1932 / 204 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 31 Aug 1932 18:00:01 GMT) scan diff

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Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 201 vom 31. August 1932. S. 4

es marxistische Denkweise sei, das Recht nach den Forderungen einer Klasse zu verwalten. Herr von Papen, der zu der Schicht gehöre, die die Blutopfer des Weltkrieges mit auf dem Gewissen habe, verstehe wirklich nichts vom Marxismus Die Sozial demokratie habe in jahrzehntelanger Arbeit gegen die Unter

drückung der von ihr geführten Arbeiterbewegung nicht eine einzige 4 auf sich geladen Das unterscheide die Sozialdemo raten von den Nationalsozialisten. (Sehr wahr! bei den Soz Ial⸗ demokraten.) Jetzt fordere die S. P. D., daß der Staategerichtshof sobald wie möglich die verletzte f ng in Preußen wieder herstelle. Die steigende Erkenntnis, daß der Kapitalismus nicht imstande sei, die gegenwärtigen Nöte zu überwinden, werde

Bewegung der Sozialdemokratie stärken. Wie man die Sozial demokratie und die freien Gewerkschaften heute abweise, so werde der Zeitpunkt kommen, an dem man sie wieder rufe, weil man ohne ihre Mitwirkung nicht auskomme. (Beifall bei den Sozial demokraten.) An der Sozialdemokratie habe sich schon die Hohen zollernmonarchie die Zähne ausgebissen. Die sozialistische Be wegung werde noch Grundpfeiler einer neuen Wirtschafts⸗ und Gesellschaftsordnung sein, wenn der s National⸗

sogenannte sozialismus längst vergessen sei. (Beifall bei den Sozialdemo kraten.)

Abg. Koenen (Komm) begründet die kommunistischen An⸗ träge auf Aufhebung der Notverordnung über die Einsetzung des Reichskommissars usw Das Verhalten der Severing und Hirt siefer zeige, daß die früheren Staatsminister sich vor dem faschistischen Staatsstreich gebeugt hätten. (Sehr wahr! bei den Kommunisten) Differenzen beständen überhaupt zwischen Sozial⸗ demokraten, Zentrum, Deutschnationalen und Nationalsozialisten nur scheinbar. In der Niederknüppelung der organisierten revolutionären Arbeiterschaft seien sich diese Beauftragten des kapitalistischen Systems durchaus einig. (Sehr wahr! bei den Kommunisten) Die Spiegelfechterei des parlamentarischen Treibens der Nationalsozialisten zeige sich in deren Haltung gegenüber dem Zentrum. Der Fraktionsführer der National— sozialisten habe in einer der letzten Sitzungen das Zentrum und seine Politik in unerhörtester Weise beschimpft und mit Füßen getreten. Jetzt ständen die beiden Parteien in Koalitionsver— handlungen. Der Redner tritt für die Annahme der kom— munistischen Anträge ein, die sämtliche auf Grund der Notver— ordnungen der Papen-Regierung erlassenen Maßnahmen rück gängig machen wollen. Der Staatsstreich der Papen Regierung gegen Preußen sei nur möglich gewesen durch die Kapitulations⸗ politik der sozialdemokratischen Führer. Die tragikomische Er⸗ klärung Severings, er weiche nur der Gewalt, erinnere an eine ähnliche Komödie im Jahre 1848, als der Kommandeur der Ber— liner Bürgerwehr dem General Wrangel ebenfalls erklärte, er würde nur der Gewalt weichen. Wrangel habe erwidert: „Na, dann weichen Sie man, hier ist die Gewalt!“ sich der zur Witzblattfigur gewordene Kommandeur der Bürger⸗ wehr benommen habe, habe 80 Jahre später der kleine eiserne Führer der Sozialdemokraten gehandelt. Nicht einmal ein Leutnant mit zehn Mann, sondern ein einfacher Polizeihaupt⸗— mann genügte, um den Innenminister zum Verschwinden zu bringen. Die Ausrufung des Generalstreiks gegen den faschisti⸗ schen Staatsstreich hätten die sozigldemokratischen Führer sogar als Verbrechen bezeichnet. Sie hätten aber befürchtet, daß der Widerstand gegen den Putsch zur Aufrichtung der proletarischen Diktatur führen würde, die von ihnen mehr gefürchtet werde als eine faschistische Diktatur. (Sehr wahr! bei den Kommunisten.) Der Redner bezeichnet das neue Wirtschaftsprogramm der Reichs⸗ regierung, von dem man sage, daß es die Deflation beenden solle, als Anfang der Inflation. Der Kampf der Nationalsozialisten gegen Papen und Bracht sei nur Demagogie. Deshalb habe Hitler auch gern mit Papen gefrühstückt, obwohl Papen ihn in Muͤnster als „ügellos“ beschimpft habe. Die sozialdemokratischen Gewerk— schaftsbonzen hätten schon vorher freiwillig die Tarifverzichte ausgesprochen, die Papen jetzt verordne. Nur in der anti— faschistischen Front der K. P. D. könnten die Arbeiter ihre Inter⸗

essen vertreten. (Beifall bei den Kommunisten.) Besonders aus—

führlich wendet sich der Redner auch gegen die Zeitungsverbote, deren Aufhebung die K. P. D. beantrage.

