1932 / 288 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Dec 1932 18:00:01 GMT) scan diff

, ö—

. 3 1

Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 288 vom 8.

Frisch auf“ Ersatzlasse in Hamburg auf Grund des Be⸗ tandsübertragungsvertrages nebst den beiden Neben⸗ verträgen, .

b) die von der außerordentlichen Haupwersammlung der Krankenkasse Deutscher Zoll⸗ und Steuerbeamten in Hamburg gemäß dem Vertrage beschlossene Uebertragung des gesamten Versicherungsbestandes mit sämtlichen Aktiven und Passiven auf die Deutsche Beamten⸗ Krankenversicherung V. a. G. in Koblenz mit Wirkung vom 1. Oktober 1932,

15. durch Verfügung vom 22. Oktober 19322 . der „Badische Assekuranz Gesellschaft“ Attien Gesellschaft in Mannheim die Aufnahme des Geschäftsbetriebs der Maschinen) Garantie⸗Versicherung im Deutschen Reich, 16, durch Verfügung vom 24. Oktober 1932: ö. dem Haftpflichtwerband der deutschen Eisen⸗ und Stahl⸗ Industrie, Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit in Hannover ;

die Aufnahme des Geschäftsbetriebes der allgemeinen Unfall⸗ versicherung,

17, durch Entscheidung vom 28. Oktober 1932:

a) den zwischen der Rheinischen Bersicherungsanstalt a. G. für Handwerk und Gewerbe, Sitz Düsseldorf, in Düssel, dorf und den „Vereinigte Lebensversicherungsanstalten / a. G. für Handwerk und Gewerbe in Hamburg abge⸗ schlossenen Vertrag, wonach der gesamte Bestand an Sterbegeldversicherüngen mit sämilichen Aktiven und Passiven der erstgenaunten auf die letztgenannte Anstalt übertragen wird,

b) die Uebernahme des gesamten Bestandes an Kranken⸗ versicherungen mit allen dazu gehörigen Aktiven und . nach dem Stande vom 31. Dezember 1931 von der „Rheinische , , , a. G. für Handwerk und Gewerbe“, Sitz Düsseldorf, in Düsseldorf auf die Handwerk, Handel und Gewerbe, Krankenversicherungs⸗ anstalt auf Gegenseitigkeit zu Dortmund, in Dortmund Em dem zwischen beiden Anstalten abgeschlossenen Vertrage.

Berlin, den 3. November 1932. Das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung. J. V.: Dr. Braun hälter.

at ee O D 2 O i , e r m d e r m e - e - 0 mmer m.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Monats ausweis

über die Einnahmen und Ausgaben des Reichs im Monat Oktober 1932 des Rechnungsjahres 1932.

(Beträge in Millionen Reichsmark.) A. Ordentlicher Haushalt.

1. Zu Beginn des Rechnungsiahres 1932 waren die zur Deckung restlicher Vemflichtungen aus dem Rechnungejahre 1931 zurückgesteilten Restbestände ver⸗ fügbar von 157, ̃—

2. Zur Deckung des Fehlbetrages am Schlusse des Rechnungsjahres 1931 sind ersorderlich. . 1 60090

Mithin Bestand 1532,3

Hiervon ab: Zur Schuldentilgung in Aus führung des Gesetzesß vom 23. Oktober 19350 (RGB.! S. 467) vom April bis Oktober 1932 7 X 390 24690

Bleibt Bestand 1287.3

157,7

Ist⸗Ginnahme

Jahressoll 2 oder Ist⸗Aus gabe 3 D 233 3 im zu⸗ O 32365 Oktbr. sam⸗ 8* 69 1932 men 21255 8 3 2 l. Einnahmen. 1. Steuern. Zölle u. Abgaben 7 464,3 362,9 598, 23 951,1 2. Verzinsung aus den Vor— ugsaktien der Deutschen Reichs bahn⸗Gesellschan 196 19,6 19,6 3. Aus dem ö 33 zugsaftlen der eutschen Neichs ha hn⸗Gesellschaft 100,90 103 0,6 10,9 4. ,. . Post und der Reichsdruckerei: e D . . 258.8 19,81 1064 159 124,3 b) Reichs druckerei .. 4,6. 1,0 1,0 20 5. Aus der Münswrägung 107,9 106,9 143 10,2

6. Anteil des Reichs am Rein⸗ gewinn der Reichsbank .. 7. Beitrag der Deutschen Reiche bahn ⸗Gesellschajt zu

den RMepaiationsahlungen 700 35,0 b, 40,8 8. Sonstige Verwaltunge⸗ einnahmen: NReichsarbeitsministerium 164 8.1 4, 1353 Reichswehrmmistlerium. 17.2 6.3 1,3 7,6 Reichs justizministerium 14,9 8.3 1,4 9,7 Reiche verkehrs⸗ ministerium . 294 128 d Reichsfinanzministerium 741 40,9 0, ð 11. Uehrige) eiche verwaltung 477 198 5.5 254 Einnahmen in Rsamt . 8 269.0 19. 833 729,6 639, 114 368,7

II. Ausgaben. 1. Steuerübeivenungen an die vander ö 2. Bezüge der Beamten und Angestellten (ausschl. Rube⸗

Dezember 1932.

6

2.

