1829 / 68 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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tigste Eingabe, woruͤber er Bericht abstattete, ruͤhrte von einem gewissen Tougard, Advocaten in Rouen, her, welcher die Abschaffung der Todesstrafe gegen Falschmuͤnzer verlangte. Hr. J. Lefebvre hielt diese Strafe, der auch die Verfer⸗ tiger falscher Banknoten unterworfen sind, fuͤr unangemessen, da allzustrenge peinliche Gesetze zur Ungestraftheit fuͤhrten und sonach dem beabsichtigten Zwecke gerade zuwiderliefen. Herr v. Tracy benutzte die Gelegenheit, um sich im Allgemeinen daruͤber zu beschweren, daß das peinliche Gesetzbuch mit der Todesstrafe viel zu verschwenderisch umgehe. Er glaubte, daß diese Strafe gegen Falschmuͤnzer, Verfertiger falscher Staats⸗ papiere, Brandstifter und Diebe niemals angewendet werden duͤrfe, da das Leben eines Menschen immer unendlich hoͤher stehe, als irgend eines dieser Verbrechen. Herr v. Berbis war dieser Meinung nicht. Er hielt die Brandstiftung gerade fuͤr dasjenige Verbrechen, worauf die Todesstrafe am anwend⸗ barsten sey, indem dadurch nicht bloß das Eigenthum ver⸗ nichtet, sondern zugleich das Leben der Personen in Gefahr ge⸗ bracht werde. Auf diese Aeußerung bestieg Hr. v. Tracynochmals die Rednerbuͤhne; er erklaͤrte jetzt, daß seine Ueberzeugung noch viel weiter gehe, als er sie anfangs ausgesprochen gehabt habe; als Buͤrger, wie als Deputirter, nehme er naͤmlich kei⸗ nen Augenblick Anstand, zu behaupten, daß kein Staat in irgend einem Falle berechtigt sey, die Todesstrafe uͤber einen seiner Buͤrger zu verhaͤngen. Als der Redner bei diesen Worten lebhaft unterbrochen wurde, fuͤgte er hinzu, dies sey seine persoͤnliche Meinung; er wisse sehr wohl, daß nicht Alle so daͤchten, wie er, mindestens aber muͤsse man die To⸗ desstrafe nur in den wenigsten Faͤllen eintreten lassen, und er werde sich z. B. nie uͤberzeugen koͤnnen, daß die Hinrich⸗ tung eines Menschen mit einer nachgemachten Banknote ir⸗ gend im Verhaͤltnisse stehe. Der Minister des Innern ußerte sich uͤber den Gegenstand in folgender Art: „Wenn man den Grundsatz gelten lassen will, daß der Staat das Recht nicht habe, selbst die großen Verbrecher mit dem Tode zu bestrafen, so muß man, als nothwendige Folge auch zu der Ansicht gelangen, daß heutiges Tages eben so viele Morde verüͤbt werden, als die Assisenhöfe Todes⸗Urtheile faͤllen. Die Frage, die uns beschaftig⸗ ist eine von denen, die sich ohne achtheile nur in den Buͤchern der Publicisten eroͤrtern las⸗ Hier aber, in einer Versammlung von Gesetzgebern, andelt es sich nicht um bloße Theorieen, sondern um Worte, die, von der Rednerbuͤhne herab, sich uͤber ganz Frankreich verbreiten koͤnnen. Ich erklaͤre daher, daß es gefäaͤhrlich, ash gefaͤhrlich ist, in dieser Versammlung auf eine so ab⸗ olute und allgemeine Weise das ganze System unserer pein⸗ lichen Gesetzgebung zu tadeln, und diesen Tadel durch die blutigen Worte zu verkuͤndigen: „„das Gesetz verordnet den Mord“. Haͤtte die Kammer sich darauf beschraͤnkt, die Aufmerksamkeit der Regierung auf die Nachtheile zu lenken, die dadurch entstehen, daß man gewisse Verbrechen, wie z. B. die Falschmuͤnzerei, mit einer allzustrengen Strafe belegt; hätte sie bloß den Wunsch zu erkennen gegeben, daß der Staat die Todesstrafe so selten als möglich in Anwendung bringen moͤge, so wuͤrden die Freunde der Menschheit, wie die der Gerech⸗ tigkeit, ihren Worten nur Beifall gezollt haben; aber man hat sich zu allgemeinen Ansichten verleiten lassen; man hat dem Staate ein Recht, das allerdings furchthar ist, das derselbe aber kraft der bestehenden Geset⸗ ausuͤbt, streitig machen wollen; einen solchen Grundsatz konnte ich nicht ungeruüͤgt lassen.