1932 / 278 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Nov 1932 18:00:01 GMT) scan diff

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Neichs⸗ und Staataanzeiger Nr. 278 vom 26. November 1932. S.

nuebersicht

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über die

Einnahmen! des Reichs au Steuern, Zöllen und Abgaben für die Zeit vom 1. April 1932 bis 1. Ottober 1932.

Bezeichnung der Einnahmen

Im Reichs haus- halteplan ist die ̃ ee Einnahme für das vom J. April 1932 Rech on jahr 2 7511 .

Oktober 1932 ö bis 31. Ott. 1932 e

Dticker 180 Millionen bis tt. 1932 veranschlagt auf

Aufgekommen sind

im Monat

RM ö RM . ꝛ3 J

A. Besitz⸗ und Verkehrstenern.

Eintommensteuer: a) Lobnsteuer )) 2 b) Steuerabzug vom Lavitalertrage.. ej andere Einkommensteuer K zusammen Kw Krisensteuer: 2) Krisenlohnsteuer 9 9 4 9 9 9 b) Krisensteuer der Veranlagten. ..

zusammen

8

Vermögensteuer ... ö Auũsbrimgungsumlage aus Resten .. . Aufbringungsumlage für Rj. 1931 und 1932 Vermögenzuwachssteuer .. 3 Gr hn ener. Umsatzsteuer . Grunderwerbsteuer ?) ... Kapitalverkehrfteuer: a) Gesellschaftsteuer . b) Wertpapiersteuer. c Börsenumsatzsteuer Kraftfahrzeugsteuer ... Versicherungsteuer ... Rennwett⸗ und Lotteriesteuer: a) Totalisatorsteuerr ... b) andere Rennwettsteuer

zusammen Ifde. Nr. 192

e) Lotteriesteuer .. mee . a Be örderungsteuer: . a) Personenbeförderung .. 2 b) Güterbeförderung JJ 6 Steuer zum Geldentwertungsausgleiche . bei Schuldverschreibungen (Obligationensteuer) ... Reichs fluchtsteuer e o 0 k , ,

Summe A.

8 o e o 2 oo o o o 2

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H. Zölle und Berbrauchsteuern.

1 9 b 9 g 9 96 Tabaksteuer: . a) Tabaksteuer (einschl. Aufschlag) bp) Materialsteuer (einschl. Tabakausgleichsteuer) J. c) Tabakersatzstoffabgabe ..

zusammen lfde. Nr. 19

Zuckersteuer. ö . . Salzsteuer (einschl. Nachsteuer) J Aus dem Spiritusmonopol =. Essigsäuresteuer ... Schaumwein steuer. .... Zũndwarensteuer.. Aus dem Zündwarenmonopol Leuchtmittelsteuer . Spielkartensteuer ... Statistische Abgabe ..

Süßftoffsteuer .. Mineralwassersteuer. Branntweinersatzsteuer. Ausgleichsteuer auf Mineralöle (Min

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lölsseuen) Summe B. Im ganzen ..

1

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900 000 000 30000000 700 000000

1630000000 120 000 000

444 860 681, 60 27 513 327.92 284 0638 2704 7oötz 412 036, 02 55 098 516,95

ol 39 255,1

1480909, 36 23 031 6 2,21 h 99 786,4 1719786

623 570,40 28 098 13131 28 721 891, 7

S 193 9076,43 15049522, 90 9 go 996 67

5 402 563, 32 129 700514, 31 15652 434,05

1229 056. 15 25 21861 1911138,08 14 548 659, 07 4222 364,81

527 922 388, 77 48 134 860, 32 101 057 249 09 179 183 703, 43 7 607 627, 36 59 668 278, 10

35 736 265,7! 778 687 302,50 11 426 309, 54

8 616 807,69 197 922.99 4981242 38 113 389 865, 18 33 232 942.30

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140 000 000 280 000 000

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70 000000 1820000000 24 000 000

20 000 000 6 000000 22 000 000 180 000 000 65 000 000

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62 139 271, 89 112000 0900 49 610 409, 97 6 000 000

74 815,56 73 Q 9. 39

2 321 60 53, 43 4757000 000

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30 000 000

60 000 0090 42 000 000

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147311386, 66 732 477 701,57 366 14 221, 91 0 493 327, 2 83 go 990

467 091 504, 65

166 261 304,66 S 76h 374,01 167 178 619,68 70 553 058, 39 1886 671,22

2 309 379, 22

h gol 12.35

7 800 958 21

3 170 744 64 1301663, 05

d 151 209,80 142 406.70 271 946,57

22 913,29

h 204 455,91

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15 542.73 11904, 45 1822355 068

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776 000 000

270 000 000 40000000 300 000 000 150 000 000 2300 000 4500 000 11000000 3 500 000 9000000 2300 000

6 000 000 240 000 400 000 100 000

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270 3400090 7 464 340 000

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9 Einschließlich der aus den Einnahmen den Ländern usw. überwiesenen Anteile usw. = a) An Lohnsteuer sind erstattet: im Oktober 1932 57 304,39) RM; in der Zeit vom 1. April 1932 bis 31. Oltober 1932

472 897.58 RM.

