Reichs⸗ und Staatsanzeiger Nr. 157 vom O. Juli 1938. S. 4
im 8 48 als neuer absoluter Scheidungsgrund der Fall an⸗
geführt, daß ein Ehegatte sich ohne triftigen Grund beharrlich weigert, Nachkommenschaft zu erzeugen oder zu empfangen oder daß er rechtswidrig Mittel zur Verhinderung der Geburt anwendet oder anwenden läßt. Neben diesen Fällen sind wei⸗ tere absolute Scheidungsgründe nicht aufgeführt. Von einer besonderen Erwähnung der in den geltenden S5 1565, 1566 BGB aufgeführten weiteren Verfehlungen als absoluter Scheidungsgründe ist deshalb abgesehen, weil diese Verfehlun⸗ gen so schwer sind, daß in aller Regel jedes Gericht auch unter dem Gesichtspunkt des im folgenden zu erörternden 5 49 zu einer Ehescheidung gelangen wird. 5 49 enthält, wie der heutige 3 13568 BGB, eine allgemeine Bestimmung, die in allen Fällen die Ehescheidung ermöglicht, in denen der be— klagte Ehegatte durch schwere Eheverfehlungen oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet hat, daß die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht er⸗ wartet werden kann. Der Hauptunterschied der Fassung dieser Vorschrift von der des geltenden 5 1568 BGB besteht darin, daß an Stelle des Begriffs der Zumutung, der in indi⸗ vidualistischer Betrachtungsweise das Interesse der be⸗ teiligten Ehegatten in den Vordergrund stellt, der Begriff der sittlichen Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens tritt. Dabei ist nach dem Sinne des 5 49 das Verhalten beider Ehegatten abzuwägen, und es wird die Scheidung wegen einer Eheverfehlung namentlich dann abzulehnen sein, wenn diese Verfehlung erst durch schuldhaftes Verhalten-des anderen hervorgerufen ist und man annehmen kann, daß, wenn sich der klagende Ehegatte entschließt, seinerseits in seinem künftigen Verhalten die rechte eheliche Gesinnung zu betätigen, eine Wiederherstellung des ehelichen Friedens ohne weiteres erwartet werden kann. . Wie schon erwähnt worden, muß der Entschluß, künftig nicht mehr das Individualinteresse der Ehegatten für die Scheidungsfrage allein entscheiden, sondern den Wert der Ehe für die Volksgemeinschaft in den Vordergrund treten zu lassen, dahin führen, daß in weiterem Umfange als bisher eine Ehe⸗ scheidung ohne Verschulden ermöglicht wird. Zu den krassesten Fällen, die unter diesem Gesichtspunkt dringend einer anderen Regelung als im früheren Recht bedürfen, gehören diejenigen, in denen ein Ehegatte dem anderen gegenüber ein zänkisches oder sonst ehewidriges Verhalten betätigt, das ein rechtes ehe⸗ liches Zusammenleben auf die Dauer völlig unmöglich macht, das aber nach geltendem Recht zu einer Scheidung deshalb nicht führen konnte, weil der den Ehefrieden störende Gatte wegen einer krankhaften geistigen Veranlagung, z. B. wegen Hysterie, für sein Tun nicht verantwortlich gemacht werden konnte, seine ehelichen Verfehlungen also nicht schuldhaft im Sinne des § 1568 BGB waren. Hier ermöglicht der neue S 50 auch für solche Fälle eine Scheidung und beseitigt dadurch allein schon den größten Teil der Uebelstände, die sich daraus ergeben hatten, daß das geltende Recht, von dem Fall schwerer Geisteskrankheit abgesehen, eine Ehescheidung nur wegen Ver⸗ schuldens ermöglicht hat. Auch die Vorschrift über die Schei⸗ dung wegen schwerer Geistskrankheit (5 1569 BGB) ist in⸗ sofern abweichend vom geltenden Recht geregelt, als nur auf die Schwere und Unheilbarkeit der Erkrankung, nicht aber mehr darauf abgestellt ist, daß die Erkrankung, ehe die Schei⸗ dung begehrt werden kann, schon drei Jahre bestanden haben muß. Es erscheint weiter angebracht, als einen neuen Schei⸗ dungsgrund den Fall einzufügen (5 52), daß ein Ehegatte an einer schweren ansteckenden oder ekelerregenden Krankheit leidet Und ihre Heilung oder die Beseitigung der Ansteckungs⸗ gefahr in absehbarer Zeit nicht erwartet werden kann. Denn wenn auch vielfach den an einer solchen Krankheit Leidenden kein Verschulden trifft, so machen doch derartige Kxankheiten ein rechtes eheliches Zusammenleben unmöglich, so daß in solchen Fällen Sinn und Zweck der Ehe nicht mehr verwirk⸗ licht werden kann. Hier erscheint es angebracht, eine Schei⸗ dung zu ermöglichen. Das gleiche mußte auch für die Fälle gelten, in denen ein Ehegatte vorzeitig unfruchtbar wird, weil auch dann der wichtigste Zweck der Ehe nicht mehr erfüllbar ist. Allerdings war hier eine Einschränkung zu machen für den Fall, daß aus der Ehe bereits erbgesunde eheliche Nach⸗ kommenschaft vorhanden ist. Diesem Fall wurde aus mensch⸗ lichen Erwägungen der Fall gleichgestellt, daß die kinderlos ge⸗ bliebenen Ehegatten ein erbgesundes Kind gemeinschaftlich an Kindes Statt angenommen haben. Denn einmal wird eine solche Kindesannahme in der Regel erst dann stattgefunden haben, wenn sich die Ehegatten mit der Unfruchtbarkeit ihrer Ehe innerlich . haben, und andererseits würde es eine große Härte für das Kind bedeuten, wenn es lediglich wegen der Unfruchtbarkeit der Ehe seiner Adoptiveltern das Elternhaus, das es durch die Adoption erlangt hat und er⸗ langen soll, wieder verlieren würde. Offenbar notwendig er⸗ scheint es