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letztern Fall eine Staatsſchuld, niemals aber ein Deficit; mit demſelben Rechte koͤnnte man ſonſt auch Frankreichs beſtändige Schuld der 4000 Millionen ein Deſicit nennen; und man muͤßte daher annehmen, daß der Finanz⸗Miniſter eine beſondere Abſicht (die Verunglimpfung des vorigen Miniſteriums) gehabt hatte, um einem Dinge einen Namen zu geben, der ihm in keiner Art gebuͤhrte. Der Graf Roy wird gegen die Beſchuldigungen der Gazette de France in einem Artikel vertheidigt, den man gleichlautend im geſtri⸗ gen Stuͤcke des Moniteurs, in der Quotidienne und in einem miniſteriellen Abend⸗Blatte (dem Meſſager des Chambres) lieſt, und worin es unter andern heitzt: „Denjenigen, welche die Rede des Finanz⸗Miniſters gehoͤrt oder geleſen haben, wird ohne Zweifel die Sorgfalt nicht entgangen ſein, womit derſelbe jede Betrachtung, ja ſelbſt jeden Ausdruck, welcher die vorige Verwaltung haͤtte verletzen koͤnnen, vermieden at. Es war jedenfalls ſeine Pflicht, auf die materielle age des Schatzes am 1. Januar 1829 hinzuweiſen, und er hat ſolches 2 Ruͤckſicht auf eine der fruͤhern Verwal⸗ tungen gethan. Die Gazette beſchuldigt ohne allen Grund das jetzige Miniſterium, daß es ſich die Entdeckung eines Deficits von 200 Millionen, dihe es ſeinen Vorgaͤngern zur Laſt lege, beimeſſe. Der Graf Roy hat ſich blos darauf be⸗ ſchraͤnkt eine einfache Darſtellung der Laſten, wodurch die

iegende Schuld entſtanden iſt, zu machen, und die Gazette bis⸗ daher vielleicht beſſer gethan, ſich in eine ſolche Eroͤr⸗ terung mit dieſem Miniſter nicht einzulaſſen, da es dieſem nie eingefallen iſt, eine Vergleichung zwiſchen der vor⸗ theilhaften Lage des Schatzes zu der Zeit, wo er im Jahre 1822 die Finanz⸗Verwaltung abgab und dem gegenwaͤrtigen Zuſtande deſſelben, aufzuſtellen

Das Journal des Débats enthaͤlt einen intereſſanten Aufſatz uͤber die Ruſſiſch⸗Tuͤrkiſche Angelegenheit, woraus wir morgen einige Auszuͤge liefern werden.

Nach der General⸗Ueberſicht, die der geſtrige Moniteur von den milden Gaben giebt, welche zur Unterſtuͤtzung der im Jahre 1825 abgebrannten Einwohner von Salins einge⸗ gangen ſind, belaͤuft ſich die Geſammtſumme derſelben auf 1,191,442 Franken.

Aus Marſeille meldet man unterm 8. Maͤrz, daß vom 12ten an, fremdes Getrelde daſelbſt zugelaſſen werden wird, da die in den dortigen Magazinen befindlichen Vorraͤthe nur etwa 120,000 Hectoliters betragen.

Im Hafen zu Cadir befinden ſich etwa 29 Franzoͤſiſche Fahrzeuge mit inländiſchem Getreide, die indeſſen aus Man⸗ gel an Geleit⸗Schiffen nicht auslaufen koͤnnen.

Großbritanien und Irland.

London, 14. Marz. Der Standard glaubt bei dem jetzigen Stande der politiſchen Angelegenhelten viel Anlaß zur Sorge und Beunruhigung zu finden. Er ſagt in ſeinem geſtrigen Blatte: „Wir fuͤrchten, daß die Wuͤrfel unaganderlich liegen. E keigen Krieg. Ob gegen, ob für die Turkei, das iſt eine besr. welchelediglich die Abſichten der Ruſſiſchen Regleru 88