Abg. Dr. Lauscher (Zentr,), von den Kommunisten mit dem Zuruf „Die Papen-Koalition“ empfangen, erklärt in der Aussprache, das Zentrum habe sich der Klage der früheren Staatsregierung gegen die Einsetzung des Reichskommissars an—⸗ geschlossen, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß das Zentrum das als Verfassungsverletzung empfinde, was am 20. Juli vom Neich aus geschah. Wenn unsere Auffassung, so sagt der Redner, noch einer Bestätigung bedurft hätte, dan n' wäre sie darin ge⸗ geben, daß der stellvertretende Reichskommissar behauptet, dem Landtag nicht verantwortlich zu sein und seine Beschlüsse nicht ausführen zu müssen. (Die Nationalsoziglisten, die während der letzten Reden den Sitzungssaal verlassen hatten, haben ihre Plätze wieder vollzählig eingenommen) Die Erklärung, die die Reichs— regierung fur ihr Vorgehen gegen Preußen anführt, ist in keinem Punkte stichhaltig. Die Reichsregierung sagt, Preußen hätte sich den Reichsinteressen entgegengestellt. Babel hat in ben letzten zehn Jahren das Reich wiederholt dankbar anerkannt, wie stark die Reichspolitik durch die Treue Preußens unterstützt wurde. (Sehr wahr! im Zentrum) Weiter behauptet das Reich, maßgebende Persoönlichkeiten Preußens besäßen nicht mehr die innere Unabhängigkeit gegen die Elemente des Umsturzes. Wo ist der Beweis für diese Behauptung? Warum hat das Reich nicht offen und loyal mit der preußischen Regierung Fühlung genommen, wenn es glaubte, solche Verdächtigungen auszu⸗ sprechen? Warum hat das Reich keine Namen genannt oder konkrete Beweise gegeben? Das Reich tat es nicht, weil es keine Beweise hat. (Sehr wahr! im Zentrum) Vielleicht aber auch, weil das Reich nicht Ruhe und Ordnung schaffen wollte, sondern von Reichs wegen ganz andere Ziele verfolgte, wie es jetzt wohl auch der Präsident dieses Hauses durch seinen Schriftverkehr mit. der Reichsregierung erfahren mußte. Im übrigen ist es auch dem Reichskommissar nicht gelungen, den öffentlichen Bluttaten und Gewaltakten ein Ziel zu setzen, die vielmehr zugenommen haben. (Sehr wahr! im Zentrum) Wenn das preußische Kabinett eine solche Notverordnung gegen den Terror erlassen hätte wie jetzt die Reichsregierung von Papen, dann wäre man Preußen sofort in den Arm gefallen. (Sehr richtig! im Zentrum.) Wir wiederholen, was wir am 22. Juli in unserer Entschließung sagten: Die angeblichen Gründe für das monströse Vorgehen gegen den größten deutschen Gliedstaat sind nicht Gründe, sondern ker ed (Sehr richtig! im Zentrum) Leider läßt die Staats⸗ gerichtshofsentscheidung fehr lange auf sich warten. Es wöre aber wohl selbstverständlich gewefen, daß das Ersatzkabinett, das jetzt in Preußen amtiert, sich in seiner Regierungstätigkeit die Zurückhaltung auferlegt hätte, die ihr schon durch die Unsicherheit ihrer Rechtsbasis dringend nahegelegt ist. (Sehr wahr! im Zentrum und bei den Nationalsozialisten. Statt dessen betätigt sich das Ersatzkabinett in geradezu fieberhaft beschleunigtem Tempo. Bei meinen politischen Freunden ruft das, was wir bisher von diesem Ersatzkabinett an Verwaltungsreformmaß⸗ nahmen gesehen haben, die allerschwersten Bedenken hervor. Ich will nicht das viel zitierte Wort von dem Ausnahmezustand hier erwähnen, mit dem jeder Minderbegabte um es milde zu sagen regieren kann. Aber ich will sagen: Um mit Not— verordnungen das geistige Eigentum einer abgetretenen Re— gierung, das man lediglich aus der Schublade herausnimmt, zu einer Verwaltungsreform zu gestalten, dazu gehört keine ins Benialische einschlagende Staatskunst. (Heiterkeit und Beifall) Eine Verwaltungsreform ist gewiß notwendig. Wenn aber die alte Regierung die Entwürfe nichk in Kraft setzte, so weil man bisher über die Schwierigkeiten noch nicht hinweggekommen war,

(Heiterkeit. Wie

die sich in diesen Entwürfen finden. Bei einer Verwaltungs— reform darf man nicht in übergroßer Hast vorgehen, sonst passiert das, was jetzt zu drohen scheint, daß einheitliche Behörden, wie die Provinzialschulkollegien, die zur Hochblüte des preußischen Unter— richtswesens beitrugen, zerschlagen werden sollen in mehrere kleine Behörden, was man dann Verwaltungsreform nennt. Man muß bei einer Verwaltungsreform auch die historischen Zu⸗ sammenhänge beachten. Der Redner wendet sich dann gegen die Methode, die Volksvertretung auszuschalten und den Versuch, das Volk mundtot zu machen. Der negative Respekt, so betont er, den das Ersatzkabinett dem Landtag bekundet hat, wird allerdings vom ganzen Hause wohl in gleicher Weise erwidert. (Heiterkeit und Zustimmung.) Wir werden uns aber das Recht nicht nehmen lassen, so schnell wie möglich dafür zu sorgen, daß wieder verfassungsmäßige Zustände in Preußen hergestellt werden, damit man der illegalen Dittatur die Zähne zeigen kann. (Beifall im Zentrum.) Der jetzige Zustand, der uns rechtlos macht, ist eine staatspolitische Form vom Geiste Metternichs. (Abg. Kube Nat. Soz.: Sehr richtig!). Man kann aber nicht die geschicht⸗ liche Entwicklung einer großen Nation um ein Jahrhundert zurückschrauben. Das Deutsche Volk wird sich auf die Dauer seine Freiheit und sein Selbstbestimmungsrecht nicht nehmen lassen. (Beifall im Zentrum.)

Abg. Ku be (Nat. Soz.) betont, daß seine Partei den Kampf um die politische Willensbildung der Nation nicht darum geführt habe, um einer anonymen Klique politischer Hasardeure zur Ver⸗ fügung zu stehen. Die Nationalsozialisten lehnten es ab, daß irgendeine Reaktion Experimente mache, die eine Verschleierung des Volkswillens bedeuteten. Der Redner kritisierte den Staats- ministerialbeschluß, wonach es den Beamten untersagt ist, den Plenarsitzungssaal, die Wandelgänge und das Restaurant des Landtages zu betreten. Es sei unerhört, daß in der Mitteilung dieses Beschlusses von einem „Entgegenkommen“ der kommissa—⸗ rischen Regierung gesprochen werde, wenn Ausnahmen von dem grundsätzlichen Standpunkt gemacht' würden Unrichtig sei auch die Darstellung, daß frühere Regierungen sich herausgenommen hätten, sich dem Landtag als solchem zu entziehen. Wenn die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ schreibe, man würde sich nicht scheuen, auch eine vom Landtag gewählte Regierung genau so zu behandeln wie das Kabinett Braun, so frage er, welche Gründe und welche Bestimmungen der Verfassung Herrn Dr. Bracht und Derrn von Papen zur Verfügung ständen, eine vom Landtag ordnungsgemäß gewählte Regierung einfach zu beseitigen. (Zuruf: Reichswehr!! Reichswehr! Das ist kein Grund, sondern ein Mittel! (Heiterkeit; Man müsse doch fragen, wie es der sonst so verfassungstreue Dr. Bracht zulassen könne, daß unter den Augen der Regierung und unter Bezugnahme auf eine hohe Stelle in Neudeck mit dem Staatsstreich gedroht werden könne. Das zeige, wessen Herr Dr. Bracht und die hinter ihm stehenden Kreise sähig seien. Im Gegensatz zu neun Zehnteln der preußischen Wählerschaft und des preußischen Volkes übe Herr Dr. Bracht seine Tätigkeit aus. Er habe die Verpflichtung, der Verfassung Geltung zu verschaffen. Unser Führer hat, so 2 der Redner, in Leipzig ausdrücklich den legalen Kampf unter Eid festgelegt. Wir Nationalsozialisten sind stärker und stärker geworden, haben aber immer zum Ausdruck gebracht, daß wir uns, so lange die Verfassung besteht, im Rahmen der Verfassung halten werden, und daß wir Nationalsozialisten nicht staatsfeindlich sind. Es ist ein außerordentlich gefährliches Spiel, das von den anonymen Kräften der Reaktion gespielt wird, wie es sich auch in dem vor⸗ gelegten Wirtschaftsprogramm zeigt. Sie wollen den Reichstag auflösen! Dann werden sie verfuchen, Blätter zu kaufen und damit die öffentliche Meinung beeinflussen. Mit schönen Reden auch vor den besten wirtschaftlichen Bauern in Münster (Heiterkeit) allein schafft man keine Besserung für die Bauern und arbeitenden Massen. Die Fortsetzung einer Notverordnungs⸗ politik kann nicht die Not selbst beseitigen. Die Notlage Fer breiten Massen hat sich trotz aller Maßnahmen nicht gebessert. Auch der beste Major bon der Reichspressestelle kann die soziale Not nicht beseitigen. In der Außenpolitik hat Herr von Papen nicht die geringsten Anstrengungen gemacht, sich von dem Weg