ferner, das Scheidungsrecht wegen Unfruchtbarkeit auch für den Fall auszuschließen, daß derjenige, der die Schei⸗ dung begehrt, selbst unfruchtbar ist oder aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein würde, eine neue Ehe ein⸗ zugehen (6 53 Abs. 3). Auch trotz der vorerwähnten Einschränkung sind Fälle denkbar, in denen die Scheidung aus Gründen, die nicht auf dem Verschulden des anderen Ehegatten beruhen, eine grobe, nicht zu verantwortende Härte gegen den betroffenen Ehegatten bedeuten würde. Deshalb ist in 5 54 zur Ver⸗ meidung von Härten noch eine besondere Vorschrift geschaffen worden, die die Fälle trifft, in denen das Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt erscheint. Es sind Fälle denkbar, in denen das höhere sittliche Gebot der Treupflicht das Verlan⸗ gen rechtfertigt, daß ein Ehegatte auch dann noch an der Ehe festhält, wenn an sich einer der in S8 50 bis 53 aufgeführten Scheidungsgründe gegeben ist. Hierbei können die verschieden⸗ sten Umstände ausschlaggebend sein, so die lange Dauer, inner⸗ halb deren die Ehe schon glücklich bestanden hat, ehe der Um⸗ stand eintrat, der an sich die Scheidung rechtfertigen würde, z B. wenn nach 30 jähriger Ehe erst im hohen Alter der eine Ehegatte in Geisteskrankheit verfällt. Ebenso können aber auch die Umstände, unter denen der Scheidungsgrund ein⸗ etreten ist, ausschlaggebend sein. Man denke etwa an den gen daß der Ehemann wegen einer Verwundung, die er in Verteidigung des Vaterlandes erworben hat, vorzeitig un⸗ fruchtbar wurde, oder an den Fall, daß eine Ehefrau bei Er⸗ üllung ihrer Mutterpflicht bei einer schweren Fehlgeburt, die in keiner Weise von ihr verschuldet war, unfruchtbar gewor⸗ den ist. Für alle solche Fälle läßt 8 54 dem vernünftigen, am
gesunden Volksempfinden ausgerichteten Ermessen des Rich⸗
ters den weitesten Spielraum. Schließlich trägt der Entwurf noch im 8 55 dem Um⸗ stande Rechnung, daß es Fälle gibt, in denen, ohne daß einer
der einzeln aufgeführten Scheidungsgründe in Betracht kommt, die Ehegatten sich innerlich so vollständig ausein⸗ andergelebt haben, daß mit einer Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft dauernd nicht mehr gerechnet werden kann. Deshalb ermög⸗ licht 5 55 die Scheidung in den Fällen, in denen die häus⸗ liche Gemeinschaft der Ehegatten seit drei Jahren aufgehoben ist und infolge einer tiefgreifenden unheilbaren Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist. Diese Vorschrift bedurfte indessen einer Ein⸗ schränkung, damit nicht ein Ehegatte durch schwere Ehever⸗ sehlungen die Zerrüttung herbeiführen und nach dreijähriger Trennung von dem anderen Ehegatten die Scheidung begehren kann. Wäre dies möglich, so würde namentlich ein Ehemann, der von seiner Frau nur loskommen will, weil er eine jüngere und reizvollere gefunden hat, das Ziel der Vereinigung mit dieser anderen Frau durch eine Art Verstoßung der ersten Frau erreichen können. Deshalb schreibt 8 55 Abs. 2 Satz 1 vor, daß der Ehegatte, dem gegenüber die Scheidung aus § 55 begehrt wird, ihr widersprechen kann, wenn der Ehegatte, der die Scheidung verlangt, die Zerrüttung ganz oder über⸗ wiegend verschuldet hat. Aber auch dieser Satz bedurfte wieder einer Einschränkung. Hat z. B. ein Ehegatte dadurch, daß er ein ehewidriges Verhältnis mit einer anderen Frau begann, seine eigene Frau zum Verlassen der häuslichen Ge⸗ meinschaft gebracht, später aber seinen Fehltritt bereut und den besten Willen gezeigt, wieder ein rechtes Eheleben zu beginnen, so kann es sittlich ungerecht erscheinen, wenn gleich⸗ wohl seine Frau einerseits auf ihrem Trennungswillen be⸗ harrt und andererseits sich doch weigert, ö. eine Scheidung einzugehen. Deshalb sieht Abs. 2 Satz 2 des 8 55 vor, daß der Widerspruch gegen die Scheidung nicht zu beachten ist, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe und des gesamten Verhaltens beider Ehe⸗ gatten sittlich nicht gerechtfertigt ist. Schon diese Vorschrift beseitigt zum größten Teil den schwersten Mißstand des gel⸗ tenden Scheidungsrechts, der darin bestand, daß Fälle vor⸗ kommen konnten, in denen eine Frau dauernd von ihrem Manne getrennt lebte und Unterhalt bezog, sich aber anderer⸗ seits weigerte, die eheliche Gemeinschaft wiederherzustellen, ohne daß eine Möglichkeit für den Ehemann bestand, eine solche Ehe, die in Wirklichkeit keine mehr war, zu lösen. Um diesen Mißstand vollends zu beseitigen, ist noch im § 83 eine Ergänzung des §5 1353 BGB vorgesehen. Nach bisherigem Recht waren Fälle denkbar, in denen ein Ehegatte, in aller Regel war es die Ehefrau, wegen einer Eheverfehlung des anderen die Herstellung der ehelichen Gemeinschaft ver⸗ weigerte, obwohl ihr Scheidungsrecht wegen Fristablaufs er— loschen war. Sie stützte sich dann darauf, daß wegen der begangenen Eheverfehlungen das Verlangen der Wiederher⸗ stellung der ehelichen Gemeinschaft einen Mißbrauch dar⸗ stelle. Um solchen Möglichkeiten klar entgegenzutreten, sieht der neue 5 1353 Abs. 32 Satz 2 vor, daß derjenige, der sein Scheidungsrecht durch Verzeihung oder Fristablauf verloren hat, allein aus der Tatsache, die das Scheidungsrecht begründet hatte, ein Recht, die Herstellung der ehelichen Gemeinschaft zu verweigern, nicht herleiten darf. Hat also beispielsweise ein Ehemann, der durch ein ehebrecherisches Verhältnis die Trennung von seiner Frau verschuldet hat, das Verhältnis gelöst, und zeigt er den erusten Willen, künftig von derartigen Verfehlungen abzulassen und eine rechte eheliche Gemein⸗ schaft mit seiner Frau wiederherzustellen, so kann sie wegen des vergangenen für eine Scheidungsklage nicht mehr ver⸗ wertbaren Ehebruchs allein die Herstellung der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr verweigern. Tut sie es dennoch, so begeht sie selbst eine schwere Eheverfehlung und berechtigt damit den Ehemann, seinerseits auf Scheidung zu klagen. Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, daß für die Schei⸗ dung wegen sogen. böswilliger Verlassung die frühere schon allein wegen ihrer Umständlichkeit wenig zweckmäßige Rege⸗ lung (5 1567 BGB) nicht mehr ö Die bös⸗ willige Verlassung bildet vielmehr nur einen Fall der in §z 49 des Entwurfs geregelten „sonstigen Eheverfehlungen“. Wann eine böswillige Verlassung vorliegt und wie lange sie gedauert haben muß, um für eine die Scheidung unmittel⸗ bar rechtfertigende Verfehlung zu gelten, hat deshalb künftig der Richter nach freiem Ermessen zu beurteilen.
Ist ein Grund zur Scheidung einer Ehe einmal ein⸗ getreten, so darf er die Ehe nicht dauernd mit der Gefahr der Zerstörung bedrohen. Eine Befristung des Scheidungsrechts ist zwar bei den Gründen, die eine Scheidung der Ehe unab⸗ hängig von dem Verschulden eines Ehegatten ermöglichen, nicht
in jedem Falle durchführbar. Dies gilt vor allem für die Fälle, in denen die Scheidung wegen Geisteskrankheit, wegen
geistiger Störungen, wegen einer . oder ekelerregen⸗ den Krankheit oder auch wegen Auflösung der häuslichen Ge⸗ meinschaft begehrt werden kann. Denn das Scheidungsrecht wird hier aus einem immerwährenden Zustand hergeleitet, der seinem Wesen nach eine eheliche Lebensgemeinschaft unmöglich macht oder wenigstens ernstlich in Frage stellt. Für den Schei⸗ dungsgrund der Unfruchtbarkeit trifft dieser Gesichtspunkt in der Mehrzahl der Fälle nicht zu; für ihn ist deshalb wie bei den auf Verschulden beruhenden Gründen vorgesehen, daß das Scheidungsrecht nach Ablauf einer bestimmten Frist erlischt. Gegenüber einem Ehegatten, der eine Eheverfehlung begangen hat, soll der Verlust des Scheidungsrechts wie bisher ein⸗
treten, wenn der andere Gatte die Scheidungsklage nicht binnen sechs Monaten erhoben hat, nachdem er Kenntnis von der Ehe⸗
verfehlung erlangt hat. Diese kurze Frist soll jedoch nur laufen, solange die Eheleute noch in häuslicher Gemeinschaft miteinander leben. Anderenfalls soll die Frist erst beginnen, wenn der scheidungsberechtigte Gatte von dem Schuldigen auf⸗ gefordert worden ist, sich darüber zu entscheiden, ob er die Ehe weiterführen oder die Scheidungsklage erheben will. Da in der Regel erwartet werden kann, daß ein Ehegatte über eine Verfehlung, die sehr lange Zeit zurückliegt, dann hinweg⸗ sehen wird, wenn der schuldige Teil sich im übrigen wohlver⸗ halten hat, soll die Scheidung auch künftig grundsätzlich immer ausgeschlossen sein, wenn seit dem Eintritt des Scheidungs⸗ grundes zehn Jahre verstrichen sind. Diese Beschränkung kann nur dann nicht gelten, wenn sich ein Ehegatte eines Ehe⸗ bruchs schuldig gemacht hat, der zugleich ein Verbrechen der Rassenschande darstellt. Für die l der Unfruchtbarkeit ist die Klagefrist . ein Jahr erweitert, da eine Ueberlegungs⸗ frist von nur sechs Monaten mit Rücksicht auf die Tragweite des Entschlusses, die Scheidung gegenüber dem schuldlosen Ehe⸗ atten herbeizuführen, zu kurz erscheinen muß. Die Jahres⸗ it soll mit dem Zeitpunkt beginnen, in dem der gesunde Ehegatte Kenntnis von der Unfruchtbarkeit des anderen er⸗
langt oder in dem er den Wegfall des Grundes erfährt, der
bisher eine Scheidung ausschloß, z. B. den Tod eines ge⸗ meinsamen ehelichen oder eines gemeinsam von den Ehe⸗ gatten an Kindes Statt angenommenen Kindes. Unabhängig davon, ob ein Ehegatte Kenntnis von der Unfruchtbarkeit des anderen oder von dem Wegfall des die Scheidung wegen Un⸗ fruchtbarkeit ausschließenden Grundes hat, soll der Bestand der Ehe, in der ein Partner nachträglich unfruchtbar ge⸗ worden ist, nicht mehr in Frage gestellt werden können, wenn diese Ehe bereits zehn Jahre bestanden hat und der schei— dungsberechtigte Ehegatte das dreißigste Lebensjahr vollendet hat. Durch diese doppelte Voraussetzung für den endgültigen Untergang des Scheidungsrechts wird einerseits gewähr⸗ leistet, daß langjährige Ehen, die — abgesehen von der Kin⸗— derlosigkeit — alle Voraussetzungen einer rechten Ehe er⸗ füllen und die in einer mehr als zehn Jahre dauernden Be⸗ währung bestanden haben, erhalken bleiben; andererseits mußte einem gesunden Ehegatten, der in sehr jungen Jahren geheiratet hat, wenigstens bis zur Vollendung seines dreißig⸗ sten Lebensjahres die Möglichkeit erhalten werden, sich von einem unfruchtbaren Ehegatten zu trennen und eine neue Ehe zu gründen.