) Hierin ist die von den Landesbebörden erhobene Grunderwerbsteuer nicht enthalten. 4) Dieser Betrag ist für das Rechnungsjahr 1931 und Vorjahre aufgekommen.

Die Reichseinnahmen im Oktober 1932 betrugen bei den Besitz und Verlehrssteuern 314,1 Millionen RM, hei den Zöllen und Verbrauchssteuern 284. Millionen RM, zusammen 598,2 Millionen RM. Außer den laufenden und den monatlichen Zahlungsterminen sielen in den Monat Oktober vierteljährliche Zahlungstermine für die Umsatzsteuervorauszahlungen der Be⸗ triebe mit einem steuerpflichtigen Jahresumsatz von nicht mehr als 20 090 RM und für die Zollagerabrechnungen. Außerdem wirkte sich im Oktober erstmalig die Aufhebung der Freigrenze von 5000 RM bei der Umsatzstener aus.

Die Gesamteinnahme im Oktober 1932 ist um 296,2 Millionen

Berlin, den 14. November 1932.

Reichsmark niedriger als die im Oktober 1931 mt S893, 4 Mil⸗ lionen RM: hiervon entfallen auf die Besitz⸗ und Verkehrste nern 289,7 und auf die . und Verbrauchsteuern 5.5 Millionen RM. Diese erhebliche Mindereinnahme bei den Besitz⸗ und Verkehr⸗ steuern beruht mn darauf, daß im Oktober 1931 noch Vorauszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer zu entrichten waren, die im Jahre 1932 infolge Aenderung der Zahlungstermine bereits im September geleistet worden sind. Ein Vergleich der Einnahmen in den beiden Monaten läßt mit⸗ hin nicht ohne weiteres einen Rückschluß auf die Entwicklung des Ertrages der Steuern zu.

Reichsfinanzministerium.

Der bisherige österreichische Gesandte, Herr Dr. Felix Frank, hat Berlin verlassen. Die provisorische Gerenz führt Herr Legationsrat Dr. Meindl als Geschäftsträger a. i.

Der mit der Wahrnehmung der Geschäfte der Kaiserlich japanischen Botschaft betraute Botschaftsrat Scwigenori Togo hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt Herr Botschaftsrat Keinosuke Fujii die Geschafte der Botschaft als Geschäftsträger a. i.

Prenhijcher Staatsrat. Sitzung vom 24. November.

Wie das Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungs⸗ verleger meldet, trat am Donnerstag, dem 24. November, der Preußische Staatsrat wieder zu einem Tagungsabschnitt usammen. Mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Dr. Hirtsiefer nahnien auch die Minister Dr. Schrei⸗ ber, Dr. Schmidt und Dr. Gwim me sowie die Mini⸗ sterialdirektoren Dr. Brecht und Dr. Badt an der Sitzung teil.

Präsident Dr. Adenauer eröffnete die Sigung mit einem Nachruf auf das verstorbene Mitglied des Staatsrats Heitmüller (Arbeitsgem ), an dessen Stelle Landwirt

Rabe aus Dieck bei Bassum, Kreis Syke, tritt; Stellver⸗ treter wird Landwirt Voigt aus Großholm (Ostfriesland).

Der Staatsrat trat dann in die Beratung über die Ent⸗ scheidung des Staatsgerichtshofs im Verfassungskonflikt Preußen —Reich und die damit verbundenen Gegenstände, namentlich die Verordnung des Reichspräsidenten vom 18. No⸗ vember, ein. Dazu hatte der Verfassungsausschuß des Staats⸗ rats am Mittwochabend eine Entschließung gefaßt, in der u. a. eine neue Klage beim Staatsgerichtshof zur Klärung der Ber⸗ fasfungsstreitfragen zwischen dem Reich und gefor⸗ dert wird.

Dr. Langem at (Arbeits gem) berichtete itber die Verhand⸗ lungen des Anzschusses. In seinen 1 stündigen Ausführungen erwähnte der Berichterstatter u. a4, daß der vom Verfassungs= ausschuß vorgelegte Antrag im wesentlichen einem Urantrage der Zentrumsmiiglieder des Staatsrats entspreche und daß die Är⸗ beitsgemeinschaft der Rechtsparteien wesentlichen Teilen dieses Antrags nicht zustimmen könne, weil sie die Staatsgerichtshofs⸗ entscheidung anders beurteile. Es sei noch eine Ergänzung des vom Verfassungsausschuß vorgelegten Antrags dahin zur Annahme empfohlen, daß der Präsident des Staatsrats ermächtigt werde, im Benehmen mit dem Verfassungsausschuß das weitere hin⸗ sichtlich der Klage vor dem Staatsgerichtshof zu veranlassen.

