1829 / 154 p. 8 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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ler Revolutionen, und zunaͤchst die des Volkes, welches dem EGipfel Europaͤischer Civilisation am naͤchsten gekommen zu seyn glaubte, den traurigen Beweis liefert, daß da, wo Par⸗ theiwuth sich der gereizten Gemuͤther bemäͤchtigt, und der politische oder religioͤse Fanatismus die Oberhand gewinnt, die Menschheit mit Fuͤßen getreten wird. Um so erklaͤrba⸗ rer ist es, daß ein Orientalischer Fuͤrst, der gewohnt ist, das Leben seiner Sklaven fuͤr nichts zu achten, der uͤber ein

schickte, und zugleich eine Anzahl Officiere, Soldaten, Feuerwer⸗ ker und Exerciermeister von allen Waffen zu seiner Verfuͤgung stellte. Allein der entschiedene Widerstand der Janitscharen gegen alle Neuerungen setzte der Benutzung dieser trefflichen Elemente unuͤberwindliche Hindernisse entgegen. Alle Bemuͤhungen, die ͤffentliche Meinung fuͤr die beabsichtigte Reform zu gewinnen, blieben ohne Erfolg, und Selim mußte sich mit der bhemann einer Schwadron Cavallerie und eines Bataillons regulairer In⸗ fanterie, groͤßtentheils aus Renegaten zusammengesetzt, begnuͤgen, Europaͤische Weise organisirt, bewaffnet und exercirt urden.

Auch diese wurden bald nachhber wieder aufgelbst, und dieser Versuch hatte fuͤrs erste keinen weiteren Erfolg. Hussein Pascha, der beruͤhmte Groß⸗Admiral und der eigentliche Gruͤnder der, seit seinem Tode wieder in Verfall gerathenen Tuͤrkischen Ma⸗ rine*), sammelte die zerstreuten Ueberbleibsel der aufgelbsten Trup⸗ pen um sich, und bibere mit Huͤlfe sehr ansehnlicher Handgelder ein kleines Corps von 5 bis 600 Mann, halb aus Muselmaͤnnern,

alb aus Renegaten bestehend, das er der Marine voͤllig einver⸗ eibte, und das sich bald darauf im Juli 1799, mit Unterstuͤtzung des Englischen Commodores Sidney Smith, durch die glorreiche Ver⸗ theidigung von St. Jean d Acre gegen die Franzoͤsische Armec unter Buonaparte, aufs glaͤnzendste auszeichnete. Als diese Helden neuer Art, mit Ruhm gekroͤnt, nach Konstantinopel zuruͤckkehrten und vom Volke mit lautem Jubel empfangen wurden, beschloß Selim, der sich im Stillen zum Kampf gegen Rußland ruͤstete, die Abwesenheit der bei der Armee in Syrien befindlichen Ober⸗ haͤupter der Janitscharen zu benutzen, um die neue Truppe zu vermeh⸗ ren, und ein abgesondertes, regelmäaͤßig besoldetes Corps daraus zu ormiren, das er nicht nur den aͤußern Feinden, den Russen, son⸗ ern noͤthigenfalls auch den innern, den Janitscharen, mit Zuver⸗ sicht Hegeguͤberscllen koͤnne. Der Mufti 7.), Salih⸗Zade Efendi, und der Groß⸗Admiral Hussein Pascha, waren die eben so eifrigen als maͤchtigen Beforderer dieses Beschlusses, und vereinigten ihren Einfluß, um die Besorgnisse der Ulema's und der in Konstantino⸗ pel anwesenden Janitscharen zu beschwichtigen. Das neu ange⸗ worbene Corps, aus Cavalleric, Infanterie und reitender Artillerie bestehend, dessen Staͤrke sich auf 15 bis 16,000 Mann bellef, ward ganz auf Europaͤischen Fuß organisirt, und erhielt den Namen Nisami-dschedid Askeri. d. h. Soldaten der neuen Einrichtung; zwei Regimenter nur wurden in Konstantinopel crrichtet, die uͤbri⸗ gen in Klein⸗Asten, wo Kadi⸗Pascha, der Statthalter von Kara⸗ mauien, allein die Errichtung von acht Regimentern zu Stande brachte. Selim's heilsame Absicht, mittelst des Nisami⸗Dsche⸗ did's den Kern eines neuen Heeres zu bilden, die bewaff⸗ nete Macht in der Hauptstadt und den Provinzen an Ord⸗ nung, Zucht und Gehorsam zu gewoͤhnen, und der Raub⸗ sucht trotziger Statthalter einen Zuͤgel anzulegen, war eines großen Fuͤrsten wuͤrdig, allein sie scheiterte in der Ausfuͤhrung, weil weder der Sultan noch die Heerfuͤhrer die neuen Truppen ehoͤrig zu verwenden verstanden, weil zur Erhaltung dersel⸗