Die nachträgliche Geltendmachung von Scheidungs⸗ gründen ist in S 59 entsprechend den bisherigen Bestimmungen in den 8§ 1572, 1573 BGB geregelt. Mit Rücksicht darauf, daß die Scheidung wegen Unfruchtbarkeit nur innerhalb be⸗ stimmter Fristen begehrt werden kann, mußte auch die nach⸗ trägliche Geltendmachung dieses Scheidungsgrundes für den Fall noch zugelassen werden, daß die Scheidungsklage vor Ablauf dieser Fristen erhoben, aber nicht von Anfang an auf die Unfruchtbarkeit gestützt worden war. Abgesehen von diesem Fall sollen Scheidungsgründe, die auf einem Ver⸗ schulden beruhen, nach Ablauf der für sie bestimmten Frist nur dann noch nachträglich geltend gemacht werden können, wenn sie zur Unterstützung einer rechtzeitig erhobenen, auf andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage vor⸗ gebracht werden.
Auch unter der Herrschaft eines Scheidungsrechts, das in weitestem Umfang eine Scheidung ohne Verschulden kennt, wird die Feststellung, welchen der beiden Ehegatten eine Schuld an der Scheidung trifft, von überragender Bedeutung bleiben. Diese Feststellung verschafft nicht nur dem schuld⸗ losen Ehegatten Genugtuung gegenüber dem Schuldigen; sie ermöglicht darüber hinaus überhaupt erst eine gerechte Ord⸗ nung der Scheidungsfolgen. Die Grundlage für sie muß in allen Fällen, in denen die Schuld eines Ehegatten an der Zer⸗ störung der Ehe nachweisbar ist, durch den Schuldausspruch des Scheidungsurteils geschaffen werden. Dieser Ausspruch richtet sich wie bisher gegen den beklagten Ehegatten, wenn die Ehe aus seinem Verschulden geschieden wird. Ist eine Widerklage erhoben und wird die Ehe wegen des Verschuldens beider Ehegatten geschieden, so sollen beide für schuldig erklärt werden; da aber im Hinblick auf die Abhängigkeit der Schei⸗ dungsfolgen vom Schuldausspruch die gleichmäßige Verteilung der Schuld auf beide Ehegatten zu unbilligen Ergebnissen führen muß, wenn die Schuld des einen erheblich größer als die des anderen ist, soll in solchen Fällen im Schuldausspruch auch festgestellt werden, daß die Schuld des einen Ehegatten überwiegt. Die gleichen Feststellungen sind zugelassen, wenn der beklagte Ehegatte, ohne Widerklage zu erheben, den Antrag auf Mitschuldigerklärung des Klägers gestellt hat. Zum Unterschied von der bisherigen Regelung soll aber die Mit⸗ schuldigerklärung nicht mehr von dem häufig zufälligen oder gar der willkürlichen Beeinflussung durch die Parteien aus⸗ gesetzten Umstand abhängen, ob sich die Verfehlungen während einer gewissen Zeit unverziehen und unverjährt gegenüber⸗ standen oder nicht. Dem Mitschuldantrag ist vielmehr in jedem Falle stattzugeben, in dem die Mitschuldigerklärung der Billigkeit entspricht; darüber hinaus ist die Mitschuld immer auszusprechen, wenn die Verfehlung des Klägers im Zeit punkt der Klageerhebung noch nicht verziehen und noch nicht verjährt war. Die gleichen Grundsätze gelten nach 61 auch in den Fällen, in denen die Ehe aus einem Grunde geschie⸗ den wird, der ein Verschulden des Beklagten nicht voraus⸗ setzt, mit dem Unterschied, daß an Stelle des Mitschuldaus⸗ spruchs der einfache Schuldausspruch tritt. ö.
Die namensrechtlichen Folgen der Scheidung bleiben für die Frau im wesentlichen die gleichen wie bisher. Der Grund⸗ satz, daß die geschiedene Frau den Familiennamen des Mannes behält, ist aufrechterhalten. Ist die Frau für allein oder für überwiegend schuldig erklärt, so kann ihr der Mann wie bisher durch öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Standesbeamten die Weiterführung seines Namens unter— sagen mit dem Erfolg, daß die Frau mit dem Verlust des Mannesnamens ihren früheren Familiennamen wieder⸗ erlangt. Im übrigen bleibt jeder geschiedenen Frau die frei⸗ willige Wiederannahme ihres Mädchennamens gestattet. Einen früheren Ehenamen soll sie dagegen nur dann wieder an⸗ nehmen dürfen, wenn aus der früheren Ehe Nachkommen⸗ schaft vorhanden ist; ist die Frau aber bei der Scheidung der späteren Ehe für allein oder für überwiegend schuldig erklärt, so muß ihr die Wiederannahme des früheren Ehenamens wie bisher verwehrt bleiben. Mit Rücksicht auf den Mann und seine Sippe ist ferner für die Fälle, in denen die Frau an sich zur Weiterführung des Mannesnamens oder zur Führung eines früheren Ehenamens berechtigt wäre, neu bestimmt, daß ihr das Vormundschaftsgericht auf Antrag die Weiterführung eines Mannesnamens untersagen kann, wenn sie sich nach der Scheidung einer schweren Verfehlung gegen den Mann schul— dig gemacht hat, dessen Namen sie führt; der Antrag kann von dem Mann und nach seinem Tode von einem seiner nahen Angehörigen auch dann gestellt werden, wenn die Frau gegen den Willen des Antragstellers einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt.
