Die erſteren zahlen 600 Piaſter, ſie moͤgen nun tauſende oder eine Million beſitzen; dle letzteren nur 25 Piaſter.
5 Vermiſchte Nachrichten.
Ueber das Communal⸗Weſen Frankreichs.
In einem Zeitpunkte, wo dem Communal⸗Weſen Frank⸗ reichs eine neue Organiſation bevorſteht, duͤrfte die folgende Zuſammenſtellung einiger Artikel des Meſſager de Slambres uͤber dieſen Gegenſtand von erhoͤhetem Intereſſe ſeyn.
Erſter Artikel. Geſchichtlicher Ueberblick der Entwickelung der Gemeinen bis auf das Jahr 1789. —
Die Ernennung einer Commiſſion, welche den gegen⸗ waͤrtigen Zuſtand des Franzoͤſiſchen Communal⸗Syſtems pruͤfen, und dabei alle uͤber dieſen Gegenſtand geſammelten
Paterialien zu Rathe ziehen ſoll, war eine der erſten Maaß⸗ regeln, welche der jetzige Miniſter des Innern beim An⸗ tritt ſeines Amtes traf. Das Beduͤrfniß eines neuen Ge⸗ ſetzes uͤber dieſen wichtigen Zweig der Verwaltung wurde ſchon ſeit lange und allgemein gefuͤhlt; denn vergebens be⸗ ſchuͤtzt eine freie Verfaſſans unſere ſtaatsbuͤrgerlichen Be⸗ fugniſſe, wenn die unmittelbareren Rechte, die uns gleich⸗ ſam in unſerem Hauſe und in der Familie beruͤhren, nicht auch durch ein zeitgemaßes Syſtem von Local⸗Geſetzen feſtgeſtellt werden. Man muß daher dem gegenwäaͤrtigen Miniſterium eine dankbare Anerkennung zollen, indem es je⸗ nes Beduͤrfniß mitfuͤhlt und ihm entſprechende Abhuͤlfe zu gewähren bereit iſt. Schon unter der zweiten Verwaltung des Herzogs von Richelieu wurde ein Geſetz⸗Entwurf uͤber dieſe Materie abgefaßt, welcher weſentliche Verbeſſerungen enthielt. 8 dieſer Zeit leidenſchaftlicher Verblendung han⸗ delte es aber weniger um gute Geſetze, als um Siege der einen Parthei uͤber die andere, und ſo kam es, daß, trotz den Bemühungen eines Miniſteriums, das gewiſſenhaft das Gute wollte, nichts gebeſſert wurde. Baron Mounier, einer der Haupt⸗Redacteure jenes erſten Entwurfs und der ſorgfaͤltigſte Sammler der betreffenden Documente, iſt auch unter den Mitgliedern der jetzigen Commiſſion.
Um ſich ein richtiges Urtheil uͤber die Erforderniſſe eines der Gegenwart entſprechenden Communal⸗Syſtems zu bilden, muß man die hiſtoriſche Entwickelung des Franzöſiſchen Staa⸗ tes von ſeiner alten monarchiſchen Form zur repraäͤſentativen verfolgen, und darf man dabei beſonders nicht außer Acht laſſen, daß die Freiheit, welche in den hoͤheren Kreiſen der Geſellſchaft herrſcht, in den unteren Theilen derſelben ſich nicht in gleichem Maaße ausdehnen laͤßt, wenn nicht ſtatt einer Communal⸗Ordnung eine oͤrtliche Anarchie ent⸗ ſtehen ſoll. Ueber den Urſprung der Staͤdtegewalt be⸗ ſitzen wir treffliche Schriften. Montesquieu, Mabli, Guizot, Henrion de Penſey und Barante haben den Gegenſtand unter verſchiedenen Geſichtspunkten beleuch⸗ tet. Aus den Forſchungen dieſer Maͤnner hat ſich er⸗ geben, daß ſich in den Städten eine Municipal⸗Gewalt wie von ſelbſt gebildet hat; allenthalben ſehen wir die Buͤr⸗ gerſchaften aus ihrer Mitte angeſehene Männer erwaͤhlen, denen ſie die Verwaltung ihres Gemeinweſens anvertrauen. Schon die Fraͤnkiſchen und Angelſaͤchſiſchen Verfaſſungen ent⸗ halten dieſes Princip, das man ein ewiges nennen kann, weil es aus einem fortdauernden Beduͤrfniß entſpringt. Na⸗ tuͤrlich hatte dieſe Inſtitution nach der Entwickelungsſtufe der Voͤlker auch ſehr verſchiedne Formen, aber an ſich be⸗ trachtet, iſt ſie uͤberall als eine Thatſache hervorgetreten.
