1828 / 346 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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wortet heute auf die von uns gemachten Bemerkungen uͤber den gegenwaͤrtigen Zustand der Russischen Armeen. Es wirft uns Un⸗ richtigkeiten und Partheilichkeit vor. Es wird sich zeigen, ob wir diesen Vorwurf verdienen. Es ist ein charakteristischer Zug der oͤffentlichen Meinung, daß sie sich haͤufig ganz nach einer Seite hin wirft; im Anfange des Feldzuges konnte man nicht genug von den Siegen der Russen sprechen; man vergroͤßerte deren Zahl, und stellte sie im glaänzendsten Lichte dar; schon war Konstantinopel von Kaiserlichen Truppen besetzt; was sollte aus dem Europaͤischen Gleichgewicht werden! Frank⸗ reich, England, sollten sie dem Coloß gegenüber ruhig blei⸗ ben, der Alles zu erdruͤcken drohte? Das Journal des. Dé⸗ bats blieb keineswegs zuruͤck mit wundervollen Berichten und politischen Conjuncturen. Wir sahen uns damals gend⸗ thigt, auf die mit einem solchen Unternehmen verbundenen natuͤrlichen Hindernisse aufmerksam zu machen; denn man hatte weder Ruͤcksicht anf Varna, noch auf den Balkan und Silistria genommen; alle diese Schwierigkeiten wa⸗ ren auf den Plaͤnen beseitigt, die man sich in Hinsicht dieses Feldzuges gemacht hatte, und denen zufolge Konstan⸗ tinopel wie im Fluge genommen werden sollte. Seit zwei Monaten hat sich Alles in den Tagesblattern geandert. Die unzaͤhlbaren Russischen Armeen sind wie verschwunden; die Tuͤrken benutzen ihre errungenen Vortheile und werden sie benutzen, nicht nur auf dem rechten, sondern sogar auf dem linken Donau⸗Ufer. Man wird sich genoͤthigt sehen, Festungen und Fuͤrstenthuͤmer zu raͤumen; die Tuͤrken gehen am Ende vielleicht noch uͤber den Pruth? Sogar das Russische Ge⸗ biet ist nicht außer Gefahr. Dieser Riesenstaat ist wie weggewischt von der Landkarte; er gilt nichts mehr im Gleich⸗ gewicht von Europa. Wir sind nicht so leichtgläubig ge⸗ wesen; wir haben in beiden Epochen die respectiven Kraͤfte beider Staaten genau mit einander verglichen, und darum klagt uns das Journal des Débats der Partheilichkeit an, obwohl unsere Politik bis jetzt nur in der Untersuchung und in der vorurtheilsfreien Kritik der Thatsachen bestanden hat. Nach dieser offenen Erklärung schreiten wir zu der langen Reihe der militairischen Bemerkungen unseres Gegners. Varna, sagt er, wird unterliegen, wenn die Russische Armee an der Donau keinen Bruͤckenkopf hat, und folglich kein be⸗ deutendes Corps zur Unterstuͤtzung dieser Festung senden kann. Der Verfasser dieses Aufsatzes hat also vergessen, daß die Russen, von Silistria an bis zum Meere, vier wichtige Fe⸗ stungen besitzen: näͤmlich Hirsowa, Matschin, Ssatrscht und Tultscha; die Russen koͤnnen folglich auf allen

diesen Punkten uüͤber die Donau gehen. Jeder Platz hat mehr als 100 Stuͤck Geschuͤtz und kann nur in Folge einer foͤrmlichen Belagerung erobert werden. Von diesen