Fortsetzung des Amtlichen Teils in der Ersten Beilage.
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Elf Beilagen
leinschl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagem.
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Erste Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger
Nr. 157
Amtliches.
(Fortsetzung. )
Von der Regelung der gegenseitigen Unterhaltsansprüche unter geschiedenen Ehegatten hängt es häufig nicht nur ab, ob die Ehegatten, die in einer völlig zerstörten und daher für die Volksgemeinschaft wertlosen Ehe leben, sich überhaupt dazu entschließen können, den entscheidenden Schritt zu tun und die
Scheidung der Ehe herbeizuführen. In noch viel größerem.
Maße ist diese Regelung von Einfluß darauf, in welcher Weise und mit welchen Mitteln der Scheidungsstreit von den Ehe⸗ Hatten durchgefochten wird. Die oft beklagte Schärfe, die in vielen , , hervortritt, entspringt meist weniger aus der Erbitterung über die Kränkungen, die sich die Ehegatten in ihrer Ehe gegenseitig zugefügt haben, als aus der Sorge des einen Teils vor dem Verlust des Unterhalts⸗ anspruchs oder des anderen Teils vor der Belastung mit einer schwer tragbaren Unterhaltsverpflichtung. Solche Besorg—⸗ nisse erscheinen angesichts der geltenden Regelung der Unter— haltsfrage durchaus berechtigt, da hiernach nur der allein schul⸗ dig geschiedene Gatte unterhaltspflichtig und nur der schuld— los . Gatte unterhaltsberechtigt ist. Dieser Grund⸗ satz muß zwar für alle die Fälle als richtig anerkannt und bei— behalten werden, in denen die Schuld an dem Zusammen— bruch der Ehe klar und eindeutig ausschließlich oder wenigstens überwiegend einem Gatten zugeteilt werden kann. Die Starr— heit der bisherigen Regelung, die Billigkeitserwägungen nur Raum gibt, wenn der schuldige Ehegatte einem minderjährigen unverheirateten Kind oder infolge seiner Wiederverheiratuͤn einem neuen Ehegatten Unterhalt zu gewähren hat (8 . Abs. 1 Satz BGG), wirkt aber in allen den Fällen unbefriedi⸗ gend, in denen die Schuld an der Zerstörung der Ehe beide Gatten in gleichem Maße trifft oder, wie im Falle der Scheidung wegen Geisteskrankheit, keinem von ihnen aufgebürdet werden lann. Hiernach erschien eine neue gerechte Regelung notwendig. Dabei kann freilich nicht den hier und da laut gewordenen Stimmen gefolgt werden, die sogar dem alleinschuldigen Ehe⸗ gatten unter bestimmten Voraussetzungen einen, wenn auch nur vorübergehenden Unterhaltsanspruch gegen den schuld— losen Teil gewähren wollen. Eine solche Maßnahme würde mit dem natürlichen Empfinden des Volkes und seiner Vor— stellung von der Bedeutung der Rechte und Pflichten der Ehe— atten kaum vereinbar sein und die Gefahr einer Schwächung r allgemeinen Ehemoral heraufbeschwören. Die Voraus- setzungen für den Unterhaltsanspruch sollen deshalb künftig nur insoweit erleichtert werden, als eine Unterhaltspflicht unter geschiedenen Ehegatten auch dann in Betracht kommt, wenn beide für schuldig, keiner von ihnen aber für über— wiegend schuldig erklärt ist. Darüber hinaus ist in Fort— bildung der bisherigen Vorschriften über die Unterhaltspflicht im Falle der Scheidung wegen Geisteskrankheit dem schuld— losen Ehegatten, der von einem ihm gegen den anderen eben— falls unschuldigen Ehegatten zustehenden Scheidungsrecht mit Erfolg Gebrauch gemacht hat, eine Unterhaktspflicht auferlegt, die freilich mit Rücksicht auf den besonderen Charakter diefer Scheidungsgründe abweichend von der bisherigen Ausgestal⸗ 1 gif eine Billigkeitsverpflichtung zurückgeführt ist (8 69 Eine den heutigen Auffassungen entsprechende Neurege— lung gesetzlicher Unterhaltspflichten kann bei der e, des Unterhalts nicht mehr einseitig von den Lebensverhält⸗ nissen des Berechtigten ausgehen. Zu einer gerechten Ab— stufung der Unterhaltspflichten unter geschiedenen Ehegatten wird man vielmehr nur gelangen, wenn der Begriff des stan⸗ des mäßigen Unterhalts als Ausgangspunkt preisgegeben und an seine Stelle bei der Bemessung des Unterhalts von dem Betrag ausgegangen wird, der nach den Lebensverhältnissen beider Ehegatten der angemessene erscheint. Abgesehen hier⸗ von ist die unterschiedliche Behandlung der Unterhaltspflicht des schuldigen Mannes gegenüber der schuldlosen Frau einer⸗ seits und der schuldigen Frau gegenüber dem schuldlosen Mann andererseits beibehalten, da auch dem Manne künftig ein Unterhaltsanspruch nur zustehen kann, wenn er außer— stande ist, sich selbst zu unterhalten. Aber auch für die Frau ist die Verpflichtung, durch eigene Arbeit für ihren Unterhalt zu sorgen, gegenüber der bisherigen Regelung we⸗ entlich verstärkt. Bei der Stellung, die der erwerbstätigen frau heute im Wirtschaftsleben wie überhaupt im sozialen efüge des Volkes zukommt, und bei der heutigen Auffassung
vom Werte der Arbeit als einer Verpflichtung gegenüber der
Volksgemeinschaft kann es für die Frage, ob eine unterhalts⸗ berechtigte geschiedene Frau sich hinsichtlich ihres Unterhalts⸗ bedarfs ganz oder zum Teil auf den Verdienst durch eigene Arbeit verweisen lassen muß, nicht mehr darauf ankommen, ob eine Erwerbstätigkeit der Frau bei den Verhältnissen, in denen die Gatten während bestehender Ehe gelebt haben, üblich war oder nicht, sondern nur darauf, ob bei gerechter Würdigung aller Umstände eine Erwerbstätigkeit don der
Frau erwartet werden kann oder nicht (6 66 Abs. D.
