1829 / 19 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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Rufen unsrer Truppen und dem Allah der Muselmaͤnner.

Die ganze Stadt gerieth in Bewegung; junge Tuͤrkische Reiter erschienen jenseits des Kur und begannen ihr Wett⸗Rennen, zu dessen Beiwohnung die Aeltesten der Stadt den Commandanten und die Officiere einluden; eine Menge Einwohner kamen ihnen an den Thoren mit Musik und allen Zeichen friedlicher Gesinnungen und allge⸗ meiner Freude entgegen; selbst die Frauen erschienen auf ih⸗ ren Hausterrassen, um die gemeinschaftliche Freude der Russen und der Ihrigen zu sehen. Bis Mitternacht wogte durch die erleuchteten Straßen von Ardaghan die jauchzende Volksmenge von einem Orte zum andern, mit Mustk, Tanz und oͤfterem Abfeuern ihrer kleinen Gewehre. 2 Dieses Fest ist deshalb um so merkwuͤrdiger, da, bis zu den ersten Tagen des November⸗Monats, die Garnison von Ardaghan und alle unsere dasigen Truppen, in der Meinung, es herrsche die Pest in der Stadt, sich außerhalb der Festung gehaͤlten, und mit den Einwohnern keine Gemeinschaft ge⸗ habt hatten, die daher schon zu glauben ansingen, die Pe nison sey schwach und von Krgigeh eh beh . * wie erstaunten sie nun, da sie auf einmal so ee e gesunder und froͤhlicher Soldaten erblickten. Dieses Zest sel einen solchen Eindruck auf sie gemacht haben, daß hen 28 davon sich bis in die benachbarten Sandschacks der Pascha⸗ lies Kars und Achalzich verbreitet hat. , 8 Die hiesige Handels⸗Zeitung enthaͤlt Folgendes: „Der charakteristische, man koͤnnte vielleicht sagen, launen⸗ hafte Gang des Getreidehandels, hat sich im gegenwaͤrtigen Jahre besonders bemerklich gemacht. Zweifeln, Schwanken, ploͤtzliches Steigen, unbegruͤndetes Fallen, Unbestimmtheit und Unsicherheit aller Art, sind stets bemerkte Phaͤ⸗

nomene des Getreide⸗Handels in kritischen Jahren ge⸗ wesen. Die ganz besondere Natur des Getreide⸗Handels

hat ihren Grund in dessen abweichenden Verhaͤltnissen von andern Verkehrs⸗Zweigen. Auf den Getreide⸗Handel haben Alle und Alles Einstuß, Jeder hat damit zu schaffen und Jedes wirkt auf ihn. Zugleich entzichen sich die Resul⸗ tate der Getreide⸗Erndten lange den Schluͤssen des Publi⸗ kums, und daher kommt es, daß die Preise des Getreides je⸗ derzeit mehr durch ein Ahnden und hinterdreinkommendes Fuͤhlen, als durch irgend eine approximative Vorausberech⸗ nung bestimmt werden; daher trifft es sich, daß oft die Noth da ist, ehe man sie anklopfen gehoͤrt, und die Preise das Maaß uͤbersteigen, che man hat einig werden können, ob sie wachsen muͤssen. Wo Jeder kauft und die Meisten verkau⸗ fen, da koͤnnen ein Paar Procente Waaren, die am Markt zuviel sind, den Preis des Ganzen um viel mehr⸗Procente herabdruͤcken und, umgekehrt, uͤber alles Verhaͤltniß erhoͤhen. Nun kommen Spruͤnge; Spekulation und Besorglichkeit stei⸗ gern die Waare zu schwindelnder Hoͤhe, Vertrauungslosigkeit und Entmuthung druͤcken sie zum Nichts herab. Nur die unabhaͤngigen Getreide⸗Niederlagen, wie z. B. die Nieder⸗ lande und verschiedene andere Haͤfen, treiben die Sache noch nach merkantilischer Berechnung, doch auch bei großem Spiel.“