U lösen, der anderen zum Vorwurf gemacht worden ist. In den Rundfunkreden ist nicht Kraft, wie gesagt wurde, sondern Selbst⸗ überhebung zum Ausdruck gebracht. Aus welchen Gründen hat man gegenüber Bayern, Württemberg und Baden so kurz ge— treten? Lagen die Verhältnisse dort anders? Nein, das Eifen war zu heiß! Hessen⸗Darmstadt hat auch eine geschäfts führende Regierung. Ordnüng und Sicherheit haben dort sehr gelitten. Die Parteigegensätze sind stark zum Ausdruck gekommen. Warum hat Herr von Papen nicht hier durchgegriffen? Warum nöcht in Hamburg und Lübeck? Warum nur in Preußen? Wir National⸗ sozialisten lehnen die Fortführung der politischen Geschäfte durch Herrn Dr. Bracht ab. Allerdings muß gesagt werden, daß unsere Zufriedenheit mit dem früheren geschäftsführenden Kabinett auch eine außerordentlich geringe war! Der Kampf der National— sozialisten in Preußen ist aber nicht deshalb geführt worden, daß an die Stelle der schwarz⸗roten Regiernugsköahition ein Reichs⸗ kommissar gesetzt wird, der sich dem Landtag gegenüber nicht ver⸗ antwortlich fühlt. Mit nationaler Konzentration hat die Politik des Reichskommissars nichts zu tun. Dr. Bracht ist einer ge— wissen Presse zuni Opfer gefallen, die den Sozialismus aus der nationalen Bewegung glaubte streichen zu können. Demgegenüber sagen wir Nationalsozialisten, wenn unser Kampf Erfolg gehabt hat, so verdanken wir das nicht zuletzt unseren ehrlichen sozialistischen Forderungen. Wir sind und bleiben National—⸗ sozialisten, ob das Herrn Dr. Hugenberg paßt oder nicht! (Bei fall bei den Nationalsozialisten. Die Tatsache, daß sich 13,7 Mil⸗ lionen deutscher Menschen zu Adolf Hitler bekennen, müßte inner⸗ halb einer Demokratie eine außerordentliche schwerwiegende Tat— sache sein. Auch Dr. Bracht kann an dieser Tatsache nicht vor⸗ übergehen. Eine Diktatur, die sich auf Bajonette stützt, wäre eine Diktatur im luftleeren Rꝛrum. Der Beamte, der Leuten folgt, die die Verfassung außer Kraft setzen, bricht seinen Eid, den er . Volk Jeschworen hat. Haben Sie sich, Herr Dr. Bracht, ie Folgen Ihres Spieles einmal überlegt? Man kann nicht hinter jedem Steuerzahler ein Bajonett stellen, daran scheitern Sie. Je einmütiger das Volk von einer kleinen Minderheit abgesehen (Heiterkeit) sich gegen den unerhörten Versuch eines Staatsstreichs wendet, desto schneller ist der Spuk zu Ende. Glaubt irgend jemand, der die ganze Leidenschaft des von den National— sozialisten geführten Kampfes kennt, das Ergebnis des Kampfes 7 . Dr. Bracht, sei Herr von Papen? Darum hat die deutsche Jugend nicht ihre Besten hergegeben, daß wir einen kalten Staatsstreich dulden werden, der das deutsche Schicksal auf das tote Gleis schieben will. Glaubt man denn, daß die deutsche Nation solche. Pläne widerspruchslos hinnimmt? Der Fehler, den die Reaktionäre gemacht haben, liegt darin, daß sie glaubten, den Nationalsozialismus zu einem Verrat an der national- ,, m. Idee verführen zu können. (Sehr richtig! bei den kationalsozialisten In dem Augenblick stirbt der National⸗ sozialismus, in dem er sich der Diktatur der Reaktion unterwürfe. Ihr Spiel, meine Herren vom Herrenklub, um Preußen und Deutsch and ist verloren. Die NSDAP. wird, was an ihr liegt, dazu beitragen, eine verfassungsmäßige Regierung in Preußen zustandezubringen. Der Staat, wie ihn der Nationalsozialismus will, muß das deutsche Volkstum und das Christentum vertreten, er muß vor allem auch sozial gerecht sein. Durch den An— k der letzien Wochen und Mongte steht der Nationalsozialismus vor dem gesamten Volk draußen vor der Lüge gerechtfertigt da, es gebe in Deutschland Hitler-Barone. Dieser Zwecklüge im Wahllanipf verdankt die Linke zwei Millionen Stimmen. Wir sind bereit, ohne „HitlerBarone“ in neuem Kampfe unsere Kräfte zu messen. Unsere Parole ist: Mit Adolf Titler das Lebensrecht des deutschen Menschen! (Langanhaltender

Beifall und Händellatschen bei den Nationalsczialisten.)

