1828 / 73 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

2.

letztern Fall eine Staatsschuld, niemals aber ein Deficit; mit demselben Rechte koͤnnte man sonst auch Frankreichs beständige Schuld der 4000 Millionen ein Desicit nennen; und man muͤßte daher annehmen, daß der Finanz⸗Minister eine besondere Absicht (die Verunglimpfung des vorigen Ministeriums) gehabt hatte, um einem Dinge einen Namen zu geben, der ihm in keiner Art gebuͤhrte. Der Graf Roy wird gegen die Beschuldigungen der Gazette de France in einem Artikel vertheidigt, den man gleichlautend im gestri⸗ gen Stuͤcke des Moniteurs, in der Quotidienne und in einem ministeriellen Abend⸗Blatte (dem Messager des Chambres) liest, und worin es unter andern heitzt: „Denjenigen, welche die Rede des Finanz⸗Ministers gehoͤrt oder gelesen haben, wird ohne Zweifel die Sorgfalt nicht entgangen sein, womit derselbe jede Betrachtung, ja selbst jeden Ausdruck, welcher die vorige Verwaltung haͤtte verletzen koͤnnen, vermieden at. Es war jedenfalls seine Pflicht, auf die materielle age des Schatzes am 1. Januar 1829 hinzuweisen, und er hat solches 2 Ruͤcksicht auf eine der fruͤhern Verwal⸗ tungen gethan. Die Gazette beschuldigt ohne allen Grund das jetzige Ministerium, daß es sich die Entdeckung eines Deficits von 200 Millionen, dihe es seinen Vorgaͤngern zur Last lege, beimesse. Der Graf Roy hat sich blos darauf be⸗ schraͤnkt eine einfache Darstellung der Lasten, wodurch die

iegende Schuld entstanden ist, zu machen, und die Gazette bis⸗ daher vielleicht besser gethan, sich in eine solche Eroͤr⸗ terung mit diesem Minister nicht einzulassen, da es diesem nie eingefallen ist, eine Vergleichung zwischen der vor⸗ theilhaften Lage des Schatzes zu der Zeit, wo er im Jahre 1822 die Finanz⸗Verwaltung abgab und dem gegenwaͤrtigen Zustande desselben, aufzustellen

Das Journal des Débats enthaͤlt einen interessanten Aufsatz uͤber die Russisch⸗Tuͤrkische Angelegenheit, woraus wir morgen einige Auszuͤge liefern werden.

Nach der General⸗Uebersicht, die der gestrige Moniteur von den milden Gaben giebt, welche zur Unterstuͤtzung der im Jahre 1825 abgebrannten Einwohner von Salins einge⸗ gangen sind, belaͤuft sich die Gesammtsumme derselben auf 1,191,442 Franken.

Aus Marseille meldet man unterm 8. Maͤrz, daß vom 12ten an, fremdes Getrelde daselbst zugelassen werden wird, da die in den dortigen Magazinen befindlichen Vorraͤthe nur etwa 120,000 Hectoliters betragen.

Im Hafen zu Cadir befinden sich etwa 29 Franzoͤsische Fahrzeuge mit inländischem Getreide, die indessen aus Man⸗ gel an Geleit⸗Schiffen nicht auslaufen koͤnnen.

Großbritanien und Irland.

London, 14. Marz. Der Standard glaubt bei dem jetzigen Stande der politischen Angelegenhelten viel Anlaß zur Sorge und Beunruhigung zu finden. Er sagt in seinem gestrigen Blatte: „Wir fuͤrchten, daß die Wuͤrfel unaganderlich liegen. E keigen Krieg. Ob gegen, ob für die Turkei, das ist eine besr. welchelediglich die Absichten der Russischen Regleru 88