Der Anspruch auf den nach den Lebensverhältnissen der Gatten angemessenen Unterhalt kann in zahlreichen Fällen nicht verwirklicht werden, weil der Verpflichtete außer , Verbindlichkeiten gegenüber dem geschiedenen Gatten auch noch andere Ansprüche zu befriedigen hat. Eine passende Lösung kann für diese Fälle nur gefunden werden, wenn bei der Bemessung des Unterhalts die Verhältnisse des Einzelfalls sorgfältig berücksichtig werden. In Vereinfachung der bisher bei konkurrierenden Ansprüchen geltenden Regelung ist des⸗ halb bestimmt, daß der Unterhaltsanspruch nach Billigkeit be⸗ messen werden soll, sobald der verpflichtete Ehegatte unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen durch die Gewährung des angemessenen Unterhalts seinen eigenen ,, Unterhalt gefährden würde. Auch der Unter⸗ haltsan a der, wie bereits hervorgehoben wurde, in den Fällen der Scheidung aus beiderseitigem gleichwertigem Ver⸗ chulden vorgesehen ist, soll nur ein Billigkeitsanspruch sein, und zwar in der Form eines Beitrags zum . des Be⸗ dürftigen. Bei der Bemessung dieses Beitrags sollen auch die Vermögens⸗ und Erwerbsverhältnisse der unterhaltspflichtigen Verwandten des bedürftigen Ehegatten mitberücksichtigt
Berlin, Sonnabend, den g9. Juli
werden. Eine ähnliche Regelung ist für die Fälle der Schei⸗ dung ohne Verschulden in 8 69 Abs. 2 vorgesehen.
Die Vorschriften über die Art der Unterhaltsgewährung stimmen grundsätzlich mit dem bisher geltenden Recht überein. Für die nunmehr monatlich vorauszahlbare Unterhaltsrente soll Sicherheit in jedem Falle zu leisten sein, in dem die Be⸗ sorgnis begründet ist, daß der Verpflichtete sich seiner king entziehen werde. Eine Abfindung in Kapital braucht der Verpflichtete dagegen künftig nicht schon dann zu leisten, wenn ein wichtiger Grund ein dahingehendés Verlangen be⸗ rechtigt erscheinen läßt; die Abfindung muß vielmehr für ihn auch tragbar sein. Unterhalt für die Vergangenheit oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung im Falle des Verzugs soll für eine länger als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit nur gefordert werden können, soweit anzu⸗ nehmen ist, daß der Verpflichtete sich seiner Leistung absichtlich entzogen hat.
Unter bestimmten, der bisherigen Regelung entsprechenden Voraussetzungen erleidet der Unterhaltsanspruch eine Be⸗ grenzung. Die Begrenzung auf den notdürftigen Unterhalt tritt ein, wenn der Berechtigte infolge sittlichen Verschuldens bedürftig geworden ist; auf eine Erhöhung seines Unterhalts⸗ bedarfs soll sich der Berechtigte aber auch dann nicht berufen können, wenn er den Mehrbedarf durch eigenes grobes Ver⸗ schulden, z. B. durch grob fahrlässige Herbeiführung eines Unfalls, herbeigeführt hat. Der Ünterhaltsanspruch soll ferner, dem allgemeinen Rechtsgedanken der Verwirkung ent— sprechend, völlig untergehen, wenn der Berechtigte sich nach der Scheidung einer schweren Verfehlung gegen den Verpflichteten schuldig macht oder gegen dessen Willen einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt. Für die Fälle der Wieder⸗ verheiratung des Berechtigten und des Todes des Verpflichteten ist die bisherige Regelung aufrechterhalten. Das gleiche gilt für den Fall des Todes des Berechtigten, jedoch mit der Maß⸗ gabe, daß der Verpflichtete die Le eu , n, soweit sie nicht von den Erben zu erlangen sind, nur zu erstatten hat, wenn dies der Billigkeit entspricht. Durch 5 78 Abs. 1 ist klargestellt, daß beim Tode des Verpflichteten die Unterhalts⸗ pflicht auf seine Erben als Nachlaßverbindlichkeit übergeht; im übrigen ist die bisherige Regelung dadurch vereinfacht, daß der Erbe immer die Herabsetzung des angemessenen Unterhalts auf einen Betrag verlangen kann, der bei Berücksichtigung der Verhältnisse des Erben und der Ertragsfähigkeit des Nach—⸗ lasses der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung zur Leistung eines Unterhaltsbeitrags, der einem für mitschuldig erklärten Ehegatten zugunsten des anderen mitschuldigen Ehegatten auf— ö worden war, soll mit dem Tode des Verpflichteten er— öschen.
