b4 Iranerdzsz. ] Deputirten⸗Kammer. In der Sitzung vom 16. Juli begannen die Berathungen uͤber das Budget des Handels⸗Minſſteriums. Der Graf von St. Cricga beſtieg vorweg zur Vertheidigung deſſelben die Rednerbuͤhne. „Ar⸗ beit und Production“, ſo aͤußerte ſich derſelbe, „dieſe vor⸗ nehmſten Quellen des Volks⸗Reichthums haben ſich, Dank der Reſtauration, dem Frieden, der Verfaſſung, dem Staats⸗ Credite, ſo wie der Thäͤtigkeit und dem Erfindungsgeiſte der Nation, weſentlich entwickelt, und hieraus muß man minde⸗ ſtens ſchließen, daß unſere Geſetzgebung ihnen nicht hinder⸗ lich geweſen iſt. Nichtsdeſtoweniger ſind von gewiſſen Klaſ⸗ ſen von Producenten lebhafte Klagen uͤber unſere Zoll⸗Tarifs erhoben worden. Wir wollen daher unterſuchen, in wie fern die Schuld an dieſen Tarifs ſelbſt liegt, denn es kann ſehr wohl geſchehen, ja es geſchieht ſogar in der Regel, daß waͤh⸗ rend ein Tarif das Intereſſe des Einen foͤrdert, er dem In⸗ tereſſe des Andern ſchadet; der beſte Tarif wuͤrde ohne Zwei⸗ fel der ſeyn, welcher allen gleich guͤnſtig wäre, aber ich fuͤrchte ſehr, daß ein ſolches Problem noch lange unaufloͤs⸗ lich bleiben wird. Niemand beklagt ſich, daß er an dem Pro⸗ duciren gehindert werde, und dies will ſchon etwas ſagen; aber Viele klagen, daß ſie gar nicht, oder daß ſie zu wohl⸗ feil verkaufen. Abhelfung deſſelben bei uns? Allerdings, wenn iſtens der niedrige Preis die Folge einer Concurrenz des fremden Mark⸗ tes mit dem unſrigen iſt; denn es hängt alsdann von uns ab, uns dieſen letzteren zu ſichern, oder wenn 2tens wir fuͤr unſere Erzeugniſſe auf fremden Maͤrkten einen vortheilhafte⸗ ren Abſatz als im Inlande finden, und uns dieſen Abſatz durch die Erleichterung der Einfuhr vom Auslande verſchaf⸗ fen koͤnnen.“”“ Nachdem der Redner hier in erſterer Bezie⸗ hung zu beweiſen geſucht, daß es nur ſehr wenige Handels⸗ . Arrikel gebe, von denen ſich behaupten laſſe, daß deren Ein⸗ 1 fuhr den Verkauf derſelben inlaͤndiſchen Artikel hemme, be⸗ leuchtete er die andere Frage, ob näaͤmlich durch eine freiere Zulaſſung fremder Erzeugniſſe Frankreich fuͤr ein ſolches Zu⸗ geeſtaͤndniß im Auslande eine hinlängliche Entſchädigung fin⸗ den wuͤrde. „Wie laͤßt ſich ſolches annehmen,“ fragte er,

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dern Europälſchen Staaten uͤberſteigt? Welches Land wird unſer Getreide ſtatt des Getreides Polens und der Kerimm kaufen, oder unſern Hanf, ſo lange Rußland ihnen den ſeinigen liefert? oder unſere Wolle, ſo lange panien, Preußen und Mähren; unſer Vieh, ſo lange Deutſchland und die Niederlande; unſere currenten Tuche, ſo lange England, die Niederlande und Deutſchland; unſere Linnen, ſo lange Irland und die Niederlande; unſere baum⸗ wollenen Stoffe, ſo lange England und die Schweiz derglei⸗ chen liefern? Dagegen haben wir aber immer zwei reiche Pproducte, welche auf keinem Markte der Welt die Concur⸗ reenz des Auslandes zu befuͤrchten haben, nämlich unſere

Seide und unſere Weine. Was den erſtern Artikel anbe⸗ errifft, deſſen Ausfuhr mit jedem Jahre zunimmt, ſo verſpricht die Vorzüglichkeit unſerer Seidenſtoffe, ſo wie deren geringe Beſteurung in allen Ländern Europa's, mit einziger Aus⸗ nahme Englands, wo dieſelben ſo gut als verboten ſind, ih⸗

naen einen immerwährenden Abſatz. Es bliebe ſonach nur 8 der Wein uͤbrig, fuͤr welchen ſich durch Zugeſtaͤndniſſe allen⸗ falls ein vermehrter Abſatz im Auslande erwarten ließe.“

