1932 / 225 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Sep 1932 18:00:01 GMT) scan diff

Neichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 225 vom 24. September 1932. S. 2

In und Stationen am Teltowkanal: he Fracht wie Groß Berlin. Der Frachtführer erhält Teltowkanalgebühren vom Empfänger vergütet. Unter Teltowtanalgebühren“ sind verstanden die Kosten für die Einfahrt in und die Ausfahrt aus dem Teltowkanal und Neuköllner Stichkanal. über Grund fracht Groß Berlin

V RM O0, 10 je Botsdam, Roivawes „020 Ketzin 9,40 0,55 0,65 0, 80 l, 1,35 j 0, 50 1,30 9, 30 090,40 0.30 je 0,70

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. Plau

Genthin, Rathe

J erberg (Mark) Fracht wie Groß Berlin Eberswalde (Hohenzollern Kanal) Fracht wie Groß Verlin Eberswalde (Finow⸗ Kanal) .... Heegermühle, Wolsswinkel, Kupfer

hammer J Zehdenick, Mildenberg, Burgwall Marienthal v. d. Schl...

. 1 e Bredereiche (Notstandsfracht) .. . Fürstenberg i. Mecklenburg (Notstands⸗

fracht) ,, w. Neuruppin k . Lindow, Seebeck. H 666 .

9 2 unter J ö Grund⸗ sracht

Grünen g,, ,, 5 50 Groß

Nach Küstrin⸗Wartheablage muß der Berlin

Empfänger außerdem das Schlepp⸗

lohn von Küstrin bezahlen.

Hohensaaten (nur für Großkähne) ... Hohensaaten (für Finow⸗Kähne tarif⸗ lich nicht erfaßt) Hohenwutzen .. ; Müllrose ü Fürstenwalde, Ketschendorf . ...

Cosel⸗Hafen: Landsberg (Warthe)

Oppeln: Landsberg (Warthe) ..

Breslau: Landsberg (Warthe)́ .

Fürstenberg (Mark) v. d. y * d. d. Schl. Frankfurt, Küstrin, Gr. Neuendorf, ö .

* ie t 2 . 9 9 9 9 * je t 95 . le t /

5, MNotstandsfracht 4,40 ]) für oberschl. 3, Brennstoffe

1. !.

Breslau / Maltsch: Landsberg MJ /- 3, Brennstoffe Für Warthe- und Netze-Stationen oberhalb gilt mindestens die Landaberger Fracht.

für niederschl.

Stettin und Umgebung, Peene- und Haff-Stationen:

Stettin, einschließlich Grabow, Bredow, Züllchow, Gotzlow, Hedwigshütte ö

Stettin-Kratzwieck, Stolzenhagen .. Odermünde, Finkenwalde ... Klein-Reglitz. J Scholwin, Podejuch, Altdamm

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Swinemünde w

Wollin, Uckermünde, Lebbin.

Anklam, Jarmen. JR

Wolgast, Cammin, Griestow b. Cammin

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Malchin. J 2.

Greifswald w .

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Stettiner Grundfracht

RM o,o je t über 0, 10 Grund⸗ 0,15 sracht 0626 Stettin 0,103 ö. 0,20 0,25 j 0,0 je 0,60 0, 66 0, 75 j 0, 860 je 0,85

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Stralsund, Puddemin. .. , . . Die Frachten nach Peene⸗ und Haff⸗Stgkionen verstehen sich bei Gewährung freien Dampfes von Stettin nach der Bestimmungsstation und zurück und Erstattung des Hafengeldes an der Empfangsstelle. Für hier nicht namhaft gemachte Stationen ist eine Vereinbarung von Fall zu Fall zu treffen. Für im Tarif nichtgenannte Empfangsplätze mit freier Frachtver⸗ einbarung muß zum mindesten die Tariffracht der nächstgelegenen Tarifstation gefordert und gezahlt werden. Für Ladungen, die ursprüuglich nach außerhalb der Tarifgrenzen des Frachtenausschusses liegenden Empfangsplätzen mit freier Fracht⸗ vereinbarung verschlossen werden, jedoch an irgendeiner vor dem ursprünglichen Bestimmungsort liegenden Tgrifstation zur Entlöschung kommen, ist die für diese Station geltende Tariffracht des Frachten⸗ ausschusses zu zahlen, wenn diese Tariffracht höher als die Schluß⸗ fracht ist. Zur Vermeidung von Verlusten empfiehlt es sich, in allen Fracht⸗ abschlüssen sowohl mit der Kundschaft als auch mit den Schiffern den Vermerk anzubringen: „Zu den Bedingungen und Tarifen des Frachtenausschusses für die Oder.“ An die Verladefirmen ist das dringende Ersuchen gerichtet, den Schiffern die endgültige Order spätestens in Fürstenherg a. O. zu erteilen. Bei Konsignationsladungen ist eine Wartezeit des Schiffers zugestanden, jedoch höchstens 24 Stunden, die bei der Entlöschung in Anrechnung zu bringen ist.

Breslau, den 11. Juni 1932. Frachtenausschuß für die Oder. Graetz.

. . ! .

Verbot. Auf Grund des 5 6 Absatz 1 Nummer 4 der Verordnung des Reichspräsidenten gegen politische Ausschreitungen vom 14. Juni 1933 (RGBl. 1 S. 297) verbiete ich das Erscheinen der Zeitung „Volkswart“ auf die Dauer von drei Mo⸗ naten, und zwar für die Zeit vom 6. November 1932 bis zum 5. Februar 1933 einschließlich. . Nach 5 6 Absatz 3 der Verordnung des Reichspräsideten gegen politische Ausschreitungen vom 14. Juni 1932 (RGBl. 1 S. 297) in Verbindung mit § 13 . 2 des Ge⸗ setzes zum Schutze der Republik vom 265. März 1930 (RGðBl(l S. 91) umfaßt dieses Verbot sämtliche Kopfblätter sowie jede angeblich neue Druckschrift, die sich sachlich als die alte dar⸗ stellt oder als ihr Ersatz anzusehen ist.

Magdeburg, den 23. September 1932.

Der Oberpräsident der Provinz Sachlen. J. V.: Jansen.

21 1 Bericht

Nichtamtliches. Preußischer Landtag.

20. Sitzung vom 23. September 1932. d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.) Präsident Kerrl eröffnet die Sitzung um 10,15 Uhr.