Abg. Dr. Hamburger (Soz): Die Ausführungen des Abg. Kube legen vor allem die Frage nahe, ob die Darlegungen, die Kube heute gegen die Hitler⸗Barone machte, auch die Tendenz jener Unterhaltung darstellen, die Hitler gestern mit Herrn von Papen hatte. Dann würde allerdings wohl diese Unterhaltung nicht ersprießlich ausgegangen sein. (Sehr wahr! bei den Sozial⸗ demokraten) Heute nennt Herr Kube den Reichskanzler von Papen, Reichswehrminister von Schleicher und die übrigen Mit— Lieder der Reichsregierung eine Clique politischer Hasadeure. Diese wahre Erkenntnis ist uns schon vor drei Mongten gekommen. Ein wahres Wort der Nationalsozialisten ist die Feststellung, daß Papen heute nicht an der Macht wäre, wenn Adolf Hitler nicht seine Vorarbeit geleistet hätte. Es sei eine einwandfreie Tatsache, daß der Landtagspräsident Kerrl durch seinen Brief vom 19. Juli an den Reichskanzler von Papen die Einsetzung eines Reschs kommissars für Preußen befürwortet hat. In einem späteren Schreiben habe Herr Kerrl dem Reichskanzler selbst unter Sinweis auf sein Schreiben vom 19. Juli bestätigt, daß die Maßnahmen gegen Preußen nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig gewesen seien. Der Redner verliest unter lebhaftem Hört, hört! der Sozialdemokraten dieses spätere Schreiben des Landtagspräsidenten Kerrl und fügt hinzu, heute wage es Herr Kerrl zu bestreiten, daß er die Initiative zur Einsetzung des Reichs⸗ kommissars in Preußen gegeben habe. Die Neubildung der Preu⸗ ßischen Regierung habe nichts mit der Aenderung der Geschäfts⸗ ardnung zu tun, um deren Rückgängigmachung Landtagspräfident Kerrl den Reichskanzler vergeblich gebeten habe. Denn eine Minderheit wie die nationalsozialistische im Landtag könnte nie— mals eine Regierung bilden, wenn sie nicht mit anderen Parteien verhandelt. Der nationalsozialistische Redner habe heute ein be— sonderes Treuebekenntnis zur Verfafsung abgelegt und die Legali⸗ tät seiner Bewegung betont. Damit sei der Abg. Kube nun auch System-⸗-Politiker geworden und habe dem System, das er seit Jahren betämpft, die Referenz erwiesen. (Heiterkeit und Zu⸗ stimmung bei den Sozialdemokraten.) Dann könne man allerdings auch erwarten, daß die Verfassung für das politische Verhalten der Nationalsozialisten bei der Regierungsbildung Richtschnur ist. Nicht der handle legal, der für eine Minderheit des deutschen Volkes die volle Macht verlange. (Sehr richtig! links. Deshalb werde das Verhalten der Nationalsozialisten ausschlaggebend sein und nicht das Wort des Vertreters einer Partei, von der ein führendes Mitglied sagte, es sei täglich bereit, diesem System gegenüber sein Wort zu brechen. Als besonders widerliches Symp⸗— tom der Regierungszeit der Kommissare sei bas Spitzel⸗ und Denunzigntentum zu bezeichnen, das zur Beseitigung mißliebiger Amarxistischer Beamter“ ausgenutzt werde. Die Art, wie der Reichskommissar jetzt Beamte verleiten wolle, Aussagen gegen ihre früheren Chefs zu machen, sei weit entfernt von der Vornehmheit, die man vom Herrenklub erwarten sollte. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Sozialdemokraten legten schärfsten Protest ein gegen dieses Spitzel⸗ und Denunziantentum. Ausführlich polemisiert der Redner dann gegen die Nationalsozialisten, die auch in der Frage des Reichskommissars sehr rasch alle Stadien von begeisterter Zustimmung bis zur schärfsten Ablehnung durch- gemacht hätten. Das gleiche gegensätzliche Verhalten der National⸗ sozialisten zeige sich auch auf anderen Gebieten. So hätten die Nationalsozialisten innerhalb von acht Tagen zwei Anträge zur Verwaltungsreform eingebracht, von denen der eine für den Zentralismus, der andere für die Dezentralisation einträten. (Heiterkeit) Es zeige sich, daß es den Nakionalsozialisten nicht auf sachliche Auseinandersetzungen mit den Problemen des Tages an—= komme, sondern lediglich auf die Fortführung der demagogischen Politik, mit der sie im Volke Eindruck zu machen versuchen. Auch den liberalistischen Kapitalismus bekämpfe der Nationalsozialismus nur auf dem Papier. Beweis dafür sei u. a. daß es der National⸗ sozialismus war, der einer Regierung der Reaktion und der schwerindustriell⸗kapitalistischen Fntereffen im Reiche ans Ruder geholfen habe. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Der deutsche Nationalsozialismus, der heute glaube, sich um die Früchte seiner Demagogie betrogen zu sehen, sei selbst nur ein betrogener Betrüger. (Sehr wahr! links.) Aber zu den Betrogenen rechne sich auch die heutige Reichsregierung und der Reichskommissar. Diese beiden Cliquen, die nur zwei Pole der Reaktion seien, hätten sich gegenseitig einen Moment lang geglaubt und fühlten sich beide betrogen. Wir, so schließt der Redner, wissen aus langer parla— mentarischer Erfahrung, daß man nur mit ehrlichen Kräften eine klare Aufbaupolitik treiben kann. Niemals aber kann man heute die „aufbauwilligen Kräfte“ scharf angreifen und morgen mit ihnen frühstücken. So mögen Dilettanten Politik treiben; so kann man aber nicht ein 60⸗Millionen⸗Volk regieren. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) In dieser Zeit, in der die Demokratie gefährdet ist und in der mancher den Wert der Demokratie schätzen lernt, der nicht an sie glaubte, wird die Sozialdemokratische Partei ihren Kampf für Demokrgtie und Sozialismus gegen alle Demagogie weiterführen in der sicheren Erwartung und Ueberzeugung auf den vollen Erfolg ihrer Ideen

In einer Geschäftsordnungs⸗Bemerkung teilt Abg. Lei nert (Soz. mit, daß der mit der Führung der Geschäfte des Berliney Polizeipräsidenten betraute Dr. Melcher heute den „Vorwärts auf drei Tage verboten habe wegen einer berechtigten Kritik, die das Blatt an dem Programm des Reichskanzlers von Papen übte. (Bfui⸗Rufe links. Der Redner bringt einen Antrag ein, worin die Aufhebung des Verbots des „Vorwärts“ verlangt wird. Auf Wunsch des Redners wird dieser Antrag sofort auf die Tagesord—⸗ nung gesetzt, mit dem Beratungsgegenstand verbunden und soll am Schluß der Aussprache mit zur Entscheidung kommen.

