der Nationalsozialisten nicht zu unterstützen, sondern nach Möglichkeit zu erschweren. Die Stellung des Landtagspräsidenten sei außerdem eine politische Machtstellung, da ein Teil der Rechte des in Preußen nicht vor⸗ handenen Staatspräsidenten auf ihn übertragen sei. Auch aus diesem Grunde könnten die Sozialdemokraten, getreu ihrer Ten⸗ denz, den Nationalsozialisten den Zugang zur Staatsmacht nach Möglichkeit zu verwehren, für den nationalsozialistischen Präsi⸗ dentschaftskandidaten nicht stimmen. Endlich hätten die Er⸗ fahrungen, die mit nationalsozialistischen Parlamentspräsidenten in Braunschweig und Anhalt gemacht worden seien, erwiesen, daß diese Präsidenten sich nicht nach Recht und Billigkeit richteten, sondern ihr Amt zu parteipolitischen Zwecken mißbrauchten. Abg. Steger (Sentr) erwiderte, daß die Anerkennung der Ge⸗ schäftsordnung durch den Präsidenten dem Zentrum als Selbst⸗ verständlichkeit erscheine. Er wies die Sozialdemokraten darauf hin, daß es sich bei der Wahl ja nur um ein Provisorium für vier Wochen handle. Das Zentrum wolle den Versuch der Zu⸗ sammenarbeit machen, denke aber nicht daran, ein Blankovoll⸗

macht zu geben. Abg. Ku be (Nat. Soz.) betonte, es sei für seine Fraktion selbstverständlich, daß der Präsident nach der gültigen Geschäftsordnung zu amtieren habe. Abg. Pieck

(Komm.) hob hervor, die K. P. D. würde, gleichviel von welcher Seite Kandidaten vorgeschlagen würden, immer nur für ihren eigenen revolutionären Kandidaten stimmen. Der Aeltesten⸗ rat beschloß dann auf sozialdemokratischen Antrag, den Beginn der Plenarsitzung, der für 1 Uhr vorgesehen war, auf 2 Uhr zu verschieben, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, zu den neuen Mitteilungen der Nationalsozialisten Stellung zu nehmen.

Auf Anregung der Nationalsozialisten hat der Aeltestenrat des Landtags die Bildung eines Sozialpolitischen Ausschusses beschlossen. Ein solcher auf huß hat in den letzten Wahlperioden nicht bestanden. Es ist daran gedacht, diesem Ausschuß in, der Hauptsache Arbeitsbeschaffungfragen zur Vorberatung zu überweisen.

Handel und Gewerbe. Berlin, den 26. Mai 1932.

Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts im Ruhrrebier: Am 25. Mai 1932: Gestellt 15 907 Wagen.

Die Elektrolyt kupfternotierung der Vereinigung für deutsche Elektrolytkupfernotiz stellte sich laut Berliner Meldung de W. T. B.“ am 26. Mai auf bl, ꝛ5 (am 25. Mai bl, 0 ür 106 8.