1828 / 280 p. 8 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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Scobald die Eltern des Maͤdchens die Nachricht von

8 dem Schluß, der, uͤber die zu zahlende Summe Statt ge⸗

Feeee Verhandlungen, empfangen, werden Anstalten zum

Ueberziehen gemacht; diese Vorbereitungen sind wie gewöhn⸗

lich, von Thraͤnen und Seufzern begleitet. Die Braut, vom

Kopf bis zu den Fuͤßen in ein großes rothseidenes Tuch ge⸗

huͤllt, stellt sich der Thuͤre gegenuͤber; neben ihr stehen in

zwei Reihen Maͤdchen und Frauen. Die Mutter naͤhert sich

ihr, um Abschied zu nehmen; sie umarmt sie, weinet und

eht hinaus; nach ihr erscheint der Vater, einen schoͤnen

Lerrazilschen Guͤrtel in den Haͤnden haltend; sobald er der

Tochter nahe genug gekommen ist, mißt er ihr den Guͤrtel dreimal

an, legt ihn ihr endlich um, kuͤßt ihr die Schulter und entfernt sich.

un ergreift einer der naͤchsten Verwandten die Braut

an der Hand, fuͤhrt sie hinaus und hilft ihr in den Wagen

(Arba genannt), wo sich eine Freundin der Mutter des

Braͤutigams neben ihr setzt; diese Freundin, die bei dieser

Gelegenheit die Benennung Kuda annimmt, findet sich jedes⸗

mal ausdruͤcklich zur Begleitung der Braut ein. Bisweilen

darf letztere noch einige ihrer speciellen Freundinnen oder

weilaͤuftigen Verwandtinnen mit sich nehmen; den naͤchsten Verwandten aber ist es nicht erlaubt, ihr zu folgen.

Der Wagen setzt sich nun in Bewegung, begleitet von Musik und, wenn die Hochzeit in einem entfernten Dorfe vollzogen werden soll, von mehreren Truppen reitender Tar⸗ taren. Waͤhrend der ganzen Fahrt bemuhen sich die jungen Reiter, ausgenäaͤhter Tuͤcher habhaft zu werden, welche die Arbeit einer von den, mit der Braut fahrenden Frauen sind; der, dem es gelingt, ein Tuch zu erhaschen, sprengt in vollem Gallop davon, verfolgt von dem ganzen Haufen, von dem die Gewandtesten sich alle moͤgliche Muͤhe geben, dem Gluͤck⸗ lichen die Beute wieder abzujagen.

Nach erfolgter Ankunft im Hause des Bräutigams, be⸗ eilt sich die alte Freiwerberin, unterstuͤtzt von den andern Frauen, das Zimmer mit den, der Braut gehoͤrigen Sachen auszuputzen; die Braut selbst muß ganz allein hinter den Schirm. Unterdessen begeben sich die beiderseitigen aͤltesten Verwandten und Freunde Mulla, um den Vertrag wegen der Aussteuer gehoͤrig bekraͤftigen zu lassen. Ist das geschehen, so gehen alle in die Moschee, und findet der Fall statt, daß der Braͤutigam einen Hang zum Trunke besitzt, so fordert man ihn feierlich auf, zu schwoͤren, daß er diesem Laster ent⸗ sagen wolle. 3

Nach dem Abendessen bringt die Freiwerberin das Braut⸗ bett in Ordnung, das mitten im Zimmer steht; neben dem⸗ selben stellt sie drei Toͤpfe, von denen der mittelste mit Rog⸗ gen, und die beiden andern mit Gerste angefuͤllt sind; in jedem Topf wird ein großes gelbes Wachslicht gesteckt. So⸗ bald das Bett gemacht ist, rollt sich die Freiwerberin drei⸗ mal uͤber selbiges weg, (von oben nach unten) und wäͤh⸗ rend sie diese als heilig angesehene Ceremonie vollzieht, wer⸗ fen sich alle Umstehende auf die Kniee und beten. Hierauf nimmt die Alte die Braut an der Hand; und stellt sie vor das Bett, wo sie unbeweglich und mit geschlossenen Augen ihrem Nachdenken uͤberlassen bleibt, bis ein Pistolenschuß die Ankunft des Braͤutigams verkuͤndet. In dem Augen⸗ blick wo er sich dem Zimmer nähert, wird er von einem seiner Freunde, der von jetzt an, den Namen Kardasch an⸗ nimmt, hineingestoßen; die Freiwerberin empfängt ihn mit der Frage ob der Teufel mit ihm gekommen sey? Er ant⸗ wortet und Alles geht aus einander.

Vierter Tag.