Abg. Schwenk (Komm; bezeichnet die Entrüstung der Vor⸗ redner über die Staatsstreichpolitik des Herrn von Papen als Komödie. Man wende sich an die falsche Adresse! Hinter all diesen Maßnahmen stehe doch in Wirklichkeit Herr von Hinden⸗ burg. Es zeige sich jetzt, wie verfehlt seine Wahl zum Reichs⸗ räsidenten gewesen sei. Das Zentrum lehne wohl, wie aus den

orten des Herrn Lauscher hervorgehe, eine „illegale“ Diktatur ab, eine Diktatur an sich würde es aber ruhig mitmachen. Herr Kube habe ein Bekenntnis zur Verfassung abgelegt, offenbar um die Verhandlungen mit dem Zentrum zu fördern. Ernst nehmen könne man solche Beförderungen nicht! Wie die Lage der besitz= losen Bevölkerung von der kommissarischen Regierung Bracht in Wirklichkeit verschlechtert werde, zeige auch die neue Verordnung im Wohnungswesen, die die Erleichterungen für die Unter⸗ stützungsbedürftigen bedeutend einschränke. Der Redner kritisiert die Nacktverordnung der Regierung Bracht und erklärt zur Ver⸗ waltungsreform, daß diese nur dem Ziele diene, den Staat zit zentralisieren und ihn geeigneter zu machen zur Durchführung der iktaturpläne. Abg. Oelze (D. Nat. gibt folgende Erklärung ab: Die 1 der Deutschnationalen Volkspartei hat die schwarz rote oalitionspolitik stets aufs schärfste bekämpft. 138 Jahre lang hat eine sozialdemokratische, vom Zentrum gestützte Politik ver⸗ ängnisvoll gewirkt. Der am 24. April neugewählte Landtag at die Hoffnungen, die bei seiner Wahl gehegt wurden, nicht er⸗ füllt, im Gegenteil: er hat trotz mehrfacher Wünsche und Anträge

der Deutschnationalen Volkspartei auf Ansetzung der Wahl eines (Fortsetzung in der Ersten Beilage.)

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Druck der Preußischen Druckerei und Verlags-Aktiengesellschaft, Berlin, Wilhelmstraße 32.

Fünf Beilagen

leinschließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen).

zum Deutschen Reichsanzeiger und

Nr. 204.

Erste Beilage

Berlin, Mittwoch, den 31. August

Preußischen Staatsanzeiger

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)

neuen Ministerpräsidenten dem Kabinett Braun Severing als Geschäftsministerium die Fortsetzung seiner unheilvollen Tätig⸗ keit ermöglicht. Dies geschäftsführende Ministerium hatte nicht den ernsten Willen, auch nicht die Kraft, die öffentliche Ruhe und Sicherheit, namentlich im Interesse der Wirtschaft, in Preußen zu gewährleisten. Die fortschreitende Zersetzung in der Polizei und der Beamtenschaft sowie die Ausgaben von Staatsgeldern für zarteipolitische Zwecke des sterbenden Systems machten ein be— r , Eingreifen der Reichsregierung nach Ärtikel 8, Abs. 2, der Reichsverfassung zur zwingenden Notwendigkeit. In weitesten Kreisen der Bevölkerung ist dieser Eingriff in Preußen durch das Reich als eine Erlöfung empfunden worden. Im einzelnen nehmen wir zu den von dem eingesetzten Reichs⸗ kommissar getroffenen Maßnahmen nicht Stellung, obwohl manche dieser Maßnahmen, besonders die von der vorigen Regie⸗ rung vorbereitete Zusammenlegung der Landkreise und Amts⸗ gerichtsbezirke, von uns nicht gebilligt werden. Die Deutsch⸗ nationale Landtagsfraktion sieht aus diesen Gründen die vorüker⸗ gehende Einsetzung eines Reichskommissars in Preußen als die einzig mögliche Maßregel im Staatsinteresse an. Dles gilt um so mehr, da die Parteien, die sich nach den Erklärungen des Ab⸗ geordneten Kube im Aeltestenrat zur Mehrheitsbildung jetzt zu⸗ sammenfinden wollen, nämlich die NSDAP. und das Zentrum, auch heute wieder gemeinsam die Vertagung des Landtags be⸗ schlossen haben, weil sie mit ihren Verhandlungen noch nicht zum Abschluß gekommen sind.

„Abg. Sten del (Dt. Vp) weist aufs entschiedenste die An— griffe des Abg. Kube gegen den Reichspräsidenten zurück. Der Abgeordnete Kube habe wörtlich gesagt, daß der Mann, der an der Spitze der Obersten Heeresleitung dem Kaiser den Rat gegeben habe, nach Holland zu gehen, der Mann, der die Pflicht gehabt habe, seinen Säbel vor den Kaiser zu stellen, derselbe Mann sei, der Herrn Bracht zum Kommissar in Preußen eingesetzt habe. (Zurufe bei den Nationalsozialisten) Die Zurufe bestätigen, daß die Aeußerungen tatsächlich so gefallen sind. Das sind Vorwürfe,

