1828 / 168 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

dan nach einer halben Stunde merkte, lung langweilte, hielt er einen Augenblick ijnne; der Praͤsident erklaͤrte aber, daß er die Aufmerksamkeit der Kammer nicht er⸗ zwingen koͤnne. Der Redner fuhr hierauf mit erhoͤhter Stimme fort, und fuͤhrte unter anderm bittere Beschwerde uͤber die Fort⸗ schritte der revolutionairen Parthei und uͤber die neuen Gefah⸗ ren, die der katholischen Religion drohten. Der Praͤsident fluͤsterte ihm einige Worte in die Ohren, worauf Hr. Duplessis de Grénédan mehrere Bogen seiner Rede uͤbersprang, und bald darauf die Tribune verließ. Nach ihm ergriff Hr. Bacot de Romand das Wort und sprach die Hoffnung aus, daß Hr. Duplessis de Grénédan seine inhaltsvolle Rede drucken lassen werde. Nachdem noch Hr. Bourdeau zu Gunsten des 18ten Artikels aufgetreten war, wurde derselbe in obiger Abfassung angenommen, und demnaͤchst uͤber das ganze Ge⸗ setz abgestimmt. Die Zahl der Stimmgeber belief sich auf 382; in den Wahl⸗Urnen fanden sich 266 weiße und 116 schwarze Kugeln; der Entwurf ist sonach mit einer Mehr⸗ heit von 150 Stimmen angenommen worden. Gleich nach aufgehobener Sitzung zogen sich die Deputirten in ihre Buͤ⸗ reau's zuruͤck, um daselbst die mit der Pruͤfung der Propo⸗ sition des Hrn. Labbey de Pompières zu beauftragende Com⸗

mission zu ernennen. , Paris, 21. Jun. Folgendes sind die Namen der Mitglie⸗

der der eben erwaͤhnten Commission, der ersten, die, seit der Einfuͤhrung der verfassungsmaͤßigen Regierung in Frankreich,

den Auftrag erhäͤlt, die Verwaltung eines, der Pflichtvergessen⸗ heit beschuldigten Ministeriums zu untersuchen, und dasselbe im Bestaͤtigungsfalle vor den Richterstuhl der Pairs⸗Kammer zu la⸗ den: die Herren Mauguin, Girod, Baron von Montbel, Rau⸗ dot, Vicomte Du Tertre, Benj. Constant, Delalot, Graf von Femehsn und Agier. „Wenn es noch“ sagt das Jour⸗ nal des Débats „eines neuen Beweises der Kraft und Maͤßigung der constitutionellen Meinung in der Deputirten⸗ Kammer beduͤrfte, so wuͤrden wir ihn in der Wahl der Mitglieder dieser Commission finden. Sechs unter ihnen sind in den Reihen der wahren Freunde der Volks⸗Freiheiten ge⸗ waͤhlt; zugleich sind aber auch die heiligen Rechte der Ver⸗ theidigung nicht aus den Augen gelassen worden: das dritte Buͤreau * den achtbaren Hrn. v. Montbel zu seinem Com⸗ missarius ernannt.“

Vorgestern hielten Se. Maj. zu St. Eloud, im Bei⸗ sein des Dauphins, einen Minister Rath, welcher von 9 Uhr bis 12 ½˖Uhr Mittags dauerte.

Der Messager des Chambres schickt der Rede des Mi⸗ nisters des Innern in der Sitzung der Pairs⸗Kammer vom 17ten d. (woraus wir unten einen Auszug liefern) die nach⸗ stehenden Betrachtungen voran: Die Discussion uͤber das Wahl⸗ Gesetz in der Pairs⸗Kammer ist durch eine Menge, mit Be⸗

redsamkeit ausgesprochener Ansichten, und auch, wie man uns

versichert, durch auffaͤllige Angriffe ausgezeichnet gewesen. Besonders hat der befriedigende und gewissenhafte Bericht⸗ erstatter des Gesetzes, Vicomte Lainé, auf Betrachtungen ganz neuer Art in diesem Gesetze aufmerksam gemacht, von denen er die zahlreichen Freunde der gesetzlichen Ordnung in jener Kammer uͤberzeugte, welche jene mehr als einmal ge⸗ rettet hat. Die Herren Mounier, Decazes, Lemercier, von Tournon und v. Choiseul haben nach einander durch ihre lichtvollen Vortraͤge das lebhafteste Interesse erregt. Der Minister des Innern, welcher der entgegengesetzten Meinung,

