v. Montbel verlangte, daß die Verſammlung die erſte Pro⸗ poſition nicht weiter beruͤckſichtige, waͤhrend Herr Duples⸗ ſis de Grénédan von der zweiten Kenntniß nehmen wollte. Dieſem widerſetzte ſich aber der Praͤſident, und erklaͤrte, daß wenn ein Theil der Verſammlung gegen die Zuruͤcknahme der erſten Propoſition proteſtire, von der zweiten nicht wei⸗ ter die Rede ſeyn koͤnne. fortgeſetzt. Der Marquis v. Cambon glaubte, daß die Ver⸗ ſammlung uͤber die Propoſition gar nicht berathſchlagen duͤrfe, da dieſelbe offenbar eine Beleidigung gegen den Koͤnig ent⸗ halte. Dieſer Anſicht ſtimmte der See⸗Miniſter bei; es koͤnne, meinte er, Niemandem von der Verſammlung in den Sinn kommen den Monarchen und die geſammte Nation zu verunglimpfen; da uͤberdies Hr. Labbey de Pompieères ſeinen
Vorſchlag zuruͤckgenommen habe, ſo koͤnne die Discuſſion
nicht fortgeſetzt werden, es ſei denn, daß irgend ein Depu⸗ tirter die Propoſition wieder aufnehme; haͤtte Einer Muth genug dazu, ſo moͤchte er die Rednerbuͤhne beſteigen; wo nicht, ſo waͤre der Vorſchlag beſeitigt. Der Marquis von Chauvelin meinte, daß man es auf die Mehrheit der Stimmen ankommen laſſen muͤſſe. „Gut,“ erwiderte der Vicomte Du Tertre, „das Gefuͤhl, welches den groͤßten Theil dieſer Verſammlung beſeelt, iſt das der Entruͤſtung!“ Dieſe Aeußerung erregte laute Mißbilligung zur linken Seite. Herr Du Tertre verlangte, gleich Herrn Ravez, daß der Vorſchlag des Herrn Labbey de Pompieres getheilt werde. Mehrere Deputirte wollten ſich zugleich vernehmen laſſen, konn⸗ ten aber nicht zu Worte kommen. Endlich gelang es Hrn. Dupin dem Aeltern ſich Gehoͤr zu verſchaffen. Er erinnerte vor Allem daran, daß man ſich Anfangs vorgenommen gehabt habe, mit der groͤßten Ruhe und Maͤßigung und ohne alle Leidenſchaft zu verfahren, wogegen man jetzt in eine Hitze gerathen ſei, daß Niemand ſein eigenes Wort verſtehen koͤnne. Der Redner widerſetzte ſich hierauf der verlangten Theilung und meinte, daß einige unuͤberlegte Aeußerungen in der Sache ſelbſt nichts aͤnderten; niemand ohne Zweifel, fuͤgte er hinzu, werde es ſich beikommen laſſen, den ehrwuͤr⸗ digen Alten, von dem die Propoſition herruͤhre, zu verdaͤch⸗ tigen, daß er ſich jener Ausdruͤcke abſichtlich bedient habe, auch habe der Verfaſſer ja das Unangemeſſene in ſeiner er⸗ ſten Propoſition ſelbſt zugegeben, und dieſe daher zuruͤckge⸗ nommen; es komme mithin jetzt nur noch darauf an, ob man die vorigen Miniſter in Anklagſtand verſetzen oder, ob man, wegen eines bloßen Mangels in der Form, die Sache ſelbſt aufgeben wolle. Hr. Ravez gab zu, daß Hr. Labbey de Pompidres ſich vielleicht ſchlecht ausgedruͤckt habe; nimmermehr aber koͤnne man behaupten, daß er ſolches aus Unuͤberlegtheit gethan, indem er, nach ſeiner eigenen Erklaͤ⸗ rung, uͤber ſeine Propoſition drei Monate lang nachgedacht habe. Hr. Mauguin glaubte, daß von dieſer Propoſition gar nicht mehr die Rede ſein koͤnne, da der Verfaſſer ſie zuruͤckgenommen habe. Hr. Labbey de Pompisres erklaͤrte hierauf nochmals, daß es nicht ſeine Abſicht geweſen ſei, von einer geſchehenen Thatſache, ſondern von einem bloßen Verſuche zu ſprechen, und daß er danach ſeinen erſten Antrag modificirt