Der Miniſter „, hier ſehr ausfuͤhrliche Betrachtungen über den Weinbau, die Weinſteuer und die Ausfuhr dieſes Artikels nach den verſchiedenen Europaͤlſchen Staaten an; er unterſuchte hierauf einige andere Beſtimmungen des Zoll⸗Ta⸗ rifs, namentlich diejenigen, welche ſich auf fremdes Eiſen, Wolle und Zucker beziehen, und behielt ſich vor, uͤber die Frage, ob es nicht angemeſſen ſey, auf einige Einfuhr⸗Verbote, namentlich Nlaauf das von wollenen Stoffen, zu verzichten, der Kammer im naͤchſten Jahre ausfuͤhrlichere Mittheilungen zu machen. MNiach dem Handels⸗Miniſter, deſſen Rede von der Verſamm⸗ llung mit ungetheiltem Beifalle aufgenommen wurde, beruͤhrte dder Graf v. Harcourt im Allgemeinen die ſinanzielle Lage des Landes. Der Finanz⸗Miniſter, deſſen Rechtlichkeit Je⸗ ddermann kenne, habe die Sitzung mit der Erklärung eroͤff⸗ net, daß ein Deficit von 200 Millionen vorhanden ſey.

Ueber dieſen Ausdruck hoͤchlich aufgebracht, haͤtten einige Mitglieder der Kammer damals einen Ausfall daraus ge⸗ macht, und darauf geglaubt, daß eine ſolche Namens⸗Ver⸗ nunmehr die Steuerpflichtigen völlig beruhigen muüſſe; ſpaͤrer habe man gemeint, daß die Spaniſche Schuld eben ſo ſicher ſey, als ob der Betrag derſelben in den Kaſſen —lliege. Jedermann verlange Sparſamkeit; man habe berech⸗ net, daß ſeit der Eroͤffnung der Kammer 1200 Reden über dieſen Gegenſtand in derſelben gehalten worden ſind, und

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Dies iſt allerdings ein Uebel; aber ſteht die

widerfahren;

