1828 / 205 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

ken habe; 3) für die Gesetzgebung darum:

teresse der Freihelten der Kirche, als in dem vorzüglich aber auch in dem der Regierung, die Koͤniglichen Gerichtshoͤfe, und nicht den Staats⸗Rath waͤhlen muͤsse. „Der Ursprung dieser Appellationen“, fuhr der Redner fort, „ist allerdings sehr alt, allein die Mißbruͤuche, denen sie ab⸗ heifen sollten, sind noch aälter. Peter von Gruyeres, Koͤnigl. Advocat im 15ten Jahrhundert, war der Erste, welcher eine solche Appellation einlegte. Es handelte sich 1) für das Land dar⸗ um: ob es unter Paͤpstlicher Herrschaft stehen, oder ein unabhän⸗ giger Staat seyn solle; 2) fuͤr den Thron darum seine Rechte Gott und seinem Degen oder dem Pa

oder sich Päpstliche Bullen aufdraͤngen lassen Rechtspflege darum: ob alle Gerechtigkeit vom oder ob die geistliche Gerichtsbarkeit sich Eingriffe erlauben duͤrfe; 5) für die gesammte Gallikanssche Geistlich⸗

keit darum: ob man sie in Schutz nehmen, oder sie Rom

und seinen Legaten blos stellen solle; ob man namentlich die niedere Geistlichkeit ihrem Schicksale üͤberlassen, oder sie vor dem Despotismus einiger Praͤlaten sicher stellen solle; es handelte sich mit einem Worte um die Beschuͤtzung des ge⸗ sammten Civilstandes vor der geistlichen Autoritaͤt, die beständig dahin trachtete, ihre Graͤnzen zu überschreiten. Dies, meine Herren, ist der heilige, volksthuͤmliche, monarchische, billige und wohlthätige Ursprung der gedachten Appellationen; diese haben seitdem allerdings eine große Ausdehnung erlitten; warum aber? weil die Mißbraͤuche sich in gleichem Maaße ausgedehnt hatten, weil es kein Recht, keine Macht gab, welche die Geistlichkeit nicht an sich zu reißen gesucht haͤtte. Fruͤher wurden diese Appellationen sammtlich und ohne Un⸗ terschied des Gegenstandes, den sie betrafen, vor die Parla⸗ lamente gebracht, welche mit der Bewilligung des Koͤnigs an der gesetzgebenden Macht Theil nahmen, zugleich aber die richterliche Gewalt in ihrer ganzen Ausdehnung besaßen, und sogar die hoͤhere Polizei ausüͤbten. Hierin sehe ich aber keinen Grund, warum das vorige Oberhaupt des Staats dieselben dagegen wieder einzig und allein an den Staats⸗Rath, als einen Theil der administrativen Macht, verwiesen hat; man verfiel hier, glaube ich, in den entgegengesetzten Fehler; denn so wie nicht alle Appellationen zu dem Ressort der richterli⸗ chen Gewalt, so gehoͤrten auch nicht alle zu dem der admi⸗ nistrativen. Nicht zufrieden aber, sich seiner Macht gegen den Roͤmischen f bedi haben, mißbrauchte Napoleon dieselbe, und sta zu begnuͤgen, den Staat und die Kirche zu beschuͤtzen, usurpirte er Rechte, die er haͤtte achten sollen, bemäͤchtigte sich des Kirchenstaates, wie der Person des Papstes, wollte den Concilien Gewalt anthun und erbitterte dadurch die Gemuͤther. Jetzt -war nicht mehr von der Freiheit, sondern nur noch von der Knechrtschaft der Kirche die Rede. Statt sich darauf zu beschränken, die geist⸗ liche Gewalt mit fester Hand in den ihr angewiesenen Graͤn⸗ zen zu halten, wie solches Karl X. thut und sein Ministe⸗

rium thun wird, erlaubte er sich selbst Eingriffe in die Rechte

derselben, und wie die Verletzung eines Rechtes immer das Gefuͤhl desselben erweckt, so wurde der Gang der Regierung bald durch die ihm von der Kirche in den Weg gelegten Hindernisse gehemmt. Napoleon, bestuͤrzt uͤber die Schwie⸗ rigkeiten, die er sich selbst zugezogen hatte, erlteß zuletzt im Jahre 1813 ein Decret, wodurch die gedachten Appellationen wieder den Koͤniglichen Gerichtshöfen uͤberwiesen wur⸗ den. Dieses Decret wurde aber im folgenden Jahre wieder aufgehoben, und dagegen jene Appellationen aufs Neue an den Staats⸗Rath verwiesen. Man will dieser