„In fruͤhern Jahrhunderten hat es wirklich zuweilen Hungersnoth gegeben. Kultur⸗Fortschritte, Kartoffeln, Frucht⸗ wechsel, Sicherheit und Fleiß, scheinen Natur⸗Revolu⸗ tionen ausgenommen Europa vor wahrer Hungersuoth zu verwahren; aber Theurung ist moͤglich.“

„Der Mensch, selten zufrieden mit dem natuͤrlichen Gang der Dinge, hat sich auch hier nicht damit begnuͤgt, sondern der Natur seine Systeme aufdringen wollen. Daher die Idee, auf maäͤßige gleichbleibende Getreide⸗ Preise hinzuarbeiten, ohne zu bedenken, daß temporaire Theurung das einzige Mittel ist, den Ackerbau zu erhalten und zu beleben, und uͤberhaupt die Thaͤtigkeit des Menschen zu spornen. Man hat auf zwei Wegen die Getreidepreise in ein gewisses Gleichgewicht bringen wollen, erstlich durch Magazinsysteme oder sogenannte Greniers d'abondance (besser Greniers de famine), zweitens durch Zollsysteme.“ 8

„Die Magazinsysteme, wenn sie wirklich durchzusetzen waͤren, wuͤrden die Folge haben, in guten Jahren den Preis des Getreides unnoͤthig zu erhoͤhen, in Mitteljahren ihn, durch den Verkauf aus den Magazinen der Erneuerung we⸗ gen, herabzudruͤcken, und in schlechten Jahren den Ackerbau der verhaͤltnißmaͤßigen Belohnung und des Ersatzes fuͤr Un⸗ faͤlle zu berauben. Ein solches System, indem es die Erwar⸗ tungen des Ackermannes schwaͤcht, arbeitet wesentlich dem Verfall der Landwirthschaft und kuͤnftiger Theurung in die

Hand. Eine Abart des Magazinsystems ist ein Getreidemo⸗

nopol, wie die ehemalige Annona, und praktisch genommen

vielleicht nicht das Schlechtere, wenigstens im Kleinen.“ „Das Regrliren des Getreidewesens durch Zollsysteme

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hat auf der einen Seite dieselben Tendenzen, auf der anderu bringt es Uebel neuer Art. Wenn es keine Jahreszeiten gaͤbe, das Meer immer und uͤberall gleich offen waͤre, wenn die Kornlaͤnder so thoͤrigt waͤren und seyn koͤnnten, neun Jahre ihr Korn auf den Speichern faulen zu lassen, um im zehnten Etwas an die Systemfreunde zu verkaufen, so moͤchte es hingehen. Aber da dem nun nicht so ist, so bringt das Zollkuͤnsteln an faͤhr folgenden Gang der Dinge hervor: Die Erndte ist un⸗ gewiß, bedenklich; der Natur der Sache nach bleibt man lange zweifelhaft, man traut zwar dem Vorrath nicht, will aber keine unsichern Spekulationen machen. Unterdessen steigen die Preise. Der Landmann, durch sie gelockt, bringt sein vielleicht schlechteres Korn zu fleizig an den Markr. Zu⸗ gleich wird auch Einiges vom Auslande zugefuͤhrt. Nun fallen die Preise wieder. Alles dies vermehrt die Ungewiß⸗ heit; bald fuͤrchtet man Theuerung, bald haͤlt man die Idee des Mangels fuͤr Taͤuschung. Nur Eines ist dabei gewiß: daß immer mehr Zeit verloren geht. Endlich uͤberwiegt die Besorgniß, und nun stuͤrmt man nach den Getreide⸗Laͤndern Aber die Zeit ist groͤßtentheils verloren, der Winter ist da, die Länder haben der Anhaͤufung von Getreide⸗Vorraͤthen entsagt oder selbst Mißerndten gehabt. Nun uͤberbietet 22 sich, kauft zu ungemessenem Preise, und vielleicht kommt wie zum Theil 1817, das theure Getreide an den Orten der Verzehrung erst dann an, wenn schon eine gute neue Erndte da ist. Nun kommen Banquerotte hinterdrein, und der Staat hat, leider, einen Theil seines National⸗Vermo⸗ gens zweckwidrig verloren.“

