1935 / 28 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 02 Feb 1935 18:00:01 GMT) scan diff

Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 28 vom 2. Februar 1935. S. 4

Zu § 101: Das Rechnungsprüfungsamt soll seine Auf⸗— gaben in möglichster Unabhängigkeit und Eigenverantwortlich⸗ keit erfüllen. Da das Rechnungsprüfungsamt konstruktiv aber immer nur eine Dienststelle der Gemeinde sein kann, mußte versucht werden, diese Unabhängigkeit und Eigenverantwort⸗ lichkeit durch Maßnahmen zu sichern, die den Rahmen der ge—

meindlichen Organisation nicht sprengen. Der F101 erreicht dieses Ziel durch folgende Vorschriften: 1. Das Rechnungsprüfungsamt ist in weitem Umfange Kontrollstelle der dem Bürgermeister nachgeordneten Ver⸗ waltung. Es muß deshalb ausgeschlossen werden, daß eine nachgeordnete Dienststelle des Bürgermeisters auf die Maßnahmen des Amts irgendwelchen Einfluß nehmen kann. Deshalb unterstellt 5 101 Abs. 1 das Rechnungs⸗ prüfungsamt unmittelbar dem Bürgermeister oder einem

von ihm bestimmten Beigeordneten.

2. Der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes wird die in seinem Amte gebotene Unabhängigkeit und Unbeeinfluß⸗ barkeit nur aufbringen können, wenn er die erforderlichen fachlichen und charakterlichen Eigenschaften besitzt und wenn seine persönliche Stellung möglichst gefestigt wird. Deshalb sieht 5 101 Abs. 2 vor, daß die Leitung des Prü⸗ fungsamtes einem Beamten nur mit Genehmigung der Aufsichts behörde übertragen und entzogen werden kann.

„Die Unabhängigkeit des Leiters des Prüfungsamtes ist nur dann gewährleistet, wenn er mit solchen Beamten, deren Tätigkeit er in erster Linie zu überprüfen hat, nicht in verwandtschaftlichen Beziehungen steht 6 101 Abs. 3). Entstehen derartige Beziehungen im Laufe der Amtszeit, so wird der Leiter des Amtes alsbald in einer anderen Dienststelle zu verwenden sein.

.Der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes darf grundsätz⸗ lich bei solchen Geschäften nicht mitwirken, deren spätere Ueberprüfung zu seinem eigentlichen Aufgabengebiet ge⸗ hört. Deshalb darf er nach 5 101 Abs. 4 Zahlungen für die Gemeinde weder anweisen noch ausführen.

Zu S 102: 8 97 bestimmt die Aufgaben, die dem Rech⸗ nungsprüfungsamt in jedem Falle kraft Gesetzes obliegen. Darüber hinaus eröffnet 8 102 die Möglichkeit, dem Amte weitere Aufgaben zu übertragen. Inwieweit der Bürger— meister von dieser Möglichkeit Gebrauch machen kann, wird von den Gegebenheiten des einzelnen Falles abhängen. Die in § 192 Nr. 1 genannte Aufgabe wird dabei dem Rechnungs⸗ prüfungsamt wohl in jedem Falle übertragen werden können, während die Uebertragung der in Nr. 2 4 genannten Auf⸗ gäben wesentlich von der Ausgestaltung des einzelnen Amtes und der Verwaltung überhaupt abhängt.

Zu S 103: Es besteht heute kein ernsthafter Streit dar⸗ über, daß die überörtliche Prüfung der gesamten Gemeinde⸗ wirtschaft einem dringenden Bedürfnis entsyricht. Diese Er⸗ kenntnis hat bereits in den letzten Jahren zahlreiche gesetzliche Maßnahmen des Reichs bestimmt. Sie hat darüber hinaus eine ganze Reihe von Ländern zur Errichtung solcher Prü— . veranlaßt. So hat insbesondere Preußen durch das Gemeindefinanzgesetz besondere staatliche Dienst⸗ stellen eingerichtet, denen sowohl die Vornahme der sogen. Ordnungsprüfungen als auch die Durchführung von Wirt— schaftlichkeits und Organisationsprüfungen und von unver⸗ muteten Kassen⸗ und Vorratsprüfungen übertragen ist. Des weiteren hat Baden durch Gesetz vom 9. Januar 1934 die Prüfung der Rechnungen größerer Gemeinden und Städte durch ein überörtliches, unabhängiges Amt (Gemeinderech⸗ nungsprüfungsamt) mit der Eigenschaft einer selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts vorgeschrieben, während in den kleinen und mittleren Gemeinden die Prüfung durch die Aufsichtsbehörde vorgenommen wird. In Bayern liegt be⸗ reits seit längerem die Prüfung dem Bayerischen Prüfungs— verband öffentlicher Kassen ob, der als Körperschaft des öffent⸗ lichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung unter der Aufsicht des Staatsministeriums des Innern tätig wird. Württemberg hat durch Gesetz vom 27. Januar 1934 zur Prüfung der Haushaltsrechnungen, Verwaltungen und Unter⸗ nehmungen von Gemeinden usw. „die Württembergische Prü⸗ fungsanstalt für Körperschaften“ als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet.

Ein Blick auf diese Einrichtungen zeigt, daß die Auf⸗ fassungen über die richtige Form derartiger Prüfungsstellen bei aller Einheitlichkeit ihres Zwecks und ihres Zieles weit⸗— gehend auseinandergehen. Da auf der anderen Seite die praktischen Erfahrungen mit diesen verschieden gestalteten Einrichtungen noch gering sind, geben auch sie keinen hin— reichenden Anhalt für die beste Form einer solchen Ein⸗ richtung.

