die Unſterblichkeit der Seele vorzuſtellen? Wann iſt Zweifel ein Verbrechen? Man duldet ihn bei poſttiv beſtimmten Ge⸗ genſtaͤnden und will ihn bei ſolchen nicht geſtatten, die kei⸗ nes ſtrengen Beweiſes fäͤhig ſind. Man behandelt Béran⸗ ger als Uebelthaͤter, weil er an den Strafen der Hoͤlle, wie ſie uns die katholiſche Religion darſtellt, zweifelt, und dennoch haben manche achtbare Maͤnner dies Verbrechen begangen, ohne deshalb belangt zu werden. 1 auf die Autoritaͤt des Dichters berufen, welcher ſagt: „Si Dieu n'existait pas. il fandrait Pinventer.“ „Wenn Gott nicht waͤre, maͤßt; man ihn erfinden.“

Aber derſelbe Dichter hat ſehr ſchoͤne Verſe gemacht, um zu ſagen, daß er an keine ewigen Strafen glaube. Auch Lafontaine glaubte nicht daran, und hielt ſeine Meinung nicht geheim. Wenn der Skeptiker Montaigne in unſere Zeit mit ſeinem Motto: „Was weiß ich!“ zuruͤckkehrte, ſo wuͤrde man ihn in's Gefaͤngniß werfen. Warum will man, daß die Gerichte ſich zum Glauben bekennen, und denſelben fordern? Wir ſind gluͤcklich genug, um die Freiheit des Glaubens und der Meinung bei uns der That und dem Rechte nach beſtehen zu laſſen; miſchen wir nicht mit Ge⸗ walt Reminiscenzen an die Inquiſition hinein. Wie lange kuͤndigt man nicht ſchon an, daß Frankreich bei ſeiner jetzigen Verfaſſung dem Verderben ſchnellen Schritts entgegen eile; daß die Nation eine Anſammlung von Ban⸗ diten ſey, welche der Blitz vernichten werde; daß wir wie die Staͤdte Sodom und Gomorra untergehen wuͤrden, und daß die Fehler der Regierung uns in den Abgrund ſtuͤrzen? Dieſe Vorherſaqungen, welche auf die Maſſen einen ga⸗s andern Eindruck machen, als die des Saͤngers, hab⸗a nicht die Sorgſamkeit des Miniſteriums rege gema

Etwa deshalb nicht, weil ſie mit Wuch und Grobheit abge⸗

faßt waren? Gilt die Strenge nur gegen Zartheit und

muth? Wir wollen nicht uͤber das Lied: „Karl der Ein

tige“ ſprechen. Hier ſcheint uns alles Uehel in der I

pretation zu liegen. Die Richter haben ihrer Uebe. gung gehorcht; Niemand hat das Recht, ihnen in Unverletzliche Heiligthum zu folgen. J ſo wie dem von ihnen gefaͤllten Erkenn Ehrfurcht ſchuldig; aber dies Erkenntniß be d⸗ ſaͤtzen, die mit denen, welche das Weſen der conſtitutionnellen Regierung ausmachen, im Widerſpruch zu ſtehen ſcheinen. Wir hielten es fuͤr unſere Pflicht, dieſe Grundſätze nicht unerwiedert zu laſſen, und wir haben nicht gezoöͤgert, dieſe Pflicht zu erfuͤllen.“

Außer dem Courrier äͤußern ſich auch noch die Gazette de France, das Journal du Commerce und die Quo⸗ tidienne uͤber den Bérangerſchen Prozeß. Das erſtere Blatt iſt durch den Ausgang deſſelben auch nicht zufrieden geſtellt, aber aus anderen Gruͤnden, als die liberale Parthei. „Wes⸗ halb“, ſagt ſie, „ſollten wir uns freuen? weshalb, wie der Courrier glaubte, einen Siegesgeſang anſtimmen? Herr Bé⸗ ranger wird ins Gefaͤngniß wandern, aber ſein Geiſt wird frei walten; ſein verwegener Verleger wird das ſtraͤflichſte Unternehmen mit einer kurzen Haft buͤßen, aber hundert neue Verleger werden Herrn Böéranger’s Werk bis ins Unend⸗ liche vervielfachen und aller Orten verbreiten. Ja noch mehr, dieſe unſelige Oeffentlichkeit wird durch die gericht⸗ lichen Verhandlungen ſo wie durch die beklagenswer⸗ the Ausdehnung des Vertheidigungs⸗Rechts nur genährt.