„Keines dieser Uebel ist bei einem freien Getreide⸗Handel zu befuͤrchten. Die Getreide⸗Preise werden seyn, wie sie seyn müuͤssen; dagegen moͤgen Regierungen und Reiche den Aerm⸗ sten unter die Arme greifen. Im natuͤrlichen Laufe der Dinge wird die Handels⸗Spekulation allmaͤhlig Getreide⸗ Vorraͤthe zufuͤhren, der Ackerbau wird nicht gerade in den Jahren, wo er es am meisten bedarf, durch uͤbermaͤßige Zu⸗ fuhr seiner Ersatze beraubt, kurz Alles bleibt in dem von der Natur vorgezeichneten Geleise. Moͤchten doch die Men⸗ schen zupeilen nicht kluͤger seyn wollen als klug!“

Odessa, 3. Jan. Vorgestern fand die Eroͤffnung der, von Sr. Majestaͤt bestaͤtigten, Ackerbau⸗Gesellschaft in der Behausung Sr. Excellenz des Herrn General⸗Gouverneurs statt. Se. Excellenz eroͤffneten die Sitzung und machten der Versammlung sowohl die Allerhoͤchste Bestaͤtigung bekannt, als auch, daß Se. Majestaͤt geruhet haͤtten, der Gesellschaft einen jaͤhrlichen Zuschuß von 3000 Rubeln auf die Kaiserliche Kasse anweisen zu lassen. Nachdem darauf das Reglement der Gesellschaft vorgelesen worden war, und einer ihrer Stif⸗ ter, der Commerzienrath Herr Sicard, eine den Umstaͤnden angemessene Rede gehalten hatte, schritt man zur Wahl der ackiven Mitglieder. Zum Praͤsidenten des Conseils ward der Graf Woronzoff und zum Vice⸗Praͤstdenten obenerwaͤhn⸗ ten Her. ie ee Die naͤchste Sitzung ist auf den Sten d. M. festgesett worden. 2 eim, Ee nn

Polen. 2

½% . bee Warschau, 14. Jan. Einer von dem Ver * Rathe des Koͤnigreichs Polen ergangenenn eee. folge, ist die freie Einfuhr der Weberdisteln aus dem Aus⸗ lande, gegen Entrichtung der in der Bekanntmachung vom 9. Mai 1826 bestimmten Zoll⸗Abgabe, bis Ende Deeemb 1829 Hächgegeben worden. 85 Mit Benutzung der 25jährigen von dem Mitgliede der Koͤnigl. Gesellschaft der Wissenschaften, Päecttzestir selbst angestellten Wetter⸗Beobachtungen, ist hier cine . teorologische Karte von Warschau, mit Erkläͤrungen in Pol⸗ nischer und Franzoͤsischer Sprache, erschienen. Gestern ist die Weichsel bei unserer Stadt zugefroren.

Frankreich.

Paris, 11. Jan. Vorgestern nach der Messe il⸗. ligte 2. Koͤnig den Deputirten, Herren Casimir Plencg Grafen von la Bourdonnaye, Privat⸗Audienzen.

Der Messager des Chambres enthalt in seinem neuesten Blatte das nachstehende Buͤlletin uͤber die Krankheit des Ministers der auswaͤrtigen Angelegenheiten: „Der Ge⸗ sundheits⸗Zustand des Grafen von la Ferronnays ist ziemlich derselbe wie gestern; jedoch ist Anschein zu einer fortschreiten⸗ den Besserung vorhanden. Se. Excellenz sind noch immer ein wenig schwach.“ Einige wollen jetzt wissen, daß der Graf von Rayneval das Portefeuille des auswaͤrtigen De⸗ partements interimistisch uͤbernehmen werde. 8 Ueber die Abberufung des Marquis von Anglesea aus Irland sagt das Journal des Débars: „Diese Maah⸗

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Veduͤrfnissen der ersten Nothwendigkeit unge⸗