„wenn der Werth unſerer Erzeugniſſe uͤberall den der an⸗

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8 2 * nachdem endlich eine Commiſſion von 18 Mitgliedern, wor⸗ unter 8 Gelehrte und 10 Finanziers zur Herbeifuͤhrung die⸗ ſer Sparſamkeit ernannt worden, beſchraͤnke die ganze von derſelben in Antrag gebrachte Erſparniß ſich auf 1 ½ Millio⸗ nen. „Sie werden geſtehen, meine Herren,“ fuͤgte der Red⸗ ner hinzu, „daß dies ungefaͤhr die Fabel von dem Berge iſt, der eine Maus gebar. Daß Diejenigen, welche von dem Budget leben, ein ſolches Reſultat mit trockenen Augen be⸗ trachten, iſt leicht erklaͤrlich, aber Denen, die es bezahlen muüſſen, hat es Thraͤnen gekoſtet. Wozu uͤberhaupt ein Handels⸗Miniſterium? Wir haben Zeiten gehabt, wo unſer Handel ſich in dem bluüͤhendſten Zuſtande befand und keinen Miniſter an ſeiner Spitze hatte. Der Handel bedarf bloß des Schutzes und der Sicherheit. Fragen Sie die Herren Rothſchild, ob ſie eines Handels⸗ Miniſters bedurft haben, um von ihm zu lernen, wie man ſich bereichere (Gelaͤchter). Wenn man vor zwei Jahren den vornehmſten Kaufleuten der Hauptſtadt den von ihnen begehrten freien Handel nach Amerika geſtattet hätte, ſo wuͤrde man dadurch ihr Intereſſe bei weitem mehr gefoͤrdert haben, als durch die koſtſpielige Einfuͤhrung eines neuen Mi⸗ niſteriums, wodurch der Handel nicht beſchuͤtzt, ſondern nur viel Papier verſchrieben wird. Dieſes iſt auch der Fall mit den Manufactur⸗Raͤthen; als Herr Ternaur, als Mitglied eines ſolchen, wirklich gute Rathſchlaͤge ertheilte, aber immer ſehen mußte, daß dieſelben nicht befolgt wurden, zog er es zuletzt vor, ſich ganz zurückzuziehen, um nicht in den Car⸗ tons eines Commis lebendig begraben zu werden. Glauben Sie mir, m. H., der Handel iſt heutiges Tages kein Kind mehr, das noch des Gängelbandes bedarf. Was heißt uͤber⸗ haupt ein Handels⸗Miniſterium ohne Ackerbau, ohne Ge⸗ ſtuͤte, ohne Zölle, ohne Conſuln, das weder auf den innern noch auf den aͤußern Handel den mindeſten Einfluß, ſondern hoͤchſtens nur die Befugniß hat, Geſetze zu machen? Ich laſſe dem gegenwaͤrtigen Miniſter alle Gerechtigkeit ſeine Talente und ſeine Geſchäfts⸗Er⸗ fahrung werden ihm ſtets einen ausgezeichneten Platz unter den Staatsmäaͤnnern einraͤumen; was nüuͤtzen aber die beſten Abſichten von der Welt, wo ſo viele Schwierigkeiten zu bekaͤmpfen ſind? Bei dem gegenwäͤrtigen Zuſtande unſe⸗ rer Finanzen muͤſſen wir in Betreff der Reformen unerbitt⸗ lich ſeyn. Was mich anbetrifft, ſo wuͤrde ich wenigſtens nie den Muth haben, nach meinem Departement zurüͤckzukehren, wenn ich nicht das Bewußtſeyn haͤtte, nach Kräften dahin gewirkt zu haben, die Ausgaben mit der Einnahme in Ein⸗ klang zu bringen. Es handelt ſich hier nicht von Jeſulten oder von Preßvergehen, ſondern bloß darum, unnüße Aus⸗ gaben abzuſchaffen, und ich ſtimme ſonach fuͤr die Abſetzung des ganzen erſten Kapitels des Budgets des Handels⸗Mini⸗ ſteriums. Hr. Syrieys de Mayrinhac ſuchte den Nutzen dieſes Miniſteriums fuͤr den Handel und die Manufacturen zu beweiſen, und widerſetzte ſich dem von einigen Mitglie⸗ dern der Commiſſion geaͤußerten Wunſche: Alles, was den Ackerbau betrifft, von dem Miniſterium des Innern zu tren⸗ nen und zu dem Handels⸗Miniſterium zu ſchlagen. Hr. Voyer d'Argenſon trat den Anſichten des Hrn. v. Harcourt bei; ſeine Aeußerung, daß die Mehrzahl der Steuerpflichtigen Männern gleiche, die zu Zwangs⸗Arbeiten verurtheilt ſind, veranlaßte einiges Murren zur rechten Seite. Der Redner verlangte zuletzt, daß man die ganze Summe der 2,400,000 Fr., die fuͤr das Handels⸗Miniſterium gefordert wird, mit Ausnahme derjenigen 380,000 Fr. abſetze, welche fuͤr das Conſervato⸗ rium der Kuͤnſte und die Kunſt⸗ und Gewerbſchulen beſtimmt ſind. Hr. J. Lefébyvre lobte dagegen die Einfuͤhrung eines Handels⸗Miniſteriums, und gab den Wunſch zu erkennen, daß die Zoll⸗Tarifs im Allgemeinen ermäßigt werden möch⸗ ten. Nachdem noch der Handels⸗Miniſter ſelbſt die von den verſchiedenen Rednern gemachten Eimvendungen wider⸗ legt hatte, wurde die Discuſſion geſchloſſen, und man beſchaͤf⸗ tigte ſich mit den einzelnen Artikeln des Budgets. Das Ge⸗ halt des Miniſters wurde von 150 auf 120,000 Fr. und das des Buüreau⸗Perſonals von 272,000 auf 238,100 Fr. herab.—

geſetzt. Hr. Pelet verlangte, daß man eine Summe 2

74,000 Fr. an Beſoldungen und Reiſekoſten der Hand Agenten in den Departements 22 ſtreiche, * err Petou trat dieſem Antrage bei. er Handels⸗M ni⸗ ſter gab ſich alle Muͤhe, die Nüͤblichkeit jener Beamten zu beweiſen; als indeſſen nach zwei Abſtimmugs⸗ Benſachen die Kugelwahl uͤber den Vorſchlag entſcheiden mußte, wurde derſelbe nichts deſtoweniger mit 192 gegen 126 Stimmen angenommen. Der Graf Gastan von la Rochefoucauld hielt hierauf eine weitlaͤuftige Rede über das Conſervatorium der Kuͤnſte und die Gewerbeſchulen zu Chalons und Angers, bei welcher Gelegenheit er ſich in einen