ntscheidung bringen werden. Die Depeschen, waiche 8 rst Lieven erhalten hat, lassen wenig Hoffnung zur Beibehaltung des Friedens uͤbrig. Es ist klar, daß der Kaiser Nicolaus den Vortheil wohl einsteht, den er durch die Schwaͤche un⸗ sers vorigen Ministeriums, welche ihm zuerst die Rolle zeigte, die ihm in der Triple⸗Allianz zustand, erlangt hat. Wie un⸗ sere Regierung sich benehmen wird, ist nicht schwer zu erra⸗ then. Zuerst wird man Vorstellungen versuchen; fruchten sie aber nicht, so sind wir uͤberzeugt, daß der Herzog von Wel⸗ lington Mittel finden wird, um, entweder die Tuͤrkei mit Britischen Werkzeugen zu noͤthigen, den richtigen Weg ein⸗ zuschlagen, oder unter allen Umstaͤnden Europa vor der Aus⸗ dehnung der Russischen Macht bis zum Mittellaͤndischen Meere zu schuͤtzen.“ In einem andern Artikel des gestrigen Blattes heißt es: „Der ist in Europa ausgebrochen. Frankreichs Truppen sind bereits in Bewegung. Daß wir geduldig gestatten sollten, daß Konstantinopel in Rußlands Händen gerathe und diese Macht zugleich das rze, das deege sche und Mittelländische Meer, mit ihnen olk von Seeleuten und eine ganz zur Ausbildung von osen geeignete Kuͤstenstrecke gewinnen, mit einem Worte, daß wir diesem Riesen auf dem Lande noch einen Weg offen las⸗ sen sollten, auch zur Dee ein Riese zu werden, ist unmoͤglich.“ Das heutige Blatt vom Standard enthält folgende ruhi⸗ dene⸗ wiewohl eben so einseitige Betrachtungen über densel⸗ en Gegenstand: „Man wird sich erinnern, daß der Lon⸗ doner Vertrag die paciscirenden Partheien verbindet, „„ge⸗ meinsam zu handeln,““ um die Herstellung des Frie⸗ dens zwischen der Pforte und den empöͤrten her⸗ beizuführen. Dieser Vertrag fuͤhrte das Gesecht von Na⸗

8 * B 16 .“

8½2

*

8

. 85 8 2 2 1 geen oder durch eine Anleihe zu decken, so entstaͤnde fuͤr den

21 eʒe .

.