die man gegen einen Mann erhoben hat, der, als die Auslieferung des Kaisers von der Entente gefordert wurde, sich selbst anbot. Damals, als die Studenten in Hannover ihn von seiner freiwilli⸗ gen Auslieferung abhalten wollten, hat Hindenburg erklärt: Wenn die Entente mich alten Mann an die Wand stellen will, dann mag sie's tun. So ist der alte Reichspräsident mit feinem Leben für den Kaiser eingetreten. Einem solchen Mann gegenüber derartige Vorwürfe zu erheben, wie es der Führer einer großen Partei getan hat, dafür fehlt uns jedes Verständnis. Diese Vorwürfe reichen nicht an die Stiefelsohlen des Reichspräsidenten heran Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei Wir weisen sie um so schärfer zurück, als sie von dem Führer einer Fraktion erhoben werden, die auf das Nationale befonderes Gewicht legt und die mit solchen Vorwürfen doch die persönliche Ehre eines ganz Großen der deutschen Nation kränkt. (Große Ünruhe bei den National⸗ aha iten Es besteht kein Zweifel, daß der preußische Kommissar alle Befugnisse übertragen erhalten hat, die bisher der Minister⸗ präsident besaß. Ueber die rechtliche Frage kann kein Zweifel fein Es fragt sich nur, ob die tatsächlichen Vorwürfe gegen die alte Regierung berechtigt sind. (Die Unruhe be den Nationalsozialisten steigert sich gegenüber dem Redner immer mehr) Wir werden abwarten müssen, was der Staatsgerichtshof sagt. Die Aussichten der alten preußischen Regierung sind aber sehr gering. Wir haben große Bedenken gegen die Verwaltungsreform, vor allem nach der tatsächlichen Seite hin. Es scheint uns nicht genügend Rücksicht auf die Verhältnisse der Bevölkerung genommen worden zu sein. Nachdem der Redner noch auf die Briefe des Landtagspräsidenten hingewiesen hat, in der dieser das Eingreifen des Reiches und die Einsetzung eines Kommifsars in Preußen gefordert hat, wird die Unruhe bei den Ngtionalsozialisten so groß, daß der Redner nicht mehr auf der Tribüne zu verstehen ist. Immer mehr Nationalsozialisten werden in den Saal hineingerufen, um durch laute Zurufe und Massengemurmel trotz öfteren Eingreifens des Präsidenten von Krles die Worte des Redners zu übertönen. Die Erregung der Natienalsozialisten richtete sich gegen die Zurück⸗ weisung der Angriffe auf den Reichspräsidenten. Abg. Nu schke (D. Staatsp.) bezeichnet die Einsetzung des Staatskommissars und die Absetzung der Minister als verfassungs— widrig. Die Nationalsozialisten, die jetzt hier so starke Klage er—= höhen, sollten doch nicht vergessen, daß sie selbst so eifrig nach dem Reichskommissar gerufen haben.“ Die Deutschnationalen hätten die Revolution von oben gefordert. Man könnte nicht dringend genug den Reichspräsidenken und Herrn von Papen warnen, diesem Rufe Folge zu leisten.

Abg. Biester (Dt. Hann) kritisiert die Verwaltungs⸗ kesorm. Herr von Papen habe sich in Muͤnster als konservativer Mann vorgestellt. Seine Taten sähen nicht danach aus. Die Ver— waltungsreform müsse schleunigst rückgängig gemacht werden.

Abg. Scheele (Christl. Soz. Volksd.) erklärt, der Miß⸗ n gegen die kommissarische Regierung sei nach Lage der Sa e ohne, jede praktische und rechtliche Bedeutung. Seine Freunde sähen sie als eine zwecklose Demonstration an und würden ihre Abstimmung danach einrichten.

Abg. Steinfurth (Comm.) protestiert gegen die Ver⸗ urteilung des Kommunisten Schmidtke zu zehn Jahren Zuchthaus und fordert die Beseitigung der Sondergerichte und Aufhebung ihrer Urteile.

Damit schließt die Aussprache.

Bei den Abstimmungen wird mit den Stimmen aller Fraktionen gegen die Deutschnationalen und bei Stimm— enthaltung des Christlich⸗-Sozialen Volksdienstes ein national— vozialistischer Antrag augenommen, wonach der Landtag dem Reichs kommissar von Papen seine Mißbilligung ausspricht. Die Nationalsozialisten rufen den auf ihren Plätzen sitzen⸗ gebliebenen deutschnationalen Abgeordneten zu: Nieder mit der Reaktion!

Annahme findet weiter mit der gleichen Mehrheit ein sozialdemokratischer Antrag auf Aufhebung der Notverordnung über die Einsetzung des Reichskommissars und auf beschleunigte Herbeiführung der Entscheidung des Staatsgerichtshofs. Ebenso wird ein kommunißftischer Antrag angenommen, der den Reichspräsidenten auffordert, seine Verordnung über die Einsetzung des Reichskommissars aufzuheben und der darüber hinaus verlangt, daß alle auf Grund dieser Verordnung el reffe nen Maßnahmen sofort rückgängig gemacht werden. Der letzte Teil des kommunistischen Antrages, wonach kein Beamter oder Angestellter verpflichtet sein 90 den auf Grund dieser Verordnung erlassenen Dienstanweisungen nach⸗ zukommen, wird angenommen mit den Stimmen? der Kom— munisten und Nationalsozialisten. Der kommunistische An⸗ trag, der dem Landtagspräsidenten Kerrl das allerschärfste Mißtrauen ausspricht wegen seines Schreibens an den Reichs— kanzler von Papen vom 19. Juli, worin die Einsetzung eines Reichskommissars für Preußen und die Uebernahme der

gegen Sozialdemokraten und Kommunisten. Dagegen findet gegen Zentrum und Deutschnationale ein kommunistischer Antrag Annahme, der das Staatsministerium ersucht, den Reichspräsidenten aufzufordern, „die von ihm unter der irre⸗ führenden Bezeichnung der Sicherung des inneren Friedens erlassene Notverordnung vom 29. Juli d. J. zum Verbot aller öffentlichen politischen Versammlungen und Demonstrationen bis zum 10. August 1932 sofort aufzuheben“.

Mit den Stimmen der Nationalsozialisten, Sozialdemo⸗ kraten und Kommunisten wird ferner ein kommunistischer Antrag angenommen, der das Staatsministerium ersucht, alle bestehenden Zeitungsverbote sofort aufzuheben. Durch die Annahme dieses Antrags gilt der sozialdemokratische Antrag mit als erledigt, der im Laufe der Sitzung eingebracht war und die Aufhebung des heute ausgesprochenen Verbots des „Vorwärts“ verlangte. Die von den Kommunisten beantragte Aufhebung der Strafvollstreckung gegen den kürzlich vom Berliner Sondergericht verurteilten Jungarbeiter Paul Schmidtke wird gegen die Antragsteller abgelehnt, während Anträge des Geschäftsordnungsausschusses Annahme finden, die die Aussetzung von Strafverfahren gegen kommunistische und nationalsozialistische Abgeordnete fordern. Ein kom— munistischer Antrag gegen die Stillegung zweier Werke in Hildesheim geht ohne Aussprache an den Ausschuß.

Als Vizepräsident Dr. von Kries dem Hause hierauf vorschlägt, sich zu vertagen und die nächste Sitzung am Mittwoch, dem 21. September, stattfinden zu lassen, wobei der Präsident ermächtigt werden soll, die Tagesordnung fest⸗ zusetzen, kommen von den Kommunisten Oho⸗Rufe. Abg. Koenen (Komm erklärt, Zentrum und Nationalsozialisten wollten sich auf diese Weise noch Zeit zum weiteren Aus⸗ handeln der Ministersitze sichern. (Zuruf aus der Mitte: Darüber sind wir uns ja schon einig Das Verlangen des Redners, die nächste Sitzung bereits am Dienstag, dem 6. September, abzuhalten und darin vor allem die Berg⸗ arbeiter⸗Anträge zu erledigen sowie Anträge über Ernte⸗ finanzierung und Arbeitsbeschaffung, wird gegen Antrag⸗ steller und Sozialdemokraten abgelehnt. Es bleibt bei dem Vorschlag des Präsidiums.