In naͤherer Beziehung auf Frankreich geht aus den Ge⸗ ſchichtsbuͤchen hervor, daß bei der Ankunft der Germaniſchen Voͤlker die Roͤmiſche Municipal⸗Verfaſſung, wie ſie uns in den Titeln der Digeſten und des Theodoſianiſchen Coder auf⸗ bewahrt iſt, in den meiſten Staͤdten, beſonders im Suͤden, organiſirt war. In dieſen Quellen der Roͤmiſchen Geſetzge⸗ bung ſinden wir mehrere Municipal⸗Beamten genannt, wie z. B. die Decurionen, welche unter der Aufſicht der von den Roͤmiſchen Kaiſern eingeſetzten Behoͤrden eine, wenn auch beſchränkte, Macht ausübten. Als die Roͤmiſchen Adler vor den einwandernden Barbaren zurückwichen, und die Central⸗ Gewalt verſchwand, dehnten die Municipien allmaͤhlig ihre Freiheiten aus. Dies wiederholt ſich im Allgemeinen immer nach dem Umſturß eines Staates, daß die Gewalt, welche nicht mehr in der Intenſitat eines Mittelpunktes zuſammen⸗ gehalten wird, ſich An die Localttaͤten zerſtreut, weil ſie nicht ganz verſchwinden kann. Ohne Zweifel haben ſich noch un⸗ ter den Fraͤnkiſchen Koͤnigen viele nach Roͤmiſcher Art organi⸗ ſirte Municipien im ſuͤdlichen Frankreich durch alle Stuͤrme hindurch erhalten, während die Germaniſchen Einrichtungen mehr in den noͤrdlichen Provinzen herrſchend wurden,
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und auch hier laſſen ſich die erſten rohen Zuͤge eines Muni⸗ cipal⸗Syſtems durch das Dunkel der Zeit erkennen.
Unter Karl dem Großen gewann mit dem ganzen Staate auch die Verwaltung als ſolche, eine feſtere Geſtalt. Die Macht der Koͤnigl. Abgeordneten (missi dominici), der Cent⸗ grafen und der Markgrafen verhinderte die Entwickelung einer vom Volke ausgehenden Gewalt, und das in den Ca⸗ pitularien aufgeſtellte Syſtem concentrirte dieſelbe ganz in dem Koͤnige. Als unter den ſchwachen Nachkommen Carls des Großen die Verfaſſung, welche nur durch ſeine große Perſoͤnlichkeit getragen worden war, zu Grunde ging, benutz⸗ ten die Koͤniglichen Beamten die ihnen gegebene Gewalt, um ſich unabhängig zu machen, und ſie fanden in den Städ⸗ ten um ſo weniger Widerſtand, als in dieſen buͤrgerliche Freiheit ſich noch nicht hatte entwickeln koͤnnen. Die ſpaͤtere Feudal⸗Herrſchaft ſuchte dieſe gewaltſam getrennten Bande des Staates wieder zu vereinigen, ſie ſchuf Rechte, Pflich⸗ ten, Obliegenheiten und eine Gewalt, die ungeachtet ihrer Unvollkommenheiten, wenigſtens nach einer Einheit des Staa⸗ tes ſtrebte. Vom Ende des 9ten Jahrhunderts bis zum 11ten Jahrhundert ſehen wir die Gemeinen verſchwinden. Es gal⸗ ten in dieſer Zeit nur zwei Kategorieen, der Herr und der Knecht; zwiſchen beiden lag nichts, und fuͤr den Leibeigenen gab es keine Stadt. Als aber die Ueberreſte des Galliſchen Stammes allmaͤhlig frei wurden, und der durch aufkeimenden Luxus gehobene Gewerbfleiß das Beſtehen einer Mittelklaſſe moͤg⸗ lich machte, zeigten ſich auch ſofort Keime ſtaͤdtiſcher Freiheit. Dem Leibeigenen mußte der Zuſtand der Staͤdte gleichguͤltig ſeyn, denn ſein Stand ſchloß ihn von aller Theilnahme an buͤrgerlichen Rechten aus, aber der Staͤdter ſelbſt ſtrebte deſto mehr, ſich die erworbene Freiheit zu ſichern. Die Buͤrger einer Stadt traten zuſammen, und verlangten Garantieen ge⸗ gen die Gewaltthaͤtigkeiten der adeligen Herren und gegen die Excommunicationen der Kirche. Einige ertrotzten ſich . durch bewaffneten Aufſtand gegen ihren Herrn,