Nach dem Berichterstatter nahm der stellvertretende Mi⸗ nisterpräsident Dr. Hir tsiefer das Wort, um u. a. aus⸗

zuführen:

Der Ministerpräsident Dr. Braun hatte den Wunsch in der ersten Sitzung des Siatsrats nach dem Spruch des Staatsgerichts⸗ hofs persoönlich vor Ihnen zu erscheinen und zu der Sachlage Stellung zu nehmen. Leider ist der Ministerpräsident durch eine Erkrankung schon seit mehreren Tagen ans Bett gefesselt, so daß ich die Aufgabe übernommen habe, Ihnen die Auffassung der Staatsregierung mitzuteilen. Der Staatsrat hatte schon ant 8. September 1932 durch Beschluß seiner Auffassung dahin Aus⸗ druck gegeben, daß die Verordnung des Herrn Reichspräsidenten jrber die Einsetzung des Reichs kommissars vom 20. Juli und die Anwendung dieser Verordnung, insbesondere die Enthebung der preußischen Staatsminister von ihren Aemtern. mit der Reichs⸗ verfassung und der preußischen Verfassung nicht im Einklang stehe. Der Staatsgerichtshof hat die Auffassung des Staa: srats in ihren wesentlichen Punkten als richtig erkannt und beionders festgestellt, daß durch die Verordnung dem Reichskommissar die Ermächtigung erteilt werden sollte, die preußischen Staatsminister endgültig ihrer Aemter zu entheben. Der Staatsgerichtshof hat sowohl eine dauernde wie eine auch nur vorübergehende Amts⸗ enthebung der Staatsminister für verfassungswidria erklärt. (Seyr wahr! links und in der Mitte) Auch stellt das Urteil iest, daß die Befugnis der Staatsregierung gegenüber dem Staatsrat auf den Reichskommissar nicht übertragen werden können, Die preußische Staatsregierung erhebt auf das bestimmteste die Farde⸗ rung, daß die Verordnung vom 20. Juli, deren wesentlichste Teile als verfassungswidrig erklärt wurden, nunmehr endgültig auf⸗ gehoben werde. Zum mindesten muß durch eine Abänderung dem Urteil des Staalsgerichtshofs Rechnung getragen werden. (Zu⸗ stimmung links und in der Mitte.) Leider ist das bis heute nicht geschehen, obgleich die Reichs regierung doch inzwischen erkannt haben muß, wie falsch der Ausgangspunkt der Verordnung ist, wie sehr sie dadurch einem tatsächlichen und rechtlichen Irrtum zum Opfer gefallen ist. Auch die Verordnung des Herrn Reichs⸗ präsidenten vom 18. November trägt nach Meinung der Stagats⸗ regierung weder dem Sinn noch dem Wortlaut des Staatsgerichts⸗ hofsurteils Rechnung. Erneute Zustimmung links und in der Mitte) Ich beabsichtige hierüber in der heutigen Sitzung des Land⸗ tags weitere Ausführungen zu machen und will daher an dieser Sielle nicht weiter auf die Fragen eingehen. Dem Staatsrat gegen⸗ uber ist jedenfalls die Rechtslage durch das Leipziger Urteil einden⸗ tig geklärt. Nur die Landesregierung, das Preunßische Stats minssteriunt, hat das Recht und die Pflicht, Ihnen gegenüber das Land Preußen zu vertreten. Wie ich mil Befriedigung aus den mir vorliegenden Antrag Ihres Verfassungsausschusses ersehe⸗ haben Sie sich auf den gleichen Standpunkt wie die Staats⸗ regierung gestellt. Die Staatsregierung wird wie bisher alles, was in Ihren Kräften steht, tun, um möglichst bald wieder zu einer reibungslosen Arbeit zum Wohle des Landes Preußens zu gelangen.

Darauf wird in die Aussprache eingetreten.

