1829 / 54 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

8 WDW1“ auf die fruͤhere Geschichte unserer Gesetzgebung uͤber diesen Gegenstand zu werfen. Es ist ein charakteristischer Zug der neuen Civilisation, daß sie bis auf unsere Zeiten in gewissen Fällen eine Art von Ruͤckkehr zu dem Zustande der Wildheit geduldet, ja man moͤchte fast sagen, geheiligt hat, waͤhrend

sie doch sonst in moralischer Hinsicht der Civilisation der Alten so sehr uͤberlegen ist. Doch darf man den Zweikampf nicht als einen Rest der Barbarei des Mittelalters, welches enselben seinerseits von den Franken oder Germaniern ge⸗ rbt haben soll, betrachten. Waͤre dieser unmenschliche Ge⸗ brauch bloß eine Folge historischer Erinnerungen oder alter Ueberlieferungen, so wuͤrde er, wie so viele Andere, schon langst verschwunden seyn. Aber er hat, wie man leider ge⸗ stteehen muß, seine Quelle in einer uͤberspannten Meinung von

8 Wuͤrde des Menschen, und dies ist der Grund, warum

jene Sitte sich, so uͤbertrieben und blutig sie auch ist, bis auf ein Pehehunaenn fortgepflanzt hat, welches im Uebrigen fuͤr ddie Rechte der Menschlichkeit so hoch entflammt ist.“† Nach ddiesem Eingange beleuchtete der Graf Portalis die Geschichte ddes Zweikampfes seit dessen erstem Entstehen, namentlich iinn Frankreich. Er gedachte der verschiedenen Verordnungen, die im 16ten und 17ten Jahrhundert gegen denselhen erlassen wgwurden, namentlich des beruͤhmten Edictes Ludwigs XIY. vom Jahre 1676, in Folge dessen die Duelle in Frankreich fäast gaͤnzlich aufhoͤrten, das aber unter Ludwig XV., wo sie mit erneuerter Wuth begannen, durch ein Edict vom Jahre 1723, welches bis zur Revolution in Kraft blieb, erneuert werden mußte. Nach diesen und einigen anderen Betrach⸗ tungen ging der Redner den neuen Gesetz⸗Entwurf selbst durch, welcher also lautet: „Art. 1. Wenn in einem Zwei⸗ keäampfe, derselbe moͤge mit blanken Waffen oder mit Schieß⸗ geewehr gefuͤhrt worden seyn, Wunden beigebracht worden 3 sind oder ein Todtschlag veruͤbt worden ist, so sollen nach er⸗ wiesener Thatsache die Inculpaten im geeigneten Falle nach dden Formen der Criminal⸗Prozeß⸗Ordnung verhoͤrt und ver⸗ haftet werden. Der Koͤnigl. Procurator uͤberschickt sofort ddie Protocolle und uͤbrigen Acten dem General⸗Procurator, . unt dieser macht die Sache bei der Anklage Kammer anhaͤn⸗ gig, weiche nach dem Inhalte der Artikel 235 und folg. der ggedachten Prozeß⸗Ordnung verfährt. Art. 2. Erkennt die An⸗ klage⸗Kammer, daß gegen den angeschuldigten Theil hin⸗ laͤngliche Anzeichen des incriminitten Factums vorhanden sind, so uͤberweist sie die Sache dem Assisenhofe, selbst dann, wenn es sich nur von Wunden handelt, die keine Krankheit oder Arbeits⸗Unfaͤhigkeit herbeigefuͤhrt haben. Sie darf da⸗ bei nicht die mindeste Ruͤcksicht auf irgend eine der Ausnah⸗ men nehmen, die, nach dem Inhalte des peinlichen Gesetzbu⸗ ches, der Thatsache den Charakter der Straffaͤlligkeit nehmen. Art. 3. Die Jury soll stets befragt werden, ob keine Um⸗ staͤnde obwalteten, die das Factum eutschuldigten. Abgesehen vpon den im peinlichen Gesetzbuche aufgefuͤhrten Entschuldi⸗ 1 Aeea, soll als ein solcher auch noch die Heraus⸗ feorderung durch Beleidigungen und grobe Beschimpfungen detrachtet werden. Ist die Antwort der Geschworenen auf ddie Frage, ob entschuldigende Umstaͤnde obwalteten, bejahend, so erkennt der Gerichtshof nach dem Jahalte des 326sten Artikels des peinlichen Gesetzbuches; ist jedoch ein Todtschla 8 z ist jedoch Todtschlag 81 veruͤbt worden, so soll der Thaͤter seiner bürgerlichen und 8 Familien⸗Rechte auf einen Zeitraum, der nicht länger als 19 und nicht kuͤrzer als 5 Jahre seyn darf, berauht werden. FHat eine bloße Verwundung statt gefunden, so soll der Tha⸗ eer nur eines Theiles seiner Rechte, und zwar fuͤr eine Zeit beraubt werden koͤnnen, die nicht laͤnger als 5, und nicht kuͤr⸗ er als 3 Jahre seyn darf.“ „Dies“, so schloß der Groß⸗ seegelbewahrer, „ist das einfache System, das wir 8 dem neuen Gesetze vorschlagen. Nicht zum ersten Male seit der Wiederherstellung der Monarchie werden die Kammern F mit diesem wichtigen Gegenstande zu beschäftigen haben; sschon im Jahre 1810 wurde der Deputirten⸗Kammer von einem ihrer Mitglieder selbst der Vorschlag gemacht, den Koͤ⸗ nig um ein Gesetz gegen den Zweikampf zu ditten. Heute ist eine laͤngere Frist nicht mehr statthaft; der oberste Gerichtshof hat die MUnzulänglichkeit unserer Gesetze feierlich anerkannt; eine Entscheidung ist daher unumgaͤnglich noͤthig. Man muß ent⸗ woeder das Duell fuͤr erlaubt erklären, oder es bestrafen. Die Wahl kann nicht zweifelhaft seyn. Nur über die anzuwen⸗ denden Unterdruͤckungs⸗Maaßregeln hat man sich zu einigen. Der Ihnen vorgelegte Gesetz⸗Entwurf, edle Pairs, verdient Ihre reiflichste Ueberlegung; wir wuͤnschen, daß, nachdem er der Gegenstand Ihrer Sgecbunses geworden, Sie denselben verbessern und ihm den Stempel Ihrer hohen Weisheit auf⸗ druͤcken moͤgen; erst dann wird er des erhabenen Monarchen * seyn, dessen vaͤterliche Sorgfalt sich üͤber Alles er⸗ streckt, was die Wohlfahrt des Landes, fuͤr welches das Ge⸗