Ueberträge aus den Voriahren:

Jahꝛressoll Ist⸗Ginnabme 2 oder 22 Ist · Ausgabe ! m m 5 * 3 Oftbi. sam⸗ —— 2 826 D282 3—⸗— 1932 men 6 338 * 2 19. Krisenfürsorge ür Arbeits⸗ lose, Zuwendungen an Ge⸗ memden und Gemeinde⸗ ; verbände zur Erleichterung ihrer Wohlsahrtelasten, Abgeltung der Kosten für Durchführung der Krisen⸗ fürsomrge ö. See, des freiwilligen Arbeits⸗ . ) ; 887, 0 4588 70,6 529, 2 11. Wertschaffende Arbeits- ; losenfürsorge 14,46 12,9 2,4 0, 2,7 12. Erstattung des Ausfalls an Beiträgen zur Arbeitt⸗ losenversicherung, der der Reicht anstalt für Arbeite⸗ vermittlung durch Befreiung der untertage beschärnigten Arbeitnehmer des Stein⸗ . und * rbeitgeber von der Bei⸗ 1 K 4 ; 33,090 106 9,1 127 Wohnungs⸗ u. Siedlungs⸗ wesen 2 P 26,5 7,3 7 1,4 4,1 14. Reichsschuld: Verzmsung und Tilgung 231,4 91,3 4456 135,9 Schuldentilgung v. April

bis ee, . n n.

Ausführung des Ge⸗

setzes vom 23. 10 1930 1200 21000 365,9 245,9 ng ö 294,3 7,4 421, 3,6 45.7

ücklauf von Schuldver⸗

schreibungen.. .. —““ 3 307 30,9

15. Schutzpolizei... . 1900 94,9 15,8 1197 16. Müniprägung * *. . 7,0 3,9 0,3 4,2 1 2 ner . ö. 1011 101 166. Stützung der Landesbank u F enn aan 25,0 265,0 Voistädtische Kleinsiedlung e g . . 43.9 26,7 5,8 31,65 18. Sonstige Ausgaben: i afl z ö 6,3 0,2 2, 0,5 2,9 Auswärtiges Amt .. 28, 14 10,0 2,0 12,0 ichsministerium des 9 . . 28,4 11.3 2,5 13,8 Resche arbeitsministerium bö,8 8,8 19,6 33 21,9 ̃ inisterium: ö 5 ö 63 . 326, 46.5 122,8 24909 1463

, 167,4 207 54,3 106 64,9 e , . ĩ *

Ernährung und Land⸗

Eh ng 5 162,3 13,4 56.1 9, 3 5, Reiche verkehrsministerium 169.0 16,6 36366 196 387 Reichsfinanzministerium 99,11 b, 8 46. 6,4 336 Allg. Finanzverwaltung) 21,5 h 363 4,5 1 Uebrige Reichsperwaltung 156 03 4 0.8 H,

Ausgaben insgesamt 26.7 1 6e ü 4367.5

Mlthin Mehrausgabe 8961 —m

Mehreinnahme 9,3 1,2

B. Außerordentlicher Haushalt.

Restand am Schlusse des Rechnungsiahres 1931... 68, 0.

Die Einnahmen betragen Oftober 1932

Die Ausgaben betragen Oktober 19832.

(Oktober 1932)

Ottober 1932

gelder) . 699,6 O6 338.2 565 3947 3. Veisorgung ; 3 Ruhe

gelder einschließl. der . ‚—

Kriegsbeschädigtenrenten 1381,59 6656 5 107, 63.5 4. Inneie Kiieaslasten 4 347,5 22,0 1606,90 556,1 161,1 h. Revarationszahlungen na .

dem Voover⸗ Pian 18,90 1 17.6 6. Son st. äußere Kriegslasten 127.0 705 17, 7. Sozialversicherung 422,7 39 2180 30,0 248,0 8. Erleichterung der knapp

1 e ern.

cherung und Erhaltung

ihrer Leistungs sähigkeit 83,0 35,5 7,9 43.4 9. Kleinrentnerfürsorge .. 28,0 120 5,00 17,0

in den M

ö

Dle Ausgaben betragen in den Mona Oktober 1532.

Ergibt Besland am Ende des Berichtsmonats

(Oktober 1932). ....

In diesen JZablen sind die aus dem Vorjahr Fehlbeträge usw. nicht enthalten.

) Nach Abzug eines Globalabstrichs von 110 Mill. RM für den Gesamthaushalt zwecks Verminderung der Personal-⸗ ausgaben durch Sparmaßnahmen.

onaten April

ö Jahressoll Ist⸗Einnahme J oder ] Ist Ausgabe 838 6583* 6. 3 ö 233 im zu⸗ 5 . . Oktbr. sam⸗ 35 6 1932 men 33353 D 8 ** l. Einnahmen. Insgesamt b, 0 5,0 ; er n n,, . . ohnungs⸗ und Siedlungs⸗ wesen ! . 3,2 3,2 1,8 0,3 2,1 2. Verkehrswesen (Ausbau der Wasserstraßen usw.) 8,7 8,3 42 2,5 6,7 3. Einiösung von Schatz⸗ anweisungen des Reichs 0, 0,3 4. Innere Kriegelasten 46,9 45,9 7, 1, 8,2 b. lebrige Deiche verwaltung 4 b 8 23 Ausgaben insgesamt. 6297 622 123 39 165.2 Mithin Mebrausgabe ... 123 3,5 162 Mehreinnahme ....

Abschluß für das Rechnungsjahr 1932.