Man begiebt sich zu der Neuvermäͤhlten, die so wie Tags zuvor unbeweglich und in Gedanken vertieft da steht; es werden ihr kostbare Kleidungsstuͤcke angelegt, unter den Augen schwarze Muschen geklebt, und die Augenbrau⸗ nen schwarz gefaͤrbt; die Stirn hebeckt man mit Blatt⸗ gold. So ausgeschmuͤckt tritt sie von 2 alten Muͤt⸗ terchen unterstuͤtzt hinter ihrem Vorhange hervor. Die Mutter des jungen Ehemannes, mit einem Kochloͤffel in der Hand, naͤhert sich ihr und hebt ihren Schleyer auf. Die junge Frau knieet auf ein dazu bereitetes Kissen nieder. Die Schwiegermutter kuͤßt sie, weint, segnet sie und giebt ihr laut den Wunsch zu erkennen, daß der Sohn sich so gut gegen sie betragen moͤge, als er es bisher gegen seine Mut⸗

111.“ L111ö141515155‧ ter gethan habe Dann nimmt die Freiwerberin oder die Haupt⸗Kuda den Koͤchloͤffel in der einen Hand, an der an⸗ dern die junge Frau, fuͤhrt diese der Reihe nach zu allen Frauen, und empfaͤngt von diesen Geld, das in den Koch⸗ oͤffel gelegt wird, von dem sie jedesmal beim Empfange des Geldes das ihn bedeckende Tuch luͤftet. Ehe die Gaͤste aus⸗ einandergehen, beschenken die Eltern der Neuvermaͤhlten das junge Ehepaar mit ausgenaͤhten Handrüchern oder mit Hem⸗ den. Die jungen Leute erhalten nach Umstanden auch von andern Verwandten, so wie von den Gaͤsten, Geschenke, un⸗ ter denen eine Kuh, ein Pferd u. s. w. schon zu den bedeu⸗ tenderen gehoͤren. Waͤhrend dieses Alles in dem einen Zim⸗ mer vorgeht, ertheilt im naͤchsten Zimmer die Schwiegermut⸗ ter dem jungen Ehemann ihren Seegen, und tanzt mit ihren alten Freunden und Verwandten, wobei sie wiederholentlich einen Gesang anstimmt, der mit den Worten beginnt: „Wir feierten eine Hochzeit, die 40 Tage dauerte, wir toͤdteten 40 Ochsen, 40 Schafe u. s. w.“ Nach Beendigung des Tan⸗ zes entfernen sich die Gaͤste. Die Musik ertoͤnt und Alle be⸗ geben sich zum Pferderennen, das gewoͤhnlich auf einer un⸗ ebenen Strecke Landes von 18 bis 20 Wersten (ungefahr 3 deutschen Meilen) Statt findet. 1

Einige Wochen nach der Hochzeit laden die Eltern der jungen Frau ihren Schwiegersohn und seine Eltern zu sich ein, und schenken bei dieser Gelegenheit der Tochter Laͤnde⸗ reien; und besitzen sie diese nicht, Vieh oder andere noth⸗ wendige Dinge. Die Tartaren, so wie uͤberhanpt die Mu⸗ hamedaner, verlangen in der Regel keine Aussteuer von der Braut; sie tragen alle Kosten der Hochzeit selbst, und ma⸗ chen sich sogar, wie bereits erwaͤhnt, im Fall von Trennung oder Ableben der Frau, zur Zahlung bedeutender Summen verbindlich. .

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Konigliche Schauspiele.

Sonnabend, 18. Oct. Im Schauspielhause: Kenilworth, historisch⸗ romantisches Gemaͤlde in 5 Abtheilungen, nach Walter Scott, fuͤr die Buͤhne bearbeitet von Lembert. 8

Sonntag, 19. Oct. Im Opernhause: Der Hausirer, Oper in 3 Abtheilungen, mit Tanz; Musik von Onslow. (Hr. Cramolini, vom K. K. zu Wien: Alexis, als Gastrolle.) Hierauf, zum Er le wiederholt: Die drei Sclavinnen, Divertissement in 1 Aufzug, vom Koͤnigl. Balletmeister Titus. Die Musik ist von mehreren Compo⸗ nisten.

Im Schauspielhause: Die Schleichhaͤndler, Possenspiel in 4 Abtheilungen von E. Raupach. Vorher: Trau, schau, wem! Lustspiel in 1 Aufzuͤg, von Schall.

Konigsstadtsches Theater. Sonnabend, 18. Oct. Zum Erstenmale: Elise und Clau⸗ dio. Komische Oper in 2 Akten, nach dem Italtaͤnischen. Musik von Mercadante.

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Amtl. Fonds- und Geld-Cours-Zettel. Ereuss.

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1 Gearxnet bei A. W. Hayn. * ES‚e 8 E“

KRedacteur John, Mitredacteur Cottel.

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