1 gibt Abg. Kube (Nat. Soz.) folgende Erklärung ab: De

Vor Eintritt in die Tagesordnung ' Der Steuer hat in einer seiner gestrigen Reden mit der

ba bei ihm bekannten Phantasie er⸗ klärt, ich häfte ausgerechnet ihm gegenüber Herrn Dr. Bracht als den für üns Nationalsozialisten in Frage kemmenden Minister präsidenten in Preußen benannt. Im alten Landtag hat der Abg. Steuer unaufgefordert am nationalsozialistischen Tisch im Restaurant Platz genommen und in seiner wortreschen Ari seine Auffassung über die parlamentarische Lage und gewisse politische Persönlichteiten im Landtag vorgetragen. Ich stelle fest, daß ich mit ihm nie über die Persönlichkeiten der nationalsezialistischen Kandidaten für das preußische Ministerpräsidium gesprochen

habe und daß es eine objektive und subjektive Unrichtigkeit des Abg. Steuer ist, daß, wie er hier im Hause und auch draußen

in der Oeffentlichkeit im „Lokalanzeiger“ behauptet, ich ausge⸗

rechnet Herrn Dr. Bracht als Ministerpräsidenten der National⸗ sozialisten für Preußen genannt hätte. Herr Steuer ist nicht nur hier im Hause, sondern auch sonst dafür bekannt, daß er in for⸗ mal überzeugenden Worten Dinge behauptet, die lediglich in seiner Phantasie vorhanden sind. (Stürmisches Hört, hört!)

Abg. Koch (D. Nat.) weist darauf hin, daß in der gestrigen Sitzung gegenüber dem Abg. Steuer aus den Reihen der national

sozialistischen Fraktion der beleidigende Zuruf „Judenjunge“ ge⸗ fallen sei. (Heiterkeit rechts) Wir weisen diesen Vorwurf aufs allerschärfste zurück und erwarten, daß die Fraktion den Zwischen⸗ rufer veranlassen wird, diesen Ausdruck mit Bedauern zurück

zunehmen.

Abg. Steuer (D. Nat. erwidert dem Abg. Kube, er möge zunächst einmal das Stenogramm nachlesen. Tatsächlich habe er gesagt, daß der Abg. Kube ihm erzählt habe, ein Oberbürger⸗ meister einer westlichen Großstadt sei als Ministerpräsidentschafts⸗ kandidat in Aussicht genommen. (Als der Redner dann seine Aus⸗ führungen fortsetzt, ertönen von den Nationalsozialisten und namentlich vom Abg. Kube stürmische Protestrufe.)

Präsident Kerr! entzieht dem Abg. Steuer das Wort, als er sagt: Der Abg. Kube lüge, wenn er ...

Abg. Kube (Nat. Soz) stellt fest, daß er das unkorrigierte Stenogramm des Abg. Steuer noch gestern Abend nachgelesen habe. (Als der Redner von einer lügnerischen Behauptung des Abg. Steuer spricht, wird er vom Präsidenten zur Ordnung ge⸗ rufen) Abg. Kube erklärt weiter, daß er nicht daran denke, zu irgendeiner Zeit ausgerechnet mit Herrn Steuer über Koalitions— fragen verhandelt zu haben. Herr Steuer sei bekannt dafür, daß er stets Privatgespräche und dieses hier habe bestimmt nicht stattgefunden nachher politisch ausnutze. Steuer habe oft am Tisch der Nationalsozialisten auch Bemerkungen über Herren seiner Partei gemacht, die jeder Auffassung von politischer Ritter— lichkeit widersprächen. (Hört! Hört-Rufe und Gelächter bei den Nationalsozialisten Was den Zuruf „Judenjunge“ angehe, so nehme er keinen Anstand, für seine Fraktion zu erklären, daß dieser Zuruf bedauert und nicht aufrechterhalten werde. Aber wenn die Deutschnationalen derartige Zurufe zum Gegenstand der Kritik von der Tribüne des Hauses machten, dann müsse man von dieser Stelle auch eine Bemerkung der deutschnationalen Abg. von Watter aufs schärfste zurückweisen, die die Nationalsozialisten Schweine“ genannt habe. (Stürmische Pfni⸗Rufe bei den Nationalsozialisten, die sich in erregten Kundgebungen gegen die Deutschnatlonalen wenden)

Auf kom munistischen Antrag wird ein Beschluß des Hauptausschusses sofort bestätigt, der das Staatsmini⸗ sterium ersucht, sofort den Betrag von 380 000 Mark der Landwirtschaftskammer der Provinz Bran⸗ den burg zur Verfügung zu stellen zwecks unverzüglicher Verteilung an die durch die Unwetterkatastrophe im ucker⸗ märkischen Tabakbaugebiet Geschädigten, mit der besonderen Auflage, daß eine Anrechnung etwa von den Kommunen gezahlter Wohlfahrtsunterstützungen auf die Entschädigungs⸗ summe in keinem Falle stattfinden darf. Die Verteilung des Geldes soll unter Mitwirkung der von den Geschädigten gewählten Kommission erfolgen.

Auf Antrag Winzer (Soz.) wird ein auf sozial⸗ demokratischen Antrag zurückgehender Beschluß des Woh⸗ nungsausschusses angenommen, der sich mit den Miet⸗ verhältnissen der alten Stadtvogtei am Molkenmarkt zu Berlin beschäftigt. Der Reichs⸗ kommissar wird darin ersucht:

1. den Vertrag zwischen dem Fiskus und den Schippanowstki⸗ schen Erben zum frühesten Termin zu lösen, 2. Mittel bereit⸗ zustellen zur anderweitigen Unterbringung der in nicht mehr instandsetzungsfähigen Wohnungen untergebrachten Mieter, 3 die Polizei anzuweisen, die Schippanowski'schen Erben zur schnellsten Herstellung eines polizeimäßigen Zustandes zu zwingen, 4. Herab⸗ setzung der Mieten auf die durchschnittliche Höhe, wie sie dem Pachtvertzaag entspricht, mindestens aber um 59 vH, 5. bei etwaiger späterer Weiterverpachtung des Gebäudes im Vertrag die Nutzung als Wohnraum auszuschließen und 6. dem Landtag bis zum 1. November von dem Veranlaßten Bericht zu erstatten.