A. Ordentlicher Haushalt. in den Monaten April bis

bis

Ergibt Bestand am Ende des Berichtsmonats

B. Außerordentlicher Hausbalt. Dle Einnabmen betragen in den Monaten April bist

ten äpin' dis

übernommenen

43675

und Sach⸗

1368,

1.2

16.2 16,2

; . Stand 1. Die Kassenlage des Reichs. 31 S 932

Der Kassensollbenand betrug am 31. Oktober 1932: in Mill. RM

1. aus der Begebung von Reichswechjeln 400 2. aus der Begebung unverzinsl. Schatzanweisungen (ohne die zur Sicherhenteleistung ausgegebenen Schatz anwe nungen) ; 1056 3. aus der Aummahme furzfristiger Darlehen . 33 4 aus der Inanjpruchnahme des Betriebskredits bei der Reichsbank . K 5. der Bestand des außerordentlichen Haushalts. 58 zusammen 19517 davon ab: Schatzanweisungen, für die ein Gegenwert der Reichshauptkasse nicht K— K s Ergibt einen Kassensollbestand von 19511 Dieser Betrag ist wie folgt verwendet worden: 1. Zur vorläufigen Deckung des aus dem Voriahr übernommenen, bis Ende Oktober 1932 noch nicht getilgten Ist⸗Fehlbetrages im ordentlichen k 1287, 3 Davon ab: die Mehrein⸗ nahme gegenüber den Ausgaben des ordentlichen Haushalts für April ; bis Ottober 1932 mit.... —— 1286

2. Zur Deckung der Ausgaben des außerordentlichen Haus e halis für April —ktober 1932. 16

3. Für sonstige. noch nicht rechnungs⸗ mäßig gebuchte Auszablungen (Ge⸗

halts-⸗ und Rentenzahlungen für November, Vorschüsse, Ultimobedarff .... 123 zusammen .. 1425

4. Der Kassenbestand bei der Reichs⸗ hauptkasse und den Außenkassen beträgt . w 116

2. Der Stand der schwebenden Schuld am 31. Oktober 1932 ist besonders veröffentlicht.

Deutscher Reichstag. 2. Sitzung vom Dienstag, den 7. Dezember, 2 Uhr nachm. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Präsident Göring eröffnet die fh um 2,10 Uhr und teilt zunächst das Ergebnis der Schriftführerwahl mit. Große Heiterkeit entsteht, als sich ergibt, daß auch der deutschnationale Parteiführer Dr. Hu genberg, dessen Name auf den Wahl⸗ listen gar nicht enthalten war, zum Reichstagsschriftführer gewählt worden ist, und zwar mit 291 Stimmen. Auf der Rechten ertönen Rufe: Der große Schriftführer Deutschlands!

Der Präsident teilt weiter mit, daß die amtliche Nach⸗ prüfung des Ergebnisses der Stichwahl zwischen den Abgeord⸗ neten Löbe und Dr. Hu go ergeben hat, daß von 5290 ab— egebenen Zetteln im Gegensatz zu 521, die von den Schrift⸗ ö gezählt wurden 205 Stimmen für Löbe, 294 für Hugo, 88 für Torgler und 1 Stimme für den Abgeordneten Litzmann festgestellt wurden, 22 Zettel waren unbeschrieben.

Abg. Dr. Frick (Nat. Soz) bezweifelt, daß dieses Ergebnis einwandfrei feststehe. Die Schriftführer hätten das im Plenum bekanntgegebene Ergebnis festgestellt. Dann hätten die Beamten des Reichstags eine nochmalige Zählung vorgenommn, bei der ein Stimmzettel weniger gezählt würde. Wohin dieser Stimmzettel gekommen sei, ob sich die Schriftführer verrechnet haben, ob er nachträglich abhanden gekommen sei, sei nicht festzustellen. (Oho!« Rufe.) Der Redner beantragt, die Vizepräsidenten⸗ wahl zu wiederholen und in namentlicher Abstimmung über den Antvag zu entscheiden. ö .

Abg. Dittmann (Soz.) erklärt, es wisse jeder, daß die Nationaͤlsozialisten über die Wahl des Abg. Löbe verärgert seien, da sie bei jedem Wahlgang versucht hätten, dieses Ergebnis zu verhindern. Der Redner betont, daß bei der Feststellung des Wahlresultats wie immer verfahren worden sei und daß stets die von den Beamten des Reichstags durchgeführte amtliche Zählung maßgebend sei, die schon oft von dem vorläufigen Ergebnis ab⸗ gewichen habe. Löbe sei rechtmäßig zum Vizepräsidenten erwählt und seine Partei erhebe gegen die nochmalige Wahl Einspruch.

Abg. Torgler (Komm.) wendet sich eben falls gegen die Wiederholung der Wahl, fügt aber hinzu, daß diese Haltung nicht politisch zu werten sei. Seine Partei wolle sich nicht mit- schuldig machen daran, daß Beamte des Reichstags verdächtigt würden, sie hätten etwa Stimmzettel verschwinden lassen. (Zu⸗ k links) Die Reichstagsbeamten seien absolut zuver; ässiger ois die Schriftführer, die gestern fungiert hätten. (Beifall bei den Kommunisten ) J.

Abg. Dr. Frick (Nat, Soz.) verwahrt sich gegen den Vorwurf. daß er Beamte des Hauses verdächtigt habe. Widerspruch links.) Er habe ausdrücklich darauf hingewiesen, da auch die Schrift- führer sich geirrt haben könnten. Aber es sel auch möglich, daß ein Zettel abhanden gekommen sei, ne dem Schriftführer Laverrenz (D. Nat. mehrmals Zettel auf den Bogen gefallen seien. n m, und Rufe links: Also Laverrenz ist das Kar— nickel) = . Abg. Leicht (Bayer. Vp): Der Präsident hat erklärt, daß jetzt das an lliche Ergebnis vorliege. Aus grundsätzlichen Erwägungen kann man“ gar keinen anderen Standpunkt einnehmen, als daß das Ergebnis endgültig ist. ,,, Heiterkeit.