Das Reich stand bei dieser Sachlage vor der Frage, ob es '. eine Regelung zunächst überhaupt verzichten sollte, um zunächst weitere Erfahrungen abzuwarten, oder ob bereits in der Deutschen Gemeindeordnung eine bestimmte Lösung vor— zusehen sei. Es hat sich für letzteres entschieden, weil die Ver⸗ einheitlichung des Gemeinderechts und der Staatsaufsicht auch eine Lösung der Frage des überörtlichen Prüfungswesens er⸗ forderlich macht. In der Zielsetzung kam es dabei darauf an, eine Prüfungseinrichtung zu schaffen, die bei Berücksichtigung der Umgestaltung des Gemeindeverfassungsrechts einen mög— lichst guten Erfolg für Staat und Gemeinden verspricht. Da— bei konnte aus dem Gesichtspunkt heraus, daß eine derartige Einrichtung von den zu prüfenden Gemeinden unter allen Umständen unabhängig sein muß, nur eine Rechtsform in Betracht kommen, die diesem Erfordernis unter allen Um⸗ ständen gerecht wird. Auf der anderen Seite ist aber auch davon abgesehen worden, die Prüfungseinrichtungen rein staatlich zu gestalten, da hiergegen, namentlich aus den Kreisen der Selbstverwaltung, Bedenken erhoben worden sind.

Das . sieht demnach vor, daß demnächst eine Anstalt

des öffentlichen Rechts für die Durchführung der überört⸗ lichen Prüfungen errichtet wird, die dem Reichsminister des Innern untersteht. Dabei ist bewußt davon abgesehen wor⸗ den, diese Anstalt nur der Aufsicht des Reichsministers des Innern zu unterstellen. Ihm soll vielmehr nach dem Willen des 266 sowohl auf die Ausgestaltung als auch auf die Arbeit dieser Anstalt entscheidender Einfluß eingeräumt sein, der vor allem darin bestehen wird, daß er die Stellen der leitenden Beamten in dieser Anstalt . Die Errichtung dieser Anstalt ist erst dann möglich, wenn über die Neueinteilung des Reiches und die endgültige Ab⸗m genung der Zuständigkeiten, namentlich auf dem Gebiete der tommunalaufsicht, Klarheit ,. Aus diesem Grunde . § 103 Abs. 2 Satz 2 vor, daß bis zur Errichtung der An⸗ stalt die bestehenden überörtlichen Prüfungseinrichtungen ihre Tätigkeit fortsetzen.

Zu § 104:

. Verschiedene Vorschriften des Gesetzes sehen vor, daß die Gemeinde zu Rechtsgeschäften oder Verwaltungs⸗ handlungen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde be⸗ darf. Soweit die Entschließung der Gemeinde rein auf öffentlich- rechtlichem Gebiete liegt (. B. Erlaß der Hauptsatzung 5-3 Abs. 2, Einführung des Anschluß⸗ zwangs oder Benutzungszwangs durch Satzung 518 Abs. I), bedarf es keiner weiteren Ausführung darüber, daß sie bis zur Erteilung der Genehmigung der Auf⸗ sichts behörde unwirksam ist. Das gleiche gilt auch auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechtsverkehrs. Im Interesse der Rechtssicherheit gibt jedoch 5 104 Abs. 1 für die Rechtsgeschäfte, zu denen in den Vorschriften des Sechsten Teils die Genehmigung der Aufsichts behörde vorgeschrieben ist, die ausdrückliche Klarstellung, daß diese Geschäfte bis zur Erteilung der Genehmigung un⸗ wirksam sind.

Die Begrenzung des 5 101 Abs. 1 auf die Rechts⸗ geschäfte, für die in den Vorschriften des Sechsten Teils der Deutschen Gemeindeordnung die Genehmigung der Aufsichts behörde vorgeschrieben is schafft für diese Rechtsgeschäfte eine gesetzliche Klarheit, besagt aber nicht, daß die übrigen Rechtsgeschäfte einer Gemeinde, für die in anderen Gesetzen die Genehmigung der Aufsichts⸗ behörde vorgeschrieben ist, auch ohne diese Genehmigung rechtswirksam sind. Diese Frage beurteilt sich vielmehr nach den einschlägigen Sondergesetzen.

Die Deutsche Gemeindeordnung gebraucht in einer Reihe von Vorschriften die Ausdruͤcksweise „Die Gemeinde darf „oder „Die Gemeinde darf nicht ... .“. Bei diesen Vorschriften handelt es ih um ein gesetzliches Verbot. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist daher klarzustellen, ob die Verletzung dieses gesetzlichen Ver⸗ bots die Folge der Nichtigkeit des Geschäfts nach sich zieht, wie es 5 134 BGB. für die Fälle vorsieht, für die das Gesetz nichts anderes bestimmt. 5 104 Abs. 2 35 vor, daß die Nichtigkeit in den Fällen der Ver⸗ etzung der 88 53 und 79 eintritt. Hinsichtlich der Ge⸗ schäftè des 5 73 bedarf dies keiner näheren Begründung. ö die Fälle des 8 79 wird klargestellt, daß das gesetz— iche Verbot des Satzes 1 dann nicht besteht, wenn und soweit die Aufsichtsbehörde Ausnahmen zugelassen hat.