Dr. Breitenstein Gentr,) beschäftigt sich eingangs, mit einer Stellungnahme der „Deutschen e, . Zeitung“ zu der Entschließung des Verfassungsausschusses. Es ist in diesem Artikel davon die Rede, daß der Staatsrat bei Annahme der Entschließung seines Verfassungsausschusses Gefahr laufen könnte, die Pflichten Preußens gegenüber dem Reich zu verletzen Und da⸗ mit „ein neues Einschrelten des Reiches auf. Grund des Art. 435 Abs. 1 der weigere, me, heraufzubeschwören!“. Dr Breiten⸗ stein erklärt, er halte sich als Mitglied der Zen trumsfraftion. des Staatsrats ganz besonders für befugt, in aller Schärfe diesen Eingriff der „DAs3.“ in die Rechte und Pflichten des Staats rats zurückzuweisen. Der Redner stellt dann mit Genugtuung sest, daß der Staatsgerichtshof in vollem Umfange die Auffassung des Staatsrats bestätigt habe, daß die Amtsenthebung der preußischen Minister der Verfassun widerspreche. Das Urteil des Stagts= gerichtshofes habe auch die Ehre der preußischen Staats minister, die durch die Rundfunkrede des Reichskommissars vom 20. Juli 1922 ganz zweifellos verletzt worden sei, in vollem Umfange wieder hergestelll. (Bravo! im Zentrum und bei den Sozialdemokraten) Ter Redner geht auf die einzelnen Punkte des Antrags des Ver= fassungsausschusses ein und hebt hervor: Man müsse sich klar⸗ machen, was 1 Tätigkeit der preußischen Landesregierung nach den Ertassen vom 20. Juli und 18. November noch übrigbleibe. In Wirklichkeit seien die preußischen Minister so gut wie aus. geschaltet. Monatelang habe man die durch Verfassung berufenen Vertreter Preußens zum Reichsrat micht . Auch in der Zeit nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs sei alles im Wege der Verordnungen erledigt worden. Mit allen Kräften müsse die Beendigung dieses Zustands herbeigeführt werden. Man könne heute nicht mehr von einem Rechtsstaat in Preußen sprechen⸗ Die Vereinigung des preußischen Landwirtschaftsministeriums mit dem entsprechenden Reichsmiinisterium enispreche nicht dem Artikel 17 der Reichsverfassung. Das Urteil habe klar zum Aus⸗ druck gebracht, daß das Staatsministerium voll und ganz bestehen bleiben solle und daß neben ihm für bestimmte Zuständigkeiten in der Person des Reichskommissars und seiner Beauftragten ein besonberes Organ geschaffen sei. Man müsse sich fragen, ob der Reichskommissar Reichsgeschäfte oder Landesgeschäfte aus übe. Ganz unmöglich sei es, daß der Reichskommissar die Firma e ri. Staatsministerium für seine Handlungsweise in. An⸗ spruch nehme. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß die Ausübung des Begnadigungsrechts, das namens des Volkes aus⸗ eübt werde, ein Hoheitsrecht sei, das eben, nach dem Leipziger rteil der Landesreglerung vorbehalten bleibe. Man werde es dem Staatsrat gewißlich nicht zum Vorwurf machen können, wenn er, der er schon immer peinlich auf die Einhaltung der Verfassungsbestimmungen, selbst in weniger wichtigen Punkten, geachtet habe, in diesem bedeutungsvollen Streitfall erst vecht um die Einhaltung der Verfassung besorgt sei und die Absicht habe, den ganzen Streit durch die Anrufung des Staatsgerichtshofs zu klären. Für die Zentrumsf aktion, auf die der Antrag auf Klage⸗ erhebung zurückgehe, seien dabei parteipolitische Gründe selbt⸗ verständlich keinesfalls maßgebend gewesen (Widerspruch bei der Arbeitsgemeinschaft), sondern einzig und allein Gründe sachlicher und grändsätzlicher Natur. Wenn der Staatsrat ehrlich darlege, welche Gründe ihn zu diesem Schritt vexanlassen, so sollten auch die Gegner dieses Schrittes ehrlich genug sein, die Gründe nicht in ihr Gegenteil zu verkehren und daran grundlose Vorwürfe zu knüpfen. Auf welchem Wege die Klageerhebung erfolgen wer e, stehe noch nicht fest; jedenfalls sei der Präsident. beguftragt, im Benehmen mit dem Verfassungsausschuß das weitere zu ver⸗ anlassen. Der Redner gibt zum Schluß der Erwartung Aus⸗ druck, daß recht bald die Verordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juli' und auch der Erlaß vom 18. November aufgehoben werden, damit für Preußen wieder normale Zustände eintreten.

Dr. Jarres (Arbeitsgem) legt die Gründe dar, weshalb seine Fraktion dem Mehrheitsbeschluß des Verfassungsausschusses nicht zustimmen, könne. Diesem Standpunkt der, Arbeits gemein- schaft hätten sich auch die drei wirtschaftsparteilichen Mitglieder es Staatsrats angeschlossen. Gegen das Urteil des Staats gerichts⸗ hofes, fahrt der Redner fort, lasse sich ' . und rechtlich sehr viel einwenden, es enthalte auch manche Unklarheiten. Vom Standpunkt der praktischen Verwaltung und einen starlen Staats⸗ führung bringe es ungeheure Schwierigkeiten. Die Versuche, zu einer verständnisvollen Zusammenarbeit zu gelangen, seien leider gescheitert, so daß der Reichspräsident durch die Verordnung vam 18. November de' Notftand aus dem Wege räumen mußte. In diese Dinge greif: der Antrag des Verfassungsausschusses über⸗ flüͤssigerweise ein, er gieße unnütz Oel in das Feuer. Der Antrag gehe sogar über das hinaus, was die Staatsregierung selbst ver⸗ sangt habe. Das Verhältnis zwischen Staatsrat und Staats⸗ regierung sei durch den Erlaß des Reichspräsidenten vom 18. No⸗ vember geklärt. Auf die einzelnen Punkte des Antrags eingehend, stellt der Redner fest, daß in dem Urteil des Staatsgerichtshofs nicht der Beschluß der Mehrheitsparteien des Staatsrats vom

Reichs und Staatsanzeiger Rr. 278 vom 26. November 1932. S. 3.