Als Abg. Leicht (Bayer. Vp) gegen die Zulässigkei der Ab- stimmung Bedenken e ,, ,, Abg. Dr. Frick (Nat. Soz), namentlich darüber abzustimmen, ob sein Antrag auf Wieder⸗ holung der Wehl zulässig ist. . .

Für diesen nationalsozialistischen Antrag stimmen Uur die Anträgsteller und die Deutsche Volkspartei. Die Deutsch⸗ nationalen geben Enthaltungskarten ab, während die übrigen Parteien gegen die Zulässigkeit des Antrags stimmen. Der Antrag wird . mit 289 gegen 291 Stimmen bei 58 Enthaltungen abgelehnt. (Bravo bei den Sozialdemo⸗ kraten. . Präsident Göring fragt nunmehr den Abgeordneten Löbe noch einmal, ob er die Wahl annehme. .

Abg. Löbe (Soz): Ich will dem Hause nicht verschweigen daß ich nach dem gestern abend festgestellten Ergebnis Zweifel hatte, ob ich das Amt des Vizepräsidenten annehmen lann. Nachdem aber durch die gütigen Bemühungen des Abg. Dr Frick diese

eifel beseitigt hen und die neue Abstimmung die Gültigkeit des ahlganges zweifelsfrei sestgestellt hat wobei ich hoffe, daß kein neuer Zählfehler passiert ist nehme ich die Wahl an.

Vizepräsident Esser macht dann Mitteilung von der Konst'itlulerung des Ueberwgchungsgus— schufses und des Auswärtigen Aus schusses. Im ersteren ist Abg. Löbe (Soz), im zweiten Abg. Dr. Frick Nat. Soz) Vorsitzender. ö. . .

Eine größere Anzahl von Anträgen auf Einleitung von . , gegen Abgeord⸗ nete wird dem Geschäftsordnungsausschuß überwiesen;

Große Heiterkeit erregt die Bekanntgabe eines Antrags auf

Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 288 vom 8. Dezember 1932. S. 3.

Strafverfolgung des Abg. Schneller (Komm.) wegen Be⸗ leidigung des Herzogs Adolf Friedrich v. Mecklenburg. (Die Kommunisten rufen: Nieder mit dem Herzog!)

Vor Eintritt in die Tagesordnung macht Abg. Hell- Brandenburg (Komm.) Mitteilung von der Explosions⸗ katastrophe in Premnitz. Eine große Zahl von Arbeitern sei unter den Trümmern begraben. 10 Tote seien bereits zu beklagen. Die Abgeordneten aller Parteien erheben ich geschlossen bei dieser Mitteilung spontan von den Plätzen.

agegen ertönen sofort stürmische Pfuirufe, als der Redner sfortfährt, daß diese Katastrophe nur möglich sei, infolge der unerhörten Antreibermethoden. Vizepräsident Esser entzieht dem Redner das Wort, der aber trotzdem seine Ausführungen ernseg und die sofortige Beratung eines Antrages verlangt, er Zahlung von Entschädigungen, eine Untersuchungs⸗ kommission und strengste Bestrafung der Direktoren vorsieht. Auf der Rechten ertönen dauernde Schlußrufe.

Vizepräsident Esser erklärt, er könne nur seinem Bedauern Ausdruck geben, daß die Mitteilung über eine derartige Kata⸗ strophe, die jeden tief bewegen müsse, in solcher Weise erfolgt sei.

Es wird kein Widerspruch dagegen erhoben, daß der Antrag auf die Tagesordnung gesetzt wird; die Erledigung soll am Schluß der Sitzung erfolgen.

Jetzt endlich kann das Haus in die Tagesordnung eintreten. Am Regierungstisch haben einige höhere Ministerialbeamte Platz genommen, u. a. Ministerialdirektor Gottheiner vom Reichsinnenministerium und Mini⸗ sterialdirektor Ol scher vom Reichsfinanzministerium.

Erster Gegenstand der Tagesordnung ist der von den sationalsozialisten beantragte

Gesetzent wurf zur Aenderung des

Artikels 51 der Reichs verfassung. Der Gesetzentwurf besagt, daß der Reichspräsident im Falle seiner Verhinderung durch den Präsidenten des Reichsgerichts vertreten wird. Das gleiche gilt für den Fall einer vor⸗ zeitigen Erledigung der Präsidentschaft bis zur Durchführung der neuen Wahl. Von der Bayerischen Volkspartei ist ein Gesetzentwurf gleichen Inhalts eingegangen.

Während das bis dahin gutbesetzte Haus sich allmählich leert, ergreift als erster Redner Abg. Schneller (Komm.) das Wort, Er erklärt, der Reichsgerichtspräsident sei ein Repräsentant des herr⸗ schenden Systems, das den Arbeitern besonders verhaßt sei. Die Justiz des Reichsgerichts sei besonders gegen die antifaschistische Arbeiterschaft gerichtet. Daß die Nationalsozialisten gerade den Reichsgerichtspräsidenten als Vertreter für den Reichspräsi⸗ denten vorschlügen, sei verständlich, denn sie hätten ja die besten Beziehungen zum Reichsgericht. Hindenburg selbst, so fährt der Redner fort, ist das Programm der schamlosesten Ausbeutung des werktätigen Volkes.

Vizepräsident Esser erteilt dem Redner einen Ordnungsruf und droht schärfere Maßnahmen im Wiederholungsfalle an.