Weiter wird ein A , des Beamten⸗ aus schusses bestätigt, der den Reichskommissar ersucht, bei der Durchführung der Verordnung über die Ne u—= glie derung von Landkreisen dafür zu sorgen, daß die ausgesprochenen Kündigungen von Ange⸗— stellten der Landkreise und Amtsgerichte sofort rückgängig gemacht werden, im Einvernehmen mit den Angestelltenräten und Gewerkschaften die Unterbringung in anderen Stellen durchgeführt wird, und Dauerangestellte

egen ihren Willen nur unter Bewilligung der gesetz lichen a,, g, entlassen werden. Ausscheidende Angestellte sollen auf eine Abfindungssumme Anspruch haben. .

Das Haus tritt dann in die Tagesordnung ein. Als erster Punkt stehen zur Beratung die Anträge, der Kom— munisten, des Zentrums und der Nationalsozialisten auf Strafunterbrechung für politische Gefan⸗

ene. Verbunden mit der Beratung ist der sozialdemo⸗ kehr sche Antrag über die Nachprüfung der Urteile der Sondergerichte. V

Abg. Kuttner (Soz.) begründet den sozialdemokratischen gatn , e erklärt, daß X Urteile der Sondergerichte mit dem Rechtsempfinden der 3 nicht das mindeste zu tun hätten. . Allertraurigste sei, daß Personen, die in keiner Ber bindung jur Politit stehen, wegen Vergehen, die sonst harmlos seien, schwer bestraft würden. Wenn der politische Terror in den letzten Wochen nachgelassen habe, so habe das nicht an den dra⸗ konischen Strafen der Sondergerichte gelegen, ond tn erg, daß ausnahmsweise in diesem Jahre einige Wochen mal nicht Wahlen vor der Tür ständen. Er sei leider er, . daß bei den kom⸗ menden Reichstagswahlen die politischen Exzesse auch wieder ein⸗

gs diejenigen, die diese politischen Verhältnisse her⸗

n hätten. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) igische sei, daß bei den Sondergerichten vielfach zweifel⸗ „ob auch wirklich die Täter und nicht Unschuldige bestraft seien. Der Redner kritisiert namentlich das Sonder⸗ zerichtsverfahren wegen der Vorgänge in der Hollmannstraße in Es sei eine Ungeheuerlichkeit, daß es das Gericht abge⸗

sich den und damit die Lichtverhältnisse am

tort in der zehnten Abendstunde anzusehen. Er fürchte, daß dem Gericht nicht hell genug gewesen sei bei diesem Urteil. i ndergerichtsurteile gebe es nur das Wiederaufnahme⸗

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Gegen die S verfahren, das unter den heutigen Rechtsverhältnissen außer⸗ ordentlich schwierig sei. Es müsse daher sofort etwas geschehen, und dem solle der sozialdemokratische Antrag dienen.

Abg. Steinfurth (Komm.) begründet einen Antrag auf ortige Haftentlassung der kommunistischen An⸗ klagten im Felseneck⸗Prozeß. Insbesondere wendet der Redner dagegen, daß der Landtagsbeschluß vom 16. Juni nicht durchgeführt werde, da diejenigen Verurteilten, die länger als sechs Monate Strafe zu verbüßen haben, jetzt ihre Strafe an⸗ treten sollten. Er verlangt Freilassung der im Felseneck Prozeß angeklagten Kommunisten und spricht von der Tätigkeit der Son⸗ dergerichte. In vier Wochen seien gegen links 140 Prozesse durch⸗ geführt und 571 antifaschistische Arbeiter vor die Schranken des Gerichts gestellt worden. Tie Sozialdemokratie habe den Weg geebnet zu der Sonderjustiz. Der sozialdemokratische Urantrag bitte um die Gnade des Herrn von Papen, die Kommunisten aber forderten, daß alle Verurteilten, die nicht gegen die Interessen der Arbeiterklasse verstoßen haben, sofort aus den Strafanstalten ent⸗ lassen werden.

Abg. Dr. Freisler (Nat. Soz.) richtet scharfe Vorwürfe gegen die kommissarische Regierung, die den Beschluß der Braun⸗ Severing⸗Regierung, bis zur Erledigung der Amnestiegesetzent⸗ würfe politische Gefangene von der Vollstreckung der Haft zu ver⸗ schonen, aufgehoben habe. Die gegenwärtige Regierung verfolge besonders die Nationalsozialisten. Zu der Frage der Sonder⸗ gerichte erklärt der a. Es ist selbstverständlich, daß eine Nation, die im Aufbruch begriffen ist, sich dagegen sichert, daß die Unterwelt sie durch Terrormaßnahnien hindert. Was jetzt ge⸗ schehen ist, bedeutet aber zum großen Teil, daß an die Stelle eines geordneten Gerichtswesens die Möglichkeit der Willkür tritt. Die Erhebung der Beweismittel wird in das freie Ermessen des Ge⸗ richts gestellt, dessen Zusammensetzung vielen Zufälligkeiten unter⸗ liegt. Das ist nicht mehr Sicherung des Rechtes, sondern Er⸗ möglichung des freien Waltens der Willkür. Das widerspricht dem Grundsatz des Rechtsstaates, das hat nichts zu tun mit der Notwendigkeit, mit dem Terror Schluß zu machen. Niemals ist e. Erregung durch das Volk gegangen wie aus Anlaß des

Urteils des Beuthener Sondergerichts, .. das fünf deutsche Kämpfer für das deutsche Volk mögen sie sich vergangen haben oder nicht zum Tode verurteilt wurden, weil sie einen Unter⸗ weltmenschen, einen polnischen Insurgenten, getötet haben. (Lärm bei den Kommunisten) Das Sondergexichtsverfahren hat dazu geführt, daß das Material der Verteidigung nicht berücksichtigt werden konnte, daß es erst 43 Stunden nach dem Urteil in den Besitz der Verteidigung kam. Der Redner setzt sich weiter mit den Kommunisten auseinander. Wenn die Kommunisten ehrlich seien, müßten sie den nationalsozialistischen Abänderungsantrag annehmen, der die Befreiung derjenigen Gefangenen verlangt, die nicht gegen die Lebensinteressen des deutschen Volkes verstoßen haben.