Vorkehrung dadurch das Wort reden, daß man behauptet,

die Oeffentlichkeit der Verhandlungen biete Nachtheile fuͤr dieselben dar. Und doch dachte fruͤher Riemand an eine solche Gefahr, obgleich die Oeffentlichkeit eben nicht zu dem Wesen der damaligen Regierung gehoͤrte. Warum fuͤrchtet man sie denn heute, wo diese Oeffentlichkeit mit zu dem Staatsrechte der Franzosen gehöͤrt, und sogar in dem Geiste des Evangeliums liegt; denn die Kirche, in der Reinheit ihres Ursprungs, empfiehlt selbst die Oeffentlichkeit bei der Unterdruͤckung der Mißbraäuche ihrer Diener. Wenn mein Gedäͤchtniß mir treu ist, so sagt Einer der Apostel: peccan- tes presbyteros coram omnibus argue, ut et cacteri timo- rem habeant. Suͤndigt ein Priester, so beschuldigt ihn vor dem ganzen Volke, coram omnibus; warum? des Beispiels wegen, damit die Uebrigen durch die Furcht zuruͤckgehalten werden. Ist es daher nicht in der That seltsam, daß heutiges Tages die Kirche allein die Unverletzlichkeit und Ungestraftheit fuͤr Diejenigen ihrer Diener in Anspruch nimmt, welche sich Miß⸗ bräuche, Vergehen oder Verbrechen zu Schulden kommen lassen? daß man uͤber sie den Römischen Purpur oder einen andern Schleier werfen will? Man will dies Verfahren dadurch