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Z 11“ 11— 111““ setz bestimmt ist, beföͤr ern kann.“ Nach dem Großsiegel⸗ bewahrer legte der Kriegs⸗Minister das neue Militair⸗ Gesetzbuch vor. Dasselbe besteht aus zwei verschiedenen Ge⸗ setz⸗Entwuͤrfen, wovon der eine von dem Gerichtszwange, der andere von der Straf⸗Anwendung handelt. Mit dem Ersteren, welches in drei Buͤcher zerfaͤllt, wovon das eine die Militair⸗Tribunale, das andere die Competenz derselben und das dritte die Procedur betrifft, hatte die Pairs⸗Kammer sich schon im vorigen Jahre beschaͤftigt. Der Minister ging die verschiedenen Artikel dieser drei Abtheilungen in einer weit⸗ laͤuftigen Rede nochmals durch, und entwickelte die großen Vortheile, die aus denselben fuͤr die Militair⸗Gerichtsbarkeit hervorgingen; er verbreitete sich demnaͤchst auch uͤber den zwei⸗ ten Gesetz⸗Entwurf, welcher von den verschiedenen Militair⸗ Verbrechen und Vergehen, so wie von den Strafbestimmun⸗ gen handelt und jetzt in der Pairs⸗Kammer zur Berathung kommt, und schloß seinen Vortrag mit folgenden Worten: „Der ganze Gesetz⸗Entwurf enthalt wesentliche Ver⸗ besserungen, die Sie, edle Pairs, schon im Laufe Ihrer vorjährigen Berathung erkannt haben. Die persoͤnliche Sicherheit, das heilige Recht der Vertheidigung, die Unpar⸗ theilichkeit der Urtheile, ein richtiges Verhaͤltniß zwischen dem Vergehen und der Strafe, Achtung vor dem Eigenthume und den Rechten der Buͤrger, alle diese großen Interes⸗ sen der Gesellschaft werden dadurch neue Buͤrgschaften er⸗ Diese Buͤrgschaften, die ihnen in einer Zeit der