Aus der ausdrücklichen Begrenzung des § 104 ö. 2 auf die Fälle der 55 73 und 79 ergibt sich, daß in den übrigen Fällen die n n des gesetzlichen Verbots nicht die Nichtigkeit des Geschäfts als Folge nach sich zieht. In diesen Fällen handelt es sich demnach um Ordnungsvorschriften, deren Einhaltung aber eine gesetzlichs Pflicht der Gemeinden im Sinne der 585 1 und 106 ist. Auch binden sie die Aufsichts behörden und verpflichten sie, diesen Vorschriften Geltung zu ver— schaffen.

Zu § 105:

Die weitere Entwicklung kann einzelne der in den Ab— schnitten 1——5 ,, Genehmigungsvorbehalte entbehrlich werden lassen. Deshalb ermächtigt 5 105 Abs. 1 den Reichsminister des Innern, im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen an Stelle solcher Genehmigungen lediglich eine vorherige Anzeigepflicht allgemein vorzuschreiben.

Die Deutsche Gemeindeordnung hat die Wirtschaftsfüh⸗ rung der Gemeinden aus den Gründen, die bereits in dem allgemeinen Teil der Begründung angedeutet sind, nur in ihren Grundzügen geregelt. Der Vorteil einer solchen Regelung liegt sowohl in der besseren Uebersichtlichkeit des Gesetzes als auch darin, daß zahlreiche Fragen der gemeindlichen Wirtschaftsführung für die verschiedenen Gemeindearten und Gemeindegrößengruppen besonders eregelt werden und darüber hinaus elastisch gehalten werden n gen, so daß ö. eine gesetzliche Regelung insoweit nicht empfiehlt. Es ist vielmehr zweckmäßig, diese Fragen der Regelung durch Verordnung zu über⸗ lasfen. Die hierzu erforderlichen Ermächtigungen gibt der 5 105 dem Reichsminister des Innern im Einver⸗ nehmen mit dem Reichsminister der Finanzen.

Dabei ist jedoch zu betonen, daß die Gemeindeord⸗ nung mit der Rahmenvorschrift des 8 105 das Bedürfnis nach Erlaß näherer Durchführungsvorschriften aus den Gründen, die gleichfalls bereits im allgemeinen Teil der Begründung erwähnt sind, ausdrücklich bejaht, und daß beabsichtigt ist, von der im 5 105 gegebenen Ermächtigung im . des Notwendigen alsbald Gebrauch zu machen.

Zum Siebenten Teil. Aufsicht.

Zu § 106. Die Vorschriften der 85 106 —= 116 regeln die Aufsicht des Staates über die Gemeinden. Schon in 8 8 ist grundsatzmäßig der Wesenskern der Kommunalaufsicht um⸗ rissen; es kann hierauf und auf die eingehenden Ausführungen unter Ziffer 2 der allgemeinen Begründung über die Einord⸗ nung der Gemeinde in das Staatsganze verwiesen werden.

Die Vorschriften über die Gemeindeaufsicht sind in dem Siebenten Teil des Gesetzes nicht erschöpfend zusammengefaßt. Ein größerer Teil einschlägiger Vorschriften findet sich bei dem einzelnen Sachgegenstand. Es ist in erster Linie für die Praxis zweckmäßiger, wenn zusammengehörige Vorschriften bei dem einzelnen Gegenstand erscheinen.

Nicht näher geregelt ist in der Deutschen Gemeinde⸗ ordnung die sogenannte Fachaufsicht, die sich aus dem Wesen der Auftragsangelegenheiten (5 2 Abs. 3) ergibt. Das Wesen der Fachaufsicht, das die Deutsche Gemeindeordnung unberührt läßt, besteht darin, daß die Gemeinden als gesetz⸗ lich beauftragte Träger staatlicher Aufgaben den vorgesetzten Staatsbehörden wie nachgeordnete Dienststellen gegenüber⸗ stehen und deshalb den Anweisungen dieser Staatsbehörden wie Dienstbefehlen unterworfen sind. Das Gesetz muß davon absehen, die Befugnisse dieser vorgesetzten Staatsbehörden einheitlich zu regeln, weil Art und Ümfang dieser Befugnisse nach dem inneren Wesen der einzelnen Auftragsangelegen⸗ heiten (I.. B. Polizei, Schulwesen) zu verschiedenartig sind, als daß sie einer gleichmäßigen Regelung zugänglich wären. Nur nach einer Seite nimmt die Deutsche Gemeindeordnung zu Fragen der Fachaufsicht insofern Stellung, als durch 5 114 auch den Fachaufsichtsbehörden (wie anderen Behörden und Stellen) untersagt wird, von den Zwangsmitteln der Staats⸗ aufsicht, die in den S5 108 ff. geregelt sind und nur den Kom⸗

munalaufsichts behörden zustehen, Gebrauch zu machen. Die Fachaufsichtsbehörden sind deshalb grundsätzlich gehalten, sich zur Durchsetzung erteilter Anweisungen im Zwangswege an die Kommunalaufsichtsbehörde zu wenden.