8. September Rech: erhalten habe, sondern die Auffassung der Fraktion Arkeitegemeinschaft. Der Erlaß des Reichspräsidenten vom 18. November zeige den Willen zu einer gütlichen Berstängi⸗ gung. Die gewählte Form sei sachlich richtig und gerade im Interesse der Firmenklarheit“ erwünscht. Das Notverordnnngs⸗ recht der preußischen Regierung gehöre unbedingt zur ausschließ⸗ lichen Zuftändigkeit der kommissarischen Regierung. Richtig sei daß die Zustimmung des Landtagsausschusses notwendig sei und daß die fömmissarische Regierung dieses Einvernehmen nicht selbst herbeiführen könne, sondern sich der Vermittlung des Staats⸗ ministerin us bedienen müsse. Die kommissarische Regierung hade auch das Recht der gesetzgeberischen Initiative, sie könne Gesetz⸗ entwürfe aufstellen und durch Vermittlung der Staatsregierung an den Staatsra: und Landtag bringen. Die Staatsregierung stelle sozusagen den verlängerten Mund der kommissarischen Regie⸗ rung dar. Das Begradigungsrecht sei eine Angelegenheit der Exekutive, die dem Reichskommissar zustehe. Die geschäftsführende Staatsregierung habe die Pflicht, alle ihr vom Reichskommissar zugewiesenen Vorlagen dem Staatsrat zuzuleiten, sie habe aller⸗ dings das Recht, gegenüber dem Staatsrat ihre Meinung zu ver⸗ trelen. Der Antrag auf Erhebung einer Klage des Staatsrats im Staatsgerichtshof sei im Interesse der friedlichen und sach⸗ lichen Entwicklung der Dinge zu bedauern. Der Staatsgerichts⸗ hof könne eine derartige Klage überhaupt nicht erheben, da in einem Streit zwischen Land und Reich nur das Land, vertreten durch seine Staatsregierung, Klage führen könne. Die tiefere Ursache zu dem Konflikt liege in der Beschlußfassung des alten Landtags, die Geschäftsordnung zu ändern, um die Bildung einer aktionsfähigen Regierung zu verhindern.

Caspary⸗Schneidemühl (Soz) verteidigt die Re⸗ gierung Braun-Severing gegen den Vorwurf der Pflichtver⸗ letzung. Die Ruhe und Ordnung in Preußen sei gestört worden, als die Regierung Papen die Sicherungsverordnungen der Re⸗ gierung Brüning aufhob. Der Redner bedauert die Unwahr⸗ haftigkeit des polit'schen Kampfes. Es sei eine objektive Unwahr⸗ haftigkeit, wenn Leute, die einer bestimmten Partei angehörten, dem Volke als Kabinett neutraler Persönlichkeiten vorgestellt würden. Man könne nicht mehr von einer objektiven Beamten⸗ politik in Preußen sprechen. Der Verfassungsausschuß des Staatsrats werde die Zweifelsfragen über das Klagebegehren des Staatsrats beseitigen. Man müsse es aber ablehnen, sich urch Drohungen von Zeitungen einschüchtern zu lassen. Zu der Forderung der Verfassungsreform müsse an die Warnung Dr. Luthers vor einer Rechtskrise erinnert werden. Das deutsche Volt habe genug von Verfassungsexperimenten, es brauche Friede, Arbeit und Brot und das Bewußtsein, sich selbst zu regieren. Deutschland werde nicht zur Ruhe kommen, solange sogenannte autoritäre Regierungen bestünden. Wenn jetzt Hitler von dem Reichspräsidenten die Bedingung gestellt wird: „Keine Rückkehr zum Tualismus Preußen-Reich“, so beweise dies, daß der Kampf gegen Preußen ganz anderen Ursprung habe.

Gutjahr Comm.) fordert verschärften Kampf gegen die

Reichskommissare. Berfassungsfragen seien stets Machtfragen.

Dr. Caspari⸗Berlin (Arbeitsgem) begrüßt, daß bei der Vereinfachung der Verwaltung der Abbau in den Ministerien begonnen habe und nicht in den unteren Stellen. Die Ministerien seien mit Beamten überbesetzt gewesen.

Damit schließt die Aussprache. Es folgen die Ab stim⸗ mungen.

Der Antrag des Verfassungsausschusses wird gegen die Stimmen der Fraktion Arbeitsgemeinschaft und der Wirt⸗ schaftspartei angenommen.

Die nächste Sitzung findet voraussichtlich am 13. Dezem⸗ ber statt.

Preußijcher Landtag. Nachtrag. 21. Sitzung vom 24. November 1932.

Die Rede, die der Minister für Volkswohlfahrt Dr. Hirt⸗ siefer in Vertretung des Ministerpräsidenten in der Sitzung vom 24. November gehalten hat, lautet nach dem amtlichen Stenogramm wie folgt:

Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Dr. Braun hatte beabsichtigt, in der ersten Sitzung des Landtags nach dem Spruch des Staatsgerichtshofs persönlich zu der Sachlage Stellung zu nehmen. Leider ist er durch eine Erkrankung schon seit mehreren Tagen ans Bett gefesselt. In seiner Vertretung möchte ich Ihnen die Auffassung der Staatsregierung kurz darlegen.

Bei der letzten Tagung des Landtags habe ich namens der Herren Staatsminister die Vorgänge vom 20. Juli dem Hohen Hause hier geschildert und Ihnen die Gründe dargelegt, warum die Staatsregierung obwohl die Verordnung des Reichspräsi⸗ denten nach ihrer Ansicht unzweifelhaft die Grenzen der Reichs⸗ verfassung erheblich überschritt sich im Interesse des Reichs und Prenßens darauf beschränkt hat, die Entscheidung des Staats⸗ gerichtshofs anzurufen. Da der Staatsgerichtshof auf eine voll⸗ ständige schriftliche Vorbereitung der Verhandlung von beiden Seiten entscheidendes Gewicht legte und mehrfacher Schriftwechsel sich als notwendig erwies, konnte die mündliche Verhandlung erst am 19. Oktober 1932 beginnen. Sie dauerte bis zum 17. Oktober. Die Entscheidung wurde am 25. Oktober verkündet.

