1829 / 70 p. 6 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

Von denselben hochherzigen Gefuͤhlen beseelt, erbieten ssiich aber auch sogleich zur Vollfuͤhrung einer edlen und schoͤ⸗ nen That der Steuermann Breitenfeld, die Matrosen Karl Drews und Peter Moͤller von Wyk bei Greifswald, so wie dder Matrose Johann Schroͤder von Raddewitz auf Ruͤgen, unnd erhalten von dem ꝛc. Wallis die Erlaubniß, das Schiffs⸗ bpbooet auszusetzen, und den Versuch zur Rettung der Ungluͤck⸗ lllichen zu machen. Der Capitain bleibt mit der uͤbrigen geringen Besatzung unter drohenden Gefahren fuͤr die eigene Selbsterhaltung am Bpord zuruͤck, und Breitenfeld unternimmt mit den gedach⸗ teen drei Matrosen, im Vertrauen auf Gott, die kuͤhne That. Mitt groͤßter Muͤhe wird das Boot in See gelassen und fast vpon der bewegten See zerschellt an das Schiff geworfen; ja es bricht sogar eine Planke des Boots; nichts schreckt aber den muthigen Breitenfeld und die durch sein Beispiel angefeuerten Genossen.

Um 11 Uhr verlassen die kuͤhnen Retter das Schiff, nachdem sie einige zur Rettung dienliche Geraͤthschaften ins Boot genommen, und allein ihre Richtung nach dem Orte hinnehmend, woher ihnen das Huͤlfegeschrei entgegen schallt, durchbrechen sie mit Anwendung aller Kraft die wildbewegten FSluthen, und entdeckt der mehrgedachte Steuermann eudlich I1 in einer Entfernung von circa 150 200 Schritten ein Schiffswrack, worauf mehrere Menschen sich festgeklammert heaben und uͤber welche die See sich bricht.

. Es gelingt ihnen, in die Naͤhe der Huͤlfsbeduͤrftigen zu kcoommen, und diese flehen auf das dringendste, daß das ret⸗ 11“ 85 Booͤt und seine Fuͤhrer sich naͤhern und sie aufnehmen nnoͤchten. Breitenfeld, mit aller Waͤrme des Herzens und des 8 regsen Mitgefuͤhls, bleibt besonnener Mann, stellt den Un⸗ 11 gluͤcklichen mit wenigen Worten vor, daß eine weitere An⸗ anaaherung des Bootes an ihr Schiff nur ihren gemeinschaft⸗ lichen Untergang gewiß herbeiführen werde, sie dagegen Gott vertrauen und seinen muthvollen Anordnungen Folge leisten nmnsͤchten. Er wirft darauf den Ungluͤcklichen eine, zu diesem Zwecke mitgenommene, sogenannte Seesegel⸗Fall⸗Leine, zu, da⸗ mit Einer nach dem Andern durch dieselbe ins Boot gezogen werden moͤge. Noch zoͤgern die Ungluͤcklichen, dieses ein⸗ zige, aber gefaͤhrlich scheinende Rettungsmittel zu benutzen; aber als der Anfuͤhrer der Schiffsbruͤchigen sich, die Leine uum den Leib geschlungen, Gott vertrauend, in die Fluthen ggestuͤrzt hatte, und gluͤcklich durch die Wogen in das Boot dder Retter gezogen war, da folgen auch die Uebrigen dem Begsptele ihres Fuͤhrers, und es gelingt dem braven Brei⸗ tenfeld und seinen muthigen Gehuͤlfen, nach rastloser Arbeit einer Stunde, die neun Mann starke Schiffsbesatzung des Schiffs „Atalante“, gefuͤhrt vom Schiffs⸗Capitain Johann Gottfried Grawitz, von Stettin nach Bordeaux mit einer Ladung Stabholz bestimmt, zu retten.