ntſcheidung bringen werden. Die Depeſchen, waiche 8 rſt Lieven erhalten hat, laſſen wenig Hoffnung zur Beibehaltung des Friedens uͤbrig. Es iſt klar, daß der Kaiſer Nicolaus den Vortheil wohl einſteht, den er durch die Schwaͤche un⸗ ſers vorigen Miniſteriums, welche ihm zuerſt die Rolle zeigte, die ihm in der Triple⸗Allianz zuſtand, erlangt hat. Wie un⸗ ſere Regierung ſich benehmen wird, iſt nicht ſchwer zu erra⸗ then. Zuerſt wird man Vorſtellungen verſuchen; fruchten ſie aber nicht, ſo ſind wir uͤberzeugt, daß der Herzog von Wel⸗ lington Mittel finden wird, um, entweder die Tuͤrkei mit Britiſchen Werkzeugen zu noͤthigen, den richtigen Weg ein⸗ zuſchlagen, oder unter allen Umſtaͤnden Europa vor der Aus⸗ dehnung der Ruſſiſchen Macht bis zum Mittellaͤndiſchen Meere zu ſchuͤtzen.“ In einem andern Artikel des geſtrigen Blattes heißt es: „Der iſt in Europa ausgebrochen. Frankreichs Truppen ſind bereits in Bewegung. Daß wir geduldig geſtatten ſollten, daß Konſtantinopel in Rußlands Händen gerathe und dieſe Macht zugleich das rze, das deege ſche und Mittelländiſche Meer, mit ihnen olk von Seeleuten und eine ganz zur Ausbildung von oſen geeignete Kuͤſtenſtrecke gewinnen, mit einem Worte, daß wir dieſem Rieſen auf dem Lande noch einen Weg offen laſ⸗ ſen ſollten, auch zur Dee ein Rieſe zu werden, iſt unmoͤglich.“ Das heutige Blatt vom Standard enthält folgende ruhi⸗ dene⸗ wiewohl eben ſo einſeitige Betrachtungen über denſel⸗ en Gegenſtand: „Man wird ſich erinnern, daß der Lon⸗ doner Vertrag die paciſcirenden Partheien verbindet, „„ge⸗ meinſam zu handeln,““ um die Herſtellung des Frie⸗ dens zwiſchen der Pforte und den empöͤrten her⸗ beizuführen. Dieſer Vertrag fuͤhrte das Geſecht von Na⸗

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varin herbei, wovon wir reden, wenn wir es „„wi⸗ derwaͤrtig““ nennen. Auf dieſes Gefecht folgte das ſoge⸗ nannte „„Tuͤrkiſche Manifeſt,““ welches wir lieber „„Tür⸗ kiſche Proclamation“”““ nennen moͤchten, und welches eine Ukaſe aus St. Petersburg mit der Entſchließung des Ruſ⸗ ſiſchen Kaiſers nach ſich gezogen hat: ſeine Truppen, ohne auf die Mitwirkung Frankreichs und Englands zu warten, in die Türkiſchen Provinzen einruͤcken zu laſſen. Dle Gruͤnde, welche Ruſſiſcher Seits fuͤr das ploͤtzliche Beginnen der Feind⸗ ſeligkeiten angefuͤhrt worden, ſind: 1) die ichterfuͤllung des Vertrags von Akerman von Seiten der Tuͤrkei; 2) die Ein⸗ wirkung der Pforte, um Perſien zum Kriege aufzureizen; und 89 das Tuͤrkiſche Manifeſt, oder die Proclamation.⸗ Born dieſer als Separat⸗Gruͤnde zum Kriege angefuͤhrten eſchwerden werden durch die Beſtimmungen des Londoner Vertrages, welcher Rußland verpflichtet, mit ſeinen Verbuͤn⸗ ten gemeinſam zu handeln, entkräftet. Der Vertrag von Akerman hat ein viel aͤlteres Datum, als der Londoner (, und auch der Perſiſche Krieg war lange vor Abſchließung des letztern ausgebrochen. Es waͤre demnach eine ſtarke Zumuthung, wenn Rußland unbedingten Glauben fuͤr die Verſicherung verlangen ſollte, daß es abſichtslos dieſe Beſchwerdegruͤnde in Reſerve gehalten habe, während es auf der andern Seite als Friedensvermittler in Gemeinſchaft mit ſeinen Verbün⸗ deten handelte. Der dritte Klagegrund iſt die Türkiſche Proclamation. Unſeres Erachtens wuͤrde dieſelbe, wenn ſie auch in der feierlichſten Art an das Türkiſche Volk gerichtet worden waͤre, nach den Grundſäͤtzen des Voͤlkerrechts die Feindſeligkeiten nicht rechtfertigen. Wenn Mittheilungen zwiſchen einem Souverain und ſeinen Unterthanen, ſolchem Verfahren als rechtliche Veranlaſſung dienen koͤnnte, ſo waͤre es Ae zu ſagen, was denn eigentlich National⸗Unabhaͤn⸗ gigkeit ſei. Im vorliegenden Falle aber erfahren wir aus dem Oeſterreichiſchen Beobachter, daß die Proclamation nicht foͤrmlich bekannt gemacht, nicht gedruckt, nicht in den Mo⸗ ſcheen verleſen, ja nicht einmal in gleichmaͤßiger Form in Umlauf geſetzt wurde. Dieſe Proclamation iſt alſo nur ein Vorwand; und wir finden davon einen neuen Bewels in der, wie man ſagt, von der Ruſſiſchen Regierung abgegebe⸗ nen Erklärung, daß ſie, wiewohl ſie es fuͤr noͤthig halte die Erfuͤllung des Vertrages von Akerman durch die Waffen zu erzwingen, und die Pforte fuͤr ihren Antheit am ſchen Kriege zu ſtrafen, denndch den Wunſch noch immer hege, die Griechiſchen Angelegenheiten friedlich zu Fesaliran. Dies heißt mit andern Worten: Rußland wird ſich fuͤr die⸗ ſen Fall in zwei Maͤchte theilen, deren eine Krieg führen die andere Frieden ſtiften wird. Wie weit dieſes Doppel⸗ weſen fuͤhren koͤnnte, iſt nicht abzuſehen. Wird aber Eng⸗ land, wird Oeſterreich, welches dabei eben ſo ſehr betheiligt iſt, zugeben, daß die ſchon uͤbergroße Macht Rußlands noch mehr wachſe? Wir beſorgen nicht, daß der eine oder der andere dieſer Staaten ſich eines ſolchen Mißgriffs ſchul⸗ dig mache. Selbſt wenn Frankreich ſich mit den maͤchtigſten Derer verbinden ſollte, weiche in dem Haſſe gegen England wetteifern, ſo wuͤrde Oeſterreich ſeine alte Ehre und Curo⸗ pa's Unabhangigkeit und England ſeine Oberherrſchaft zur See zu erhalten wiſſen.“