“ Nach dieser Erklaͤrung bestieg Hr. v. Tracy zum drittenmale die Rednerbuͤhne, um die stillschweigende Beschul⸗ digung des Hrn. v. Martignac, als ob er durch die Eroͤrte⸗ rung der in Rede stehenden Frage seine Rechte als Deputir⸗ ter üͤberschritten habe, zuruͤckzuweisen; gleichwie es jedem Buͤrger freistehen wuͤrde, in einer Bittschrift an die Kam⸗ mer auf die Abschaffung der Todesstrafe anzutragen, muͤsse es ihm auch vergoͤnnt seyn, seine Meinung über diesen Ge⸗ genstand unverhohlen auszusprechen; er wiederhole daher, daß seiner Ansicht nach die Todesstrafe eigentlich nie in Anwen⸗ dun kommen duͤrfe, und daß diese Ansicht von vielen hoͤchst achtbaren Maͤnnern getheilt werde. Nachdem noch die Her⸗ ren Girod und v. Laboulaye sich uͤber den enstand hatten, wurde die Bitrschrift des Tougard, dem utrage der Commission gemaͤß, dem Großsiegelbewahrer uͤberwiesen, und in dem Nachweis⸗Buüreau deponirt. Die Eingabe eines Lyoner Buͤrgers, welcher eine neue Or a⸗ nisation der Leihhaͤuser verlangte, wurde dem Mint 9 dem Minister des unern zugestellt. Unter den Hittschriften, woruͤber, nach rn. Boulard, Hr. Daunant Bericht erstattete war keine welche einer besonderen Erwaͤhnung verdiente. Dage I der vierte Berichterstatter, Hr. Clement, eine Aüon gn2

die eine interessante Discussion veranlaßte. ie Wirtwe Vertrand⸗L Hosdinière zu Carneille im Departement der Oent

hatte naͤmlich, als sie vor geraumer Zeit ihren Gatten, ein ehemaliges Convents⸗Mitglied, verlor, auf dessen Grabstein folgende Inschrift setzen lassen: „Das Vaterland verliert in ihm einen seiner besten Buͤrger und die Freiheit einen ihrer eifrigsten Vertheidiger.“ Kaum war die Kunde hiervon mehrere Jahre spaͤter zu den Ohren des neuen Koͤniglichen Procurators zu Domfront, Herrn von Girardville, gelangt, als dieser sich ohne Weiteres in Begleitung einer Gensdarmerie⸗ Brigade nach Carneille begab, den Leichenstein zerschlagen und die Inschrift wegnehmen ließ. Die Wittwe Bertrand, empört uͤber diesen Vorfall, trug bei dem Koͤnigl. Gerichts⸗ hofe zu Caen auf die Bestrafung des Thaͤters an. Der General⸗Procurator tadelte zwar den Gewalt⸗Mißbrauch des Procurators zu Domfront, wies aber nichtsdestoweniger den Antrag der Bertrand zuruͤck, indem ihre Inschrift beleidi⸗ gend fuͤr die Wuͤrde und die Rechte des Koͤnigs gewesen sey; er uͤberließ es indessen der Beschwerdefuͤhrerin, den gedachten Procurator gerichtlich zu belangen. Die Wittwe Bertrand theilte diesen Beschluß dem Großsiegelbewahrer mit, klagte aber nicht. Ietzt wendet sie sich, in ihrem und ihrer Kin⸗ der und Kindeskinder Namen, an die Kammer, beschwert sich, daß man ihr nicht gerecht geworden sey und verlan

