1828 / 195 p. 4 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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schimpflich. Der Tractat sagt selbst, er sey fuͤr die Sache der Religion und Menschlichkeit abgefaßt; und nun will man uns sagen, die ganze Kraft, welche man fuͤr jene Zwecke anwenden wolle, sey die, daß man einen Unglaͤubigen bitte, die Bedingungen unseres eigenen Vertrages zu erfuͤllen, und, wenn er sich weigerte, fortgehen und nicht mehr davon rede. Ich will nicht gerade den edlen Herzog hiermit beschuldigen, daß solches seine Absicht bei seinem jetzigen politischen Ver⸗ fahren sey, aber das Schweigen von Seiten der Regierung muß wenigstens Verdacht erwecken. Die Türkei und Ruß⸗ land sind beide unsere Verbuͤndete, bekriegen sich jetzt aber gegen⸗ seitig; ich wuͤnsche daher zu wissen, wie wir mit ihnen stehen, und traͤge auf Abschriften von allen Verträgen mit der Tür⸗ kei seit 1809 an. Ferner ist mein Wunsch, Abschriften von allen Depeschen unserer Gesandten in der Tuͤrkei zu sehn, welche sich auf solche Verpflichtungen wegen gegenseitiger Vertheidigung beziehen, die mit den Ministern des Sultans muͤndlich abgeschlossen sind. Ich wuͤrde mich geschoͤmt haben, so etwas vorzuschlagen, wenn nicht ein edler Lord (Viscount Strangford) am ersten Tage der Sitzung versichert haͤtte, dem Worte eines Muselmanns koͤnne man besser trauen, als dem Eide eines Christen. (Geloͤchter.) Er hat doch ein wenig Erfahrung, die ihm eines bessern belehren koͤnnte. Der Reis⸗Effendi hat die ihm selbst (Lord Strangford) gemachten Versprechungen in folgender Art abgeschworen: „Allah, Allah, Allah! Wenn ich den zehnten Theil von dem gesagt haäͤtte, was Ihr mir da anfuͤhrt, so wuͤrde mein Kopf schon laͤngst in Konstanti⸗ nopels Rinnsteinen umhergerollt seyn.“ (Geläͤchter.) Aus⸗ serdem schlage ich vor, daß Abschriften aller Verhandlungen vorgelegt werden sollen, die zwischen uns und dem Kaiser von Rußland, in Beziehung auf seine Annahme der Stipu⸗ lation des Protocolls, stattgefunden haben. Ich komme jetzt mit ungeheucheltem Kummer zu dem andern Theile mei⸗ ner Frage. Ich habe die Existenz der Freundschaft und des Buͤndnisses zwischen uns und Portugal von jeher als sehr wichtig fuͤr die Wohlfahrt unseres Landes angesehen. Die äͤltesten Buͤndnisse verpflichten uns, den Herrscher jenes Kö⸗ nigreiches gegen alle fremde feindliche Angriffe und einheimi⸗ sche Insurgenten zu beschützen. Der edle Herzog mag im⸗ merhin den Kopf schuͤtteln, aber dennoch ist es wahr, daß unsere bestehenden Verpflichtungen von dem Vertrage mit dem Hause öe abhaͤngen, daß dieser Vertrag nur die zu Eduards III. Zeit abgeschlossenen wieder ins Leben ruft, und daß es bloß darauf ankommt, ob die Worte Vasallos et rebelles nicht die Verpflichtung in sich schließen, jenes Land auch gegen einheimische Verraͤther zu sichern. Außer diesen alten Vertraͤgen ist der Vertrag der Liebe und Freund⸗ schaft gegen Portugal in die Herzen aller Engländer einge⸗ schrieben. Miqguel ist das Haupt einer durch ganz Europa verbreiteten Parthei, die einen eingewurzelten Haß gegen die Einrichtungen unseres Landes hegt. Ich hoffe zu Gott, daß der edie Herzog und seine Amtsgenossen die gehaͤssige Usurpa⸗ tion des Infanten, nicht anerkennen. Ich wuͤnsche, zu erfahren, ob der