entschuldigen, daß man sagt, es sey nicht die Schuld der Religion, wenn einige ihrer Diener sich ihres Berufes un⸗ werth zeigen. Welch ein Schluß, und wo findet sich etwas dem Aehnliches in den uͤbrigen Ständen? Wird das Heer dadurch entehrt, daß ein Soldat durch ein kriegsrechtliches Erkenntniß als ein feiger Deserteur bestraft wird? Schaͤndet es den Advokatenstand, wenn man Einem seiner Mitglieder einen Fehler, sey es auch nur einen Mangel an Zartgefuͤhl, vorzuwerfen hat? Die Kirche kann keine Ausnahme machen, und kein Priester darf die Ungestraftheit fuͤr Verbrechen ver⸗ jangen, wie solche leider oft nur zu augenscheinlich bei uns un⸗ Feehndet geblieben sind.“ (Lauter Beifall.) Nachdem der Redner noch die andern Einwendungeun widerlegt hatte, welche gegen die Ueberweisung der mehrerwäͤhnten Appella⸗ tionen an die Koͤniglichen Gerichtshöfe vorgebracht worden sind, namentlich die Verschiedenheit der Gerichtsbarkeiten und der Territorial⸗Circumscriptionen, schloß derselbe in fol⸗ gender Art: „Grade die Beispiele, die man angefuͤhrt hat, Wum das Unangemessene des Forums der Koöͤniglichen Ge⸗ richtshoͤfe zu beweisen, lassen mich die Wahl desselben am meisten wuͤnschen. In der That, wenn ein Bischof in einer geistlichen Verordnung alle seine Befugnisse uͤberschrei⸗ tet, die bestehenden Gesetze angreift, und sich gegen die Ver⸗ fuͤgungen der Regierung, denen er sowohl durch sein Bei⸗ spiel, als durch seine Lehren, Gehorsam schuldig ist, auflehnt, so degeht er ein Vergehen, uͤber welches die Tribunäle al⸗ jein Richter sind. Wollt Ihr ihn dagegen an den Staats⸗ Rath verweisen? der Inculpat ist fruͤher da, als Ihr, Jer findet daselbst Andere seines Gleichen, und was die Folge davon ist, laͤßt sich leicht ermessen. Um jetzt von den Be⸗ druͤckungen der niederen Geistlichkeit durch ihre Vorgesetzten zu sprechen: ist es nicht wahr, daß oftmals Geistlichen mit der Suspendirung von ihrem Amte gedroht worden ist, wenn sie es wagen sollten, den profanen Weg der Appellation ein⸗ zuschlagen? Dies ist eine Feche der Rechtspflege bei ver⸗ schlossenen Thuͤren; vor den Gerichtshoͤfen wuͤrde man sich so etwas nicht erlaubt haben. Noch berufen sich die Gegner dieser letztern auf etwanige Mißbraͤuche in den Predigten. Gleichwohl giebt es keinen Punkt, wo die Ehre des Buͤrgers mehr im Spiele waͤre als hier. Gerade weil der Geistliche ein ernster Mann seyn soll, dessen Charakter wenig geneigt ist, seinen helligen Veruf zu mißbrauchen, haber die Worte, die er von der Kanzel herad verkuͤndigt nur um so mehr Gewicht; greift er daher den guten Ruf eines sei⸗ ner Pfarrkinder an, ist es dann nicht Sache der Tribunäle die Ehre des Beleidigten zu rächen und der Genugthunng dieselbe Oeffentlichkeit zu geben, womit die Beleidigung er⸗ folgte? Soll der Gekraͤnkte erst, von der aͤußersten Graͤnze des Reiches, den Staats⸗Rath um Gerechtigkeit anflehen, und zwar in einem Pallaste, wo der Bischof Zutritt, der be⸗ schimpfte Buͤrger aber keinen hat und wo sein Loos von einem Berichte und einer insgeheim motivirten Entscheidung abhaͤngt? Nein, dies ist nicht die Gerechtigkeit des Fuͤrsten. (Anhaltender Beifall.) Bemerken sie uͤbrigens, m. H., wie die Geistlichkeit sich selbst erniedrigt, um ein eitles Privile⸗ gium zu erringen. Damit ein Priester von seiner beleidigten Gegenpart nicht belangt werden koͤnne, reihet ste sich unter die Beamten der Regterung und begiebt sich ihres heiligen Berufs. Der Bischof ist jetzt kein Gottesgesendeter mehr, welcher Rellgion und Sittlichkeit verbreiten und die Men⸗ schen unterrichten soll; er ist nichts als ein Agent der Re⸗ gierung. Lassen Sie uns daher, meine Herren, zu gesunderen Grundsätzen zurüͤckkehren und die Nothwendigkeit erkennen, daß das Geistliche vom Weltlichen auf immer streng geschie⸗ den bleibe, daß der Priester, in seinem Heiligthume unver⸗ letzlich, wie jeder andere Franzose der gewöͤhnlichen Gerichtsbarkeit unterworfen werde, sobald er dasselbe ver⸗ läͤßt, die oͤffentliche Ordnung stört, den Gesetzen Hohn bie⸗ tet, die Stimme der Regierung verkennt, den Buͤrger belei⸗ digt, oder das Recht irgend eines Dritten verletzt. Forum et jas! Dies, m. H, ist die Theorie der Appellationen bei Mißbraͤuchen der Geistlichkeit.“ Ungeachtet der großen Er⸗ muüdung, die sich seit einigen Tagen in der Kammer zeigt, wurde diese Rede, welche, wenn gleich pöͤllig improvisirt, doch kaum 10 Minuten dauerte, von der Versammlung mit dem lebhaftesten Interesse aufgenommen und durch mehr⸗ maligen Beifall unterbrochen; die Bittschrift, welche zu der⸗ selben Anlaß gegeben hatte, wurde fast einstimmig dem Großstegelbewahrer uͤberwiesen. Am Schlusse der ng stattete noch Herr J. Lefébvre den Commssions⸗Bericht

üͤber den Gesetz⸗Enwurf ab, wodurch der Platz Ludwigs XVI. und die Elysaischen Felder der Stadt Paris abgetre⸗ ten werden sollen, und stimmte fuͤr die Annahme desselben, indem er jedoch zugleich den Wunsch zu erkennen gab, daß