habe. Nach vielem Hin⸗ und Herreden wurde endlich der Schluß der Discuſſion verlangt u. ausgeſprochen. Die von dem Marquis v. Cambon in Antrag gebrachte vorlaͤufige Frage (wonach uͤber den verhandelten Gegenſtand keine weitere Discuſſion Statt finden darf) wurde faſt einſtimmig angenommen. Dem⸗ naͤchſt beſchloß die Verſammlung, zur Pruͤfung der neuen Propoſition des Hrn. Labbey de Pompieres, ſich ſofort in die Buͤreaus zuruͤckzuziehen und die oͤffentliche Sitzung dem⸗ naͤchſt unmittelbar fortzuſetzen. Dies geſchah, und als die Sitzung um 5 ½ Uhr wieder eroͤffnet wurde, verlas Hr. Lab⸗ bey de Pompisres ſeine neue Propoſition in folgender Abfaſſung:
„Die Deputirten⸗Kammer beſchuldigt die Herren Mitglieder des vorigen Miniſte⸗ riums des Verrathes und der Erpreſſung.“ Dieſe Faſſung wurde endlich gebilligt, und die Kammer entſchied danach mit großer Stimmen⸗Mehrheit, die ſich aus der ganzen linken Seite, dem linken Centrum, faſt dem gan⸗ zen rechten Centrum und dem groͤßeren Theile der rechten Seite bildete, daß die Propoſition in Erwaͤgung ge⸗ zogen werden ſolle. Dieſelbe wurde ſonach den Buͤ⸗ reaus uͤberwieſen, damit dieſe eine Commiſſion zu deren Pruͤfung ernenne.
St. Cloud, 15. Juni. Heute Morgen ſchloß der Koͤ⸗ nig in Begleitung der Koͤniglichen Prinzen ſich der Pro⸗ zeſſion zur Feier des Frohnleichnams ⸗Feſtes an, und kehrte um 9 Uhr nach dem Schloſſe zuruͤck. Gegen Mittag hat⸗ ten der Kanzler und das Bureau der Pairs⸗Kammer die Ehre Sr. Maj. den, nunmehr auch von dieſer Kammer an⸗
“ 85 55 öL““
Die Berathung wurde ſonach
Geduld der Wahl⸗Kammer und des geſammten Frankreichs,“
Reiner Pflicht nie zuruͤckweichen werden.“ Die liberalen Blaͤtter
genommenen Geſetz⸗Entwurf, in Betreff der Anleihe der 80 Millionen Renten, vorzulegen.
Paris, 17. Juni. Das Bezirks⸗Wahl⸗Collegium zu
Clermont (Departement des Puy de Döme) hat an die Stelle des ausgeſchiedenen Abbés von Pradt den libera, len Candidaten, General Simmer, und das Departements⸗ Wahl⸗Collegium zu Limoges (Dept. der obern Vienneh), mit einer Mehrheit von einer einzigen Stimme, denſelben
Herrn Mousnier⸗Buiſſon zum Deputirten gewaͤhlt, welcher, da man ihn beſchuldigt hatte, daß ſeine Wahl unregelmaͤßig geweſen ſei, freiwillig aus der Kammer ausgeſchieden war. Die Kammer waͤre nunmehr, bis auf die Wieder⸗Beſetzung der durch den Tod des Grafen von Bryas (Deputirten des Pas de Calais) erledigten Stelle, vollzählig, wenn nicht vor ei⸗ nigen Tagen der Rath am hieſigen Koͤnigl. Gerichtshofe, Hr. Agier, Deputirter des Departements beider Sevres, mit Tode abgegangen waͤre. 38 Die Gazette de France enthaͤlt einen langen Aufſatz, worin ſie zuvoͤrderſt dem Hrn. Labbey de Pompieères, dafuͤr daß er den vorigen Miniſtern eine Gelegenheit dar⸗ geboten hat, ſich endlich rechtfertigen zu koͤnnen, ihren Dank bringt, und demnaͤchſt deſſen Rede bei Entwickelung ſeiner Propoſition, Punkt fuͤr Punkt zu widerlegen ſich bemuͤht. Einen Umſtand hebt ſie mit Recht hervor, naͤmlich den, daß Herr Labbey de Pompidères in ſeiner Rede dem Grafen von Villeèle keine einzige geſetzwidrige Erhebung von Auflagen oder Steuern nachweiſet, und daß mithin die Beſchuldigung der Erpreſſung von ſelbſt wegfaͤllt. Die Wi⸗ derlegung der zweiten Beſchuldigung aber, daß jener Mini⸗ ſter ſich Eingriffe in die Landes⸗Verfaſſung und die Rechte der Buͤrger erlaubt habe, iſt nur ſchwach und contraſtirt ſeltſam mit dem Bilde, welches der Conſtitutionnel in dieſer Beziehung mit grellen Farben von der vorigen Verwaltung und deren noch fortdauerndem Einfluſſe entwirft. „Die