Abg. Dr. Zub ke (D. Nat.) stellt fest, daß auf Grund des Entschließungsantrages des Landtags ein großer Teil der Ge— fangenen tatsächlich entlassen worden sei. Das Amnestiegesetz, das die Grundlage bildete, sei bisher nicht zur Annahme ge⸗ kommen, so daß das Verfahren des Justizministeriums recht⸗ mäßig sei. Nach seiner Kenntnis habe das Justizministerium bereits angeordnet, daß diejenigen politischen Gefangenen, die nur noch einen Monat zu verbüßen haben, freigelassen werden. Es könne sich nur um die Frage handeln, ob diese Grenze auf 6 Monate erweitert werde. Die deutschnationale Fraktion werde dem Zentrumsantrag zustimmen. Die hier an den Sonder⸗ gerichten geübte Kritik sei eine sehr billige. Tatsächlich werde die Beweisaufnahme stark beschränkt und könne durch die Gerichte abgekürzt werden, auch die Rechtsmittel des Angeklagten seien beschränkt. Es müsse aber berücksichtigt werden, daß wir in einer Zeit leben, die Sondermaßnahmen verlange. Die Anträge auf Aufhebung der Verordnung über die Sondergerichte würden die Deutschnationalen ablehnen. Im Falle Felseneck sei es bedauer= lich, daß durch die aufgetretenen Prozeßschwierigkeiten die Ange⸗ klagten in Haft bleiben müßten. Die deutschnationale Fraktion lehne es ab, von hier aus in das Verfahren einzugreifen, sei aber bereit, dem Verlangen zuzustimmen, daß die Behörden prüfen, ob und inwieweit die Haftbefehle aufzuheben seien.

Abg. Steinfurth (Komm.) wendet sich gegen die Unter⸗ stellung, daß es den Kommunisten darum zu tun sei, eine Klust wischen Angestellten und Arbeitern zu schaffen. Gegenüber dem bg. Freisler müsse er schon sagen, daß Sondergerichtsverhand⸗ lungen in der überwiegenden Mehrzahl gegen proletarische Ar— beiter geführt würden. Die Behauptung, daß der von National, sozialisten ermordete Pietrzuch ein polnischer Insurgent sei (Zuruf von den Nationalsozialisten: Straßenräuber! Gegenruf von den Kommunisten: Unerhörth sei leicht zu widerlegen. Pietrzuch sei im Gegenteil bis 1919 Mitglied von deutschen Grenzschutz= formationen gewesen. Er sei nach Urteil seiner Vorgesetzten ein besonnener und ruhiger Mensch gewesen, der nichts mit polnischen Insurgenten zu tun gehabt habe. Im Gegenteil habe er sich ge⸗ weigert, für Polen zu optieren. (Hört, hört! bei den Kommunisten. Suruf von den Nationalsozialisten: Das sind Behauptungen Es sei bezeichnend, daß die Nationalsozialisten diesen bestiglischen Mord an einem Arbeiter zu verteidigen bereit seien. Pietrzuch sei eine Stunde lang grausam mißhandelt worden. Und mit den Mördern erkläre sich Hitler solidarisch! Er nenne das Eintreten für sie eine Ehrenaufgabe für die Partei. (Hört hört! hei den Kommunisien. Zuruf bei den Nationalsozialisten; Sie ver⸗ gessen wohl Horst Wessel) Es sei unerhört, daß dieser Mord noch gebilligt werde. Nationalsozialistische Zeitungen hätten so⸗ gar die Aufnahme einer Berichtigung der Mutter des Ermordeten abgelehnt und im Gegenteil behauptet, die Mutter hätte gesagt, es sei nicht schade um ihren Sohn. (Pfui!-Rufe bei den Nationalsozialisten Die Massen würden dieses Verhalten der Nationalsozialisten entsprechend bewerten. (Lebhafter Beifall bei den Kommunisten.) .

Es folgen die Abstim mungen. Annahme findet der nationalsozialistische Antrag, der das Staatsministerium ersucht, in den Strafsachen, in denen auf Grund der Ent—⸗ schließung des Landtags vom 16. Juni 1932 eine Straf⸗ unterbrechung oder , , angeordnet worden ist, die Strafe weiterhin nicht zu vollstrecken, bzw. falls in⸗ zwischen eine Vollstreckung wieder angeordnet ist, dieselbe zu unterbrechen, sofern es sic um Freiheitsstrafen oder Nest⸗ strafen von nicht mehr als sechs Monaten handelt. In allen übrigen Fällen soll die Strafe dann unterbrochen werden, wenn die Weitervollstreckung für den Verurteilten oder seine Angehörigen, insbesondere auch unter Berücksichtigung einer bereits erfolgten Strafunterbrechung, eine besondere Härte darstellen würde. Der gleichlautende Zentrumsantrag ist damit erledigt. ̃

Annahme findet auch der kommunistische Antrag, der die Durchführung der Landtagsentschließung vom 16. Juni

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setzen würden und daß die Bluturteile der Sondergerichte daran

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gar nichts ändern würden. Verantwortlich für die Sondergerichte

fordert.

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 225 vom 24. September 1932. S. 3

Angenommen wird weiter ein sozialdemokratischer An— trag, worin das Staatsministerium ersucht wird, alle von den Sondergerichten gefällten Urteile mit größter Beschleunigung nachzuprüfen und in allen geeigneten Fällen durch Begnadigung unverhaltnismäßig schwere Strafen entsprechend herabzusetzen. Ein hierzu von den National⸗ sozialisten eingebrachter Aenderungsantrag, wonach das Staatsministerium ersucht werden sollte, alle von den Sonder⸗ gerichten gefällten Urteile mit größter Beschleunigung nach⸗ zuprüfen und alle die Verurteilten, die nicht gegen die Lebens⸗ belange des deutschen Volkes verstoßen haben, sofort aus den Strafanstalten zu entlassen, wurde abgelehnt. Annahme findet dagegen ein weiterer nationalsozialistischer Antrag, der die Regierung ersucht, unverzüglich bei der Reichsregie⸗ rung die sofortige Aufhebung der Verordnung der Reichs⸗ regierung über die Bildung von Sondergerichten vom 9. August 1932 zu fordern. Auch ein deutschnationaler Entschließungsantrag wird angenommen, der die Regierung ersucht, die Anklagebehörde anzuweisen, von der im z 4 der Verordnung über die Bildung von Sondergerichten vor⸗ gesehenen Befugnis, die Strafsachen an die Staatsanwaltschaft zur Behandlung im ordentlichen Verfahren abzugeben, im weitesten Umfange Gebrauch zu machen.