letzte bedauernswerthe Ungluͤcksfall zu Porto nicht da⸗ durch entstanden ist, daß die Regierung ihr Vertrauen auf Partheien gesetzt hat, bei denen kein Grund dazu vorhanden war. Man sagt, England sey neutral zwischen den beiden streitenden Partheien in Portugal. Ohne unser Recht zu einer solchen Neutralität anerkennen zu wollen, hoffe ich, daß die Neutralitaͤt auch wirklich streng beobachtet worden ist. Man hat behauptet, daß die Correspondenz eines Mit⸗ gliedes dieses Hauses derjenigen Parthei, gegen deren Em⸗ porkommen unsere Regierung verpflichtet ist, die Oberhand verliehen hat. Ich weiß nicht, ob der edle Herzog die ganze Correspondenz, oder auch nur eine Seite derselben, gesehen hat. Wenn sie vorgelegt wuͤrde, so wuͤrde sie fuͤr sich selbst sprechen. Die Art, in welcher die Blokade von Porto an⸗ erkannt worden ist, muß ich gänzlich mißbilligen, da Dom Miguel noch Regent von Portugal genannt wurde, waͤhrend er seinen Bruder betrog und verrieth. Ich bedaure, daß England jetzt nicht mehr die Stellung unter Europa's Na⸗ tionen einnimmt, die es bei Herrn Canning's Tode behaup⸗ tet hat. Hr. Canning verließ das Land auf dem hoͤchsten und ruͤhmlichsten Standpunkte, zu welchem es möglicherweise gelangen konnte. Der Genuß unserer Ehre, unserer Macht und unseres Ruhms ist aber seitdem bedeutend verringert worden, und das Parlament verlangt nicht zu viel, wenn es um eine Aufklärung der⸗Katastrophe bittet. Ein Krie

ist ein großes Ungluͤck, aber ein schimpflicher Friede ein no⸗

groͤßeres. (Großer Beifall.) Der Redner trug demnaͤchst auf die Vorlegung von Abschriften mehrerer Corresponden⸗ Verträͤge an, welche sich auf Englands Verhaͤltnisse zu Brasilien und Portugal beziehen; namentlich wuͤnschte er opien der Verhandlungen zwischen dem Fuͤrsten Metter⸗ 8 2 ¹

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nich, Sir H. Wellesley und dem Grafen Villa⸗Real, und der Depeschen des Sir Frederik Lamb zu sehen. Darauf sagte der Graf von Aberdeen: Nicht das Ver⸗ langen der Verheimlichung bewegt mich, dem Antrage des edlen Lords zu widersprechen, sondern andere Gruͤnde. Theils naͤmlich sind die erwaͤhnten Documente nicht vorhanden, theils sind sie in unsern Zeitungen erschienen, theils sind sie von der Art, daß es zweckwidrig waͤre, sie aufzuweisen, da die in Rede stehenden sehr delicaten Transactionen noch nicht beendigt sind. Auch war es wohl nicht so sehr die Absicht des edlen Lords, seinen Antrag vorzubringen, als vielmehr allgemeine Bemerkungen uͤber unser politisches Ver⸗ fahren, namentlich mit Ruͤcksicht auf Portugal und Grie⸗ chenland zu machen. Die Minister Sr. Maj. stimmen mit seinem Bedauern der letzten Ereignisse in dem erstgenannten Lande vollkommen uüͤberein; allein ich muß ihm widersprechen, wenn er sagt, wir ruͤhmten uns einer strengen Neutralität, und widersetzten uns demnach der einen Parthei. Er er⸗ waähnt die Blokade von Porto, und tadelt den Titel, wel⸗ chen wir Dom Miguel geben. Allein wir sahen uns genö⸗ thigt, sowohl das Recht des Infanten auf jenen Titel, als auch auf die Blokade⸗Erklaͤrung in Erwaͤgung zu ziehen. Sieht nicht der edle Lord aus dem ganzen Betragen der Englischen Regierung welche Gefuͤhle sie gegen Dom Mi⸗ guel hegt. Wir hatten ihm versprochen, ihn mit Geld zu unterstuͤtzen, aber