Abg. Schneller (Komm.) fährt fort: Die Präsidentschaft Hindenburgs ist die Präsidentschaft des Staatsstreichs. (Glocke des Präsidenten; die Kommunisten bringen darauf einen drei⸗ fachen Ruf „Nieder mit Hindenburg!“ aus, in den auch ein Tribünenbesucher einstimmt.) Hindenburg hat den Versailler Friedensvertrag herbeiführen helfen.

Bei diesen Worten des Redners rührt Vizepräsident Esser wiederum die Glocke. Die Kommunisten erheben sich und rufen laut: „Nieder mit Hindenburg!“ Wieder stimmt ein Tribünenbesucher in diesen Ruf ein. Ein Diener versucht diesen Mann abzuführen, der Rufer widersetzt sich jedoch. Andere Tribünenbesucher stehen dem Beamten des Hauses bei in seinem Bemühen, den Widerspenstigen von der Tribüne zu drängen. Die kommunistische Fraktion bricht daraufhin in lärmende Rufe aus: Raus mit den Faschisten! Raus mit den Arbeitermördern!

Vizepräsident Esser hat inzwischen vergeblich versucht, sich in dem Lärm, der wieder viele Abgeordnete in den Saal gelockt hat, verständlich zu machen. Als ihm dies nicht gelingt, verläßt er seinen Platz und hebt damit die Sitzung auf.

Auf der Publikumstribüne wird die Stimmung immer erregter. Der hinausgewiesene Kommunist ist wieder auf der

Tribüne erschienen. Beamte des Hauses fordern alle Tribünen— besucher auf, hinauszugehen. Der zuerst Hinausgewiesene redet wütend und laut auf andere Tribünenbesucher ein. Schließlich fallen einige Leute in SA. und SS.⸗Uniform, die sich auf der Tribüne befinden, über ihn her und prügeln ihn hinaus. Die im Saale befindlichen Mitglieder der national⸗ sozialistischen Fraktion verlassen daraufhin zum großen Teil im Sturmschritt ihre Plätze, um ihren Freunden auf der Tribüne zu Hilfe zu kommen. Saal und Tribünen werden allmählich leer und nach einigen Minuten tritt wieder Ruhe ein.

Zu diesem Zwischenfall im Reichstag sind noch folgende Einzelheiten zu melden:

Nach Aussagen von Tribünenbesuchern hat sich der Zu— hörer, durch den der heutige Zwischenfall verursacht wurde, schon gestern auffällig benommen, indem er den kommu⸗ nistischen Rednern und Zwischenrufern ständig Beifall zollte und Zwischenrufe machte. Dieses Benehmen setzte er heute sort, so daß andere Tribünenbesucher sich schließlich bei dem zuständigen Reichstagsbeamten beschwerten. Der Beamte verwarnte ihn, der Kommunist aber wiederholte seinen Ruf: „Nieder!“ Während man dann versuchte, ihn von der Tribüne zu entfernen, gab der Präsident gleichzeitig den Auftrag, die anze Tribüne zu räumen. Inzwischen hatte sich auf der

ribüne schon ein Handgemenge entwickelt, da der demon⸗ triexende Tribünenbesucher heftigen Widerstand leistete. An er Tür der Tribüne zeigten sich auch uniformierte National⸗

sozialisten, die ihre Angehörigen auf der Tribüne schützen

wollten. Als gleichzeitig aus dem Sitzungssaal auch einige kommunistische Abgeordnete versuchten, auf die Publikums⸗

tribüne zu gelangen, folgten ihnen weitere Nationalsozialisten.

Beide Gruppen trafen auf, dem Wandelgang hinter der Regierungstribüne aufeinander. Es gab heftigen Wortwechsel. Er schien zunächst abzuflauen, als plötzlich in hohem Bogen ein Spucknapf durch die Luft flog. Im selben Augenblick entstand eine schwere Schlägerei 1 etwa 40– 50 kommunistischen und nationalsozia⸗ istischen Abgeordneten, wobei nicht nur Aschenbecher und Pultdeckel als Waffen benutzt, sondern auch Telephonapparate und Schreibpulte, die man aus der Wand riß, verwandt wurden. Mehrere große Glasscheiben von Verbindungstüren gingen in Trümmer. Schließlich wurden die Kommunisten von den Nationalsozialisten bis in den Wandelgang zurück⸗ edrängt, in dem diese sich gewöhnlich aufhalten. Im Ver⸗ aufe des Handgemenges erlitten mehrere Abgeordnete blutige Verletzungen.

Ueber die Ursache des Zwischenfalles auf der Tribüne erfahren wir noch, daß von kommunistischen Tribünen⸗

zunächst einen

besuchern einer Nationalsozialistin Beschimpfungen zugerufen worden sein sollen, die sich gegen die kommunistischen Ruhe⸗ störer auf der Tribüne energisch gewandt hatte.

Wie wir weiter erfahren, handelt es sich bei dem demon⸗ strierenden Tribünenbesucher um den kommunistischen Ab⸗ geordneten des Meclenburgischen Landtags Quandt. Bei der Schlägerei in den Wandelgängen wurde auch ein Tisch in so hohem Bogen geschleudert, daß der ziemlich hoch hängende Kronleuchter in Trümmer ging. Durch die herabfallenden Glassplitter wurden mehrere Abgeordnete verletzt. Am schwersten verletzt wurde der nationalsozialistische Abg. 3117 dem ein Telephonapparat gegen den Kopf ge⸗ schleudert wurde. Bei den Demonstrationen handelte es sich nicht um die allgemeine Publikumstribüne, sondern um eine Tribüne, die den Mitgliedern der Länderparlamente und dem Reichstagspräsidium zur Verfügung gestellt ist.