4 festen Punkten aus kann man die Verbindungen unter⸗ halten, und Varna kraͤftig unterstuͤtzen. Wir besitzen nicht das Talent, in die Zukunft zu sehen, und maaßen es uns nicht an, die Ereignisse vorherzusagen, welche die Russische Armee bedrohen köͤnnen; es scheint uns inbessen, daß tapfere Truppen hinter Mauern, die man Zeit gehabt hat, zu befesti⸗ gen, Truppen, die zu Wasser mit Lebensmitteln versehen wer⸗ den koͤnnen, im Stande seyn duͤrften, auch muthigen Fein⸗ den einigen Widerstand zu leisten. Der Winter koͤnnte so⸗ ar die föͤrmliche Belagerung Varna's schwierig machen. ir wuͤnschen den Frieden eben so sehr als der Verfasser jenes Aufsatzes; es heißt aber nicht, die Moͤglichkeit desselben weit hinausschieben, wenn man in der Erwägung der That⸗ sachen und der Kriegs⸗Begebenheiten das rechte Maaß haͤlt.“ Der Messager des Chambres enthält auch noch fol⸗ genden Artikel: „Die beiden Zeitungen, welche sich zu Ver⸗ theidigern der Monarchie aufwerfen, um desto freier die Be⸗ amten der Regierung angreifen zu können, bedienen sich in reichem Maaße und bis zur Ungebuͤhr des Privilegiums ihres angeblichen Royalismus. Unter dem Vorwande, daß die Revolution je mehr und mehr uͤberhand nehme und die Preßfreiheit das Land verderbe, fallen jene beiden Blaͤtter unablässiig und mit verdoppelten Schlaͤgen uͤber die Behoͤrde und deren Handlungen, namentlich aber uͤber die Personen her. Die Auotidienne achtet sich indessen in ihren Schmäͤhreden doch noch mehr als die Gazette de 2 weil sie immer, wenn auch absolute, doch unabhän⸗ * * verfochten hat, waäͤhrend ihre Rivalin fruͤ⸗ se von einem andern Interesse als dem des Ehrgeizes, .. 8 andern als dem der Rache, geleitet wird. übri unde genommen diese beiden Blaͤtrer, die sich rigens gegenseitig von Herzen hassen, allein unwillig macht ist die verfassungsmäaͤßige Reglerung, der sie den sch ig 2. amen der Revolurson gebeane⸗IDer sie den scheinheiligen emmmiß der Komödie, die sie spiaen. Ba u⸗ s69 he Se⸗ 8 lassungsmaͤßige Regierung das freie Zngeständntß des König⸗

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thums und von demselben beschworen worden ist, so kann nan nicht fuͤglich an dieses Hand anlegen; man greift sonach ale die Maͤnner an, denen jene Regierung zusagt, namentlich die⸗ jenigen, die durch die Wahl und unter dem großmuͤthigen Schutze des Monarchen mit der Leitung derselben beauftragt sind. Das jetzige Ministerium erfaͤhrt sonach den ganzen Haß, den die Verfechter des vorigen Systems gegen die neuen Formen der Monarchie hegen. Nachdem aber einmal die Regierung nach der Charte von gewissen Schriftstellern in eine hand⸗ greifliche Revolution und unausbleibliche Anarchie verwandelt worden ist, erklaͤrt sich die Opposition der Quotidienne und der Gazette von selbst; die Galle, die sie gegen die Depo⸗ sitarien der Koͤnigl. Macht auslassen, ist nichts, als ein Rest von Widerwillen, den einige Generationen noch gegen Alles hegen, was nicht absolute Gewalt heißt. Die Quotidienne tadelt das Ministerium, daß es nicht stark genug sey, um sich einer angeblichen Revolution zu widersetzen; sie findet sonach an der Verwaltung nur Schwaͤche und Furchesaeif auszusetzen. Die Gazette dagegen faͤllt uͤber die Minister her, als ob sie Verschwoͤrer waͤren und mit den Revolutions⸗ maͤnnern gemeinschaftliche Sache machten. Das eine Blatt ist wenigstens offen genug, um an die guten Absichten der Minister zu glauben, wenn gleich der Charakter derselben es nicht befriedigt; das andere aber verschmäht es nicht, der Wahrheit zum Trotze, dieselben zu verlaͤumden und zu ver⸗ daͤchtigen, bloß weil sie jetzt die Stelle inne haben, von der seine Freunde entfernt worden sind. Hieraus entspringt gleichwohl in beiden Blaͤttern, obschon in einem verschiedenen Style, eine und dieselbe Abneigung gegen das monarchisch⸗

constitutionnelle System, und ein persoͤnlicher Krieg mit Denen, die dasselbe ersonnen haben und die, in dem Inter⸗