Unter Ablehnung eines Zentrumsantrages, den kom⸗ munistischen Antrag auf Haftentlassung der An⸗ geklagten des Felseneck-Prozesses der Aus⸗ schußberatung zu überweisen, wird an Stelle des kommunisti⸗ schen Antrags ein nationalsozialistischer Aenderungsantrag an⸗ genommen, wonach die kommissarische Staatsregierung be⸗ auftragt wird, die Staatsanwaltschaft beim Landgericht III Berlin anzuweisen, sofort alle Maßnahmen zu prüfen, damit die im Felseneck⸗Prozeß angeklagten Untersuchungsgefangenen aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

Das Haus beschäftigt sich dann mit einem Antrag des Handelsausschusses, der das Staatsministerium ersucht, alle irgendwie möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Be⸗ trieb des Peiner Walzwerks und der Ilseder Hütte aufrechtzuerhalten. Mit der Beratung verbunden sind mehrere andere Bergwerksanträge.

Abg. Vogt (Soz) begründet den sozialdemokratischen An— trag gegen die beabsichtigte Stillegung der Zeche „Bräsi⸗ dent“ in Bochum und betont, daß auch die beabsichtigte Still⸗ legung der Zeche „Präsident“ vier Rachbarzechen gefährdet würden. In der Bevölkerung Bochums habe die Ankündigung der Stillegung ungeheure Erregung hervorgerufen. Es handele 6 um modernste Schachtanlagen. Das Unternehmen, das rüher durchaus gesund gewesen sei, sei durch hemmungslose Konzentrationsbestrebungen und Angliederung dem Ruin ent— egengeführt worden. In seinen weiteren Ausführungen setzt ich der Redner für die Verstaatlichung des Bergbaues ein. Das System der Subventionen könne man nur als Uebergangs⸗ erscheinung betrachten, und nur beim Erzbergbau werde eine Aüus— nahme gemacht, weil dieser zu den konjunkturempfindlichsten Be⸗ trieben gehöre.

Abg. Dr. Meyer⸗Westfalen (Nat. Soz) erklärt, daß die Fonderungen seiner Partei zum ersten Male positive Maßnahmen zum Schutze des Bergarbeiters . haben. Für die Be⸗ denken der Regierung habe er kein Verständnis. Ein Staat, dem das Leben seiner Bergarbeiter am Herzen liege, sei immer in der Lage, formelle Bedenken zu überwinden. Auch für die von der Reaktion gestützte Notverordnung der Papen-Regierung über Tarifauflockerung und Lohnsenkung könne man kein Verständnis haben. Heute im Bergbau von Lohnsenkung zu sprechen, sei ein Vergehen gegen die Gesundheit des schaffenden Poltes. Im nationalsoziglistischen Staat ständen Gesundheit, Leben und Sicherheit über allem. (Beifall rechts) Die Deutschnationalen 6 mit ihrer Wirtschaftspolitik die besten Bundesgenossen des Bolschewismus. (Erneuter Beifall bei den Nationalsozialisten.)

Abg. Rütten (Zentr.) hält grundlegende Aenderungen im Ruhrgebiet angesicht der ungeheuer gestiegenen Not für notwendig. Es i alles getan werden, um nun die Stillegung auch noch der Zeche ‚„Präsident“ zu verhindern. Die neue Lohn en kung habe im Ruhrgebiet ungeheure Empörung hervorgerufen. Wer bisher immer um Hilfe für den Osten gerufen habe, sollte sich jetzt auch die Ver— hältnisse im Westen einmal näher ansehen. Dort sei heute die Not mindestens ebenso groß. Der Redner wendet sich gegen Aus—⸗ ührungen der „Rheinisch⸗-Westfälischen Zeitung“ und erklärt, die Rationalisierung sei im Ruhrgebiet von den Unternehmern plan— mäßig und ohne Rücsicht auf die Interessen der Arbeiterschaft durchgeführt worden. Die Lohnpolitik des Staates und der Ge⸗ werkschaften könne man unter keinen Umständen für die heutige Lage verantwortlich machen. Das Ziel müsse die Stärkung des Binnenmarktes und der Kaufkraft der Massen sein. Das habe die Negierung von Papen außer acht gelassen, und somit sei auch mit dieser Notverordnung das Ziel der Ankurbelung nicht erreicht worden. Der soziale Gegensatz zwischen Schwer industrie und Arbeiterschaft wäre nicht notwendig, wenn auf der anderen Seite mehr Verständnis für die Lage der Arbeiterschaft bewiesen würde. Das könne man nicht erreichen, wenn man in Broschüren des Bergbaus⸗Vereins die christlichen Gewerkschaften und das Zentrum mit unwahrhaftigen Vorwürfen bekämpfe.

Abg. Krämer (Komm) wendet sich gegen die Still⸗ legung der Ilseder Hütte und des Peiner Walzwerks, die am besten das Aufbauprogramm der Regierung illustrierten. Der Redner bekämpft die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie, die allein verantwortlich seien für Lohnabbau und Tarifeinbruch, da sie zusammen mit Brüning diese Aktion begonnen hätten.

Abg. Dr. von Waldthausen (D. Nat) erklärt, es werde immer wieder der Eindruck erweckt, als ob die Notlage im Berg⸗ bau nur auf Mutwillen und nichts weiter zurückzuführen sei. Diese Verhältnisse würden auch von den Deutschnationalen auf das tiefste bedauert. Nach der Rationalisierung habe nicht der Bergbau gerufen, sondern die Gewerkschaften hätten aufs 1 darauf gedrängt, ohne daß man ihnen einen Vorwurf eshalb machen könne. Immer wieder habe die Arbeiterschaft den Unternehmern die großen technischen Fortschritte vorge⸗ ier Hinzu sei die goh en it gekommen, die dazu geführt abe, daß innerhalb weniger Jahre acht Lohnerhöhungen im Bergbau durchgeführt worden seien. Eine objektive Prüfung mf daher ergeben, daß die Arbeiterschaft an der heutigen Not nicht unschuldig sei. Der Redner bittet, den Antrag über die Stillegung der Zeche „Präsident“ dem Ausschuß zu Überweisen. Er wendet sich gegen die Vorwürfe, daß seine Partei reaktionär sei, und weist unter großem Gelächter der Nationalsozialisten darauf hin, daß auch im deutschnationalen Parteiprogramm das Wort „sozial“ enthalten sei.