worin, wie man sagt, etwas anderes als das Gesetz ange⸗

griffen wurde, in ausfuͤhrlicher Rede entgegentrat, hat im hoͤchsten Grade den Beifall der edlen Pairs erhalten: „Edle Pairs“, begann der Minister, „nicht ohne lebhafte Bewegung bin ich im Begriff einen Gesetz⸗Entwurf zu ver⸗ theidigen, der vor Ihnen mit einer Heftigkeit bekaäͤmpft wor⸗ den ist, an die diese Tribune nicht gewöhnt ist, und welche, ich gestehe es, ich nicht im entferntesten erwartete. Ich werde mich bemuͤhen, dieses peinliche Unternehmen mit der Festigkeit durchzufuͤhren, welche Maͤnnern ziemt, die sich be⸗ leidigt fuͤhlen, ohne jedoch die Ruͤcksichten zu vergessen; dies bin ich der edlen Kammer schuldig, die berufen ist, zwischen uns und unsern Gegnern zu entscheiden. Wir haben der Depu⸗ tirten⸗Kammer einen Gesetzentwurf vorgelegt, den die Krone fuͤr nuͤtzlich und nothwendig hielt; er ist von ihr angenom⸗ men worden. Wir haben die Ehre 8₰ ihn Euren Herr⸗ lichkeiten vorzulegen; eine mit der r fung desselben beauf⸗ tragte Commission hat dessen Annahme vorgeschlagen, und ein edler Vicomte, dessen Talent und Charakter Vertrauen und Achtung gebieten, hat vor ihnen die Gruͤnde dieses Vorschlags entwickelt. Zuverlaͤssig konnte sein erstes Urtheil die freie Aeußerung einer entgegengesetzten Meinung nicht finden, und ich weiß, daß jeder in seinem eigenen Gewissen die Regel seines Benehmens und seiner Entschließungen

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daß er die Versamm⸗

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renwerther Zeugnisse dem Entwurf die Wuͤrdigung einer, wenn auch ernsten und lebhaften, doch von Vorsichtlichkeit und Bitterkeit freien Discussion zusichern. Dieß Gluͤck ist ihm nicht geworden, und ich bin gezwungen, nicht nur Einwen⸗ dungen zu bestreiten, und zu behaupten, daß die Bestimmun⸗ gen des Gesetzes weder ungerecht noch unpolitisch, noch den Principien unseres Rechts entgegen sind, sondern auch, es auszusprechen und zu beweisen, daß diejenigen, die es abge⸗ faßt, vorgelegt, vertheidigt haben, weder schuldige Untertha⸗

nen noch etwa untreue Minister sind, die mit Berechnung— oder aus Schlaffheit die Administration in Verfall gebracht, den Parthelgeist beguͤnstigt, die Maͤnner, welche mit dem⸗ Vertrauen des Koͤnigs beehrt sind, geschmaͤht, und den For⸗ derungen einer Parthei oder der Sicherheit eines unruhigen Ehrgeizes das heilige Depositum der Koͤniglichen Autoritäat geopfert haͤtten. ch gestehe, edle Pairs, es liegt in dieser Verpflichtung, in der ich mich befinde, mich gegen solchen Verdacht zu vertheidigen, etwas so Fremdes und Neues fuͤr mich,

daß es mir große Anstrengung gekostet hat, mich an den Gedanken

zu gewoͤhnen, daß sie mir wirklich auferlegt ist. Bin ich etwa der irrende Theil? Hat diese Hingebung an die Person meines Koͤnigs, diese Treue gegen seine edle Sache, dieser tiefe Unwillen ge-⸗ gen Alles, was seinen Thron erschuͤttern könnte, alle diese Empfindungen, die ich unverloͤschlich glaubre, haben sie aufgehoͤrt, mein Herz in Bewegung zu setzen? Hab’' ich meine Principien abgeschworen? Die berauschende Freude uͤber eine eben erlangte Macht, der Wunsch, sie zu bewah⸗ ren, die Furcht vor der Reue, vor den Qualen, vor den Beunruhigungen, welche der Verlust derselben verursacht, 82 sollte mich alles dieses fortgerissen und so verblendet haben, daß ich mir die Schmach einer verbrecherischen Abtruͤnnig⸗ keit verheimlicht haͤtte? Edle Pairs, ich habe mein in Un⸗ ruhe gesetztes Gewissen, meine Vernunft und mein Gebdächt⸗