Es hat also mehr als drei Monate gedauert, bis eine Ent⸗ scheidung über diesen tief in das deutsche Verfassungsleben ein⸗ schneidenden Schritt der Reichsregierung erzielt werden konnte. Das ist eine lange Zeit. Um so wichtiger ist es, daß nunmehr dieser Entscheidung mit größter Beschleunigung Rechnung ge⸗ tragen wird.

In dem für Preußen wichtigsten Punkte hat die Entschei⸗ dung des Staatsgerichtshofs Preußen Recht gegeben. Denn sie hat ausgesprochen, daß die von der Reichsregierung unter Führung des Reichskanzlers von Papen unternommene Reich s⸗ ezekuütion gegen Preußen mit der Reichsverfassung

nicht vereinbar war. (Hört, hört! und Sehr wahr! links) Eine

solche Reichsexekuütion ist nach Artikel 48 Absatz 1 der Reichsver⸗ fassung nur dann zulässig, wenn ein Land die ihm nach der Reichsverfassung und den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat. Die Reichsregierung hatte ihre Verordnung auch auf diese Vorschrift gestützt und zur Begründung nach und nach sieben Vorwürfe gegen Preußen erhaben. Der Staats⸗ gerichtshof hat festgestellt, daß diese Vorwürfe einer Pflichtver⸗ letzung des Landes Preußen in sämtlichen Fällen nicht begründet sind (Abg. Diel Burg Layen): Hört, hört! und daß daher eine Reichsexekution gegen Preußen unzulässig war und unzulässig ist.

Damit ist das Land Preußen von einer Diffamierung befreit worden, die jeder Preuße und jeder Deutsche als eine Schmach

empfinden mußte. (Sehr gut) Die Reichsregierung hat es für richtig gehalten, die von ihr unternommenen Schritte zu einer Reichsreform mit einer solchen Diffamierung Preußens zu ver⸗ binden. Sie hat damit der Reichsreform einen schlechten Dienst erwiesen. (Sehr wahr!)

Wenn man jetzt nachträglich versucht, die Tatsache, daß die Verordnungen des Reichspräsidenten als eine Reichsexekution gegen Preußen ausgestaltet waren, als nebensächlich hinzustellen, so legen wir gegen eine solche Auffassung Verwahrung ein. Mir fehlt jedes Verständnis für eine solche Anschauung in deutschen Staatsangelegenheiten, die es für nebensächlich hält, ob eine Reichsexekution gegen Preußen zulässigerweise stattfand oder nicht. Nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs waren und sind keinerlei Maßnahmen gegen Preußen zulässig. Zulässig sind nur Maßnahmen in Preußen, ebenso wie in anderen deut⸗ schen Gebieten, zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dabei hat der Staatsgerichtshof die Frage offen⸗ gelassen, ob und inwieweit die Reichsregierung selbst an der Störung der öffentlichen Ordnung durch verfehlte Maßnahmen schuld hatte. (Sehr richtig! und Hört, hört!)

Auch in dem zweiten wesentlichsten Punkte hat der Staats⸗ gerichtshof die Verordnungen des Herrn Reichspräsidenten für verfassungswidrig erklärt. Der zweite Satz des 5 1 der Ver⸗ ordnung lautet:

Er (der Reichskommissar) ist in dieser Eigenschaft er⸗ mächtigt, die Mitglieder des Preußischen Staatsministe⸗ riums ihres Amtes zu entheben.

Der Staatsgerichtshof stellt zunächst fest, daß die Verordnung nicht nur eine vorübergehende, sondern eine end⸗ gültige Enthebung der Minister von ihren Aemtern zulassen wollte, und daß der Reichskanzler die Absicht gehabt hat, auch wenn es später bestritten wurde, eine solche endgültige Ent⸗ hebung vorzunehmen. Der Staatsgerichtshof stellt ferner fest, daß weder eine dauernde noch auch nur eine vorübergehende Ent⸗ hebung der Minister von ihren Aemtern zulässig war. Gört, hört!) Der zitierte zweite Satz der Verordnung ist also mit der Reichsverfassung nicht vereinbar.

Drittens hat der preußische Standpunkt über die vecht⸗ liche Stellung der Reichskommissare die volle Zu⸗ stimmung des Staatsgerichtshofs gefunden. Die Reichs⸗ kommissare hatten sich der preußischen Amtsgeschäfte so be⸗ mächtigt, als ob sie die Landesregierung wären oder an die Stelle der Landesregierung getreten seien. Sie haben sich selbst als Landesregierung bezeichnet und namens der Landes⸗ regierung Verordnungen und Verfügungen, Schreiben und Er⸗ klärungen erlassen. Der Staatsgerichtshof stellt fest, daß dies unzulässig war und sagt:

Hiernach geht es nicht an, einen Reichskommissar auch nur vorübergehend als Landesregierung einzusetzen und die verfassungsmäßig bestellten Minister ihrer Aemter zu entheben.

und an einer anderen Stelle:

An die Stelle dieser Landesregierung kann, auch vorübergehend, kein anderes Organ gesetzt werden. Wenn die Mitglieder dieser Regierung dauernd oder vorübergehend ihres Amtes enthoben oder auch nur an der Amtsausübung tatsächlich völlig verhindert werden, so wird dem Lande entzogen, was ihm durch Art. 17 gewährleistet ist. Dabei begründet es keinen Unterschied, ob es sich um eine im politischen Sinn noch vollkräftige oder um eine Geschäfts⸗ regierung handelt.