Wesen und Inhalt der Staatsaufsicht ergeben sich aus 5 106. Danach hat die Aufsichtsbehörde die Gemeinden zu überwachen und dafür zu sorgen, daß die Gemeinde im Ein⸗ klang mit den Gesetzen und mit den Zielen der Staatsführung verwaltet wird. In dem folgenden unmittelbar angefügten und deshalb für das Wesen der Aussicht, so wie sie das Gesetz gehandhabt wissen will, bedeutsamen Satz wird den Aufsichts⸗ behörden ausdrücklich zur Pflicht gemacht, die Entschlußkraft und Verantwortungsfreudigkeit der Gemeindeverwaltung zu 6 und nicht zu beeinträchtigen. Dem Geiste des Ge⸗ etzes würde es demnach widersprechen, wenn die Aussichts⸗ behörden in alle Einzelheiten der Gemeindeverwaltung hin— einregieren und versuchen würden, auch in reinen Ermessens⸗ fragen ihre Auffassung stets durchzusetzen, oder wenn sie sich irgendwie von staatsfiskalischen oder, soweit die Landräte die Aufsicht führen, von kreisfiskalischen Gesichtspunkten be⸗ stimmen ließen. Das gleiche Ziel wie 8 196 Satz 2 verfolgt auch 8 8 Abs. 2, wo ausdrücklich den Aufsichtsbehörden zur Pflicht gemacht wird, die Gemeinden auch in ihren Rechten zu schützen. Diese Vorschrift bringt zum Ausdruck, daß die Auf⸗ sichtsbehörden nicht nur das Recht und die Pflicht haben, bei Mängeln und Verstößen einzuschreiten, sondern die über⸗ wachte Körperschaft auch zu betreuen, sie also zu fördern und in ihren Rechten zu schützen haben.

Auf dieser Grundlage rechtfertigt es sich andererseits, die Aufsichtsbehörden instand zu setzen, dem Gesamtinteresse durch schnelle, bestimmte und durchgreifende Maßnahmen dort Gel⸗— tung zu verschaffen, wo klare Gesetzesverletzungen oder offen- bare Mißbräuche der den Gemeinden eingeräumten Freiheit vorliegen.

Dementsprechend hat die Aufsichtsbehörde sicherzustellen, daß die Gemeinde

a) im Einklang mit den Gesetzen und b) im Einklang mit den Zielen der Staatsführung verwaltet wird.

Sie hat also dafür zu sorgen, daß die Gemeinde die Schranken des Gesetzes einhält und die ihr durch 9. auf⸗ erlegten oder freiwillig übernommenen Pflichten erfüllt. Da- bei handelt es sich grundsätzlich nur um öffentlich⸗rechtliche Pflichten der Gemeinden. Die Wahrung des Einklangs der Gemeindeverwaltung mit den Zielen der Staatsführung be⸗ deutet eine graduelle Ausweitung der Staatsaufsicht. Üeber Gründe, Sinn und Zweck dieser Regelung sind eingehende Ausführungen unter Ziffer 2 der allgemeinen Begründung gemacht.

Es ist davon abgesehen worden, die Ueberwachung der Gemeinden, ähnlich wie es das Preußische Gemeindever⸗ fassungsgesetz tut, auch auf die Wirtschaftlichkeit, Sparsam⸗

keit und Sauberkeit ihrer Verwaltungsführung abzustellen.

Die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Gemeindeverwal- tung wird durch die Vorschriften über die Wirtschaftsführung der Gemeinden so fest geordnet, daß den Aufsichtsbehörden genügend gesetzliche Handhaben geboten sind, um Mängeln und Verstößen entgegenzutreten. Die Sauberkeit der Verwal⸗ tung ist ein so selbstverständlicher Grundsatz des neuen Staates, daß unlauteres Gebaren mit den Mitteln des Dienst⸗ strafrechts rücksichtslos geahndet werden kann. In, sachl ich und politisch schwerwiegenden Fällen bedeutet zudem eine Ver⸗ letzung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Sauberkeit einen Verstoß gegen die Ziele der Staatsführung.

Zu § 107. Zu 8 8 ist bereits ausgeführt worden, ö. der Uebergang der obersten Kommunalaufsicht auf das Rei auf Grund der Vereinheitlichung des Gemeinderechts und im Zuge des Neuaufbaues des Reichs unerläßlich ist.

Das Gesetz räumt die oberste Kommunalaufsicht dem Reichsminister des Innern ein und ermächtigt ihn, im Ver— ordnungswege zu bestimmen, welche Behörden obere Auf sichts behörden und Aufsichtsbehörden sind. Die endgültige Regelung wird erst dann möglich sein, wenn im Zuge der Reichsreform die endgültige Behördengliederung feststeht. Bis dahin werden die bisher nach Landesrecht zuständigen Auf— k als obere Aufsichtsbehörden und Aussichts—⸗ ehörden bestimmt werden.

Du § 108. Die Vorschrift räumt der Aufsichts behörde das Informationsrecht ein, das ihr von jeher zustand. Seine Notwendigkeit braucht nicht näher begründet zu werden. Als selbstverständlich ist im Gesetz nicht ausdrücklich aus⸗ gesprochen, daß die Aufsichts behörde auch an allen Beratun⸗ gen des Bürgermeisters und seiner Vertreter mit den Ge⸗ meinderäten und Beiräten teilnehmen kann; dies gehört zum Wesen des staatsaufsichtlichen Informationsrechts.

Zu 5 109: Die Vorschrift regelt die sogenannte negativ Staaksaufsicht oder nach früherer Ausdrucksweise das Beanstandungsrecht der Aufsichtsbehörde.

Das Aufsichtsmittel des 109 richtet sich gegen Entschlie⸗ ßungen und Anordnungen des Bürgermeisters, Ihnen stehen solche gleich, die in Vertretung oder im Auftrage des Bürgermeisters von anderen Beamten getroffen worden sind. Entschließungen sind auch solche, die ihrem Inhalt nach nicht ausführbar sind, die also eine bloße Meinungsäußerung ent⸗ halten oder lediglich eine Rechtsauffassung ausdrücken, sowie rein negative Entschließungen.