von dem Augenblicke an wo seine Absich⸗ ten klar wurden, haben wir unterlassen, es ihm zuzuschicken. Wir haben ihm heftige Vorstellungen gegen sein Betragen gemacht. Wir haben die Functionen unseres Gesandten suspendirt. Zeigt dies von einer Partheilichkeit zu sei⸗ nen Gunsten? Der edle Lord tauscht sich üͤber die Art unserer Verpflichtung gegen Portugal. Wir wollten das Land nur gegen fremde Angriffe beschuͤtzen, aber es waͤre hoͤchst abgeschmackt, wenn wir uns verbunden haͤtten, alle Streitigkeiten der Famtlie jenes Hauses unter einander, oder mit ihren Unterthanen zu schlichten. Haͤtte die Charte Dom Pedro's in Portugal Heifal gefunden, so wuͤrde es den Ministern Sr. Maj. angenehm gewesen seyn; da wir aber fanden, daß sie jener Nation unangenehm war, so konnten wir nur bedauern, aber nicht uns einmischen. Wir haben unsere Verpflichtungen erfuͤllt, und keine fernere Ursach zum Einschreiten. Jene Verpflichtungen haͤngen nicht von der Form der Regierung ab, denn sie sind älter als die Constt⸗ turion. Ich muͤßte mich sehr taͤuschen, wenn die Vertheldi⸗ ger Dom Miguel's nicht die Freunde unseres Landes wären, und wenn auf der andern Seite die Meisten von der Ge⸗ genparthei nicht nur keine Freunde unseres Landes, sondern auch keine Freunde einer guten Regierung in jenem Lande wären. Was den Vertag vom 6. Juli betrifft, so werden wir ihn in demselben Geiste ausfuͤhren, in welchem er ge⸗ schaffen wurde. Wir wollen aber keinesweges das Tuͤrkische Reich zergliedern, sondern der Grundsatz jenes Traktats ist, dasselbe aufrecht zu erhalten. Der Kaiser von Rußland hat aus seinen eigenen Beweggrüͤnden der Pforte den Krieg er⸗ klaͤrt. Veraͤndert dies nicht die Lage der andern contrahiren⸗ den Partheien, welche den Vertrag 88 Krieg ausfuͤhren wollten? Daher der Verzug der Ausfuͤhrung des Vertrages auf unserer Seite. Es konnte eher nichts erfolgen, als bis, wie jetzt geschehen ist, der Kaiser von Rußland er⸗ klaͤrte, er sey auf dem Mittellänischen. Meere in keinem Kriege begriffen. Der edle Lord scheint gegen die Türkei sehr aufgebracht zu seyn. Er tadelt den Ausdruck, die Tuͤrkel sey unser alter Bundes⸗Genosse. Wenn sie auch nicht unser alter Bundes⸗Genosse ist, so ist sie doch unser alter Freuud. Wir haben uns selten über einander zu be⸗ klagen gehabt, und haben auch jetzt keine Ursach der Be⸗ schwerde gegen einander. Die Ekistenz der Tuͤrkei als un⸗ abhäͤngige Macht, ist zur Erhaltung des politischen Gleich⸗ gewichts nothwendig. Eine materielle Verringerung dersel⸗ den würden alle Maͤchte Europa's schwer empfinden, und ich freue mich, daß auch der Kalser von Rußland gleiche Ansichten hegt als ich so eben ausgesprochen habe. Was den dritten von dem edlen Lord beruͤhrten Punkt anbetrifft, so muß ich ihm andeuten, daß die Maer unseres Landes noch immer dieselbe ist wie zu Hrn. Cannings Zeit und seit vielen Jahren näͤmlich, den Frieden nicht mnur in Eng⸗ land, sondern auch in der ganzen Welt aufrecht zu erhalten. Vor allem muß ich bemerken, daß Nationen auch glücklich seyn koͤnnen, ohne jene Vollkommenheit der Verfassung zu genießen, deren wir uns erfreuen, und welche zwar füͤr uns sehr gut paßt, aber vielleicht der Wohlfahrt jener Vöͤlker

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weder W“ ist. Lord Goderich