Nach Wiedereröffnung der Sitzung erklärt Vizepräsident Esser, daß der Präsident die Untersuchung der Vorgänge in die Hand genommen habe und über das Ergebnis nachher Bericht erstatten werde. Er richte die dringende Bitte an Mitglieder des Hauses, alles zu tun, damit die Verhandlungen ungestört weitergeführt werden können. Sollte ein weiteres Eingreifen von Tribünenbesuchern bemerkt werden, so werde er sämtliche Tribünen räumen lassen.

Abg. Torgler (KommR Wir protestieren entschieden dagegen, daß da oben S. A. und S. S.⸗Leute als Hilfspolizisten im Auf- trage des Präsidenten tätig sind. (Lärmender Widerspruch bei den Nationalsozialisten und Rufe: Das ist niederträchtig gelogen! Vizepräsident Esser entzieht dem Abg. Torgler, als er seine Aus⸗ führungen fortsetzen will, das Wort.)

Die Aussprache über das tungsgesetz wird dann fortgesetzt.

Abg. Freiherr v. Freytagh⸗Loringhoven (D Nat) hält eine 3. che Regelung der Stellvertretung des Reichspräsidenten

Stellvertre⸗

an sich nicht für notwendig. Auf den ersten Blick möge es ein⸗ leuchten, dem obersten Repräsentanten der Rechtspflege, von dem man gern glaube, daß er über den Parteien stehe, vertretungs⸗ weise die Rechte des Reichsoberhaupts zu geben. Aber näherer Prüfung halte der Gedanke nicht stand. Der Präsident des Reichsgerichts werde unter Gesichtspunkten ausgesucht, die ihn gerade zum Vertreter des Reichsprasidenten ungeeignet machen. Er solle gänzlich unpolitisch sein, und nun wolle man ihm den politischsten Posten anvertrauen, den es gäbe. Einen schlagenden Beweis für die Verfehltheit dieses Gedankens habe gerade das jüngste Leipziger Urteil gegeben. Gegen dieses seien freilich auch schwere juristische Bedenken zu erheben. Auch unter juristischen Gesichtspunkten erscheine die Teilung zwischen Hoheitsrechten und Verwaltungsrechten zum mindesten fraglich weil die Einheitlich⸗ leit der Staatsgewalt die Grundlage allen Staatsrechts ist. Politisch aber bedeute jenes Urteil unzweifelhaft einen unerträg— lichen Mißgriff. Was heute in Preußen vor sich gehe, sei eine der Staatsautorität abträgliche Komödie. Sie zeige mit denkbarer Klarheit, wie unzweckmäßig die Einsetzung des Reichsgerichts⸗ präsidenten als Stellvertreter wäre. Zu berücksichtigen sei auch, daß für die Zukunft die Auswahl des Reichsgerichtspräsidenten . unter politischen Gesichtspunkten vorgenommen werden önnte.

Darüber hinaus erscheine dieser Vorschlag als Frucht demo— kratischer und parlamentarischer Gedankengänge. Es ist demo⸗ kratisch und parlamentarisch, die Justiz über die Vollzugsgewalt hinauszuheben und den Machtgedanken hinter dem des Rechts⸗ staates zurücktreten zu lassen. Aber es ist unbegreiflich, wie eine Partei das anregen kann, die sich zum Machtstaat bekennen will. Der Redner lehnt den nationalsozialistischen Antrag ab und bean— tragt, wenn die Frage überhaupt Eee geri sh geregelt werden soll, dem Reichspräsidenten selbst die Bestimmung seines Ver⸗ treters zu überlassen. Technisch biete das keinerlei Schwierig⸗ keiten. Für den Fall vorzeitiger Erledigung der Präsidentschaft könne dem Reichspräsidenten das Recht verliehen werden, durch ein politisches Testament den Vertreter für die Zeit bis zur Neu— wahl zu bestimmen. Diese Regelung ö die allein zweckmäßige und entspreche auch dem Grundgedanken der Verfassung, wie fie sich heute entwickelt habe.

Reichspräsident und Reichstag seien die großen politischen Faktoren, aus deren Zusammenwirken sich unser staatliches Leben regelt. Das Verhältnis zwischen e würde völlig verschoben, wenn an die Stelle des Reichspräsidenten ein Beamter treten würde. Es handele sich nicht um eine Vermehrung der Macht des Reichspraͤsidenten sondern um einen sinngemäßen Ausbau seiner Stellung. siehen Ausbau, so erklärt der Redner, wolle seine Partei um so béxeitwilliger vornehmen, als es sich hier zunächst um den gegenwärtigen Reichspräsidenten handele. Das scheine umso mehr am Platze, als er gestern zum Zielpunkt von bedauerlichen Angriffen des nationalsozialistischen Alterspräsi⸗ denten geworden 9 die sogar auf das militärische Gebiet hin⸗ überspielten. Der Felderrnruhm Hindenburgs sei zu fest be⸗ gründet, als daß er auf ein einzelnes noch so ruhmreiches Ge⸗ echt oder auf noch so verdienstvolle Taten einzelner Mitkämpfer zurückgeführt werden dürfte. Der nationalsoziglistische Antrag bedeute eine Ueberspannung des n, n,. Gedankens, während der deutschnationale den Gedanken der Staatsautorität und des Machtstaates in den Vordergrund stelle. Die Stellung⸗ nahme zu diesen Anträgen sei eig Prüfstein für die Auffassung der Parteien vom Staat.