Der Staatsgerichtshof hält es, entsprechend der preußischen Auffassung, nur für zulässig, daß ein Reichskommissar ermächtigt wird, preußischen Ministern vorübergehend Amtsbefugnisse zu entziehen und diese Befugnisse selbst zu übernehmen oder anderen Personen als Kommissaren des Reichs zu übertragen. Er be⸗ zeichnet dabei sechs Befugnisse, die einem Reichskommissar nicht übertragen werden können, die vielmehr dem Preußischen Staats⸗ ministerium und seinen Mitgliedern unbedingt verbleiben müssen, nämlich erstens die Vertretung des Landes Preußen im Reichstag, zweitens die Vertretung des Landes Preußen im Reichsrat, drittens die sonstige Vertretung des Landes Preußen gegenüber dem Reich, viertens die Vertretung des Landes Preußen gegen⸗ über dem Landtag, fünftens die Vertretung des Landes Preußen gegenüber dem Staatsrat und sechstens die Vertretung des Landes Preußen gegenüber den anderen Ländern. Der Staatsgerichtshof sagt aber keineswegs, daß alle übrigen Befugnisse von dem Lande Preußen abgetrennt werden können oder gar müssen; vielmehr stellt er ausdrücklich fest, daß dies nur zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in dem danach dem Reichs⸗ präsidenten erforderlich erscheinenden Maße und nur vorüber⸗ gehend erfolgen darf. (Sehr richtig! im Zentrum. Zurufe links) Das steht in dem Urteil. (Abg. Kasper: Da steht manches! Ich kann nicht alles vortragen, was darin steht, Herr Kollege Kasper. Der Staatsgerichtshof sagt allerdings von der Lage am 20. Juli, daß siGinn jenem Zeitpunkt“ große politische Parteien einander kampfbereit in erbitterter Feindschaft gegenüberstanden und daß der Reichspräsident „in dieser Lage“ zu der Auffaffung gelangen „könnte“, daß es geboten sei, zum Zwecke der Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die gesamten staatlichen Machtmittel des Reichs und Preußens in einer Hand zusammenzufassen und die Politik des Reichs und Preußens in einheitliche Bahnen zu lenken. Aber wie die schriftliche Begründung durch Einfügung der Worte „zu diesem Zwecke“ noch besonders klarstellt, darf der Reichs⸗ präsident solche Mittel nur so lange und nur in dem Um⸗ fang aufrechterhalten, als es zu dem Zwecke der Wieder⸗ herstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. (Sehr wahr! im Zentrum.)

Der Staatsgerichtshof spricht ferner klar aus, daß der Reichs⸗ kommissar Zuständigkeiten immer nur in der Weise in die Hand nehmen kann, daß er sie vorübergehend vom Lande Preußen abtrennt und auf das Reich überführt. Darin sehen wir eine klare Warnung an das Reich und den Reichs⸗ kommissar, nicht mehr Zuständigkeiten in die Hand zu nehmen,

als unbedingt geboten ist. Denn der Reichskommissar kann das nicht auf dem bequemen Wege tun, daß er sich an die Stelle der Landesregierung setzt, so daß alle nachgeordneten Stellen und die Außenwelt annehmen können, es mit einer Landesregierung zu tun zu haben. Er darf dem Lande Preußen nur bestimmte Zuständigkeiten fortnehmen und sie vorübergehend auf das Reich überführen. Dieser auffällige Vor⸗ gang erfordert in jedem einzelnen Falle und für jede im einzelnen in Anspruch genommene Zuständigkeit eine innere Rechtfertigung. Wir können nicht einsehen, welche Gründe noch bestehen sollen, ganz unpolitische Zuständigkeiten der Fachministerien, z. B. Justiz, Handel und Gewerbe, die Wohlfahrtspflege, Katasterämter, Gestütverwaltung oder dergl., dem Lande Preußen zu entziehen und in die Reichshand zu überführen, und zwar in allen Teilen Preußens, auch in Hohenzollern, aber nicht in den dazwischen liegenden Gebieten kleiner Länder.

Obwohl die Verordnung in überaus wichtigen Punkten mit der Verfassung nicht in Einklang steht, hat die Reichsregierung es noch nicht für notwendig gehalten, dem Herrn Reichspräsidenten die Abänderung der Verordnung vorzuschlagen. Noch immer muß der Name des Herrn Reichspräsidenten im Reichsgesetzblatt eine verfassungswidrige Verordnung von dieser Bedeutung decken. (Sehr wahr! bei der Sozialdemokratischen Partei Die Preußische Staatsregierung verlangt in erster Linie klipp und klar die völlige Auf eb ung der Verordnung vom 26. Juli 1932. (Sehr gut! bei der Sozialdemolratischen Partei.)

Wenn der Herr Reichspräsident dem nicht entsprechen zu können glaubt, so verlangt die Preußische Regierung und dies zu verlangen hat sie ein Recht —, daß die Ver⸗ ordnung entsprechend dem klaren Wortlaut der Entscheidung des Staatsgerichtshofs abgeändert wird.