er Koͤnigliche Anwald ſelbſt wird dadurch der nothge⸗ drungene Mitſchuldige eines gottloſen und aufruͤhreriſchen Dichters; ſein Mund muß die Gotteslaͤſterungen wiederho⸗ len; der Richter liefert das ruchloſe Lied den Flammen, aber, dem Phoͤnix gleich, erſteht es nun aus ſeiner Aſche, und verbreitet ſich unter zwanzig neuen Formen. Wes⸗ halb ſollten wir uns freuen? Die Freunde der Religion und der Monarchie, weit entfernt, zu einem ſolchen Reſul⸗ tate Beifall zu klatſchen, haͤtten faſt 284 Urſach, ein Erkennt⸗ niß zu beklagen, das den Urheber des Uebels ſtraft, dem Uebel ſelbſt aber nur noch mehr Intenſitaͤt leiht. Leider wuß⸗ ten wir, daß die periodiſche Preſſe den Prozeß des Herrn Béranger mit Begierde dazu benutzen wüͤrde, um ſeine ſcheußlichen und ekelhaften Geiſtes⸗Produkte ins Publikum zu bringen. Da wir ſolches nicht ändern konnten, ſo glaub⸗ ten auch wir dem Beiſpiele folgen zu duͤrfen, und man moͤge es uns ſonach verzeihen, wenn unſer in der Regel ſo keu⸗ ſches und vorſichtiges Blatt ſich mit Citaten beſudelt hat, die 2. Freunde der Religion, des Königthums und der gu⸗ ten Sitten tief betruͤben muͤſſen. Im Uebrigen, ſo iſt das Miniſterium ſelbſt an der Publikation der Börangerſchen Lieder ſchuld, da es eine Ordnung der Dinge eingefuͤhrt hat, von dem Verfaſſer und Verleger derſelben rich⸗

vo Dies haäͤtte der Barthe,

Man hat ſich

wenn er fuͤr eine Sache, die im Grunde gar keine Verthei⸗ digung zuließ, minder eingenommen geweſen waͤre, mit Er⸗ folg auseinanderſetzen und beweiſen koͤnnen.“ In dem Journal du Commerce heißt es dagegen: „Wir haben ein Miniſterium, das ſich ſelbſt das wiederherſtellende genannt hat, und ſeine Stellung richtig erkannte, als es ei⸗ ner Verwaltung folgte, welche gewaltthaͤtig, uͤbermuͤthig und