Abg. Kerl (Nat. Soz) nennt die Forderung auf Soziali⸗ . des Peiner Walzwerks und der Ilseder Hütte demagogisch, a seinerzeit, als die Frage einmal akut war, ausgerechnet die sozialdemokratisch⸗ommunistische Betriebsvertretung sich mit allen Mitteln dagegen gesträubt habe. (Widerspruch und Gelächter bei den Kommünisten. Der Redner erklärt, seine damaligen Vor aussagungen hien in allen Punkten eingetroffen, und das deutsche Volk habe ja in den letzten Jahren auch gezeigt, auf welcher Seite es die bessere Einsicht erkenne. (Gelächter bei den Kommunisten. Auch die Regierung Papen gehe heute wieder den falschen Weg, wenn sie mit Subventionen der . helfen wolle. Das sei nur auf dem umgekehrten Weg zu erreichen, daß

Die vom Ausschuß vorgeschlagenen Anträge werden

darauf vom Haus bestätigt. Das Staatsministerium wird ersucht, die Bestimmungen zum Schutze des Lebens der Berg⸗ arbeiter in aller Schärfe anzuwenden und gegen Gruben⸗ beamte, die dagegen verstoßen, mit äußerster Strenge vor⸗ zugehen. Jede Maßregelung der gesetzlichen Betriebsvertre— tungen soll reichsgesetzlich verhindert, die technischen Gruben— beamten nach spatestens zehnjähriger Dienstzeit in ein un⸗ kündbares Dienstverhältnis übergeführt werden. Durch eine Verfügung sollen die gesetzlichen Betriebsvertretungen er⸗ mächtigt sein, bei dringender Gefahr für Leben und Gesund⸗ heit der Bergarbeiter Arbeitspunkte stillzusetzen, bis die Ent⸗ scheidung der Aufsichtsbehörde herbeigeführt ist. . Ein weiterer Antrag ersucht das Staatsministerium, alle Maßnahmen zu ergreifen, um den Betrieb des Peiner Walz⸗ werks und der Ilseder Hütte aufrechtzuerhalten. Nach einem Antrag über den Metallerzbergbau soll auf die Reichs⸗ regierung eingewirkt werden, daß die Einfuhr ausländischer Erze kontingentiert und erforderlichenfalls mit Zoll belegt wird und notleidenden Unternehmungen Subventionen zur Aufrechterhaltung ihrer Betriebe gewaͤhrt werden. Auch der Ausschußantrag über die Förderung des Verbrauchs von deutschem Schwefelties wird bestätigt, ebenfalls der sozial⸗ demokratische Antrag gegen die beabsichtigte Stillegung der Zeche „Präsident“.

Es folgt die 2. Beratung des Gesetzentwurfs über die Vorverlegu ng der Ge⸗ meinde wahlen auf den 6. November. Nach einem neuen Antrag der Nationalsozialisten sollen im ein⸗ zelnen außer den Gemeindevertretungen gewählt werden die Provinziallandtage, die Kommunallandtage und die Kreis— tage. Neuwahlen kommunaler Wahlbeamter sollen vor Zu⸗ sammentritt der neuen Vertretungen nicht stattfinden. Wahl⸗ berechtigt sollen alle Personen sein, die am 1. November in einer Gemeinde wohnen.

Abg. Brückner (Nat. Soz,) begründet den Antrag seiner Fraktion, die Neuwahl der Gemeindevertretungen am 6. No⸗ vember stattfinden zu lassen. Die Bedenken, daß eine Verbindung dieser Wahl mit der Reichstagswahl nicht tunlich sei, erledigten sich durch die Tatsache, daß auch im Mai 1924 schon beide Arten Wahlen zusammen durchgeführt worden seien. Die Neuwahl sei angesichts der heutigen Zusammensetzung der Gemeindeparlamente durchaus am Platze. Reaktion und Sozialdemokraten ständen in einer merkwürdigen Einheitsfront gegen die baldige Neuwahl. Die „Deutschnationale Staatspartei“ heitere Zustimmung bei den Nationalsozialisten, so müsse man die D. N. V. P. heute wohl nennen, scheine sich damit zu begnügen, daß da und dort einige sozialdemo⸗ kratische Landräte und Oberpräsidenten beseitigt worden seien, im übrigen aber in den Gemeinden die Sozialdemokraten weiter herrschten. In der Gemeindepolitik der letzten Jahre sei selbst unter sozialdemokratischer Führung keine Spur von Sozialismus zu spüren gewesen, sondern die überall zu beobachtende Anleihe⸗ politik sei die beste Unterstützung des kapitalistischen Systems gewesen. Der Sturmlauf gegen das System Braun-Severing sei doch nicht damit zu Ende, daß an ihre Stelle Dr. Bracht trete und im übrigen ein Staatsrat weiter belassen werde, der als Fort⸗ setzung des Systems Braun⸗Severing angesehen werden könne. (Lebhafte Zustimmung bei den Nationalsozialisten Auch unter Hugenberg habe sich an dem Kurs der Hilfsbereitschaft für die Hochfinanz nichts geändert. Die Neuwahl der Provinziallandtage werde zeigen, daß der deutsche Bauer hinter Hitler stehe und niemals wieder zur bürgerlichen Weltanschauung zurückkehren werde, und ebenso auch nicht zur proletarischen. (Beifall bei den Nationalsozialisten. Besonders im Osten zeige sich schon heute diese Entwicklung. Der Redner übt weiter Kritik an der ein— geleiteten und geplanten Verwaltungsreform, die vielfach vom grünen Tisch aus und ohne Fühlungnahme mit der Bevölkerung begonnen worden sei. Neuwahlen zu den Gemeindeparlamenten am 6. November würden auch eine vernünftige Verwaltungs⸗ reform an Haupt und Gliedern nach sich ziehen. Wir begrüßen, P fährt der Redner fort, jeden Wahlkampf um so mehr, als die

