1828 / 269 p. 6 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

Die ersteren zahlen 600 Piaster, sie moͤgen nun tausende oder eine Million besitzen; dle letzteren nur 25 Piaster.

5 Vermischte Nachrichten.

Ueber das Communal⸗Wesen Frankreichs.

In einem Zeitpunkte, wo dem Communal⸗Wesen Frank⸗ reichs eine neue Organisation bevorsteht, duͤrfte die folgende Zusammenstellung einiger Artikel des Messager de Slambres uͤber diesen Gegenstand von erhoͤhetem Interesse seyn.

Erster Artikel. Geschichtlicher Ueberblick der Entwickelung der Gemeinen bis auf das Jahr 1789.

Die Ernennung einer Commission, welche den gegen⸗ waͤrtigen Zustand des Franzoͤsischen Communal⸗Systems pruͤfen, und dabei alle uͤber diesen Gegenstand gesammelten

Paterialien zu Rathe ziehen soll, war eine der ersten Maaß⸗ regeln, welche der jetzige Minister des Innern beim An⸗ tritt seines Amtes traf. Das Beduͤrfniß eines neuen Ge⸗ setzes uͤber diesen wichtigen Zweig der Verwaltung wurde schon seit lange und allgemein gefuͤhlt; denn vergebens be⸗ schuͤtzt eine freie Verfassans unsere staatsbuͤrgerlichen Be⸗ fugnisse, wenn die unmittelbareren Rechte, die uns gleich⸗ sam in unserem Hause und in der Familie beruͤhren, nicht auch durch ein zeitgemaßes System von Local⸗Gesetzen festgestellt werden. Man muß daher dem gegenwäaͤrtigen Ministerium eine dankbare Anerkennung zollen, indem es je⸗ nes Beduͤrfniß mitfuͤhlt und ihm entsprechende Abhuͤlfe zu gewähren bereit ist. Schon unter der zweiten Verwaltung des Herzogs von Richelieu wurde ein Gesetz⸗Entwurf uͤber diese Materie abgefaßt, welcher wesentliche Verbesserungen enthielt. 8 dieser Zeit leidenschaftlicher Verblendung han⸗ delte es aber weniger um gute Gesetze, als um Siege der einen Parthei uͤber die andere, und so kam es, daß, trotz den Bemühungen eines Ministeriums, das gewissenhaft das Gute wollte, nichts gebessert wurde. Baron Mounier, einer der Haupt⸗Redacteure jenes ersten Entwurfs und der sorgfaͤltigste Sammler der betreffenden Documente, ist auch unter den Mitgliedern der jetzigen Commission.

Um sich ein richtiges Urtheil uͤber die Erfordernisse eines der Gegenwart entsprechenden Communal⸗Systems zu bilden, muß man die historische Entwickelung des Französischen Staa⸗ tes von seiner alten monarchischen Form zur repraäͤsentativen verfolgen, und darf man dabei besonders nicht außer Acht lassen, daß die Freiheit, welche in den hoͤheren Kreisen der Gesellschaft herrscht, in den unteren Theilen derselben sich nicht in gleichem Maaße ausdehnen laͤßt, wenn nicht statt einer Communal⸗Ordnung eine oͤrtliche Anarchie ent⸗ stehen soll. Ueber den Ursprung der Staͤdtegewalt be⸗ sitzen wir treffliche Schriften. Montesquieu, Mabli, Guizot, Henrion de Pensey und Barante haben den Gegenstand unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuch⸗ tet. Aus den Forschungen dieser Maͤnner hat sich er⸗ geben, daß sich in den Städten eine Municipal⸗Gewalt wie von selbst gebildet hat; allenthalben sehen wir die Buͤr⸗ gerschaften aus ihrer Mitte angesehene Männer erwaͤhlen, denen sie die Verwaltung ihres Gemeinwesens anvertrauen. Schon die Fraͤnkischen und Angelsaͤchsischen Verfassungen ent⸗ halten dieses Princip, das man ein ewiges nennen kann, weil es aus einem fortdauernden Beduͤrfniß entspringt. Na⸗ tuͤrlich hatte diese Institution nach der Entwickelungsstufe der Voͤlker auch sehr verschiedne Formen, aber an sich be⸗ trachtet, ist sie uͤberall als eine Thatsache hervorgetreten.