Für den Einsatz des Aufsichtsmittels des g 109 ist Voraussetzung, daß die Entschließung oder Anordnung ent⸗ weder das bestehende Recht verletzt oder den Zielen der Staatsführung zuwiderläuft, Wegen der Abgrenzung dieser Begriffe wird auf die Ausführung zu §z 106 verwiesen., Es wird ausdrücklich bemerkt, daß das Aufsichtsmittel des 109 weitergreift als das sogenannte positive Aufsichtsmittel des s 110, insofern als das letztere auf die rf en einer der Gemeinde gesetzlich obliegenden Verpflichtung be⸗ schränkt ist.

(Fortsetzung in der Ersten Beilage.) —— —— —— Verantwortlich für Schriftleitun a nn, und für den Verlag: i. V. Rudolf erle fh in Berlin⸗Lichtenberg.

Druck der Preußischen Druckerei⸗ und Verlags⸗Aktiengesellschaft. Berlin, Wilhelmstraße 32.

Sechs Beilagen (einschl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen).

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1935

Nr. 28

Zu 8 110: Aus den Ausführungen zu 5 199 ergibt sich, daß 2 im s 110 geregelte sogenannte positive Aufsichts mittel enger umgrenzt ist als das im 3 109 vorgesehene Beanstan⸗ dungsrecht. Es kommt nicht in Betracht, wenn es sich darum handelt, eine Entschließung oder Anordnung des Bürger⸗ meisters herbeizuführen, die im Hinblick auf die Ziele der Staatsführung geboten wäre, sondern nur dann, wenn die Entschließung oder Anordnung zur Erfüllung einer der Ge⸗ meinde gesetzlich obliegenden Verpflichtung erforderlich ist.

Der Begriff der gesetzlichen Verpflichtungen der Gemeinde ist nicht näher abgegrenzt. Dazu gehören alle Verpflich⸗ tungen, die auf einer gültigen Rechtsnorm beruhen,. Nicht hierher gehören die rein bürgerlich⸗rechtlichen Verpflichtungen der Gemeinden, deren Durchsetzung (bgl. S 116) das Gesetz dem in der 3PO. geregelten Verfahren überläßt.

Das Gesetz schreibt für den Eingriff der Aufsichts behörde ein bestimmtes Verfahren vor: .

a) wie sich aus der Fassung des 5 113 ( Justellung /) ergibt, muß das Verlangen der Aufsichts behörde schriftlich gestellt werden;

D) die Aufsichts behörde muß dem Bürgermeister eine bestimmte Frist für die Durchführung des aufsicht⸗ lichen Verlangens stellen;

c) die Aufsichtsbehörde hat in der schriftlichen Ver⸗ fügung den Inhalt der verlangten Entschließung oder Anordnung im einzelnen zu bezeichnen. Die Be⸗ zeichnung muß inhaltlich so eindeutig sein, daß die Entschließung oder Anordnung vom Bürgermeister ohne weiteres verwirklicht werden kann.

Unter diese Vorschrift fällt insbesondere das sogenannte Zwangsetatisierungsrecht der Aufsichtsbehörde, d, h. die Be⸗ fugnis zur Durchsetzung einer der Gemeinde gesetzlich obliegen⸗ den Verpflichtung, einen Betrag in den Haushaltsplan ein⸗ zustellen oder, falls die Gemeinde es überhaupt unterläßt, eine geordnete Haushaltssatzung aufzustellen, diese Haushalts⸗ satzung (einschließlich des Haushaltsplans) von Aufsichts wegen aufzustellen und zu erlassen.

Zu 8 111: Die Vorschrift stellt klar, daß sich die Ge=—

meinde, deren Wirken nicht im Einklang mit den Gesetzen und den Zielen der Staatsführung steht, ihres Selbstbestim⸗ mungsrechts begibt, wenn sie dem gesetzlich begründeten und ordnungsmäßig gestellten aufsichtlichen Verlangen nach den S5 108110 nicht genügt. Die Aufsichts behörde kann danach an Stelle und auf Kosten der Gemeinde die zur Wiederher— stellung des vom Gesetz vorgeschriebenen Zustandes erforder⸗ lichen Anordnungen entweder selbst bewirken oder durch einen Dritten durchführen lassen. Bei dieser Ersatzuornahme können je nach Erfordernis alle Abstufungen des aufsichtlichen Vor⸗ gehens in Betracht kommen. Die Aufsichts behörde kann danach jede erforderliche rechtserhebliche Erklärung abgeben, jedes Recht der Gemeinde, und zwar sowohl auf dem Gebiete des öffentlichen wie des Privatrechts, mit voller Rechtswirkung für die Gemeinde und Dritte ausüben. 9

Zu S112: Das schärsste Mittel der Staatsaufsicht und der schwerste Eingriff in die Selbstverwaltung einer Gemeinde ist die Bestellung eines Beauftragten zur Wahrnehmung aller oder einzelner Befugnisse der Gemeinde. Es ist deshalb der Einsatz dieses Mittels davon abhängig gemacht, daß der geord⸗ nete Gang der Verwaltung es erfordert und die der Aufsichts⸗ behörde nach den s§8 109 111 eingeräumten Befugnisse zur Sicherung des geordneten Gangs der Verwaltung nicht aus⸗ reichen. Es müssen also schwere Erschütterungen des. Ge⸗ meindelebens zu ö sein, wenn für die Aufsichts⸗ behörde ein hinreichender Anlaß bestehen soll, durch Ein⸗ setzung eines Staatskommissars das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinde in weitem Umfange oder ganz auf einen Staats⸗ kommissar zu übertragen.