Inzwischen war das Schiff „Marie“, trotz aller An⸗ strengung des edlen Wallis, doch weiter fortgetrieben, und noch bedurfte es großer Anstrengung, mit dem uͤberfuͤllten Booͤte das Schiff zu erreichen. Doch auch dies gelang den Braven, und um 1 Uhr waren alle gluͤcklich am Bord des gedachten Schiffes, wo die armen Ungluͤcklichen, welche nur das nackte Leben gerettet, mit trockenen Kleidungsstuͤcken ver⸗ sehen und mit Speise und Trank erfrischt wurdem.

Da der ꝛc. Wallis bei der finsteren Nacht nicht sehen oder hoͤren konnte, so war er, wegen der langen Abwesen⸗ heit seines Bootes und dessen Fuͤhrer, sehr besorgt, und uͤber⸗ ließ sich unwillkuͤhrlich dem niederschlagenden Gedanken, daß solches etwa von der hohen See umgeworfen seyn und seine brave Mannschaft in Ausuͤbung edler Menschenpflicht den Tod in den Wellen moͤge gefunden haben; in welchem Falle er fein Schiff mit den wenigen nachgebliebenen Leuten und bei der stuͤrmenden See auch nicht haͤtte leiten koͤnnen.

Die Mannschaft beider Schiffe saͤumte nicht, im schul⸗ digen Gefuͤhle des Dankes und der Verehrung, dem Aller⸗ höͤchsten fuͤr die, ihr gewordene Rettung knieend zu lobsingen und zu preisen.

er ꝛc. Wallis braschte nunmehr voll, und steuerte sei⸗

nen Cours O. z. N. Der Wind war N. fuͤr gereffte Se⸗ gel, und das Schiff erreichte am 15. September v. J. Hel⸗ singör, wo der Capitain Grawitz und seine Leute, nach herz⸗ ichem Danke fuͤr ihre Rettung ꝛc. abgingen, um weiter fuͤr ihre Ruͤckkehr in die Heimath zu sorgen.

Stettin, 7. Maͤrz. Unter den jetzt noch lebenden Ve⸗ teranen des siebenjährigen Krieges ist Friedrich Vogdts, aus Falkenwalde im Randowschen Kreise, gewiß einer der merkwuͤrdigsten. Er trat am 4ten d. M. sein 102tes Lebens⸗ Jahr an, diente im Regiment v. Belling Husaren, wurde

65*

1“

8—2

nen Abschied. Seit dieser Zeit hat er sich stets als T loͤhner erhalten, und in dreien Ehen 24 Kinder gezeugt.

in der letzten Zeit haben ihn seine abnehmenden Kraͤfte g. zwungen, zu fremder Huͤlfe Zuflucht zu nehmen. An sei 102ten Geburts⸗Tage erschien er im landraͤthlichen Buͤre um persoͤnlich die Unterstuͤtzung in Anspruch zu neh welche des Koͤnigs Maäjestaͤt den Veteranen jenes Krie bis an ihr Lebens⸗Ende huldreichst bewilligt haben. Nazh dem ihm die Erwirkung derselben verheißen war, wurde von dem Kreis⸗Landrath den zum 3ten Provinzial⸗Landta versammelten Herren Abgeordneten vorgestellt, und erhiel von ihnen durch Subscription ein so ansehnliches Geschenk, daß er ganz neu bekleidet und mit einer baaren Summe seine Heimath entlassen werden konnte.

Vermischte Nachrichten.

Mit Hinsicht auf das Ableben Leo's Xll. und die durch veranlaßte, jetzt vorseyende neue Papst⸗Wahl, wi es den Lesern der Staats⸗Zeitung nicht unwillkommen sey nachstehende Darstellung der herkoͤmmlichen Vorgaͤnge i Rom, von dem Augenblicke des Todes eines Papstes bis z erfolgten Wahl seines Nachfolgers, zu erhalten.