7 8 2*½

E 11“

varin herbei, wovon wir reden, wenn wir es „„wi⸗ derwaͤrtig““ nennen. Auf dieses Gefecht folgte das soge⸗ nannte „„Tuͤrkische Manifest,““ welches wir lieber „„Tür⸗ kische Proclamation“”““ nennen moͤchten, und welches eine Ukase aus St. Petersburg mit der Entschließung des Rus⸗ sischen Kaisers nach sich gezogen hat: seine Truppen, ohne auf die Mitwirkung Frankreichs und Englands zu warten, in die Türkischen Provinzen einruͤcken zu lassen. Dle Gruͤnde, welche Russischer Seits fuͤr das ploͤtzliche Beginnen der Feind⸗ seligkeiten angefuͤhrt worden, sind: 1) die ichterfuͤllung des Vertrags von Akerman von Seiten der Tuͤrkei; 2) die Ein⸗ wirkung der Pforte, um Persien zum Kriege aufzureizen; und 89 das Tuͤrkische Manifest, oder die Proclamation.⸗ Born dieser als Separat⸗Gruͤnde zum Kriege angefuͤhrten eschwerden werden durch die Bestimmungen des Londoner Vertrages, welcher Rußland verpflichtet, mit seinen Verbuͤn⸗ ten gemeinsam zu handeln, entkräftet. Der Vertrag von Akerman hat ein viel aͤlteres Datum, als der Londoner (, und auch der Persische Krieg war lange vor Abschließung des letztern ausgebrochen. Es waͤre demnach eine starke Zumuthung, wenn Rußland unbedingten Glauben fuͤr die Versicherung verlangen sollte, daß es absichtslos diese Beschwerdegruͤnde in Reserve gehalten habe, während es auf der andern Seite als Friedensvermittler in Gemeinschaft mit seinen Verbün⸗ deten handelte. Der dritte Klagegrund ist die Türkische Proclamation. Unseres Erachtens wuͤrde dieselbe, wenn sie auch in der feierlichsten Art an das Türkische Volk gerichtet worden waͤre, nach den Grundsäͤtzen des Voͤlkerrechts die Feindseligkeiten nicht rechtfertigen. Wenn Mittheilungen zwischen einem Souverain und seinen Unterthanen, solchem Verfahren als rechtliche Veranlassung dienen koͤnnte, so waͤre es Ae zu sagen, was denn eigentlich National⸗Unabhaͤn⸗ gigkeit sei. Im vorliegenden Falle aber erfahren wir aus dem Oesterreichischen Beobachter, daß die Proclamation nicht foͤrmlich bekannt gemacht, nicht gedruckt, nicht in den Mo⸗ scheen verlesen, ja nicht einmal in gleichmaͤßiger Form in Umlauf gesetzt wurde. Diese Proclamation ist also nur ein Vorwand; und wir finden davon einen neuen Bewels in der, wie man sagt, von der Russischen Regierung abgegebe⸗ nen Erklärung, daß sie, wiewohl sie es fuͤr noͤthig halte die Erfuͤllung des Vertrages von Akerman durch die Waffen zu erzwingen, und die Pforte fuͤr ihren Antheit am schen Kriege zu strafen, denndch den Wunsch noch immer hege, die Griechischen Angelegenheiten friedlich zu Fesaliran. Dies heißt mit andern Worten: Rußland wird sich fuͤr die⸗ sen Fall in zwei Maͤchte theilen, deren eine Krieg führen die andere Frieden stiften wird. Wie weit dieses Doppel⸗ wesen fuͤhren koͤnnte, ist nicht abzusehen. Wird aber Eng⸗ land, wird Oesterreich, welches dabei eben so sehr betheiligt ist, zugeben, daß die schon uͤbergroße Macht Rußlands noch mehr wachse? Wir besorgen nicht, daß der eine oder der andere dieser Staaten sich eines solchen Mißgriffs schul⸗ dig mache. Selbst wenn Frankreich sich mit den maͤchtigsten Derer verbinden sollte, weiche in dem Hasse gegen England wetteifern, so wuͤrde Oesterreich seine alte Ehre und Curo⸗ pa's Unabhangigkeit und England seine Oberherrschaft zur See zu erhalten wissen.“

Wäͤhrend der Standard sich in vorstehender Weise Uund der Courier in der bereits (im gestrigen Blatte) er⸗ waͤhnten Art aͤußern, spricht die Morning⸗Chronicle sich uͤber denselben Gegenstand folgendermaßen aus: Die An⸗ gelegenheiten im Osten scheinen mit schnellen Schrieten einer Trise entgegen zu gehen. Frankreich, Rußland und Eng⸗ land haben sich durch den Londomer Tractat verbunden, den Feindseligkeiten zwischen den Türken und Griechen ein Ende u machen. Die döel verbuͤndeten Maͤchte waren durch die⸗ 2₰ Tractat verpflichtet, gemeinsam zu handeln, die Feindse⸗ ligkeiten, welche durch versuchte Ausfuͤhrung desselben her⸗ vorgerufen werden moͤchten, als gegen Alle gerichtet in Be⸗ tracht zu ziehen, und in Bekaͤmpfung solcher Feindseligkeiten, egen welche Macht sie auch gerichtet sein moͤchten, gemeinsame 82. zu machen. Daraus aber, daß Rußland mit zwei andern Maͤchten uͤbereingekommen, die Tuͤrken und Griechen zu einer Ausgleichung ihrer Angelegenheiten zu zwingen, folgt keinesweges, daß Rußland nicht eine besondere Ursache des Zwists mit der Tuͤrkel haben sollte, dessen A es aus Ruͤcksicht auf seine Ehre, weder ganz noch theilweise Anderen uͤbertragen kann, und worin zu mischen sich Andere auch nicht verpflichtet fuͤhlen moͤchten. Und dies ist unsers Dafuͤrhaltens der jetzige Fall. Rußland hat, her dem Verhaältniß in welchem es gegen die Türkel sch der Feindseligkeiten Füchen den Türken und Grie t, sich auch uͤber den Bruch des Tractats von Akerman Seitens der Ersteren zu beklagen.

355 28*