ſagt dieſes Blatt, „war erſchoͤpft; es waͤre Schwaͤche gewe⸗ ſen, wenn man mit der Anklage⸗Acte noch laͤnger haͤtte zoͤ’- gern wollen. Die Propoſition des Herrn Labbey de Pom⸗ pieres iſt in Erwaͤgung gezogen worden und ein großer Pro⸗-⸗ zeß wird hoffentlich die Folge davon ſein. Frankreich wird endlich erfahren, daß ſeine Deputirte den ihnen anvertrauten Geſchaͤften gewachſen ſind, und daß, wenn ſie der oͤffentlichen Ruhe einige Opfer bringen koͤnnen, ſie doch vor der Erfuͤllung
geben uͤbrigens zu verſtehen, daß Hr. Labbey de Pompières jetzt vielleicht mit ſeinem Vorſchlage nicht mehr hervorgetreten waͤre, wenn die vorigen Miniſter, ſtatt ſich fuͤr die Maͤßigung dankbar zu bezeigen, womit man ihre Verwaltung der Ver⸗ geſſenheit uͤbergeben wollte, nicht in neuerer Zeit abermals das Haupt erhoben haͤtten, und, hinter den Jeſuitismus verſchanzt, das Land neuen Gefahren auszuſetzen drohten. — Das Journal des Débats wundert ſich, daß man mit der Anklage ſo lange gewartet habe und erklaͤrt ſich die Sache dadurch, daß in Frankreich die Erinnerung an empfangene Beleidigungen uͤberhaupt nur von kurzer Dauer ſei und daß man dem Abbittenden leicht vergebe. „Hierzu kam,“ faͤhrt dieſes Blatt fort, „daß Hr. v. Villdele ſich zuruͤckzog, und daßs man ihn daher fuͤr die dem Lande zugefuͤgten Uebel durch den Verluſt ſeiner Macht hinlaͤnglich beſtraft glaubte. Auch 9 fand man es ſo ſchoͤn, endlich einmal wieder frei athmen, ſprechen und ſchreiben zu koͤnnen, daß man uͤber den errun⸗ 8 genen Sieg den Beſiegten vergaß. Frankreich iſt das Land des Zartgefuͤhls und der Schicklichkeit: ihnen bringt man manchen gerechten Groll zum Opfer. Im Uebrigen, ſo war die feierliche Anklage eines Miniſteriums in unſerer conſtitu- tionnellen Monarchie etwas Neues; man wußte nicht, welche Formen man befolgen, auf welche Strafe man antragen ſollte. Gluͤcklicherweiſe haben die vorigen Miniſter den Knoten ſelbſt zerhauen. Was ſie fruͤher nur unter der Hand zu verſtehen gaben, verkuͤndigen ſie jetzt laut. Es giebt nicht eine von unſern Freiheiten, die ſie ſeit den letzten zwet Monaten nicht geſchmaͤht und bedroht haͤtten; ſie rufen da⸗ bei noch den politiſchen Haß, den Religions⸗Fanatismus und den Buͤrgerkrieg laut zu ihrer Huͤlfe. Wie kann man an den Abſichten des Hrn. v. Villèle noch zweifeln, wenn er ſich ſelbſt dazu bekennt? Sein eigenes Zeugniß wird den bevorſtehenden furchtbaren Prozeß eroͤffnen; er ſelbſt hat ſich in Anklage verſetzt; umſonſt wollte man uͤber ſo viel Un⸗ gerechtigkeiten und Gewaltthaͤtigkeiten die Augen zudruͤcken; man mußte den Urheber derſelben dafuͤr beſtrafen, weil er ſich 8 ſelbſt damit bruͤſtete.“ 8. Der Courrier⸗frangais glaubt, daß die laͤngſt erwartete Verordnung in Betreff der kleinen Seminarien, wo nicht ganz aufgegeben, doch auf unbeſtimmte Zeit ausgeſetzt wor⸗