Wäͤhrend der Standard ſich in vorſtehender Weiſe Uund der Courier in der bereits (im geſtrigen Blatte) er⸗ waͤhnten Art aͤußern, ſpricht die Morning⸗Chronicle ſich uͤber denſelben Gegenſtand folgendermaßen aus: Die An⸗ gelegenheiten im Oſten ſcheinen mit ſchnellen Schrieten einer Triſe entgegen zu gehen. Frankreich, Rußland und Eng⸗ land haben ſich durch den Londomer Tractat verbunden, den Feindſeligkeiten zwiſchen den Türken und Griechen ein Ende u machen. Die döel verbuͤndeten Maͤchte waren durch die⸗ 2₰ Tractat verpflichtet, gemeinſam zu handeln, die Feindſe⸗ ligkeiten, welche durch verſuchte Ausfuͤhrung deſſelben her⸗ vorgerufen werden moͤchten, als gegen Alle gerichtet in Be⸗ tracht zu ziehen, und in Bekaͤmpfung ſolcher Feindſeligkeiten, egen welche Macht ſie auch gerichtet ſein moͤchten, gemeinſame 82. zu machen. Daraus aber, daß Rußland mit zwei andern Maͤchten uͤbereingekommen, die Tuͤrken und Griechen zu einer Ausgleichung ihrer Angelegenheiten zu zwingen, folgt keinesweges, daß Rußland nicht eine beſondere Urſache des Zwiſts mit der Tuͤrkel haben ſollte, deſſen A es aus Ruͤckſicht auf ſeine Ehre, weder ganz noch theilweiſe Anderen uͤbertragen kann, und worin zu miſchen ſich Andere auch nicht verpflichtet fuͤhlen moͤchten. Und dies iſt unſers Dafuͤrhaltens der jetzige Fall. Rußland hat, her dem Verhaältniß in welchem es gegen die Türkel ſch der Feindſeligkeiten Füchen den Türken und Grie t, ſich auch uͤber den Bruch des Tractats von Akerman Seitens der Erſteren zu beklagen.

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