Genugthunng fuͤr den erlittenen Schimpf. Der Bericht⸗ erstatter erkläͤrte, die Commission habe sich nicht weiter mit der Frage beschaͤftigt, ob der Procurator zu Domfront seine Gewalt gemißbraucht habe oder nicht, da dies eine erwiesene Thatsache sey, auch der vorige, wie der jetzige Justiz⸗Mini⸗ ster, ihre Mißbilligung daruͤber zu erkennen gegeben haͤtten. Eben so wenig habe die Commission untersüuchen zu muͤssen ge⸗ glaubt, ob das Betragen des gedachten Procurators gegen den 11ten Artikel der Charte, welcher fruͤhere politische Mei⸗ nungen der Vergessenheit uͤbergebe, verstoße; doch glaube sie, daß diese Bestimmung der Charte unmöͤglich eine Grab⸗In⸗ schrift rechtfertigen koͤnne, welche gleichsam eine Lobrede auf die strafbarsten Handlungen enthalte; allerdings habe die Fa⸗ milie des Bertrand Ursache, sich uͤber den Procurator zu Domfront zu beschweren, doch bleibe ihr dazu der gerichtiiche Weg offen, der allen Franzosen zugaͤnglich sey, den sie indes⸗ sen noch nicht eingeschlagen habe; wohl aber verdiene das Betragen des Procurators eine sorgfäͤltige Untersuchung unter diesen Umstaͤnden trage die Commission darauf an, die Bittschrift der Bertrand, in so fern es sich darin von einer Rechts⸗Verweigerung handele, durch die Tages⸗Ordnung zu beseitigen; in Betreff des Betragens des Procu⸗ rators zu Domfront aber dem Großsiegelbewahrer zu- uͤberweisen. Der Marquis von Pina verlangte,

daß man uͤber die ganze Eingabe zur Tages⸗Ordnung schreite, da, wenn gleich die Charte die Vergessenheit vergangener Zeiten verlange, es doch nimmermehr erlaubt seyn duͤrfe, unter der Regierung eines Bruders und Nachfolgers des Koͤnigl. Maͤrtyrers, dem Koͤnigs⸗Morde oͤffentlich eine Lob⸗ rede zu halten. Der Vicomte Lemereier nahm sich der Wittwe Bertrand an; er machte namentlich auf den Umstand aufmerksam, daß das gedachte Denkmal bereits seit 6 Jah⸗ ren auf dem Kirchhofe zu Carneille bestanden habe, ohne daß es den gerichtlichen oder den ö eingefallen sey, die Strenge der Gesetze gegen die Inschrift desselben in Anspruch zu nehmen. Herr von Connp hielt einen bered⸗ ten Vortrag, worin er mit lebhaften Farben die Gefuͤhle schilderte, die sich seiner bemäaͤchtigt, als er gehoͤrt, daß einem Manne, wie Bertrand L Hosdiniebre, der das Todes⸗Urtheil seines Koͤnigs mit unterzeichnet gehabt, uͤberhaupt ein Denk⸗ mal, noch dazu aber ein solches gesetzt worden sey, worin er als einer der besten Buͤrger geschildert werde. Als Frank⸗ reichs Mandatarien“, so schloß der Redner, ist uns ehn hei⸗ liges Gut anvertraut, das der National⸗Ehre. Wir werden daher mit ganz Frankreich sagen: der Procurator zu Dom⸗ front hat einem Gesetze gehorcht, das nirgends gesch steht, das aber allen Gesetzen vorangegangen ist und alle überleben wird, dem Gesetze der Ehre. Im Namen des beleidigten Landes, im Namen der National Ehre, die dem Franzosen theurer als sein Leben ist, verlange ich daher, daß die Bittschrift, welche man der Kammer einzureichen ge⸗ wagt hat, durch die Tages⸗Ordnung beseitigt werde.“ Der Großsiegelbewahrer (nicht der Minister des Innern, wie in der Nachschrift zum gestrigen Blatte der Staats⸗Zeitung irrthüͤmlich gemeldet worden ist) bemerkte, wie der Umstand, daß die Wittwe Bertrand, statt den Weg Rechtens einzuschlagen, sich an die Kammer wende, ganz eigentlich beweise, daß sie noch immer von den Gesin⸗ beseelt sey, die ihr die Grab⸗Inschrift auf ihren verstorbenen Gatten eingegeben hätten, und die er nicht wei⸗ ter bezeichnen wolle; es komme jetzt nur vor Allem darauf an, daß die Sache endlich erledigt und dem dadurch gegebes