esse des Thrones, das gesteckte Ziel mit Maͤßigung, aber unabweichlich verfolgen. Koͤnnen aber Publicisten, die von der Muster⸗Regierung Spaniens und Dom Miguel’s eingenommen sind, von irgend einem Gewichte seyn, wenn sie uͤber eine Ver⸗ waltung nach der Charte und uͤber ein Ministerium urtheilen, de⸗ ren politische Religion die Monarchie ist, wie ansere Bourbons sie wieder hergestellt haben. Wo unvereinbare Grundsätze sich so grell wie hier gegenuͤberstehen, da muß es bald zu Schmäh⸗ reden kommen, und es ist daher ganz einfach, daß die Ga⸗ zette keine andere Sprache mehr fuͤhrt. Jeder vernuüͤnftige Mensch wird aber die Ursache des Streites leicht erkennen, und die Augen von einer Politik abwenden, die sich die Po⸗ pularitaͤt der Opposition durch einen gehäͤssigen Charakter zu erwerben waͤhnt. Eine Opposition kann nur dann zu Ansehen kommen, wenn sie sich auf vernuͤnftige Grundsätze stuͤtzt. Da dies nun bei unseren beiden absoluten Zeitungen nicht der Fall ist, so ist auch Alles, was sie sagen, so gut als nichts; sie sind Stimmen ohne Wiederhall; Zeugen, die man verlaͤugnet, Richter, die man verwirft.“

Das Journaldes Débats meldet jetzt, daß die Verord⸗ nungen vom 16. Juni in drei Dioͤcesen zur Ausfuͤhrung ge⸗ kommen waͤren, deren Oberhaͤupter ihren Beitritt zu denselben bisher am hartnaͤckigsten verweigert haͤtten, naäͤmlich in Tou⸗ louse, Lyon und Clermont. „So haben sich denn,“ fuüͤgt jenes Blatt hinzu, „drei Prälaten, die bisher noch im Ruͤck⸗ stande waren, endlich eines Bessern besonnen und sind durch ein richtigeres Gefuͤhl ihrer Wuͤrde zu einem ehrenvollen Ge⸗ horsame zuruͤckgekehrt; wir wuͤnschen dazu sowohl ihnen, als der Religion Gluͤck, deren Name so unbedachtsamer Weise mit politischen Angelegenheiten vermengt worden war. Besser wäͤre es freilich gewesen wenn jene Herren gleich zu Anfang gutwillig nachgegeben haͤtten; es ist indessen immer noch Zeit genug, auf dem Wege der gesunden Vernunft zuruͤckzukehren, und das Unrecht, welches man wieder gut macht, ist schnell vergessen. Sonach hat die oͤffentliche Meinung, die sich *8 gen die Bischoͤfe ——— so ehrfurchtsvoll, aber zuglelch so fest in der Au verdrießlichen Prozeß beendigt, und dieser hat mindestens das Gute gehabt, daß er der Geistlichkeit gezeigt, was Frankreich als Lohn fuͤr seine Achtung und die glänzende Existenz er⸗ warte, die es seinen Prälaten zusichert. Der Kampf, der mit Protestationen begonnen hat und durch einen weisen Ge⸗ horsam 8 worden ist, hat jede Macht wieder in ihre natuͤrliche Gränzen zuruͤckgewiesen; und die Entwickelung, wenn gleich langsam, ist nichts desto weniger ein sicheres Pfand, daß der Gang der Regierung kuͤnftig nicht wieder durch ähnliche Hindernisse gehemmt werden wird.“ .

Es besteht seit einiger Zeit ein ziemlich lebhafter Feder⸗ krieg zwischen den Belgischen und den hiesigen Zeittungen üͤber die Vorzüge ihrer beiderseitigen Regierung. Der Con⸗ stitutionnel giebt folgendes Mittel an, um zu beenden. „Man gebe“, saat er, „den Niederlanden, was Frankreich jängst erhalten, nämlich die Jury, die Unabsetz⸗

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echthaltung ihrer Rechte bewiesen, jenen

um denselben schnell

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