i nicht nur betraͤchtliche neue Steuern ausgeschrieben, —— dern auch mehrere Lehne und Pachtungen eingezogen wurden, weil man an der Stelle der bisher uͤblichen Anwerbung der Re⸗ kruten gegen Handgeld, die Conscription einzufuͤhren suchte (1805), weil man endlich gegen die Rechte und Anspruͤche der Ulema’s verstieß und auf diese Weise die geheime Verbindung dieser maͤch⸗ tigen Kaste mit den Janitscharen zum Umsturz der neuen Ord⸗ nung der Dinge beschleunigte und befestigte. Mißgriffe haͤuften 2* riffe und Gesabren auf Gefahrn, seitdem der Tod

n Sultan

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5* kraͤftigsten Stuͤtzen beraubt hatte. Hussein Pascha und der Mufti

Salih Zadè waren Beide vom Schauplatz abgetreten Der wohl⸗ 9 wollende, edelgesinnte aber kraftlose Selim, war von Schwach⸗ Fbpfen und Verraͤthern umgeben. Vosheit und Unklugheit rei

1 ten sich die Hand, um ihn ins Verderben zu stuͤrzen. Die, sechs

Jahre hindurch immer hoͤher gesteigerte Unzufriedenheit, brach

endlich in offene Empbrung aus, deren geheime Oberhaͤupter der

Bekannt unter dem Namen Kützschük Hnzszein (der kleine Hussein). ueen aus Feergien ward er in Konstantinopel als Sklave ver erhtelt aber bald seine Fre „schwang sich in Zeit zu den hoöchsten Würden empor, und warz l einer Gen en en Sultanin, geb. den 16. Jult 1789, Schw ster Sultan Mahmud’s) seines Woblthaters Selim, dem er bis zu seinem Tode 1187) die treueste Anhanglichkeit widmete. Seine unermüdliche Thatigkeit, seine Freigebigkeit, seine unerschüütterliche Festigkeit und seine bisweilen grausame Strenge waren Uürfache, das seine Freunde ihn anbeteten, wahrend seine Feinde und We cher vor ihm zitterten. Mufti, der Berather, oder auch Scheich ol JFolam Scheich des Islams, bekleidet die oberste geistliche Burde im Staate, wie 8⸗ Wesit die oberste weltliche. Muhamed II. raume zuerst dem der Hauptstadt den Vorrang uüber alle andere Muftiig 87 lieh ihm den Titel Scheich des Islams. Unter Sultyman erhteit von Konstantinopel auch noch die Oberherrschaft übzer das ganze Corvs der Ulema’s, und den Rang ubzer die Heeres⸗Richter (Kadi 2„ und selbst nen rebrer des Sultans. Siche von Hammer 8

Verfassung

einer beiden treusten Rathgeber und seiner beiden

Volk herrscht, welches Milde mit Schwaͤche, Humanitaͤt mit Feigheit verwechselt, und seit . den Nacken un⸗ ter ein eisernes Joch beugt, Rebellen, die seinen Thron und sein Leben bedrohen, mit Feuer und Schwerdt vertilgt. Grausamkeiten lassen sich nie rechtfertigen, nicht einmal ent⸗ schuldigen, aber selbst indem er diese unbedingt verdammt, darf der unbefangene Beobachter solcher Krisen, wie die wa⸗ ren, auf welche wir uns beziehen, nicht unterlassen, in seiner

neue Mufti, Scherif Zadeè Attaullah Efendi und Mussa Pascha, der Kaimakan (Stellvertreter des Groß⸗Westrs) waren. Mit den Janitscharen verbanden sich die Jamacks (Albaneser und Lazen, die den Nisami⸗Dschedidden zum Dienste in den Schloͤssern des Bos⸗ phorus beigesellt worden waren). An ihrer Spitze stellte sich Ka⸗ baktschi Oglu. Am 31. Mai 1807, nach einer blutigen Revolu⸗ tion, die fuͤnf Tage dauerte und 17 der ersten Wuͤrdentraͤger des Reichs das Leben kostete, mußte Selim, der schon 2 Tage fruͤher (29. Mai), in der eitlen Hoffnung, den Aufruhr zu daͤmpfen, die vöͤllige Aufloͤsung der neuen Truppen mittels eines Chattischerifs*) verordnet hatte, vom Throne steigen, den sein Vetter Mustapha einnahm. Die aufgelbsten Truppen zerstreuten sich allmaͤhlig, und kehrten in ihre Heimath zuruͤck.