niß befragt, und meine Unruhe hat sich gelegt. Nein! nicht

ich bin der Verblendete, nicht ich bin es, der die Interessen des Koͤnigs schlecht begreift und schlecht wahrnimmt. Ich habe meine Pflicht gethan, indem ich ihn rieth, diesen Ge⸗ eee der Kammer vorzulegen, ich will sie auch darin erfuͤllen, daß ich den 28 gegen die Angriffe, deren Ge⸗ genstand er gewesen ist, vertheidige. „Dieser Entwurf,“ sa⸗ gen die Gegner desselben, „ist eine der Schwaͤche entrissene Concession; er ist das durch die Klagen, Delationen und

Forderungen einer Parthei erzwungene Resultat; er beruht

ganz und gar auf einem erklaͤrten Mißtrauen gegen die Ab⸗ ministration; er entehrt sie, bezeichnet sie als schuldig, ver⸗ setzt sie in den Fall der Praͤvention. Die Minister haben sich von den Umstaͤnden beherrschen lassen, sie hatten den Gedanken dieses Gesetzes bei der Eroͤffnung der Session noch nicht gefaßt.“ Wir antworten: „der Entwurf ist eine, den wirklich dringenden Beduͤrfnissen gegebene Befriedigung, die nicht mehr aufgeschoben werden durfte. Diese Beduͤrfe nisse waren nicht nur die der Buͤrger, sie waren dle der Verwaltung des Koͤnigs; diese besonders mußte gegen Ver. dacht geschuͤtzt und gegen Verlaͤumduͤngen vertheidigt werden.“ Ist es ein Act der Schwaͤche, zu sagen: Wir wünschen, daß die Gesetze ausgefuͤhrt werden, daß kein Verdacht des Betruges moͤglich sei, daß man Irrungen zuvorkomme; wir wuͤnschen, daß diese Verwaltung, die bei jeder Erneuerung der Wahl seit zehn Jahren im Lngescchte Frankreichs in die schmerzliche Anklage der Luͤge und 8eEszna Zessahe⸗ dieser Schmach endlich entzogen und wieder auf die Ruhe gestellt wer⸗ den, von der sie mit Schmerz herabgestiegen ist. Ich weiß nicht, ob es sichere Mittel giebt, sie wieder zu heben, aber seit langer Zeit hoͤre ich sie mit Heftigkeit angreifen, und habe noch nicht gese⸗ hen, daß man ihr bis jetzt wirksame Huͤlfe gebracht haͤtte. Wir dachten bei Eroͤffnung der Sitzung nicht an diesen Gesetz⸗ Vorschlag: also ist er uns auferlegt worden. Ja, ohne Zwei⸗ 8 el, auferlegt durch das öffentliche Interesse, durch eine der othwendigkeiten denen man ohne Furcht ee weil ste in der Vernunft begruͤndet sind. Vor der Eroͤffnung der Sitzung hatten Alle, die mit den g Wahlen zu thun ge⸗ habt, die Unzuläͤnglichkeit der bestehenden Gesetzgebung er⸗ kannt. Die unzähligen Schwierigkeiten, die verwirrenden Fragen, Dunkelheiten aller Art, der Kampf der Gewalten, hatten die Standhaftigkeit derer ermuͤdet, 2 es war, so vlel Hindernisse zu besiegen. Schon hatte die Nothwendigkeit eines vollstaͤndigen Gesetzes die Geister durchdrungen. Seit ei⸗ nem Monat an die Spitze der Geschaͤfte gestellt, hatten wir allerdings bei der Eroͤffnung der ö noch keinen Ge⸗ setzentwurf beschlossen. Die traurigen Debatten, welche diese Eroͤffnung auszeichneten, lehrten uns, daß es unsere Pflicht sei, bei diesem Uebel das schleunigste anzu⸗ wenden; so ist das Gesetz entstanden’“. Der Minister

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