Bei der Ausführung der Entscheidung des Staatsgerichtshofs hat sich die Reichsregierung überaus engherzig bewiesen. Die Preußische Staatsregierung bedauert es im Interesse des deutschen Ansehens, daß die Reichsregierung sich nicht zu einer Haltung entschlossen hat, die mehr dem Geiste der Entscheidung des Staats⸗ gerichtshofs entspricht. Sie hat grundsätzlich alle Befugnisse in Anspruch genommen, die überhaupt auf Grund des Artikels 48 Absatz 2 unter irgendwelchen Umständen jemals in Anspruch ge⸗ nommen werden können. Sie ist dabei nicht nur über den Sinn, sondern auch über den Wortlaut der Entscheidung in mehrfacher Beziehung hinweggegangen.

Die Preußische Staatsregierung ist um des Friedens willen der Reichsregierung auf das weiteste entgegengekommen. Die Reichsregierung hat dieses Entgegenkommen ignoriert. (Hört, hört! bei der Sozialdemokratischen Partei und dem Zentrum.) Nachdem sie die Preußische Regierung längere Zeit hat warten lassen, hat der Reichskanzler dem Reichspräsidenten eine neue Verordnung auf Grund des Artikels 48 Absatz 2 unterbreitet, ohne auch nur dem Ministerpräsidenten Braun während der mit ihm geführten Verhandlung die Möglichkeit zu geben, den Entwurf vorher kennen zu lernen und sich dazu zu äußern. Wenige Stunden vor dem Erlaß der Verordnung hat der Reichskanzler mit dem Ministerpräsidenten verhandelt, ohne ihm etwas von der geplanten Veroronung zu jagen. (Sört, hört! vei der Sozial- demokratischen Partei und im Zentrum.)

Anstatt also die alte verfassungswidrige Verordnung endlich aufzuheben oder abzuändern, hat die Reichsregierung eine neue Verordnung erlassen, die nach unserer Auffassung wiederum gegen die Reichsverfassung verstößt.

Zu den Punkten dieser Verordnung, die nach Ansicht der Staatsregierung mit der Reichsverfassung und der Enischeidung des Staatsgerichtshofs nicht im Einklang stehen, gehört ins⸗ besondere die Regelung, wonach die Reichskommissare noch weiter sich der Bezeichnung „Der Preußische Ministerpräsident“, „Der Preußische Justizminister“, „Das Preußische Staatsministerinm“ usw. bedienen dürfen, ja, bedienen sollen. Durch den Zusatz bei der Unterschrift, Der Kommissar des Reichs“ wird diese nach unserer Ansicht unzulässige und irreführende Bezeichnung nicht in Ordnung gebracht.

Es gilt im öffentlichen Leben ebenso wie im privaten Ge⸗ schäftsleben der Grundsatz der Firmenwahrheit Dieser Grundsatz der Firmenwahcheit wird verletzt, wenn weiter ent⸗ gegen den grundsätzlichen Ausführungen der Entscheidung des Staatsgerichtshofs von den Kommissaren Verordnungen, Erlasse und Schreiben unter der persönlichen Bezeichnung „Preußischer Staatsminister“ herousgehen. Dadurch wird die Oeffentlichkeit darüber irregeführt, in welchem Umfange tatsächlich dem Lande Preußen als einzigem deutschen Lande fast sämtliche Zuständig⸗ keiten, auch ganz unpolitischer Art, entzogen und auf das Reich äberführt worden sind.

Aber auch andere Punkte der Verordnung sind mit der Reichs⸗ verfassung nicht vereinbar. Die Fernhaltung des Ministerpräsi⸗ denten Braun und des Ministers Severing von ihren Amts⸗ gebäuden ist des Reichs und Preußens unwürdig. (Sehr wahr! bei der Sozialdemokratischen Partei) Daß die Reichsregierung das entgegenkommende Angebot des Ministerpräsidenten Braun, seine leerstehende Dienstwohnung als Amtsräume zu benutzen, ausgeschlagen hat unter dem Vorgeben, es könnten Ovationen auf der Straße stattfinden (Lachen links), ist rechtlich, politisch und menschlich unverständlich.

Die Preußische Staatsregierung steht im übrigen auf dem Standpunkt, daß der Staatsgerichtshof die Befugnisse, die dem Lande Preußen verbleiben müssen, nicht erschöpfend hat aufzählen wollen. Er hat nur die Befugnisse ausdrücklich erwähnt, die in den Prozeßanträgen und in der Verhandlung eine Rolle gespielt haben. Auch andere Befugnisse kommen noch in Betracht.

Insbesondere wird man kaum annehmen können, daß das Begnadigungsvecht gegenüber Strafen, die von preußi⸗ schen Gerichten verhängt sind, auf den Reichs kommissar über⸗ tragen werden kann.

Ferner stehen den Staatsministern selbstverständlich mit den ihnen verbleibenden Befugnissen auch die damit untrennbar zu⸗ sammenhängenden Befugnisse zu. Dazu gehört die Verfirgung über den zur Ausübung ihrer Rechte und Pflichten erforderlichen persönlichen und technischen Apparat.