dder Lieder⸗Gattung gehoͤren, ſo giebt es doch mehrere darunter, die ſich durch die Erhabenheit und Tiefe des Gedankens, ſo wie durch die Energie des Ausdrucks zuweilen bis zur Ode erheben. Wenn gleich eine Weiſe angegeben wird, wonach dieſelben geſungen werden ſollen, ſo geht hieraus noch keines⸗ weges hervor, daß ſie geſungen werden muͤſſen; man kann ſie eben ſo gut leſen. Wer wuͤßte uͤbrigens nicht, daß der Geſang in Verbindung mit den Worten gerade das geeig⸗ neteſte Mittel iſt, dieſe dem Gedaͤchtniſſe einzupraͤgen. Man behauptet, Herr von Béranger ſchreibe nicht fuͤr das niedere Volk; allerdings ſind ſeine Anſpielungen zuweilen ſo dunkel, daß ſie dem gemeinen Manne entgehen; aber ſein nicht gewoͤhnliches Talent weiß ſich in jeden Ton zu ſchicken; er wendet ſich nicht bloß an die Salons, ſon⸗ dern auch an die Huͤtte des Niedern, wo ſeine Lieder nicht unbekannt ſind. In dieſe Klaſſe derſelben gehoͤren namentlich die obenerwaͤhnten, die der Dichter oſſenbar nur fuͤr das Volk geſchrieben hat, da ſeine Art, ſich auszudruͤcken, darin jeder⸗ mann verſtaͤndlich iſt. Sie werden daher, meine Herren, der⸗ leichen Mißbraͤuche unterdruͤcken, und Herrn Boöranger eine trafe auflegen, welche der Recidive angemeſſen iſt; auch ſeine Mitſchuldigen werden Sie nicht ſchonen, die ihr Geld und ihre Preſſen hergegeben haben, um ſeine gefaͤhrlichen Schriften zu verbreiten; ich trage ſonach darauf an, auf den Verfaſſer ſowohl als auf den Verleger, Herrn Baudouin, und auf die Drucker, Herren Fain, Delecluſe, Bréauté und Truchy die Geſetze vom 17. Mai 1819 und 25. Maͤrz 1822 anzu⸗ wenden, und ſie ſolidariſch in die Koſten zu verurtheilen.“— Der Advokat Barthe fuͤhrte das Wort im Namen des Herrn v. Béranger; er ſtellte zuvoͤrderſt allgemeine Be⸗ trachtungen an, wonach er die gerichtliche eelangung ſeines Klienten hauptſächlich dem Einfluſſe, welchen noch fortwaͤh⸗ rend die vorige Verwaltung ausuͤbe, beimaß; die Gazette de France habe einige der Beérangerſchen Lieder als einen Verſtoß gegen die Religion und die guten Sitten, ſo wie gegen die Wuͤrde des Koͤnigs bezeichnet, und das Miniſterium ſey ſonach genoͤthigt geweſen, den Verfaſ⸗ ſer zu belangen. Herr Barthe ſuchte hierauf aus einem audern Liede ſeines Klienten zu beweiſen, daß derſelbe nie an dem Daſeyn eines Gottes und der Unſterblichkeit der Seele gezweifelt habe; eben ſo wies er mit vielem Eifer die Auslegung zuruͤck, wonach die Gerontokratie und die Salbung Karl's des Einfaͤltigen, als abſichtliche Be⸗ leidigungen des regierenden Koͤnigs dargeſtellt werden. Der Advokat Berville fuͤhrte die Vertheidigung des Herrn Baudouin. Nach einer Entgegnung des öffentlichen Mini⸗