Die Einsetzung von Staatskommissaren ist bisher in den Gemeindeordnungen der einzelnen Länder nicht durchweg vor⸗ gesehen. Nach dem Grundgedanken des Gesetzes über die Ein⸗ orbnung der Gemeinden in das Staatsganze muß aber der letzte und rückhaltlose Einsatz staatlicher Machtmittel möglich sein, falls es im Gesamtinteresse geboten ist.

Zu § 113: Die Vorschrift des 5 113 stellt eine grund⸗ sätzliche Abkehr von dem in der Vergangenheit der Selbst⸗— verwaltung der Gemeinden eingeräumten weitgehenden ver⸗ waltungsgerichtlichen Schutz dar. Ueber die Gründe hierfür kann auf die allgemeine Begründung unter Ziff. 2 verwiesen werden. An Stelle der Klage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren räumt nunmehr das 9. der Gemeinde das Recht der Beschwerde an die nächsthöhere Aufsichtsbehörde ein. Materiell kann diese Beschwerde im wesentlichen nur auf den gleichen Grund wie die frühere Klage gestützt werden, nämlich darauf, daß die Aufsichtsbehörde in ihrem Verlangen gegenüber der Gemeinde weitergegangen sei, als es das Gesetz zuläßt.

Ueber die Beschwerde entscheidet die nächsthöhere Auf⸗ sichts behörde. Die Beschwerde hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die Aufsichtsbehörde soll, wie sich aus der Fassung des 113 Abs. 2 ergibt, nür ausnahmsweise die aufschiebende Wirkung dann ausschließen, wenn ganz besondere Gründe vorliegen, die entweder im Interesse des Gemeinwohls oder aus Gründen der Staatsautorität eine sofortige Durchsetzung eines aufsichtlichen Verlangens erfordern.

Es wird einer Durchführungsverordnung vorbehalten, ,, . daß die Entscheidung der Beschwerde mit Gründen zu versehen ist. Außerdem wird für das Verfahren vorgeschrieben werden, daß der Gemeinde jede Möglichkeit einer erschöpfenden, auch mündlichen Begründung ihres eigenen Verhaltens eröffnet werden muß. =

Zu § 114: Es bestand 2 . ausdrücklich vorzuschreiben, daß die Mittel der Staatsaufsicht, wie sie in den 55 168ff. vorgesehen sind, nur den Aufsichtsbehörden, nicht auch anderen Behörden und Stellen zustehen. Dies war vor allem notwendig, um die Einheit der Kommunalaussicht, auf deren Sicherung das Gesetz großen Wert legt, zu gewähr⸗ leisten. Ist es z. B. geboten, gesetzlich begründete Weisungen anderer Behörden zwangsweise durchzusetzen, so haben sich diese an die zuständige Aufsichtsbehörde zu wenden.

Zu § 115:

ö 8m Vermeidung einer Interessenkollision und zur Licherung der Interessen der Gemeinde wird durch den Abs. 1 vorgeschrieben, daß Ansprüche der Gemeinde gegen den Bürgermeister nicht von der Gemeinde selbst, sondern von der Aussichts behörde geltend zu. machen sind. Dies bedeutet, daß außer der Aufsichtsbehörde niemand die Aktivlegitimation zur Geltendmachung solcher An⸗ sprüche besitzt. Die Art der hierunter fallenden An⸗ sprüche umgrenzt das Gesetz absichtlich nicht. Es fallen daher hierunter nicht nur auf bürgerlichem Recht be⸗ ruhende Ansprüche, sondern auch die sich aus der Haftung des Bürgermeisters nach dem Reichs beamten⸗ gesetz und nach der Vorschrift des 3 M der Gemeinde⸗ ordnung ergebenden Haftungsverpflichtungen.

Die Vorschrift des Abs. 2 hat ihren Grund in ähnlichen Erwägungen. Das Treueverhältnis des Bürgermeisters zur Gemeinde, die absolute. Lauterkeit vertraglicher Regelungen zwischen dem Bürgermeister und der Ge⸗ melnde soll dadurch vor der öffentlichen Kritik den er⸗ forderlichen Schutz erhalten, daß all diese Verträge der Genehmigung der Aufsichtsbehörde unterliegen und ohne diese Genehmigung rechtsunwirksam sind. Eine Aus⸗ nahme hiervon ist nur für solche Verträge veranlaßt, die nach allgemeinem Tarif (z. B. für den Bezug von elektrischem Strom, von Gas, von Wasser. usw) abge⸗ schlossen werden. Soll im Rahmen des Tarifs von einer individualisierenden Bestimmung Gebrauch gemacht werden, so gilt auch hierfür die Genehmigungspflicht.

Zu 8 116: Im Gegensatz zur Regelung in einzelnen Ländern, nach der die Zwangsvollstreckung gegen die Ge⸗ meinden wegen Geldforderungen (soweit es sich nicht um ding⸗ liche Rechte handelt) den Aufsichtsbehörden obliegt, stellt sich das Gesetz auf den Standpunkt, den das Preußische Gesetz über die Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts vom 11. 12. 1934 einnimmt. Hiernach richtet sich die Zwangsvollstreckung gegen die Gemeinden im allgemeinen nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung. Es ist lediglich vorgesehen, daß die Durchführung der Zwangs⸗ vollstreckung von einer Zulassungsverfügung der Aufsichts⸗ behörde abhängig ist. In dieser Verfügung sind auch die Ver⸗ mögensgegenstände zu bestimmen, in die die Zwangsvoll⸗ streckung zugelassen wird, und ist über den Zeitpunkt zu be⸗ finden, in dem sie stattfinden soll. Hierdurch kann der geord⸗

nete Gang der Verwaltung sichergestellt. werden, ohne daß der Gläubiger mit seiner Forderung auf einen anderen Weg als auf den für bürgerlich⸗rechtliche Ansprüche allgemein eröff⸗ neten verwiesen, und ohne daß die Aufsichtsbehörde mit der eigentlichen Zwangsvollstreckung belastet zu werden braucht.