Die Vorschrift des 5 1584 BGB, wonach Schen— kungen, die einem allein schuldig geschiedenen Ehegatten von dem anderen während des Brautstandes oder wahrend der Ehe gemacht worden waren, von diesem widerrufen werden können, ist wegen ihrer gexingen praktischen Bedeutung nicht in das neue Gesetz übernommen. Eine Pflicht zur Leistung eines Beitrags zum Unterhalt der Kinder ist abweichend von der bisherigen Regelung 6 1585 BGB) nunmehr auch für den Mann vorgesehen.
Im Hinblick auf die praktisch besonders bedeutsame, aber vielfach umstrittene und auch durch die Rechtsprechung nicht endgültig geklärte Frage, ob und unter welchen Voraus⸗ setzungen die Ehegatten bereits vor der Scheidung ihrer Ehe die gegenseitige Unterhaltspflicht durch Vereinbarung regeln können, ist schließlich zur Klarstellung bestimmt, daß solche Vereinbarungen nicht schon deshalb als nichtig angesehen werden dürfen, weil sie die Scheidung ermöglicht oder er⸗ leichtert haben. Vereinbarungen dieser Art verstoßen aber jedenfalls dann gegen die guten Sitten und sind nichtig, wenn im Zusammenhang mit ihnen die Ehegatten darüber einig geworden sind, die Scheidung mit Hilfe eines vor⸗ gespiegelten Scheidungsgrundes oder unter Verschweigung eines Scheidungsausschließungsgrundes herbeizuführen, oder wenn der scheidungswillige Ehegatte die Bereitschaft des anderen, sich scheiden zu lassen, erkauft oder den anderen sonst in unlauterer Weise zur Scheidung gefügig gemacht hat.
Das Schicksal der Kinder aus geschiedenen Ehen hängt nach bisherigem Recht in aller Regel davon ab, welchen der Ehegatten nach den ,,. im Scheidungsurteil die Schuld an der Scheidung trifft. Diese Regelung, die das Wohl der Kinder dem Gedanken unterordnet, daß der schul⸗ dige Ehegatte durch die Fernhaltung von seinen Kindern für seine Verfehlungen bestraft werden müsse, kann in einem Familienrecht des heutigen Staates, der sich die Förderung
der heranwachsenden . besonders angelegen sein läßt,
keinen Platz mehr haben. Die Frage, welchem der geschie⸗ denen Ehegatten die Sorge für ein gemeinschaftliches Kind anvertraut werden kann, muß vielmehr unabhängig von dem Schuldausspruch im Scheidungsurteil in erster Linie nach der Eignung der Ehegatten zu einer dem Wohl des Kindes förderlichen Erziehung beantwortet werden. Der Schuldausspruch im Scheidungsurteil kann freilich hierbei nicht völlig unbeachtet bleiben, weil er jedenfalls gewisse Schlüsse darauf zuläßt, ob ein Ehegatte erzieherisches Vorbild für seine Kinder sein kann oder nicht. Bei der Bestimmung über die Verleihung des Sorgerechts, die in jedem Falle dem Vormundschaftsgericht obliegt, soll deshalb dieser Gesichts⸗ punkt in erster Linie berücksichtigt und dem allein oder über⸗ wiegend schuldigen Ehegatten das Sorgerecht nur übertragen werden, wenn dies aus besonderen Gründen dem Wohl des Kindes dient. Abgesehen von diesem Fall ist das Wohl des Kindes der ausschließzliche Maßstab, den das Vormundschafts— , bei seiner Entscheidung anzulegen hat. Geschwister ollen ferner grundsätzlich immer von dem gleichen Elternteil betreut werden, damit Störungen des Sippenbewußtseins und des Zusammengehörigkeitsgefühls unter den Geschwistern nach Möglichkeit vermieden werden. Für die Fälle, in denen das Vormundschaftsgericht keinen Elternteil zur Uebernahme der Erziehung des Kindes e geeignet hält, 1 die en lung eines fle fer vorgesehen. Der Grundsatz, daß der nicht sorgeberechtigte Elternteil ein Recht zum persönlichen Verkehr mit dem Kinde behält, ist K um aber Unzuträglichkeiten, die sich erfahrungsgemäß leicht aus einer mißbräuchlichen Ausnutzung dieser Befugnis ergeben,
wirkungsvoll verhindern zu können, ist nunmehr bestimmt,
iss
daß das Vormundschaftsgericht die Regelung des persönlichen Verkehrs auch in der Weise gestalten kann, daß der Verkehr für bestimmte Zeit oder für dauernd unterbleiben muß, wenn dies aus besonderen Gründen dem Wohl des Kindes dient.
SLinsichtlich des Rechts der Sorge für das Vermögen des Kindes mußte es mit Rücksicht auf die zahlreichen rechtlichen Schwierigkeiten, die sich bei einer gleichzeitigen Uebertragung des Personen⸗ und Vermögenssorgerechts auf die Mutter ergeben müssen, solange die jetzt geltenden Vorschriften über die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern noch fort— bestehen, vorerst bei der bisherigen Regelung belassen werden.