Schluß der Sitzung gegen 21 Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Aeltestenrat des Reichstags hielt gleich nach der Plenar— sitzung seine erste Sitzung unter dem Vorsitz des Praäsidenten Goering ab. Die Beratungen galten im wesentlichen dem Plan für die Konstituierung der Ausschüsse. Es wurde festgelegt, daß noch nicht alle Ausschüsse, sondern zunächst nur vier sich am Mitt⸗ woch konstituieren sollen. Es handelt sich um den Ausschuß zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung, um den Auswärtigen Ausschuß, den Haushaltsausschuß und den Geschaftsordnungsaus schuß. Im Auswärtigen und im Haushaltsausschuß führen die Nationalsozialisten, im Ausschuß zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung die Sozialdemoksaten und im Geschäftsordnungs— ausschuß das Zentrum den Vorsik.

Für die nächste Reichstagssitzung sind noch keine endgültigen Dispositionen getroffen, da zunächst das Ergebnis der Be— sprechungen des Reichstagspräsidiums in Neudeck und mit der Reichsregierung abgewartet werden muß. Der Termin der Reise nach Neudeck wird erst entschieden werden, wenn die Antwort des Reichspräsidenten auf das Telegramm des Reichstagspräsidiums vorliegt. Das wird voraussichtlich am Mittwoch der Fall sein. Es ist aber in Aussicht genommen, die nächste Plenarsitzung schon in der nächsten Woche, und zwar entweder Donnerstag, den 85, oder Freitag, den 9. September, abzuhalten. Auf die Tagesordnung soll eine Erklärung der Reichsregierung gesetzt werden. Falls sich die Regierung in den Besprechungen der nächsten Tage nicht bereit er⸗ klärt, diese Erklärung in der nächsten Woche abzugeben, wird der Aeltestenrat zu einer néüen Sitzung einberufen werden.

Der Aeltenstenrat des Preußischen Landtags beschloß dem Nachrichtenbüro des Vereins Deutscher Zeitungsverleger zufolge gestern nach längerer Aussprache, nach Abschluß der gestrigen Land⸗ kagssitzung, in der nur die Einsetzung des Reichs⸗

(kommissars und die damit verbundenen Anträge besprochen

werden sollen, dan Landtag bis zum 21. September zu vertagen. Die Festsetzung der Tagesordnung dieser Sitzung ist dem Präsidenten vorbehalten worden. Ein Termin für die Wahl des preußischen Ministerpräsidenten werde nicht festgesetzt. Die auf der gestrigen Tagesordnung stehende Aussprache über die politischen Terrorakte in den verschiedensten Gegenden Preußens wurde abgesetzt. Präsident Kerrl teilte noch mit, daß er beab⸗ ichtige, in einer Protesterklärung gegen das letzte Schreiben des n m Reichskommissars Dr. Bracht Stellung * nehmen, wonach die kommissarische Regierung dem Landtag nicht verantwortlich und an seine Beschlüsse nicht gebunden sei. Abg. Kube (Nat. Soz) meinte, die Haltung des stellvertretenden Reichskommissars verdiene die r,. Kritik, die er im Land⸗ tagsplenum noch aussprechen wolle. Die Bestrebungen der . gingen dahin, eine verfassungsmäßige Re⸗ gierung zu bilden. Von Zentrumsseite wurde angeregt, einem Vertreter der früheren Staatsregierung, also des Kabinetts Braun, Gelegenheit zur Abgabe einer Erklärung im Landtag zu geben. Präsident Kerrl wies auf die schwebenden verfassungs⸗ rechtlichen Streitigkeiten in dieser Angelegenheit hin, die es ihm ,, machten, einent Vertreter der früheren Staatsregierung das Wort zu geben. Es wurde vereinbart, daß ein Mitgkied der 66 Staatsregierung in seiner Abgeordneteneigenschaft vor äintritt in die Tagesordnung eine Erklärung abgeben solle. Die Beschlüsse zur Tagesordnung und auf Vertagung des Landtags wurden mit den Stimmen des Zentrums und der National— sozialisten gefaßt.

Handel und Gewerbe. Berlin, den 31. August 1932.

Wagengestellung für Kohle. Koks und Briketts im Ruhrrebier: Am 30. August 19532: Gestellt 14 37 Wagen.

Die Elektrolelttupfernotterung der Vereinigung für deutsche Elektrolytkupfernͤtiz stellte sich laut Berliner Meldung des . am 31. August auf 5b, 26 4 (am 369. August auf 54, 00 0) für g.

Polizeigewalt auf das Reich gefordert sei, wird abgelehnt

1932

In Berlin sestgesteilte Notierungen für telegraphische Auszahlung, ausländische Geldsorten und Banknoten,

Telegraphische Auszablung.

W —— ——— err, 31. August 30. August

Geld Brief Geld Brie Buenog⸗ Aires. 1 Pap. Pes. o, 308 0,912 0, 8sg8 C0902 Canada.... 1 kanad. 3,756 3, 764 3,756 3.764 Istanbul . . . . 1 türk. Pfund 2,008 2012 2.006 2.012 Japan ..... 1 Jen 0,969 0971 0 969 0971 Kairo ..... 1 ägvpt. Pfd. 14975 15015 14985 15,025 London.... 18 14595 14635 14,605 14645 New Jork... 15 4209 4217 42090 42170 Rio de Janeire 1 Milreis 0,322 O0, 324 0322 0,324 Uruguav .... 1 Goldpeso Lid 1 L738 1742 Amsterdam⸗

Rotterdam 100 Gulden 169.33 169.97 169,73 170 07, Athen ..... 100 Drachm. 2, I97 2.803 2847 2.853 Brüssel u. Ant⸗

werpen ... 100 Belga 58, 34 58, 46 583 588, 46 Bucarest .... l00 Le: 2,518 2,524 2,518 2,524 Budapest ... 100 Pengö Danzig. .... 100 Gulden S2, 07 82.23 82, 99 82, 18 Delsingfors .. 100 Fmk. 6,264 6, 276 6264 6,276 Italien .... 100 Lire 21.60 21,64 21,58 Zl, 62 Jugoslawien. . 100 Dinar 6 693 6.707 6,693 6.707 Kaunas, Kowno 100 Litas 41,985 42, 04 41,98 42 04 Kopenhagen.. 100 Kr. fo, 17 75, 33 74 68 74,82 Lissabon und