Abg. Dr. Breitscheid (Soz): Es ist ein eigenartiger Vorgang, 6 uns hier sogar verfassüngsaͤndernde * e . vor⸗ gelegt werden, ohne da uns die Antragsteller ihre Gründe dafür vortragen. Dagegen hat sich der Vorredner nicht gescheut, die deutschnationale Katze aus dem Sack zu lassen. (Heiderkeit.) Er hat in deutlicher Anspielung den , , liberalistische und demokrgtische Beweggründe untergeschoben. Ich bin nicht so optimistisch; ich glaube, die e,, ,. befinden sich in dieser , n, noch in den ersten Anfangsstadien. (Er⸗ neute Heiterkeit. Angesichts der Tatsache, daß die National⸗ sozialisten darauf verzichten, ihre Gründe für die . änderung vorzutragen, werden Sie es mir nicht verübeln, wenn ich der Meinung Ausdruck gebe, daß Sie dadurch ein Hindernis aus dem Wege räumen wollen, das heute noch der Betrauung eines Nationalsozialisten mit dem Reichslanzleramt entgegensteht. Denn gegenwärtig ist der Reichskanzler Stellvertreter des Reichs⸗ präsidenten, und ich könnte mir denken, daß Hindenburg deshalb einige Bedenken gegen die Berufung hitle ns hatte. Dleser Be⸗ weggrund der Nationalsozialisten kann uns natürlich nicht ver⸗ anlassen, dem Entwurf zuzustimmen.

Uns bestimmen ganz andere Motive, und das erste ist, daß wir es aus rn allgemeinen Gesichtspunkten für notwendig erachten, eine Dauerregelung herbeizuführen, während der gegenwärtige Zustand es in jedem einzelnen Falle dem Reichstag überläßt, einen Vertreter zu bestellen. In allen anderen Ländern wird ein Stellvertreter von vornherein bestellt. Die Deutsch⸗ nationalen wollen, daß der Reichspräsident ö Vertreter testamentarisch bestimmt. Ich kann nicht zugeben, daß dadurch die Staatsautoritãt emehrt werde, sondern dadurch würde dem Präsidenten eine . gegeben werden, die beinahe die kaiserliche erreicht. (Sehr richtig! links.) Es wäre die Frage, ob ein solcher Stellvertreter bereit wäre, seinen Posten einem Fig gen Nachfolger wieder abzutreten. Wir wissen, daß solche Pläne schon unter Papen erwogen wurden.

Auch ba mals ging schon die Rede, daß der ehemalige Kronprinz,

sei. In den Kreisen unseres neuen Schriftführers Hugenberg (Heiterkeit) und des Herrn Krupp sind solche Ideen . jeden Fall lebendig gewesen. Wenn der Vorredner dem Reichsgerichts⸗ präsidenten das nötige politische Verständnis abspricht, so bin ich erstaunt, daß man es dem Kronprinzen zuspricht. Wir wünschen keine Gefahr für das republikanische Staatswesen. Deshalb werden wir dem deutschnationalen Antrag nicht zustimmen. Und wann gilt denn eigentlich der Reichspräasident als verhindert? Zuruf bel den Deutschnationalen: Das zu prüfen, wäre in der Nationalversammlung Zeit gewesen Es ist aber nicht geschehen. Anschütz 2 fest, 9h hier eine durch die Wissenschaft nicht aus⸗ füllbgre Lücke besteht.

Ohne uns für das Reichsgericht und für seinen jetzigen oder einen anderen Präsidenten einzusetzen, sind wir der Meinung, daß das Reichsgericht allerdings als die objektivste Behörde gelten muß. Und wenn überhaupt jemand gesucht werden soll, so ist sein Präsident der geeignetste Stellvertreter des Reichsprasidenten. Die Kritit an dem Urteil des Staatsgerichtshofs, die Herr von Freytagh⸗Loringhoven übte, kann ich allerdings unterschreiben; dieses Urteil hat in Preußen einen Zustand geschaffen, der dur Ihre (zu den Deutschnationalen) Kennzeichnung noch n behandelt ist. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten. Wenn Sie meinen, das Amt des Reichsgerichtspräsidenten werde durch die Stellvertretung zu sehr politisiert, so D ich daran erinnern, daß der Reichsgerichtspräsident zugleich Vorsitzender des Staats⸗ erichtshofs und dadurch noch stärker politisiert ist. Bei dem etzten Urteil des Staatsgerichtshofs haben doch auch stark poli⸗ tische und nicht rechtliche Rücksichten mitgesprochen. Sie Gu den Deutschnationalen werden aber keinen 2 nennen können der geeigneter wäre. Wir werden dem beantragten Gesetzentwurf unsere Zustimmung geben weil sich in der letzten Zeit, als die Kreise hinter Herrn von Freytagh⸗Loringhoven großen Einfluß hatten, erhebliche Gefahren für die Republik ergeben haben, die wir vermeiden wollen. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Abg. D. Dr. Dr. Bredt (Wirtschaftsp.): Ich habe mich über den nationalsozialistischen Antrag sehr gefreut. Denn in einer Zeit, wo das Problem des Verfassungsstaats und des Rechts⸗ staats aufgerollt ist, brauchen wir als Stellvertreter des Reichs⸗ präsidenten gerade einen Mann, der nur das Ziel kennt, den Rechtsstaat und die Verfassung aufrechtzuerhalten. Uebrigens hat selten ein Gerichtshof eine so schwere Aufgabe gehabt wie der Staatsgerichts hof im Konflikt Preußen —Reich. Darum sollte man mit der Kritik an seinem Urteil zurückhalten.