Mahmud 11. dem die geheimen Triebfedern der beiden Ver⸗ schwoͤrungen, welche Selim und Mustapha vom Throne gestuͤ batten, alle bekannt waren, konnte sich eben so wenig uͤber die Unmoͤglichkeit einer Wiederherstellung des Nisami⸗Hschedid's täu⸗ schen, als er das dringende Beduͤrfniß verkennen konnte, irgend eine Maaßregel zu ergreifen, um die Janitscharen zur Ordnung und Zucht zuruͤckzufuͤhren. Er billigte daher den Vorschlag seines Groß⸗Wesirs, Mustapha Bairaktar, aus dem Janitscharen⸗Corps selbst eine Art von Elite auszuheben. Die Errichtung dieses neuen Corps, dem der Name regulaire Seymen'’s (Seymen, Verstuͤm⸗ melung von Segban, urspruͤnglich Hundewaͤchter, unter welcher Benennung die Regimenter der Janitscharen vom 61sten bis Hösten⸗ begriffen waren) beigelegt wurde, ward in einer großen Raths⸗ Versammlung, zu der alle Pascha's, Beylerbey’'s**) und Aian's der umliegenden Frbicgen einberufen worden waren, foͤrmlich beschlos⸗ sen, und durch ein Fetwa**) des Muftis feierlich bestaͤtigt. Allein schon wenige Monate nachher (18. November 1818) nöͤthigte die gegen Mustapha Bairaktar ausgebrochene Repolution den Sultan, die Seymens, welche, durch ihren tapfern Widerstand gegen die Rebellen, den Haß der uͤbrigen Milizen auf sich geladen hatten, aufzuldsen. Die vorige Ordnung der Dinge kehrte zuruͤck, mit ihr die zahllosen Mißbraͤuche, deren Menge und Umfang die Re⸗ gierung in allen ihren Unternehmungen hemmte; die Janitscharen wurden in die fruͤher ertrotzten Privilegien wieder eingesetzt, der

i sprach den Fluch aus gegen Jeden, der es wagen wuͤrde. die verhaßten Fraͤnkischen Neuerüungen in Erinnerung zu bringen, und der Sultan mußte sich der traurigen Rothwendigkeit unter⸗ werfen, diesem Ruͤckschritte zu der alten Verderbtheit wenigstens scheinbar den Stempel seiner Genehmigung aufzudruͤcken. Acht⸗ zehn Jahre verflossen, che Mahmud einen zweiten Versuch wagte, die Saat, die seine Vorfahren so erfolglos gesaͤet hatten, zur Reife zu bringen. Endlich, nachdem er sich der Ulemas ins⸗ geheim versichert und die oͤffentliche Meinung hinlaͤnglich vor⸗ bereitet hatte, faßte er den Entschluß, seine Armec, es koste was es wolle, zu discipliniren. Die Veranlassung dazu gewährten ihm die wicderholten Unfaälle und Demuͤthigungen der gegen die Grie⸗ chischen Insurgenten gesendeten Truppen, die glaͤnzenden Fort⸗ schritte der in Aegypten eingefuͤhrten neuen Organisation, und die von den Janitscharen in der Hauptstadt veruͤbten In den am 25. und 28. Mai 1826 abgehaltenen großen Raths⸗ Versammlungen ward die Aushebung einer neuen enee aus den Janitscharen unter dem Namen Eskindschis freiwillige regulaire Truppen) und ihre Anweisung in der Kriegskunst nach einem be⸗ stimmten Reglement heschlossen. Dieser Beschluß wurde durch einen Fetwa des Muftis sanctionirt, von den Janitscharen feier⸗ licht angenommen, und die desfalsige, von 278 Individuen unter⸗ eichnete Urkunde vom Sultan ratificirt. Die Weihe der Waßen, ee Einsetzung der Offtciere und die Verlesung des neuen Regle⸗ ments wurden anscheinend unter lautem Beifall der Truppen voll⸗ zogen, doch ehe noch ein Monat verstossen war, brachen die * nitscharen schon ihr feierlich gegebenes Wort, und verschworen sich b einer Empörung, die nichts (Geringeres beabsichtigte, als die

ntthronung, noͤthigenfalls auch die Ermordung des Sultans, die Shs. aller Wuͤrdentraͤger des Reichs, die Pluͤnderung der

auptstadt, und die Vertilgung aller christlichen Einwohner, mit Ausnahme der Frauen und Maͤdchen, welche als Stlavinnen verkauft werden sollten. In der Nacht vom 14. auf den 15. Juni brach die Empdrung aus, endete aber, wie bekannt, mit der gaͤnz⸗ lichen Vertilgung dieser furchtbaren Miliz, welche vom Sultan Orchan 1328 unter dem Namen Jenitscheri, neue Truppen, errich⸗ tet, ihre eigentliche Organisation von Murad I. 1362 crhielt, und eer

2 Katserliches Handschreiben.

) Statthalter in den früher von 2, jetzt meistens nur von 3

und Zweifel. Die Sammlung der bendas gehoört

5see Wung. Siche von Hammers.

wo die derselden angegeben sind. 2 Zweite Beilage

Roßse Entscheidung des Muftis, oder Antwort über Fra⸗ Lmantschen G 8.7 VUhwon tablesn gener de IEmp. Homan. . 1N. 510— 688.

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