eutsche Revolution auch nach dem 31. Juli ungeheure Fortschritte

gemacht hat dadurch, daß nunmehr auch durch die Gewerkschaften ein großes Erwachen geht. Man beginnt sich dort endlich auf den eigentlichen Ursprung und die parteipolitische Ungebundenheit einer Gewerkschaft zu besinnen. Das ist durch den Druck der großen Welle unter dem Hakenkreuz herbeigeführt worden. Dieses Erwachen wird geeignet sein, die sozialistischen Grundlagen der Wirtschaftsordnung im Aufmarsch gegen den internationalen Kapitalismus zu garantieren. Weil wir das schon seit langem ersehnt haben, begrüßen wir alle kommenden Kämpfe, die uns in einer an anderen Kampflage sehen werden, in der die blinde Haßstellung der Gewerkschaften gegen uns einer wohlwollenden Neutralität weichen wird. Wir freuen uns angesichts dessen des kommenden Kampfes und der Blindheit der schon heute ge⸗ schlagenen Reaktion. (Lebhafter Beifall bei den Nationalsozialisten.) Es wird ein lustiger Wahlkampf werden, der das Sündenregister des sozigldemokratischen Volksbetruges in den Gemeinden auf— deckt. Die jahrelange Anleihepolitik der Gemeinden war eine BVerschleierung des Betruges, der in Ausgaben ohne Deckung liegt. Wenn der Abg. Steuer meint, wir wollten das parlamenkarische System retten, so ist er im Irrtum. Wir wollen das deutsche Volk retten vor einem Mißbrauch der Staatsgewalt. Die Deutsch⸗ nationalen verweisen immer auf eine schwarz⸗braune Koalition. Es hat noch gar keine gegeben und außerdem gäbe es dann nur eine braun-schwarze. (Heitere Zustimmung bei den National— soziglisten) Wir könnten sie jederzeit eingehen, denn wir hätten es ja nicht nötig, im Anhängewagen des Zentrums zu sitzen. Braun würde die Führung stellen Und die Richtung geben. Wenn sich das Zentrum, inzwischen durch dreizehnjährige Erfahrung belehrt, wieder auf alte Grundlagen zurückfindet, dann stehen wir auf dem christlichen Standpunkt, daß man sich freuen soll über jeden Sünder, der Buße tut. (Heiterkeit) Herr Steuer hat über den Stahlhelm gesprochen. Als Frontsoldat erkläre ich, daß die Persönlichkeit des Oberstleutnants Duesterberg nur menschlich interessieren kann und überhaupt nicht in eine politische Ausein⸗ andersetzung hineingehört. Aber es ist sehr wichtig, zu wissen, daß das ganze Rabinat und die Großbanken schon seit zehn Jahren von der jüdischen Abstammung der Familie Duesterberg gewußt haben und deshalb glauben konnten, daß ihnen dieser Bund nie⸗ mals gefährlich werden kann. Die Juden wissen schon, wie weit ich der Stahlhelm völkisch zeigen wird, solange Duesterberg Bundesführer ist. Wir stehen nicht nur auf, so erklärt der Redner abschließend, gegen Schändung des Sozialismus durch den Marxismus, sondern auch gegen eine Schädigung des Natio⸗ nalismus durch den Liberalismus. Gerade der deutsche Sozialis⸗ mus unter dem Hakenkreuz ist von der höchsten staatsbildenden Kraft, weil er den Riß in der Nation beseitigt und die Volks⸗ einheit geistig und physisch herstellt. Das hat als einziger schon 1919 Adolf Hitler erkannt. (Stürmischer Beifall bei den rde sozialisten.)

Abg. Hensen⸗ Godesberg (Zentr) befürchtet, daß die in Aussicht genommene Verwaltungsreform auch noch den Rest der Selbstverwaltung beseitigt. Das Zentrum lehne die Vorlage aus grundsätzlicher Einstellung ab. Die Gemeinden müßten vor den Gefahren und Erschütterungen neuer Wahlen angesichts der all— gemeinen Notlage bewahrt werden. Bei den Gemeindevertretungen komme es eh als bei Reichs und Landtagswahlen auf Er⸗ fahrung und Persönlichkeit der gewählten Vertreter an als auf

nationalsozialistischen

man größere Massen von Arbeitein wieder in Arbeit bringt.

die politische Einstellung.

Abg. Harnisch (Soz) wendet sich zunächst gegen die Natio⸗ nalsozialisten, die doch alle Anstrengungen machten, einen Land⸗ tagswahltampf zu vermeiden. Ihnen komme es nür darauf an, die deutschnationalen Vertreter in den Gemeinden zu verdrängen. Die Sozialdemokratie scheue eine Wahl nicht, sehe aber gegen⸗ wartig dazu keine Notwendigkeit. Die große Verwaltungsreform habe bisher nicht durchgeführt werden können, weil die Rechte sie verhindert habe. Die Notlage der Gemeinden sei entstanden durch die Wirtschaftskrise und die Fürsorgetätigkeit, die Sozial⸗ demokratie trage dafür keine Verantwortung. Jetzt, wo der Ent⸗ scheidungstampf um die großen politischen Probleme und um Weltanschauungen geführt werde, sei keine Zeit für die kleinlichen Gesichtspunkte, die bei Gemeindewahlen eine Rolle spielen

Abg. Schwenk (Komm,) greift die Schlußworte des redners auf und erklärt, die Kommunalpolitik dürfe von den kleinen und kleinlichen Gesichtspunkten aus behandelt werden, wie es die Sozialdemokraten möchten. Tie Kommünisten würden die Zusammenhänge zwischen Kommunalpolitik und der großen Politik aufzeichnen. Die Herunterdrückung des TJ bedarfs der Gemeinden von 76 Milliarden im Jahre 192 jetzt 5,6 Milliarden bei gleichzeitigem Anschwellen der Wo lasten beweise, daß der Hungerkurs rücksichtslos durchgef Die Drosselung der Ueberweisungen an die Geme ystematisch durchgeführt, um die Gemeinden Unterstützungszahlungen einzustellen. Es sei letzten Spuren der Selbstverwal tung zu beseitigen

Abg. Dr. von Kries (D. Nat) erinnert daran den Beschlüssen des Aeltestenrats die jetzige Aussprache einer allgeme nen politischen Debatte führen s Wenn die Verwaltungs reform früher nicht zustande gekommen sei, so trage die alte Koalition die Schuld daran, die sich aus politischen Grün—⸗ den nicht einigen konnte. Die Deutschnationalen ständen Neu⸗ wahlen durchaus sympathisch gegenüber und fürchteten auch nicht die Verbindung von Reichstags⸗ und Gemeindewahlen. Sie stimmten dem Neuwahl der Gemeindevertretungen aber nicht zu, weil sie mit Bestimmtheit erwarteten, daß die Re⸗ gierung Bracht, Regierung nicht bilden gehendere

1

nor eden

Antrag auf

nachdem der jetzige Landtag eine ordnungsmäßige könne, in aller Kürze eine viel weiler— Verwaltungsreform auf dem Gebiet der Städte und andgemeinden ins Werk setzen und dabei auf Grund der twaltungsrefgrm die Vertretungen der Kommunalverbände wahlen lassen werde. Eine Verschiebung der Kommunal—⸗ wahlen um ein oder zwei Monate sei wertvoller, als zwei Mal in verhältnismäßig kurzer Zeit zu wählen.