ſtets bereit war, die oͤffentliche Meinung in ihren zarteſten

Punkten zu verletzen. Die Nation, aufgebracht uͤber dieſe Beleidigungen, war mißtrauiſch geworden, weil man ſie hin⸗ tergangen hatte; da kamen die neuen Miniſter, redeten in einer liebevollen Sprache, beruͤhrten die Wunden mit wohl⸗ thuender Hand, verſprachen viel und hielten Manches; ſie beſa⸗ ßen vor Allem die große Kunſt, die Neigungen der Nation nicht zuruͤckzuſtoßen und ihre Klagen nicht zu unterdruͤcken; eines ihrer erſten Werke war die Freigebung der Preſſe. Und doch, welcher Widerſpruch! Dieſes Miniſterium zaͤhlt noch nicht ein Jahr ſeines Beſtehens und ſchon haben wir zwei der haͤrteſten Anwendungen der Strafgeſetze uͤber die Preſſe erlebt, näͤm⸗ lich in den Prozeſſen gegen die Herren Cauchois Lemaire und Böranger; dieſe Prozeſſe gehoͤren zur Geſchichte des jetzigen Miniſteriums, und ſchließen ſich eng an die Geſchichte des beklagenswerthen Syſtems an. Böranger, der Lieblingsdich⸗ ter der Nation, wird angeklagt, Lieder zum Umſturz des Altars und des Throns gedichtet zu haben, und iſt deshalb zu neun⸗ monatlicher Haft verurtheilt. Und das geſchiehrt unter einem leutſeligen, dem Verfolgungsgeiſte fremden Miniſterium, das die uͤbelen Eindruͤcke des vorigen zu verwiſchen ſuchte. Die⸗ ſer Prozeß weicht von der gewoͤhnlichen Politik deſſelben ab; und die Verurtheilung Béranger's geht gegen den Zweck der Niniſter. Sie wollten die Geiſter verſoͤhnen, die Regierung und die freien Buͤrger mit einander befreunden, und es ge⸗ lang ihnen; der Franzoſe traͤgt den Groll nicht lange nach; von allen Seiten aͤußerte man den Miniſtern Vertrauen; nur einige blieben noch im Rückſtande und unter ihnen Bé⸗ ranger, er war vielleicht noch verſtimmt und verdiente wohl, daß man etwas auf ihn wartete. Bevor man ihn der Strenge der Gerichtshoͤfe uͤbergab, mußte man ſeine Lieder nicht mit juriſtiſchem, ſondern mit politiſchem Blicke pruͤfen; man wuͤrde dann gefunden haben, daß ſie nicht neuerdings, ſon⸗ dern unter dem Einfluſſe einer allgemeinen und gerechten Erbitterung gedichtet ſind.“ Am Schluſſe des Aufſatzes heißt es: „Béranger wurde beim Herausgehen aus dem Ge⸗ mit Beweiſen der Theilnahme und Liebe uͤberhaͤuft; lein Ungluͤck hat ſeine Popularität verdoppelt und das Echo ſeiner Lieder vervielfacht. Das Miniſterium hat ſeinen ei⸗ genen Feinden einen Sieg verſchafft; die Parthei, welche auf ſeinen Untergang hinarbeitet, freut ſich, den Dichter mißhan⸗ delt zu ſehen, den ſie haßte. Wie viel Fehler der Art wird das Miniſterium noch machen?“ Wäͤhrend die Gazette de France das Miniſterium beſchuldigt, daß es das Ungluͤck des Herrn von Béranger veranlaßt 3 mißt die Quoti⸗ dienne die Schuld davon der liberalen Parthei bei; dieſe ſey es näͤmlich, die, ſtets von Zorn und Galle erfuͤllt, ſtets fruchtbar in Verfuͤhrungsmitteln, ſtets darauf bedacht, Skan⸗ dal zu erregen, ihre Schriftſteller und Vertheidiger ſchonungs⸗ los in den Abgrund ſtoße und ſie dann der Strenge des Ge⸗ ſetzes uͤberlaſſe.

Sir Francis Burdett war bei der Verurtheilung Bé⸗ ranger’'s zugegen. Das Journal des Débats meldet, daß gleich nach dem Urtheils⸗Spruche alle Zuſchauer ſich dem condemnirten Dichter in den Weg draͤngten und daß dieſer, bevor er zu ſeinem Wagen gelangte, von einer großen An⸗ ahl junger Leute, mit dem Rufe: „Es lebe Beéranger, der Voalen Wichter!“ begruͤßt wurde. 8

In einem Aufſatze uͤber die Reorganiſation des Com⸗ munal⸗Weſens bemerkt der Courrier français neuerdings, daß jede Meinungs⸗Verſchiedenheit der Miniſter uͤber die Frage, ob der Geſetz⸗Entwurf über die General⸗ Conſeils gleichzeitig mit dem uͤber die Municipalitaͤten den Kammern vorgelegt werden ſolle, verſchwunden ſey, daß man die Ver⸗ einigung beider Entwuͤrfe beſchloſſen habe, daß der erſtere derſelben aus 200, der zweite aus 73 Artikeln beſtehe und daß dieſer Gegenſtand der erſte ſeyn werde, welcher der De⸗ putirten⸗Kammer vorgelegt werden wuͤrde, waͤhrend die Pairs⸗ Kammer ſich mit dem Militair⸗Straf⸗Geſetzbuche, worin wichtige Aenderungen vorgenommen worben ſeyen, beſchäfti⸗ gen werde. Der Courrier will auch noch wiſſen, daß durch eine bereits entworfene Koͤnigl. Verordnung die Lotterien ſchon jetzt in 40 Departements voͤllig abgeſchafft, in den uͤbrigen aber vorlaͤufig noch, jedoch unter bedeutenden Re⸗ ſtrictionen, beibehalten werden wuͤrden; namentlich wuͤrde die Zahl der Ziehungen vermindert, und das Minimum des Ein⸗ ſatzes, welches jetzt 10 Sous betraͤgt, auf 2 Franken erhoͤht werden.