ſteriums und einer Erwiederung des Advokaten Barthe zogen

die Richter ſich zuruͤck und ſprachen nach einer einſtimmigen Berathung folgendes Urtheil: „In Betracht, daß in dem Liede: „der Schutzengel“, unnd namentlich in der 8ten Strophe der Verfaſſer eins der Sacramente der Staats⸗Religion und ſonach dieſe Re⸗ ligion ſelbſt laͤcherlich und ſich dadurch des Vergehens ſchul⸗ dig gemacht hat, das der 1ſte Artikel des Geſetzes v. 25. Maͤᷓ 1822 naher bezeichnet; daß in der 9ten Strophe deſ⸗ ſeelben Liedes der Verfaſſer, dadurch, daß er das Dogma der Belohnung und Verdammniß in einem andern Leben in Zweifel zieht, die öͤffentliche und religiöſe Moral beleidigt, und ſonach das im Sten Artikel des Geſetzes vom 17. Mai 1819 beſtimmte Vergehen begangen hat; in Betracht, daß der Verfaſſer durch das Lied „die Gerontokratie,“ wo der ganzliche Ruin des Landes, als eine unausbleibliche Folge der gegenwärtigen Regierung, in einer nicht fernen 8 Zukunft, dargeſtellt wird, zu Haß und Verachtung der KReegierung angereizt hat; in Betracht, daß das Lied „die Salbung Karl'’s des Einfaͤltigen“ durchdus keiner ddoppelten Auslegung faͤhig iſt, und augenſcheinlich das Vergehen der Beleidigung der Perſon des Königs darbie⸗ tet; in Betracht, daß von Boeranger eegcht; der Verfaſſer jener Lieder zu ſeyn und ſie an Baudouin Be⸗ hufs der Publikation verkauft zu haben; daß Bau⸗ douin eingeſteht, ſie haben drucken zu laſſen, und faſt ſaͤmmtliche abgezogene Exemplare verkauft zu haben; daß 8 nicht guten Glauben und Unwiſſenheit als Einwand —2 kann, da ihm die Wahl der zu druckenden Lie⸗ benſberlaffch mworden iſt; daß hiuſichtlich des Fain, De⸗ 1 ſen ſ⸗ und Truchy es nicht hinlaͤnglich erwie⸗ veral e wiſſentlich gehandelt haben; üͤrtheilt das Gericht den v. B6 Haft und einer Geibba Beranger zu 9monatlicher zu émonatlicher Haßt he von 10,000 Fr., den Baudouin ſpricht den Fain, Dele und, einer Geldbute von 500 Fr.; Bréauté und Truchy von der

gegen ſie 1,8.8228 e Sale⸗ 88 en la⸗ 38 2 8. ge frei, erklärt die unterm 11 Heroher verfuͤgte Beſchlagnahme fůr —2 ze⸗

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Vernichtung der bereits confiscirten oder noch zu confisci⸗ renden Exemplare, und verurtheilt den von Béranger und den Baudonin ſolidariſch in die Koſten.“ - 1 Der Courrier frangais aͤußert ſich uͤber den Aus⸗ gang des Prozeſſes in folgender Art: „Béranger iſt zu neun Monaten Gefaͤngniß und 10,000 Fr. Geldſtrafe verurtheilt worden; daſſelbe Erkenntniß hat den Verleger zu ſechs Mo⸗ nat Gefängniß und 500 Fr. Geldſtrafe verdammt. Welche Beweggruͤnde zur Freude fuͤr die Gazette! Sie iſt es, welche die Gedichte Béranger's denuncirt, welche mit großem Ge⸗ ſchrei Verfolgungen verlangt und erhalten hat; ihren Schluͤſſen

zufolge hat in gewiſſer Weiſe das Gericht ſeine Meinung ausgeſprochen, und ſie hat ihre Sache gewonnen! Sie hat