ö In der A bst im mung wird der nationalsozialistische Antrag, am 6. November 1932 neben den Gemeindevertre⸗ tungen auch die Provinziallandtage, Kommunallandtage und Kreistage neu zu wählen, mit den Stimmen der National⸗ ozialisten und der Kommunisten angenommen. Die gleiche Mehrheit beschloß, daß vor Zusammentritt der neu gewählten Ge meindevertretungen Neuwahlen kommunaler Wahlbeamter nicht stattfinden sollen, und daß ferner zu diesen Wahlen stimmberechtigt sein sollen alle über 20 Jahre alten Reichs⸗ deutschen, die am 1. Oktober 1932 ihren Wohnsitz im Gemeindegebiet haben. Abgelehnt wurde der deutsch⸗ nationale Antrag, den Tag der Neuwahl nicht festzulegen. In einfacher Schlußabstimmung wird das ganze Gesetz in dieser Fassung mit den Stimmen der Antragsteller und der Kommunisten angenommen. .

Das Haus setzt dann die am Donnerstag unterbrochene Aussprache über die Haushaltsnotverordnun g fort. Mit der Beratung verbunden sind u. a. die Bade polizei⸗ verordnung Dr. Brachts und ein kommunistischer Antrag auf Amtsenthebung des Berliner Polizeipräsidenten Dr. Mescher—

Abg. Schmelzer (Str) erwidert dem Abg. Heilmann auf seine Ausführungen über Demokratie und Parlamentarismus, daß es die wichtigste Aufgabe des Parlaments sei, durch Mehr⸗ heitsbildung eine gesunde Staatsführung zu gewährleisten. Wenn sich das Parlament als unfähig erweist, Staats notwendigkeiten zu beschließen, auch wenn sie unpopulär sind, dann bedeutet das den Tod des demokratisch-parlamentarischen Systems. Möglich⸗ keiten einer Mehrheitsbildung dürfen nicht zerschlagen werden; ob sie vorhanden sind, wird sich ja noch erweisen. In einer solchen Arbeitsgemeinschaft wird fich das Zentcum sedenfalls niemals einseitig festlegen lassen. Wir wollen das Parlament nicht ausschalten lassen von der Führung der Geschäfte des Staats. Aber ein Parlament darf nicht einer Regierung immer in den Arm fallen und muß es ertragen, unpopuläre Maßnahmen auf sich zu nehmen. Bismarck hat einmal gesagt, daß jede Regierung der Korrektur durch das Parlament und eine freie Presse bedarf. Wir sind der Meinung, daß in dieser Krise des Parlaments alles getan werden muß, um“ die Volksrechte, für deren Erkämpfung sich auch die Sozialdemokratie eingesetzt habe, nicht verlorengehen zu lassen in einem Augenblick, in dem die Not der Wirtschaft die Ueberlegung der Maffen behindert. Wenn wir die Volksrechte nicht zugrunde gehen lassen wollen, müssen wir eine starke arbeitsfahige Me chen bilden und Sympathie und . das Wohl des Staates zuräckstellen. Wir sind nicht der Meinung des Abg. Brückner, daß dabei die eine Partei die andere masorisieren soll. Die Führung wird sich nachher schon von selbst herauskristallisieren. Wir fühlen uns durchaus nicht als reuige Sünder, sondern wir sind frei von jeder Bindung und bereit, uns auf ein praktisches Arbeits⸗ programm zu einigen. Der Redner erinnert an die Zeit nach dem Ruhrkampf und der Inflation, um zu betonen, daß das Zentrum damals wie heute, unter Marx wie unter Brüning, unpopuläre Maßnahmen auf sich genommen habe, daß für das Zentrum immer erster Grundsatz gewesen sei, das Vaterland zu retten, auch wenn die Partei dabei zugrunde gehe. Auch heute erschöpfe sich die Opposition des Zentrums nicht im Negativen, sondern sie sei durchaus bejahender Natur. Wenn sie auch das Programm der Regierung Papen nicht für richtig hält, so fei sie doch zu einer Zusammenarbeit auch im Reiche bereit. In den Verhandlungen, die zwischen Zentrum und Nationalsozialisten in den letzten Wochen gepflogen wurden, sei ein AÄrbeits⸗ beschaffungsprogramm zustande gekommen, das nach Meinung des Zentrums schneller durchzuführen und besser zu finanzieren sei und die Staatsfinanzen nicht in Unordnung bringe. Wenn die Zusammenarbeit mit uns, so erklärt der Redner weiter, so furchtbar schwer wäre, wie Herr Heilmann gemeint hat, dann würden die Sozialdemokraten diese Zusammenarbeit nicht so gut überstanden haben. Heilmann hat sich auf Herrn Dr. Heß de⸗ rufen, der gesagt y soll, daß mit der radikalen Rechten niemals in einer Koalition zusammengearbeitet werden könne. Sie (zu den Sozialdemokraten) kennen Herrn Dr. Heß viel zu sen als daß Sie glauben könnten, daß dieser kluge Mann en veränderten politischen Verhältnissen nicht Rechnung getragen ätte. Wer heute eine starke Mehrheitsbildung im Reiche ver— indert, besorgt die Geschäfte des Herrn Hugenberg. Das wollen auch Sie nicht, Herr Heilmann. Das war der wide ern in Ihrer Rede. Wenn Hugenberg im neuen Wahlkampf die Schlüsselstellung erhält, die er erstrebt, dann wird dadurch die Regierung Papen gefeftigt, hinter der nicht der geringste Volks⸗ willen = t. Die Regierung . ist es gewesen, die uns auf außenpolitischem Gebiet zu Erfolgen geführt hat, die von der jetzigen Regierung nicht vertieft worden sind. rüning hat bewiesen, daß es möglich ist, mit einer autoritären Regierung die Schwierigkeiten zu meistern, die sich aber trotzdem den breiten Massen des Volkes verantwortlich fühlt und eine Mehr⸗ heit hinter sich hat. Brüning hätte nicht drei Milliarden in

Lausanne unterschrieben, denn er konnte es nicht und hatte sich