1828 / 164 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

v. Montbel verlangte, daß die Versammlung die erste Pro⸗ position nicht weiter beruͤcksichtige, waͤhrend Herr Duples⸗ sis de Grénédan von der zweiten Kenntniß nehmen wollte. Diesem widersetzte sich aber der Praͤsident, und erklaͤrte, daß wenn ein Theil der Versammlung gegen die Zuruͤcknahme der ersten Proposition protestire, von der zweiten nicht wei⸗ ter die Rede seyn koͤnne. fortgesetzt. Der Marquis v. Cambon glaubte, daß die Ver⸗ sammlung uͤber die Proposition gar nicht berathschlagen duͤrfe, da dieselbe offenbar eine Beleidigung gegen den Koͤnig ent⸗ halte. Dieser Ansicht stimmte der See⸗Minister bei; es koͤnne, meinte er, Niemandem von der Versammlung in den Sinn kommen den Monarchen und die gesammte Nation zu verunglimpfen; da uͤberdies Hr. Labbey de Pompieères seinen

Vorschlag zuruͤckgenommen habe, so koͤnne die Discussion

nicht fortgesetzt werden, es sei denn, daß irgend ein Depu⸗ tirter die Proposition wieder aufnehme; haͤtte Einer Muth genug dazu, so moͤchte er die Rednerbuͤhne besteigen; wo nicht, so waͤre der Vorschlag beseitigt. Der Marquis von Chauvelin meinte, daß man es auf die Mehrheit der Stimmen ankommen lassen muͤsse. „Gut,“ erwiderte der Vicomte Du Tertre, „das Gefuͤhl, welches den groͤßten Theil dieser Versammlung beseelt, ist das der Entruͤstung!“ Diese Aeußerung erregte laute Mißbilligung zur linken Seite. Herr Du Tertre verlangte, gleich Herrn Ravez, daß der Vorschlag des Herrn Labbey de Pompieres getheilt werde. Mehrere Deputirte wollten sich zugleich vernehmen lassen, konn⸗ ten aber nicht zu Worte kommen. Endlich gelang es Hrn. Dupin dem Aeltern sich Gehoͤr zu verschaffen. Er erinnerte vor Allem daran, daß man sich Anfangs vorgenommen gehabt habe, mit der groͤßten Ruhe und Maͤßigung und ohne alle Leidenschaft zu verfahren, wogegen man jetzt in eine Hitze gerathen sei, daß Niemand sein eigenes Wort verstehen koͤnne. Der Redner widersetzte sich hierauf der verlangten Theilung und meinte, daß einige unuͤberlegte Aeußerungen in der Sache selbst nichts aͤnderten; niemand ohne Zweifel, fuͤgte er hinzu, werde es sich beikommen lassen, den ehrwuͤr⸗ digen Alten, von dem die Proposition herruͤhre, zu verdaͤch⸗ tigen, daß er sich jener Ausdruͤcke absichtlich bedient habe, auch habe der Verfasser ja das Unangemessene in seiner er⸗ sten Proposition selbst zugegeben, und diese daher zuruͤckge⸗ nommen; es komme mithin jetzt nur noch darauf an, ob man die vorigen Minister in Anklagstand versetzen oder, ob man, wegen eines bloßen Mangels in der Form, die Sache selbst aufgeben wolle. Hr. Ravez gab zu, daß Hr. Labbey de Pompidres sich vielleicht schlecht ausgedruͤckt habe; nimmermehr aber koͤnne man behaupten, daß er solches aus Unuͤberlegtheit gethan, indem er, nach seiner eigenen Erklaͤ⸗ rung, uͤber seine Proposition drei Monate lang nachgedacht habe. Hr. Mauguin glaubte, daß von dieser Proposition gar nicht mehr die Rede sein koͤnne, da der Verfasser sie zuruͤckgenommen habe. Hr. Labbey de Pompisres erklaͤrte hierauf nochmals, daß es nicht seine Absicht gewesen sei, von einer geschehenen Thatsache, sondern von einem bloßen Versuche zu sprechen, und daß er danach seinen ersten Antrag modificirt habe. Nach vielem Hin⸗ und Herreden wurde endlich der Schluß der Discussion verlangt u. ausgesprochen. Die von dem Marquis v. Cambon in Antrag gebrachte vorlaͤufige Frage (wonach uͤber den verhandelten Gegenstand keine weitere Discussion Statt finden darf) wurde fast einstimmig angenommen. Dem⸗ naͤchst beschloß die Versammlung, zur Pruͤfung der neuen Proposition des Hrn. Labbey de Pompieres, sich sofort in die Buͤreaus zuruͤckzuziehen und die oͤffentliche Sitzung dem⸗ naͤchst unmittelbar fortzusetzen. Dies geschah, und als die Sitzung um 5 ½ Uhr wieder eroͤffnet wurde, verlas Hr. Lab⸗ bey de Pompisres seine neue Proposition in folgender Abfassung:

„Die Deputirten⸗Kammer beschuldigt die Herren Mitglieder des vorigen Ministe⸗ riums des Verrathes und der Erpressung.“ Diese Fassung wurde endlich gebilligt, und die Kammer entschied danach mit großer Stimmen⸗Mehrheit, die sich aus der ganzen linken Seite, dem linken Centrum, fast dem gan⸗ zen rechten Centrum und dem groͤßeren Theile der rechten Seite bildete, daß die Proposition in Erwaͤgung ge⸗ zogen werden solle. Dieselbe wurde sonach den Buͤ⸗ reaus uͤberwiesen, damit diese eine Commission zu deren Pruͤfung ernenne.

St. Cloud, 15. Juni. Heute Morgen schloß der Koͤ⸗ nig in Begleitung der Koͤniglichen Prinzen sich der Pro⸗ zession zur Feier des Frohnleichnams ⸗Festes an, und kehrte um 9 Uhr nach dem Schlosse zuruͤck. Gegen Mittag hat⸗ ten der Kanzler und das Bureau der Pairs⸗Kammer die Ehre Sr. Maj. den, nunmehr auch von dieser Kammer an⸗

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Die Berathung wurde sonach

Geduld der Wahl⸗Kammer und des gesammten Frankreichs,“

Reiner Pflicht nie zuruͤckweichen werden.“ Die liberalen Blaͤtter

genommenen Gesetz⸗Entwurf, in Betreff der Anleihe der 80 Millionen Renten, vorzulegen.

Paris, 17. Juni. Das Bezirks⸗Wahl⸗Collegium zu

Clermont (Departement des Puy de Döme) hat an die Stelle des ausgeschiedenen Abbés von Pradt den libera, len Candidaten, General Simmer, und das Departements⸗ Wahl⸗Collegium zu Limoges (Dept. der obern Vienneh), mit einer Mehrheit von einer einzigen Stimme, denselben

Herrn Mousnier⸗Buisson zum Deputirten gewaͤhlt, welcher, da man ihn beschuldigt hatte, daß seine Wahl unregelmaͤßig gewesen sei, freiwillig aus der Kammer ausgeschieden war. Die Kammer waͤre nunmehr, bis auf die Wieder⸗Besetzung der durch den Tod des Grafen von Bryas (Deputirten des Pas de Calais) erledigten Stelle, vollzählig, wenn nicht vor ei⸗ nigen Tagen der Rath am hiesigen Koͤnigl. Gerichtshofe, Hr. Agier, Deputirter des Departements beider Sevres, mit Tode abgegangen waͤre. 38 Die Gazette de France enthaͤlt einen langen Aufsatz, worin sie zuvoͤrderst dem Hrn. Labbey de Pompieères, dafuͤr daß er den vorigen Ministern eine Gelegenheit dar⸗ geboten hat, sich endlich rechtfertigen zu koͤnnen, ihren Dank bringt, und demnaͤchst dessen Rede bei Entwickelung seiner Proposition, Punkt fuͤr Punkt zu widerlegen sich bemuͤht. Einen Umstand hebt sie mit Recht hervor, naͤmlich den, daß Herr Labbey de Pompidères in seiner Rede dem Grafen von Villeèle keine einzige gesetzwidrige Erhebung von Auflagen oder Steuern nachweiset, und daß mithin die Beschuldigung der Erpressung von selbst wegfaͤllt. Die Wi⸗ derlegung der zweiten Beschuldigung aber, daß jener Mini⸗ ster sich Eingriffe in die Landes⸗Verfassung und die Rechte der Buͤrger erlaubt habe, ist nur schwach und contrastirt seltsam mit dem Bilde, welches der Constitutionnel in dieser Beziehung mit grellen Farben von der vorigen Verwaltung und deren noch fortdauerndem Einflusse entwirft. „Die