zu gleicher Zeit uͤber das Miniſterium, welches durch ihre wuͤthenden Declamationen eingeſchuͤchtert und zu einem Acte der Schwaͤche getrieben worden iſt, und uͤber die Weisheit der Richter, welche ſie durch ihren Larm uͤber die Gefahren und angeblichen Wunden des Koͤnigthums und der Religion betäubt hat, triumphirt! Wir wiſſen, welche Ehrfurcht man dem Urtheil ſchuldig iſt, ſelbſt wenn es noch keinen beſtimm⸗ ten Charakter erlangt hat. Die Richter haben die Gruͤnde ihrer Entſcheidung aus ihrem Gewiſſen geſchoͤpft; wir ſind davon uͤberzeugt, aber wir glauben auch, daß ſie ſich, wider ihr Wiſſen, durch den blendenden Glanz eines heuchleriſchen Eifers, welcher im Namen der Intereſſen der Monarchie und der Religion ſpricht und nur fuͤr eine, beiden feindliche Parthei arbeitet, tauſchen laſſen. Als wir heute die Gazette aufſchlugen, erwarteten wir, darin einen Sieges⸗Geſang zu finden. Woher koͤmmt es, daß ſie ſchweigt? Sollten hr neun Monat Gefäͤngniß nur ein mäßiger Sieg ſcheinen? Dies iſt in der That die Haͤlfte der Strafe, welche Herrn Cauchois⸗Lemaire getroffen hat; dies iſt vor Allem viel weniger, als gewiſſe mitleidige Seelen wünſchten; indeſſen iſt es doch Etwas. Und rechnet man die Verurtheilung zu 10,000 Franken fuͤr Nichts, beſonders wenn ſie einen armen Buͤrger trifft, deſſen Vermögen bloß in ſeinem Geiſte beſteht, und fuͤr welchen die Unterdruͤckung ſeines Buches ſchon eine erſte und ſehr ſtarke Geldſtrafe iſt. Endlich hat das den Autor treffende Erkenntniß mit einer bisher wenig uͤblichen Strenge auch den Buchhaͤndler nicht geſchont. Unter der alten Verwaltung haätte Herr Baudouin ſich auf die Confiscation ſeines Erlaubniß⸗Scheins elaßt machen muͤſſen. Dies iſt das einzige Zugeſtaäͤndniß, welches man einer Par⸗ thei machen kann, die in dem Miniſterium das Werkzeug ihrer gehaͤſſigen Leidenſchaften gefunden hat. Die Debatten, welche heute in den Mauern des Juſtiz⸗Pallaſtes vernommen worden ſind, und deren Entwickelung alle Bewunderer des populairſten Genies unſeres Zeitalters betruͤben wird, haben das Talent und die Beredſamkeit eines Rechtsgelehrten (Herrn Barthe), welchen ſeine zahlreichen Freunde und ſein Charakter ſchon laͤngſt in der öͤffentlichen Achtung ſo hoch geſtellt haben, und deſſen maͤchtiges Wort den von dem Zorne und den Verfolgungen des Partheigeiſtes bedraͤngten Bürgern nie geſehlt hat, in neuem Glanze erſcheinen laſſen.“

„Man verſichert“, ſagt ebenfalls der Courrier fran⸗ cais, „daß in dem letzten Cabinets⸗Rathe die Frage, Algier durch einen ernſtlichen Angriff zu unterwerfen, zur Sprache gekommen ſey, und daß man beſchloſſen habe, bedeutende Land⸗ und See⸗Truppen dorthin zu ſenden. Man ſpricht von ei⸗ ner Armee von 40,000 Mann, welche durch eine mäͤchtige Flotte unterſtuͤtzt werden ſolle. (2) Wir glauben nicht, daß eine ſolche Ruͤſtung vor dem Fruͤhlinge vorbereitet werden koͤnne; in dieſem Falle waͤre es wahrſcheinlich, daß die Armee des General Maiſon und die Schiffe des Admiral von Rig⸗ ny, ſtatt unmittelbar nach Frankreich zuruͤckzukehren, wie man noch vor wenigen Tagen ohne Grund ankuͤndigte, mit jener Expedition in Verbindung treten wuͤrden. Zur Deckung der Koſten wuͤrde die bereits geſetzlich feſtgeſtellte Anleihe von 4 Mill. auf 18 Mill. erhöht werden. Ueber die Procente ſind, ſagt man, die Miniſter nicht einig; Herr Roy will die An⸗ leihe zu 4 oder 4 ½ pCt., ſeine Collegen moͤchten ſie gern zu 3 pCt. eroͤffnen. Wenn die Sache ſich beſtaͤtigt, werden wir darauf zuruͤckkommen.“

Es geht das Geruͤcht, daß der Cardinal Erzbiſchof von Toulouſe naͤchſtens einen Hirten⸗Brief in der ugelegenheit der kleinen Seminarien erlaſſen werde. 8 8

Die Aerzte, welche vor einiger Zeit von hier nach Gibraltar abgingen, um das daſelbſt herrſchende gelbe Fieber näher zu beob⸗ achten, ſind am 3ſten v. M. wohlbehalten dort eingetroffen und von dem Gouverneur mit vieler Zuvorkommenheit aufgenom⸗ men worden; dieſer hatte ihnen Quartiere außerhalb der Stadt angeboten; ſie waren indeſſen noch ungewiß, ob ſie

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