Dporto ... 109 Egeudos 1334 13.36 1334 1336 Oslo ...... 100 Kr. Riß md 73,3 73.27 Paris ..... 100 Frs. 16,495 16,535 16,495 16,535 ,, a m 12, 465 12, 485 12,465 12.485 Reykjavik

(Ibland) . 100 isl. Kr. ß5, 68 65, 82 65,68 65,32 Riga ...... 100 Latts 79, ? 79. 88 79,77 79,88 Schweiz .... 100 Frs. 81,52 81,68 81,52 81,68 Sofia ..... 100 Lewa 3,057 3, 063 3,057 3.063 Spanien.... l100 Peseten 33,87 33,93 33,82 33 88 Stockholm und

Gothenburg. 100 Kr. 74,92 75, 08 74,92 75 08 Tallinn (Reval,

Estland). .. 100 estn. Kr. 11059 110 81 110,59 110,81 Wien. ..... 100 Schilling! 5.95 5265 5195 52,05

Ausländische Geldsorten und Banknoten.

51. August 30. August

Geld Brief Geld Brief Sovereigns.. Notiz 20,383 2046 20338 20 46 20 Fres. Stücke für 1616 16,22 16,16 16,22 Gold⸗Dollars . 4 1Stück 4,185 4,205 4 185 4.205 Amerikanische:

1000 –— Doll. 12 4890 422 420 422 2 und 1 Doll. 18 4,20 422 420 4,22 Argentinische⸗ 1 Flo 0,80 0, S2 O, 79 0581 n e 4 . m * . 2 2 Sanadische. .. 1 kanad. 3, 75 7 3,75 Englische: große 1 * 14,555 14,615 14,565 14,525 1E u. darunter 18 14555 14,515 14,565 14625 Türkische. . .. 1 türk. Pfund 1.99 2, 01 193 2,01 Belgische. . .. 100 Belga 58, 8 58, 42 58, 18 58,42 Bulgarische .. 100 Lewa . Dan iche. . . . 160 Kr. 75,09 1539 7150 70630 Danziger. . .. 160 Gulden 53138 8221 313514 67 16 Estnische ... 100 estn. Kr. 10998 11042 109,98 110342

Finnische. . .. 100 Fmk. 6,20 6. 24 6,20 6,24

Französische .. 100 Frs. 164455 16515 16.455 16,515

Dollandische .. 100 Gulden 169.25 169 94 163,36 17004 Italienische: gr. IO Lire 21,55 21,64 21,54 21,562 100 Lire u. dar. 100 Lire 21,685) 21,76 21.1665) 21,4 Jugoslawische . 100 Dinar 6,585 6, 62 6,58 6,62 Letklänzische. . 100 Lats * Litauische ... 100 Litas 41,77 41.88 4172 41,88 Vorwegische .. 100 Kr. 72 95 73 25 72, 99 73,25 Desterreich.: gr. 100 Schilline 100Sch. u. dar. 100 Schilling Rumãänische: 1000 Lei und neue 500 Lei 100 Lei 2,49 2,51 2, 49 2,51 unter 500 Lei 190 Lei 246 248 2, 4 248 Schwedische .. 100 Kr. 74,75 7h, 0ö5 74, 75 75, 065 chweizer: gr. 100 rs. Sl, 81, 66 Sl, 34 81,66 100 Frs. u. dar. 100 1 sl, ß 4 81,66 81, 34 81,66 Spanische )).. 100 Peseten 33,573 33,87 33 68 33, 82 Tschecho slow. 000 u. 1000 R. 1090 Ke 1239 1245 12,40 12,46 500 Kr. u. dar. 100 Ke 12.39 12,45 12, 40 12, 46

Ungarische ... 100 Peng ) nur abgestempelte Stücke. ) Nur teilweise ausgeführt.

O st devisen. *. Auszahlungen. Warschau ... 100 31. 47,10 47, 30 47, 10 47, 30 26 2 . 47,10 47,30 47,10 47,30 attowitz ... 100 31. 47, 19 47, 30 47,109 4730 Polnische ... 100 91.

Notennotierungen. 1 46,90 47,9 1 46,90 47,30

Berlin, 30. August. Preisnotierungen für Nahrungz— mittel, Gin kgulspreise des Lebensmitteleinzel. handels für 100 Kilo frei Haus Berlin in Originalpackungen.) Notiert, durch öffentlich angestellte beeidete Sachverständige der Industrie⸗ und Handelskammer in Berlin. Preise in Reichsmark: Gerstengraupen, grob 32.00 bis 3300 ½ . Gerstengraupen, mittel 34,900 bis 39,00 A, Gerstengrütze 27, 00 bis 28, 00 Æ, Haferflocken 34. 00 bis 35, 00 4, aer g gh gesottene 37,00 bis 38.00 A, Roggen. mehl 0 - 70 0 27,90 bis 29 50 A., Weizengrieß 40 00 bis 1 06.4 Hartgrieß 43 00 bis 4400 Æ,. Weizenmehl 28,00 bis 3790 4, Weizenauszugmehl in 100 kg⸗Säcken br. f. mn. 37,00 bis 41, 00 4, Weizenauszugmehl, feinste Marken, alle Packungen 4l, 0 bis 5 0) A, Speiseerbsen, Viktoria, gelbe 29,06 bis 33,00, Speiseerbsen, Viktoria Riesen, gelbe 33,00 bis 35,00 4, Bohnen, weiße, mittel 20 00 bis 22,00 A, Langbohnen, ausl. 26,06 bis 27, 00. A, Linsen, kleine, letzter Ernte 27.90 bis 3000 4. Linsen, mittel, letzter Ernte 30. 00 bis 34.900 . Linsen große, letzter Ernte 34, 00 bis 5, 00 M, Kartoffel- mehl, superior 33,50 bis 34,50 4, Bruchreis 19,90 bis 20,00 Hk, Nangoon: Reis, unglasiert 19 00 bis 20,00 A, Siam Patna⸗Reis, glasiert 27, 00 bis 33,00 4. Java⸗Tafelreis, glasiert 40 00 bis 6, 00 A, Ringäpfel, amerikan. extra choice 97 00 dis 101,600 4A. Amerik.

Pflaumen do / 09 in Originalkistenpackungen 53, 00 bis hö, 00 A,

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