Abg. Torgler (Komm.): Wir sind gegen die Institution des Reichspräsidenten überhaupt und deshalb auch gegen einen Stellvertreter, besonders weil der jetzige Präsident zum Exponenten der faschistischen Diktatur gegen die Arbeiterklasse geworden ist.

Damit schließt die Aussprache. Der Gesetzentwurf wird in 1. und 2. Lesung erledigt. Die Ueber⸗ weisung an den Rechtsausschuß wird gegen die Stimmen der Deutschnationalen abgelehnt.

Abg. Leicht (Bayer. Vp.) zieht den von seiner Fraktion beantragten Gesetzentwurf zugunsten des nationalsozialistischen Entwurfs zurück.

Die Deutschnationalen verlangen namentliche Ab⸗ stimmung über den vom Abgeordneten von Freytagh⸗ Loringhoven beantragten Abänderungsantrag. Die Unter⸗ stützung für dieses Verlangen reicht jedoch nicht aus, da nicht 50, sondern nur 46 Deutschnationale anwesend sind. Heiter⸗ keit; Darauf wird der deutschnationale Aenderungsantrag in einfacher Abstimmung gegen die Stimmen der Antrag⸗ steller abgelehnt.

Der nationalsozialistische Initiativgesetzentwurf selbst wird in der 2. Lesung gegen die Stimmen der Deutsch⸗ nationalen und der Kommunisten angenommen.

Die 3. Lesung kann erst fir vorgenommen werden, da

die Kommunisten gegen ihre sofortige Vornahme Widerspruch erheben.

Es folgt nun die erste Beratung des von der Zentrums⸗ fraktion beantragten Gesetzentwurfs, der die

Aufhebung der sozialpolitischen Bestimmungen

der Notverordnung des Reichspräsidenten zur Belebung der Wirtschaft vom 4. September vorsieht. Mit zur Beratung steht der nationalsozialistische Antrag zur Aenderung derselben Notverordnung und Anträge fast aller Parteien über Winter⸗ ilfsmaßnahmen für Erwerbslose und Sozialbedürftige sowie über Arbeitsbeschaffung.

Abg. Torgler (Komm.) beantragt die Herbeirufung des Reichskanzlers.

Der Antrag wird gegen die Stimmen der Kommunisten und Sozialdemokraten abgelehnt. (Laute Aha⸗Rufe links.)

Die Aus sprache eröffnet

Abg. Karsten (Soz.): Er erklärt, nur die antidemekrgtische Mehrheit im Reichstag habe es ermöglicht, daß die wirtschaftliche Reaktion sich auf den Regigrungssesseln nieder 25 konnte. Für die wirtschaftliche Entwicklung 6. diejenigen Parteien verant⸗ wortlich, die es der Reaktion so außerordentlich leicht gemacht 3 ihre verderbliche Politik treiben zu können. (Zustimmung ei den Sozialdemokraten.) Papens erste n , so erklärt der Redner, war eine furchtbare Beleidigung der Armen. Sie bedeutete nichts anderes, als man auf alle Volksrechte pfeifen und sich gleichgültig gegenüber Hunger und Not stellen wollte. (Erneute Zustimmung. Auf der ganzen Linie erfolgte die Kürzung der schmalen Unterstützungspfennige. Allein den Arbeitslosen nähm man 500 Millionen Mark. Was man den Armen am 14. Juni nahm, schenkte man am 4 Sep- tember im vollen Umfange den Besitzenden in Form von Steuer⸗ gutscheinen. Darüber hinaus gab man sich eine lückenlose Voll⸗ macht für den Umbau und Abbau der ganzen Sozialversicherung. Wir haben sofort einen Volksentscheid beantragt. Niemand außer uns hat ernsthaft den Kampf gegen die Regierung und ihre Maß- nahmen aufgenommen. Die Kommunisten haben unser Volks⸗ begehren sogar noch bekämpft. (Lärm und Zurufe hei den Kom⸗ , . Die Notverordnungen der Regierung Papen haben die Not ins Unermeßliche gesteigert. Die Gemeinden wurden brutal gezwungen, die Kürzungen durchzuführen, und . haben sich blutenden Herzens fügen müssen, weil man 2. onst von oben die Mittel gesperrt hätte. Auch in den Ländern, in denen die , ,. herrschen, ist die Not nicht geringer. Die einzige Stadt in Braunschweig beispielsweise, in der die Unter= kid un gõss wenigstens noch e , . ᷓ— werden, ist ie rote Stadt 3 (Lärmender Widerspruch bei den Nationalsozialisten.) enn im Reichstag erst wieder eine Mehr⸗ ät der Vernunft vorhanden ist, wird auch wieder eine 44 eit ür soziale Verbesserungen zustandekommen. Beifall bei den Unter schweren Kämpfen haben wir die

Sozialdemokraten.) Arb Heute ist t zu einer Farce

eitslosenversicherung eb ba fen, eworden. Trotz eines monatlichen Ueberschusses von 60 Mil- onen sind die Unterstützungen radikal herabgesetzt. Der Name der Regierung hat sich zwar geändert, der Kurs bleibt der gleiche. Wir werden abwarten, wie sich die Regierung zu den Reichstags⸗ beschlüssen stellen wird. . .

WVizepräsident Löbe erteilt wegen verschiedener Zwischen⸗ rufe einige Ordnungsrufe.)

Abg. Börger (Nat. Soz.) erklärt: Wenn einer der Herren, die

der sich sonst init lüstigeren Dingen zu beschäftigen pflegt, für die Notverordnung vom 4. September erdacht, geschaffen und diesen ernsten Posten des Stellvertreters in Aussicht genommen durchgeführt haben, einmal arbeitslos auf der Straße gelegen