Zum Achten Teil.

Schluß vorschriften.

Zu 8 117: Die Vorschriften der S8 117 bis 121 enthalten in der Hauptsache die erforderlichen Ermächtigungen an den Reichsminister des Innern, um den gegenwärtigen Rechts⸗ zustand an die durch die Deutsche Gemeindeordnung geschaffene Rechtslage anzugleichen und insbesondere für die Uebergangs⸗ zeit die notwendigen Regelungen auch unter Abweichung von den Vorschriften der Gemeindeordnung (z. vgl. S 121 Abs. 1 Satz?) zu treffen.

1. Die Vorschrift des 5 117 Abs. 1 soll sicherstellen, daß der

Grundsatz der Dezentralisation der Verwaltung, der An⸗ laß gegeben hat, die Befugnisse nach den 55 9 bis 11, 15 von? der obersten Kommunalaussichtsbehörde auf den Reichsstatthalter zu übertragen, auch nach unten weiter⸗ verfolgt wird, Es erscheint nicht erforderlich, daß z. B. geringfügige Grenzänderungen der Gemeinden auf dem Dienstwege bis zum Reichsstatthalter von einer Reihe von Behörden behandelt werden. Durch Verordnung wird der Kreis der nach unten abzugebenden Aufgaben bestimmt, näher umgrenzt und die Zuständigkeit der an die Stelle des Reichsstatthalters tretenden Behörden ge— regelt werden.

Durch Abs. 2 wird bestimmt, daß dort, wo das Amt des Reichsstatthalters nicht vom Gauleiter der NSDAP. wahrgenommen wird, sowie dort, wo im Verwaltungs⸗

bezirk eines Reichsstatthalters mehrere Gauleiter der NSDAP. bestellt sind, bei dem überwiegend, politischen Charakter der hier in Frage stehenden Aufgaben jeweils auch der örtlich zuständige Gauleiter der NSDAP. mit⸗ eingeschaltet wird. Die Vorschrift hat Uebergangs⸗ charakter, weil damit zu rechnen ist, daß in der künftigen Behördengliederung des Reiches das Amt des Reichsstatt⸗ halters und des Gauleiters von einem Amtsträger wahr⸗ genommen wird.

„Die Vorschrift des Abs. 3 ist erforderlich, weil für das Land Preußen mit Rücksicht auf seine Größe eine einheit⸗ liche Ausübung der dem Reichsstatthalter übertragenen Aufgaben nicht möglich ist. Diese Aufgaben sind deshalb den Oberpräfidenten übertragen, die, abgestellt auf die hier in Frage kommenden Aufgaben, im Behördenaufbau die gleiche Stellung einnehmen wie die Reichsstatthalter.

Zu 8 118: Es ist Sache der Partei, die nähere Regelung darüber zu treffen, wer Beauftragter der NSDAP. im Sinne der Gemeindeordnung ist. Die Regelung erfolgt durch eine Verordnung des Stellvertreters des Führers. Da die Auf⸗ gaben, die das Gesetz dem Beauftragten der NSDelP. über⸗ krägt, in der Hauptsache politischer Natur sind, ist daran ge⸗ dacht, zum Beauftragten den politischen Hoheitsträger der Partei zu bestimmen, der auf der Höhe der Kommunalauf⸗ sichtsbehörde die parteiamtlichen Funktionen wahrnimmt.

Zu z 119: Die Vorschrift räumt dem Reichsminister des Innern eine weitgehende Ermächtigung zum Angleich des bisherigen Rechtszustandes und der nach den bisherigen Ge⸗ setzen eingerichteten Verwaltung der Gemeinden an die einheit⸗ liche Neuregelung ein.

1. Der Reichsminister des Innern kann für einzelne Ge⸗ meinden auf eine befristete Uebergangszeit den bisherigen

Rechtszustand aufrechterhalten. Es ist beabsichtigt, von

dieser Ermächtigung für die drei Hansestädte und nur für diese Gebrauch zu machen, bis die künftige Ein⸗ ordnung dieser nach wie vor als Länder fungierenden Städte in die Neugliederung des Reichs festliegt.

35 12 Abs. 2 bestimmt, daß aus besonderen Gründen Grundstücke außerhalb des Gebiets einer Gemeinde ver⸗ bleiben können; ebenso können nach 5 13 Gemeinden oder Gemeindeteile zu gemeindefreien Grundstücken erklärt werden. Bei dem Ausnahmecharakter der gemeindefreien Grundstücke unterläßt es die Deutsche Gemeindeordnung, die weitere Frage näher zu regeln, durch wen und auf welchem Wege die öffentlichen Aufgaben, die im Ge⸗ meindegebiet der Gemeinde obliegen, wahrgenommen werden sollen. Deshalb ist es erforderlich, durch eine Ver⸗ ordnung die näheren Vorschriften hierüber zu treffen. In der Hauptsache wird es bei der Aufrechterhaltung der bisher geltenden Bestimmungen verbleiben.