In naͤherer Beziehung auf Frankreich geht aus den Ge⸗ schichtsbuͤchen hervor, daß bei der Ankunft der Germanischen Voͤlker die Roͤmische Municipal⸗Verfassung, wie sie uns in den Titeln der Digesten und des Theodosianischen Coder auf⸗ bewahrt ist, in den meisten Staͤdten, besonders im Suͤden, organisirt war. In diesen Quellen der Roͤmischen Gesetzge⸗ bung sinden wir mehrere Municipal⸗Beamten genannt, wie z. B. die Decurionen, welche unter der Aufsicht der von den Roͤmischen Kaisern eingesetzten Behoͤrden eine, wenn auch beschränkte, Macht ausübten. Als die Roͤmischen Adler vor den einwandernden Barbaren zurückwichen, und die Central⸗ Gewalt verschwand, dehnten die Municipien allmaͤhlig ihre Freiheiten aus. Dies wiederholt sich im Allgemeinen immer nach dem Umsturß eines Staates, daß die Gewalt, welche nicht mehr in der Intensitat eines Mittelpunktes zusammen⸗ gehalten wird, sich An die Localttaͤten zerstreut, weil sie nicht ganz verschwinden kann. Ohne Zweifel haben sich noch un⸗ ter den Fraͤnkischen Koͤnigen viele nach Roͤmischer Art organi⸗ sirte Municipien im suͤdlichen Frankreich durch alle Stuͤrme hindurch erhalten, während die Germanischen Einrichtungen mehr in den noͤrdlichen Provinzen herrschend wurden,

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und auch hier lassen sich die ersten rohen Zuͤge eines Muni⸗ cipal⸗Systems durch das Dunkel der Zeit erkennen.

Unter Karl dem Großen gewann mit dem ganzen Staate auch die Verwaltung als solche, eine festere Gestalt. Die Macht der Koͤnigl. Abgeordneten (missi dominici), der Cent⸗ grafen und der Markgrafen verhinderte die Entwickelung einer vom Volke ausgehenden Gewalt, und das in den Ca⸗ pitularien aufgestellte System concentrirte dieselbe ganz in dem Koͤnige. Als unter den schwachen Nachkommen Carls des Großen die Verfassung, welche nur durch seine große Persoͤnlichkeit getragen worden war, zu Grunde ging, benutz⸗ ten die Koͤniglichen Beamten die ihnen gegebene Gewalt, um sich unabhängig zu machen, und sie fanden in den Städ⸗ ten um so weniger Widerstand, als in diesen buͤrgerliche Freiheit sich noch nicht hatte entwickeln koͤnnen. Die spaͤtere Feudal⸗Herrschaft suchte diese gewaltsam getrennten Bande des Staates wieder zu vereinigen, sie schuf Rechte, Pflich⸗ ten, Obliegenheiten und eine Gewalt, die ungeachtet ihrer Unvollkommenheiten, wenigstens nach einer Einheit des Staa⸗ tes strebte. Vom Ende des 9ten Jahrhunderts bis zum 11ten Jahrhundert sehen wir die Gemeinen verschwinden. Es gal⸗ ten in dieser Zeit nur zwei Kategorieen, der Herr und der Knecht; zwischen beiden lag nichts, und fuͤr den Leibeigenen gab es keine Stadt. Als aber die Ueberreste des Gallischen Stammes allmaͤhlig frei wurden, und der durch aufkeimenden Luxus gehobene Gewerbfleiß das Bestehen einer Mittelklasse moͤg⸗ lich machte, zeigten sich auch sofort Keime staͤdtischer Freiheit. Dem Leibeigenen mußte der Zustand der Staͤdte gleichguͤltig seyn, denn sein Stand schloß ihn von aller Theilnahme an buͤrgerlichen Rechten aus, aber der Staͤdter selbst strebte desto mehr, sich die erworbene Freiheit zu sichern. Die Buͤrger einer Stadt traten zusammen, und verlangten Garantieen ge⸗ gen die Gewaltthaͤtigkeiten der adeligen Herren und gegen die Excommunicationen der Kirche. Einige ertrotzten sich . durch bewaffneten Aufstand gegen ihren Herrn,