sagt dieses Blatt, „war erschoͤpft; es waͤre Schwaͤche gewe⸗ sen, wenn man mit der Anklage⸗Acte noch laͤnger haͤtte zoͤ’- gern wollen. Die Proposition des Herrn Labbey de Pom⸗ pieres ist in Erwaͤgung gezogen worden und ein großer Pro⸗-⸗ zeß wird hoffentlich die Folge davon sein. Frankreich wird endlich erfahren, daß seine Deputirte den ihnen anvertrauten Geschaͤften gewachsen sind, und daß, wenn sie der oͤffentlichen Ruhe einige Opfer bringen koͤnnen, sie doch vor der Erfuͤllung

geben uͤbrigens zu verstehen, daß Hr. Labbey de Pompières jetzt vielleicht mit seinem Vorschlage nicht mehr hervorgetreten waͤre, wenn die vorigen Minister, statt sich fuͤr die Maͤßigung dankbar zu bezeigen, womit man ihre Verwaltung der Ver⸗ gessenheit uͤbergeben wollte, nicht in neuerer Zeit abermals das Haupt erhoben haͤtten, und, hinter den Jesuitismus verschanzt, das Land neuen Gefahren auszusetzen drohten. Das Journal des Débats wundert sich, daß man mit der Anklage so lange gewartet habe und erklaͤrt sich die Sache dadurch, daß in Frankreich die Erinnerung an empfangene Beleidigungen uͤberhaupt nur von kurzer Dauer sei und daß man dem Abbittenden leicht vergebe. „Hierzu kam,“ faͤhrt dieses Blatt fort, „daß Hr. v. Villdele sich zuruͤckzog, und daßs man ihn daher fuͤr die dem Lande zugefuͤgten Uebel durch den Verlust seiner Macht hinlaͤnglich bestraft glaubte. Auch 9 fand man es so schoͤn, endlich einmal wieder frei athmen, sprechen und schreiben zu koͤnnen, daß man uͤber den errun⸗ 8 genen Sieg den Besiegten vergaß. Frankreich ist das Land des Zartgefuͤhls und der Schicklichkeit: ihnen bringt man manchen gerechten Groll zum Opfer. Im Uebrigen, so war die feierliche Anklage eines Ministeriums in unserer constitu- tionnellen Monarchie etwas Neues; man wußte nicht, welche Formen man befolgen, auf welche Strafe man antragen sollte. Gluͤcklicherweise haben die vorigen Minister den Knoten selbst zerhauen. Was sie fruͤher nur unter der Hand zu verstehen gaben, verkuͤndigen sie jetzt laut. Es giebt nicht eine von unsern Freiheiten, die sie seit den letzten zwet Monaten nicht geschmaͤht und bedroht haͤtten; sie rufen da⸗ bei noch den politischen Haß, den Religions⸗Fanatismus und den Buͤrgerkrieg laut zu ihrer Huͤlfe. Wie kann man an den Absichten des Hrn. v. Villèle noch zweifeln, wenn er sich selbst dazu bekennt? Sein eigenes Zeugniß wird den bevorstehenden furchtbaren Prozeß eroͤffnen; er selbst hat sich in Anklage versetzt; umsonst wollte man uͤber so viel Un⸗ gerechtigkeiten und Gewaltthaͤtigkeiten die Augen zudruͤcken; man mußte den Urheber derselben dafuͤr bestrafen, weil er sich 8 selbst damit bruͤstete.“ 8. Der Courrier⸗frangais glaubt, daß die laͤngst erwartete Verordnung in Betreff der kleinen Seminarien, wo nicht ganz aufgegeben, doch auf unbestimmte Zeit ausgesetzt wor⸗