C. Sondervorschriften für Oefterreich.
Die Neugestaltung des Eherechts erfordert für die öster⸗ reichischen Gebiete des Deurschen Reiches besondere Ueber⸗ gangsvorschriften. Das bisherige österreichische Eherecht ruhte auf dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811, das für die einzelnen religiösen Gruppen verschiedene Lösungen gab, also auf dem mittelalterlichen Gedanken aufgebaut war, daß jeder Religionsgemeinschaft ihr besonderes Eherecht ge⸗ bührt. Dieses Eherecht war 1868 durch die Einführung der sogen. Notziviltrauung sowie 1870 durch Vorschriften für die Ehen von Personen, die keiner Religionsgemeinschaft an⸗ gehören, in gewissem Maße den veränderten Zeitverhältnissen angepaßt worden, war aber in seiner grundfätzlichen Einftel⸗ lung unberührt geblieben. Durch Art. VII des österreichischen Konkordats von 1933 und seine Durchführungsgesetzgebung war die konfessionelle Grundlage des österreichischen Eherechts auf das stärkste dadurch unterstrichen worden, daß alle vor einem katholischen Priester nach kanonischem Recht ge⸗ schlossenen Ehen staatliche Wirksamkeit erhielten. Diese tech⸗ nisch äußerst verwickelte, inhaltlich das gesunde Empfinden der Bevölkerung gröblich mißachtende Rechtslage führte zu zahlreichen Unzuträglichkeiten. Die größten Mißstände, die sie mit sich brachte und die zu beseitigen keine der österreichi⸗ schen Regierungen der Nachkriegszeit die Kraft und den Mut hatte, sind folgende:
1. Dadurch, daß die Eheschließung nach Glaubens⸗ bekenntnis oder Weltanschauung verschieden geregelt war, wurde die Bevölkerung nach religiösen und welt⸗ anschaulichen Gruppen zersplittert. Vor allem aber war es für einen Staat der heutigen Zeit unerträg⸗ lich, daß die Eheschließung vor einem weltlichen Organ nicht für alle Fälle zwingend vorgeschrieben war. Tenn die Bedeutung der Ehehindernisse, die Notwendigkeit der Führung ausführlicher und sorgfältiger Register machen es notwendig, die Vorbereitung der Ehe— schließung und ihre Vollziehung in die Hände von Organen des Staates zu legen. Noch mehr ist dies für den völkischen Staat geboten, für den es heilige Pflicht ist, die Gründung der Familie zu überwachen und durch seine Organe vollziehen zu lassen.
Der Rechtssatz, daß Ehen, bei deren Schließung auch nur ein Teil katholisch gewesen ist, dem Bande nach nicht trennbar sind G 111 ABGB), ist mit der Auf⸗ fassung des völkischen Staates vom Wesen der Ehe ebenfalls unvereinbar. Er widerspricht vor allem seinen bevölkerungspolitischen Zielen und hat, was den einzelnen betrifft, Glück und Lebensfreude von Hundert— tausenden zum Opfer gefordert. Da die Ehe von Katholiken dem Bande nach nicht getrennt werden konnte, sind in Oesterreich Zehntausende von Ehen von Tisch und Bett geschieden worden. Hier gilt es, auf dem schnellsten Wege die hiervon Betroffenen aus einer Verbindung ganz zu entlassen, die von ihnen nur noch als leere Form und Fessel empfunden wurde.
.Die Unmöglichkeit, das Dogma von der Untrennbar⸗ keit der katholischen Ehen im Leben des 20. Jahrhun⸗ derts durchzuführen, hat zu zahlreichen Auswegen und Umgehungen und damit zu einer gefährlichen Er⸗ schütterung der Rechtssicherheit geführt. Das in sei⸗ nen Auswirkungen verhängnisvollste Mittel, von dem besonders seit 1518 ein weitgehender Gebrauch gemacht wurde, war die Schließung der sogen. Dispensehen. Von § 83 ABGB ausgehend, wurde eine anderweite Verheiratung von Ehegatten dadurch ermöglicht, daß vom Ehehindernis des Ehebandes Nachsicht erte'lt wurde. Da nach einer die Unsicherheit der Zeit widerspiegelnden Rechtsprechung sich schließlich die Meinung durchsetzte, daß die Erkeilung dieser Nachsicht ein absolut nichtiger Verwaltungsakt sei, wurden die von den dispensierten Ehegatten abgeschlossenen späteren Ehen als Doppelehen und daher als nichtig betrachtet. Da jedermann die Gerichte auf die Nichtig⸗=
keit solcher Ehen aufmerksam machen konnte und dief darauf zum Einschreiten gezwungen waren, war dieser Rechtszustand eine Quelle von Nötigungen, Erpressun⸗ gen und anderer seelischer Pein für die durch ihn Be⸗ troffenen. Die Zahl der in Oesterreich derzeit be⸗ stehenden Dispensehen wird auf etwa 50 000 geschätzt; es bedarf daher keines Hinweises darauf, wie weite Kreise der Bevölkerung durch dieses Unrecht, das von keiner Regierung bekämpft worden ist, betroffen sind.
Der Kern, der Sondervorschriften für Oesterreich dient der Beseitigung aller dieser Mißftände.
1. Das deutsche Personenstandsrecht, wie es in dem neuen Gesetz vom 3. November 1937 und seinen Durch⸗ führungsbestimmungen niedergelegt ist, wird in Desterreich am 1. Januar 1939 in Kraft treten. Nach dieser Regelung liegt die Registerführung und damit die Eheschließung den Bürgermeistern ob. Bis zu diesem Zeitpunkte wird durch s 99 die Eheschließung in vollem Umfange den Bezirksbehörden übertragen, denen schon jetzt die Trauung dann zusteht, wenn die Brautleute keiner gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören oder wenn der Seel⸗ sorger ohne staatlich anerkannten Grund die Ehe⸗ schließung verweigert; bei diesen Behörden sind danach schon jetzt die erforderlichen Register vorhanden; ebenso verfügen sie über die erforderlichen Gesetzes⸗ kenntnisse. Im Burgenland liegen die Verhältnisse