Die erste amtliche Handlung, welche der Cardinal⸗Kaͤm merling nach dem Tode des Papstes vollzieht, ist die gese liche Constatirung des Todes selbst durch Aufnahme ein darüͤber sprechenden Protocolls. Er nimmt hierauf den genannten Fischer⸗Ring in Empfang, auf welchem, nebe dem Wappen des Verstorbenen, St. Peter Angelruthe auswerfend. Dieses Siegelr die Päpste bei den Breves, sie se

er Ring wird von dem Cardinal⸗Käͤmmerling aufbewah um bei der ersten Congregation den Cardinaͤlen vorgez zu werden, in deren Gegenwart er demnaͤchst zerbrochen wir Gleich nach erfolgter foͤrmlicher Constatirung des Todes ver⸗ läͤßt der Cardinal das Zimmer, in welchem sich der Versto bene befindet, um den Befehl ergehen zu lassen, daß die große Glocke des Capitols das Trauer, Gelaͤute anstimme damit der Stadt der Tod ihres Oberhirten verkuͤn⸗ det werde. Das Trauer⸗Gelaͤute besteht darin, daß man waͤhrend einer halben Stunde mit einem Hammer auf die Glocke schlaͤgt, indem man zwischen je 3 und 4 Schlä⸗ gen eine Pause von einigen Minnten macht. Sobald die große Glocke des Capitols das Zeichen gegeben, ertoͤnt gle ches Gelaͤut von allen Kirchen Roms.

Demnaͤchst nimmt der Cardinal⸗Kaͤmmerling, im Na⸗ men der Apostolischen Kammer, deren Vorstand er ist, Be⸗ sitz von dem Pallast, und laͤßt in Folge dessen ein Inventa⸗ rium von Allem aufnehmen, was nicht Privat⸗Eigenthum Verblichenen ist. Was dieses letztere betrifft, so glauben b kanntlich die Domestiken des Papstes, ein herkoͤmmli Recht zu haben, so viel als nur möglich sich davon nen. Bei dem Tode Ganganellis verfuhren seine Leute d bei mit einer solchen Habsucht, daß, als der sterbende P von einer Ohnmacht, in deren Folge man ihn schon fuͤr tod gehalten hatte, wieder zu sich kam, die Tapeten von Waͤnden abgerissen, das ganze Zimmer leer, und sogar Le⸗ ter und Licht vor dem Bette verschwunden waren. Sobald Cardinal⸗Kaͤmmerling aus den Paͤpstlichen Gemaͤchern ruͤckkehrt, so findet ein besonderer Vorgang zwischen ihm und dem Hauptmann der Schweizer⸗Garde statt. Es han⸗ delt sich naäͤmlich darum, das Dienstverhaͤltniß dieser Truppen, welches mit dem Tode des Papstes erlischt, zu verlän⸗ gern. Der Gebrauch schreibt vor, daß diese Ueberein⸗ kunft auf folgende Weise geschehe. Der Hauptmann, an der Spitze eines Theils seiner Garde, tritt vor den Cardinal. Dieser sieht ihn im Begriff abzuziehen, und fragt, was das bedeuten solle? „Wir gehen fort,“ antwortet ihm ber Haupt⸗ mann, „der Papst ist todt, wir haben nichts mehr hier zu thun.”“ Der Cardinal erwiedert: „Ihr sollt uns als Gar⸗ den dienen, die wir waͤhrend der Vacanz Haupt der Regie⸗ rung sind.“ „Aber wer bezahlt uns denn?“ fragt der Officier. „Nun,“ antwortet der Cardinal, „wir sind es, die Euch bezahlen;“ und der Contract ist gemacht. Die Schweizer erhalten dann den vollen Sold des Monats, in dessen Laufe der Papst gestorben ist, und waͤhrend ihres inte⸗ rimistischen Dienstes bekommen sie, bis eine neue Capitula⸗ tion geschlossen ist, eine Vermehrung des Soldes. Den alten Statuten der Stadt Rom zufolge war der Senat, waͤhrend der Erledigung des Päpstlichen Stuhls, die oberste Civil⸗Autoritaͤt in dem Weichbilde der Stadt, indem er sich auf diese Zwischenzeit seine Unabhängigkeit von der

perwundet, und nahm nach dem Hubertsburger Frieden sei⸗

geistlichen Herrschaft wieder beilegte. Diese Rechte Sasn,

9