terirrung, wo das Wort Freiheit nur Unordnung und Willkuͤhr verbarg, verweigert worden waren, konnten nur unter dem Schutze des rechtmaͤßigen Thrones, unter Beguͤn⸗ stigung jenes wechselseitigen und edlen Vertrauens, welches den Koͤnig mit seinem Volke vereint, und unter dem groß⸗ muͤthigen und friedfertigen Regierungs⸗Systeme, das die Charte unserem gluͤcklichen Vaterlande verliehen hat, ver⸗ wirklicht werden.

Die Kammer wird sich am naͤchsten Donnerstag (19ten) zur Pruͤfung der ihr vorgelegten beiden Gesetz⸗Encwuüͤrfe zu⸗ vöͤrderst in ihren Bureaux, und dann in oͤffentlicher Siz⸗ zung, versammeln.

Paris, 16. Febr. Vorgestern, als am Sterbetage des Herzogs von Verry, wohnten der Koͤnig und die Dauphine dem jährlichen Todten⸗Amte in der Schloß⸗Kapelle, der Dau⸗ phin aber in der Abtei zu St. Denis hei. Die Herzogin von Berry hoͤrte eine Seelen⸗Messe in ihrem Betzimmer.

Der Constitutionnel fordert die Deputirten auf, den Gesetz⸗Entwurf wiegen Verläͤngerung des Tabacks⸗Mono⸗ pols zu verwerfen, und zwar aus drei Gruͤnden: einmal⸗ weil es sehr gefährlich sey, das verdammungswuͤrdige Prin⸗ cip, worauf Monopole im Allgemeinen sich gruͤndeten, in Frankreichs Gesetzgebung fortleben zu lassen; zweitens, weil durch die Monopole das Eigenthums; und Fabrications⸗Recht verletzt werde, und es ungleich wichtiger sey, diese Rechte, die Saͤulen des gesellschaftlichen Gebaͤudes, heilig zu bewah⸗ ren, als den Beduͤrfnissen des Fiscus vollständig zu genuͤgen; endlich drittens, weil jede Regierung, ihrer Natur nach, im⸗ mer der schlechteste Produceut und der theuerste Verkaͤufer sey, und jeder Erwerbzweig in deren Haͤnden nothwendig verkuͤmmern muͤsse.

Die Gazette de France macht auf die Inconseg ür

des Courrier francais aufmerksam, welcher, woͤhrend er ie Siebenjährigkeit unter dem Vorwande⸗ daß dieselbe die Charte verletze, anficht, den Vorschlag macht, daß das wahlfaͤhige Alter der Deputirten auf 30 Jahr herabgesetzt werde, obgleich die Tharte ausdruͤcklich bestimmt, daß die Deputirten minde⸗ stens 40 Jahr alt seyn müͤßten. 8 Mehrere Einwohner des Departements der Maine und Loire haben ihrem Deputirten, dem Marquis von Andigué, eine Bittschrift an die Kammer geschickt, worin sie die Auf⸗ heaes des doppelten Votums und der Siebenjaͤhrigkeit ver⸗ angen. .

Der Cardinal von Clermont⸗Tonuerre laͤßt durch das Mémorial de Toulouse eine den Sinn entstellende Phtase in seinem (in Nr. 43 der Staats⸗Zeitung mitgetheilten) Schreiben au den Minister der geistlichen Fngelegenhelten, wie solches von der Gazette de France publicirt worden war, berichtigen. Es muß naͤmlich darin heißen: „Nur mit Muͤhe wuͤrde ich mir Ihre gebieterische Forderung erklären koͤnnen, wenn ich nicht wuͤßte, daß sie die Folge einer deutlich aus⸗ gesprochenen und allgemein bekannten Aegunst ist, wie mir solches einer meiner Amtsgenossen meldet. Ich haͤtte nicht geglaubt, schreibt derselbe, daß es moͤglich sey, den Groll und die Leidenschaft so weit zu treiben. „Die Worte schreibt derselbe hatte die Gazette weggelassen, so daß es das Anse⸗ hen 292 als ob der dem Minister gemachte Vorwurs von Schreiber des Briefes selbst herruͤhre.

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