„z 119 Nr. 3 schafft die Möglichkeit, für Gemeinden, die nicht Städte sind, herkömmliche Amtsbezeichnungen an Stelle der Amtsbezeichnungen, „Bürgermeister, Beigeord⸗ neter oder Gemeinderat“ beizubehalten.

Auf Grund der Gleichschaltungsgesetze, des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums und der seit der Machtübernahme in den einzelnen Ländern ergangenen Aenderungen des Gemeinderechts ist eine völlige Erneue⸗ rung der Gemeindeverwaltungen in ihrer personellen Besetzung durchgeführt worden. Bei der Vielzahl der Ge⸗ meinden (über 50 000) und Hei der Notwendigkeit, die Stetigkeit der Verwaltung nicht ohne zwingenden Grund zu beeinträchtigen, wird deshalb davon abgesehen, die Neubesetzung der Stellen der Amtsträger der Gemeinden mit dem Inkrafttreten der Deutschen Gemeindeordnung in vollem Umfange anzuordnen. Nur insoweit, als die bisherigen ehrenamtlichen Organe der Gemeindever⸗ waltung durch die Vorschriften der Deutschen Gemeinde⸗ ordnung eine Aenderung ihres Wesens erfahren, erscheint es unerläßlich, den Ablauf der Amtszeit dieser ehrenamt⸗ lichen Gemeindeorgane und ihre Neubesetzung zu ermög- lichen.

5. In den Nummern 4 und 5. des § 119 wird der Reichs⸗ minister des Innern ermächtigt, den gegenwärtigen Rechtszustand an die Neuregelung des Gemeindewesens allgemein anzupassen. Hierdurch ist Vorsorge getroffen, daß die Erfordernisse der Rechtseinheit mit der Rücksicht⸗ nahme auf berechtigte Bodenständigkeit abgewogen werden können. Zur Klarstellung wird beigefügt, daß die Er⸗ mächtigung des Reichsministers des Innern zur An⸗ gleichung des gegenwärtigen Rechtszustandes an die Vor— schriften der Deutschen Gemeindeordnung nicht etwa eine einmalige und nach Erlaß der Verordnung abgeschlossene ist. Die Anpassung des Reichs- und Landesrechts an den neuen Rechtszustand kann vielmehr stufenweise erfolgen.

Zu 8 120 kann auf Ziffer 4 der allgemeinen Begrün⸗ dung verwiesen werden.

Zu § 121: Abs. 1 enthält die Ermächtigung an den Reichsminister des Innern, der als oberste Kommunalauf⸗ sichts behörde zum Vollzuge des Gesetzes zuständig ist, zum Er⸗ laß von Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Durchfüh⸗ rung und Ausführung des Gesetzes. Satz 2 enthält darüber hinaus die Ermächtigung, übergangsweise von Vorschriften der Deutschen Gemeindeordnung abzuweichen. Es läßt sich augenblicklich nicht übersehen, ob es nicht notwendig ist, be⸗ sonderen Eigenheiten der landesrechtlichen Regelung auch dort, wo eine dauernde Aufrechterhaltung im Interesse der Rechtseinheit nicht erwünscht ist, dadurch Rechnung zu tragen, daß bestehende Verhältnisse in natürlicher Weise abgebaut werden. .

Abs. 2 sieht vor, daß der Reichsminister der Finanzen bei der verordnungsmäßigen Regelung der Wirtschaftsführung der Gemeinden stets beteiligt wird. Bei der unlöslichen Ver⸗ bundenheit der Finanzen des Reichs mit den Finanzen seiner Gliedkörperschaften ist es unerläßlich, daß die für die Ge⸗ meinden geplanten Vorschriften im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen ergehen, um auch hierdurch möglichste Gleichrichtung im Reich und in den Gemeinden zu sichern.

Zu s 12: Größe und Struktur der Hauptstadt Berlin verlangen eine Sonderregelung ihrer Verfassung und Ver⸗ waltung. Die Bedeutung der Regelung gebietet, daß sie im Wege des Gesetzes ergeht.

(Veröffentlicht vom Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern.)

GSebũhrenordnung der Ueberwachungsstelle für Baumwolle. (Neue Fassung vom 31. Januar 1935.)

Auf Grund der Verordnung über den Warenverkehr vom 4. September 1934 (Reichsgesetzbl. I S. 816) in Verbindung mit der Verordnung über die Errichtung von Ueberwachungs⸗ stellen vom 4. September 1934 (Deutscher Reichsanzeiger Nr. 209 vom 7. September 1934) wird mit Zustimmung des Reichswirtschaftsministers die Gebührenordnung der Ueber⸗ wachungsstelle für Baumwolle in nachstehender Fassung neu erlassen: k Zur Bestreitung der Kosten der Ueberwachungsstelle für Baumwolle werden von ihr Gebühren erhoben. § 2. Gebührenpflichtige Tatbestände sind 1. die Erteilung jeder Art von Bescheinigungen, durch die Ueberwachungsstelle, auf Grund deren der Einkauf oder die Abnahme von Waren erfolgen soll, die der Zuständigkeit der Ueberwachungsstelle für Baumwolle unterliegen (Ein⸗ sgebühr); 9 . em von Beständen an Baumwollabfällen und Kunstbaumwolle (Einfuhr Nr. 1386 des Statistischen Warenverzeichnisses) bei einem Betrieb am 13, Oktober 1934, es sei denn, daß die Bestände insgesamt 100 kg nicht überstiegen haben.