ndere erkauften ſich mit Geld eine Communal⸗Charte. Es waren Kaͤmpfe der Liſt und der Gewalt zwiſchen dem Frän⸗ kiſchen Adel und der Mittel⸗Klaſſe von Galliſchem Stamme. Die Koͤnige traten dann als Vermittler dazwiſchen, und wer behaupten will, daß ſie die großen Befreier der Städte geweſen, hat nur eine Seite der Geſchichtsbuͤcher geleſen; aber eben ſo ungegruͤndet iſt es, daß ſie die Entwickelung der Communen gewalkſam gehindert haͤtten. Sie befolgten viela mehr in dieſer Hinſicht gar kein Syſtem, und benutzten die
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Befreiung der Städte, um ihre eigene Macht zu vergroͤß ru. Eine Communal⸗Charte war fuͤr eine Stadt eine große Ero⸗ berung, denn ſie hob die perſoͤnlichen Frohndienſte und will⸗ kuͤhrlichen Taxen auf, welche in regelmaͤßige beſtimmte Lei⸗ ſtungen gegen die Herren, und in Kriegsdienſte verwandelt wurden. Die Stadt⸗Behoͤrden, deren Wahl den Buͤrgern uͤbergeben wurde, erhielten die Leitung der ſtaͤdtiſchen Ange⸗ legenheiten, die Polizei⸗Verwaltung und ſogar die Gerichts⸗ pflege innerhalb gewiſſer Graͤnzen.
Dies war der primitive Zuſtand der Gemeinen; er beruhte, wie wir ſehen, auf einer hoͤchſt ausgedehnten und freiſinnigen Grundlage. Der damalige geſellſchaftliche Zu⸗ ſtand konnte dies ertragen, denn alle Kraͤfte beſaßen noch ihre ganze Intenſitäͤt, und fuͤhrten einen ungeregelten Kampf mit einander, bis die Koͤnigliche Gewalt ſiegte, und ſeitdem die ſtädtiſche Freiheit zu beſchraͤnken ſtrebte. Von der Regie⸗ rung Carl’'s V. an wurden eine Menge von Städten ihrer Communal⸗Charten beraubt; theils berechtigten ſie durch Em⸗ poͤrungen den Koͤnig dazu, theils hielten ſie, ſonderbar genug, ſelbſt darum an. Am meiſten zur Unterdruͤckung der Staͤdte that Ludwig XI. In ſeinen Verordnungen behielt er ſich faſt immer die Ernennung des Buͤrgermeiſters vor, beſchraͤnkte die Rechte der Buͤrger bei der Wahl der Communal⸗Beamten, und gab dieſer ſtrengere Formen; ferner geſtattete er nicht, daß die Buͤrger ſich bewaffnet verſammelten, oder daß die Sturm⸗ glocke, ohne vorgaängige Erlaubniß des von ihm eingeſetzten Buͤrgermeiſters gelaͤutet wuͤrde. Zur Entſchaͤdigung fuͤr den Verluſt ihrer Rechte erhob Ludwig die angeſehenen Buͤrger haͤu⸗ fig in den Adelſtand, und bewilligte den Staͤdten Wappen. In einer uns naͤheren Epoche nahm das Edict von 1563 den Communen die Entſcheidung in Handels⸗Angelegenheiten, welche einem beſonderen Gerichtshofe uͤbertragen wurden. Die Ordonnanz von Blois vom Jahre 1579 entzog den Ge⸗ meinen das richterliche Erkenntniß in Criminal⸗Sachen, und allmaͤhlig ging auch die Entſcheidung in Criminal⸗Sachen an die eigentlichen Juſtiz⸗Behörden uͤber. Die Parlamente zeig⸗ ten ſich beſonders in dieſer Zeit als Widerſacher der Staädte. Ein im Auguſt 1764 erlaſſenes Ediet gab den Gemeinen zwar das Wahlrecht wieder, das ihnen Ludwig XIV. genommen. hatte; daſſelbe wurde aber ſchon nach ſieben Jahren abermals auf
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