ndere erkauften sich mit Geld eine Communal⸗Charte. Es waren Kaͤmpfe der List und der Gewalt zwischen dem Frän⸗ kischen Adel und der Mittel⸗Klasse von Gallischem Stamme. Die Koͤnige traten dann als Vermittler dazwischen, und wer behaupten will, daß sie die großen Befreier der Städte gewesen, hat nur eine Seite der Geschichtsbuͤcher gelesen; aber eben so ungegruͤndet ist es, daß sie die Entwickelung der Communen gewalksam gehindert haͤtten. Sie befolgten viela mehr in dieser Hinsicht gar kein System, und benutzten die

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Befreiung der Städte, um ihre eigene Macht zu vergroͤß ru. Eine Communal⸗Charte war fuͤr eine Stadt eine große Ero⸗ berung, denn sie hob die persoͤnlichen Frohndienste und will⸗ kuͤhrlichen Taxen auf, welche in regelmaͤßige bestimmte Lei⸗ stungen gegen die Herren, und in Kriegsdienste verwandelt wurden. Die Stadt⸗Behoͤrden, deren Wahl den Buͤrgern uͤbergeben wurde, erhielten die Leitung der staͤdtischen Ange⸗ legenheiten, die Polizei⸗Verwaltung und sogar die Gerichts⸗ pflege innerhalb gewisser Graͤnzen.

Dies war der primitive Zustand der Gemeinen; er beruhte, wie wir sehen, auf einer hoͤchst ausgedehnten und freisinnigen Grundlage. Der damalige gesellschaftliche Zu⸗ stand konnte dies ertragen, denn alle Kraͤfte besaßen noch ihre ganze Intensitäͤt, und fuͤhrten einen ungeregelten Kampf mit einander, bis die Koͤnigliche Gewalt siegte, und seitdem die städtische Freiheit zu beschraͤnken strebte. Von der Regie⸗ rung Carl’'s V. an wurden eine Menge von Städten ihrer Communal⸗Charten beraubt; theils berechtigten sie durch Em⸗ poͤrungen den Koͤnig dazu, theils hielten sie, sonderbar genug, selbst darum an. Am meisten zur Unterdruͤckung der Staͤdte that Ludwig XI. In seinen Verordnungen behielt er sich fast immer die Ernennung des Buͤrgermeisters vor, beschraͤnkte die Rechte der Buͤrger bei der Wahl der Communal⸗Beamten, und gab dieser strengere Formen; ferner gestattete er nicht, daß die Buͤrger sich bewaffnet versammelten, oder daß die Sturm⸗ glocke, ohne vorgaängige Erlaubniß des von ihm eingesetzten Buͤrgermeisters gelaͤutet wuͤrde. Zur Entschaͤdigung fuͤr den Verlust ihrer Rechte erhob Ludwig die angesehenen Buͤrger haͤu⸗ fig in den Adelstand, und bewilligte den Staͤdten Wappen. In einer uns naͤheren Epoche nahm das Edict von 1563 den Communen die Entscheidung in Handels⸗Angelegenheiten, welche einem besonderen Gerichtshofe uͤbertragen wurden. Die Ordonnanz von Blois vom Jahre 1579 entzog den Ge⸗ meinen das richterliche Erkenntniß in Criminal⸗Sachen, und allmaͤhlig ging auch die Entscheidung in Criminal⸗Sachen an die eigentlichen Justiz⸗Behörden uͤber. Die Parlamente zeig⸗ ten sich besonders in dieser Zeit als Widersacher der Staädte. Ein im August 1764 erlassenes Ediet gab den Gemeinen zwar das Wahlrecht wieder, das ihnen Ludwig XIV. genommen. hatte; dasselbe wurde aber schon nach sieben Jahren abermals auf

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