1829 / 181 p. 7 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

Zu diesen Betrachtungen sind wir durch die Rede ver⸗ .e. worden, welche der emicister des Handels in Frank⸗ reeich, Graf von St. Cricg, bei Gelegenheit der Vorlegung eeines Gesetz⸗Entwurfes, wodurch mehrere Saͤtze des Franzoͤ⸗ sischen Zoll⸗Tarifs modificirt werden sollen, in der Deputir⸗ ten Kammer gehalten (S. Nr. 149 der Allgemeinen Staats⸗ Zeitung), und welche verschiedene Bedenklichkeiten uͤber die KRicchtigkeit und Wahrheit des darin Enthaltenen in uns er⸗ regt hat. Wir glauben, wohl zu thun, diese Bedenklichkeiten mitzutheilen.

8 Der Minister tritt in dieser Rede zwar nicht geradezu ein Vertheidiger des absoluten Prohibitiv⸗Systems auf, *8 und behauptet aber die Nothwendigkeit der in Frank⸗

8 reich bestehenden Handels⸗Restrictions⸗Grundsaͤtze mit so vie⸗ ler Vorliebe und regem Eifer, daß uͤber den Geist, der ihn beseelt, wohl kein Zweifel uͤbrig bleiben kann. E Bekanntlich hatte das jetzige Franzoͤsische Ministerium, iinn Folge einer großen Menge eingegangener Petitionen, wcorin Fber⸗ die Nachtheile des Zoll⸗Tarifs geklagt worden, eine besondere Handels Commission niedergesetzt, deren Pruͤ⸗ fung die Frage unterworfen wurde: ob der jetzige Franzoͤsische Zoll⸗Tarif dem Gesammt⸗Interesse des Franzoͤsischen Handels foͤrderlich oder hinderlich sey?

Das in Frankreich angenommene Douanen⸗System ist nuäͤmlich im Grunde nichts als ein strenges Prohibitiv⸗ System,

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ddenn die Zahl der im Tarif verbotenen Waaren uͤbertrifft

bei weitem die der erlaubten Waaren. Zu jenen gehoͤren fast alle Haupt⸗Artikel der Natur⸗Produkte, und der Erzeug⸗ nissse der gewerblichen Kuͤnste, und diejenigen wenigen Waa⸗ ren, deren Eingang gestattet ist, sind mit so hohen Zoͤllen uund Verbrauchs⸗Steuern belegt, daß diese den Verboten gleich gestellt werden koͤnnen, und dieselbe Wirkung haben muͤssen. Was maäͤßig besteuert ist, ist so unbedeutend, daß es kaum in Betracht kommt. Natuͤrlicherweise muß durch ein solches System manches IAInteresse stark verletzt werden. Dies konnte der Handels⸗ MMMiinister auch nicht in Abrede stellen, hat aber doch nicht dden Muth, wesentliche Abaͤnderungen in dem Douanen⸗ Sypysteme vorzuschlagen, sondern beschraͤnkt sich darauf, blos eeeiinn paar Ermaäͤßigungen in den Tarifsäͤtzen zu empfehlen, die in der That der Einleitung nicht werth sind, welche er seinen Antraͤgen vorangehen laͤßt. 2 Er wagt es zwar nicht, zu behaupten, daß Frankreich ganz aufhoͤren wuͤrde, Getreide, * und Flachs zu bauen, den Qelbaum zu ziehen und die Viechzucht zu treiben, wenn man diese Produete aus den Landern, die sie in Menge und 8 wohlfeil liefern, frei von aller Abgabe einließe, aber 8 er versichert, daß alsdann der Preis dieser Gegenstände sehr sfinken, und wahrscheinlich der Franzoͤsische Producent mit dem Auslande bald nicht mehr wuͤrde concurriren koͤnnen Mit Feberer Bestimmtheit behauptet er, daß alsdann die Französischen Seiden⸗, Baumwollen⸗, Tuch⸗ und Leinen⸗ Manufacturen, die Hammerwerke und Fabriken kurzer Waa⸗ ren bald von den Englischen Baumwollen⸗Waaren, den Hol⸗ laͤndischen Tuͤchern und Leinen, den Schwedischen, En lischen und Deutschen Eisen⸗, Stahl⸗ und andern kurzen Waaren ganz verdraͤngt werden wuͤrden. Ja, er fuͤrchtet sogar fuͤr die Existenz der Lyoner Fabriken durch die Concurrenz der Ostindischen Seiden⸗Waaren. Daher haͤlt er es fuͤr unmoͤg⸗ lich, die Ackerbau⸗ und gewerbtreibende Klasse fuͤr die Ar⸗ beit, deren man sie freiwillig berauben wuͤrde, zu entschaͤdi⸗ gen, und füͤr eine erwiesene Nothwendigkeit, bei dem jetzt . ü 8 zu bleiben. 5 uns hierbei aufgefallen, daß der Handels⸗Mini vöͤlligen 287 der fremden Natur⸗ B . s⸗Erjeugnisse spricht. Diese wird ja keinesweges durch lüseünftiges freies Handels⸗System bedingt, und letzte⸗ sich sehr wohl mit der Erhebung einer angemessenen

8 Vertachs⸗Steuer von den ausländischen Waaren verbinden. —aß jedes Commission ausgesprochenen Grundsätze,

Schut, der asehige Verbot ein Uebel sey, daß sonach der vorzuziehen sey Besteuerung hervorgehe, demjenigen heaͤtten Anlaß der aus dem förmlichen Verbote entspringe, 5 rwartung geben koͤnnen, daß der Mi⸗

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Leben ¹ Handels⸗ en rufen, das Ganze des Franzoͤsischen vurc estrme einer Revision unterweffen, und Vorschläge 88 Aun en Veroͤnderungen im Tarif machen wuͤrde. geht man die Andem ist aber nichts geschehen; vielmehr be⸗ beharren, nIconsezueng, bei dem Restrictions⸗System zu LELarifs vorzuschlagech ein Paar Ermäßigungen des Zoll⸗

us allen leuchtet eine

2₰ sentliche Abär

hrungen und Bemerkungen des Ministers Besorgniß hervor, irgend eine we⸗ Sung in dem Douanen⸗Systeme eintreten

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zu lassen, und die uͤbertriebene Vorsicht, mit der er bei der Herabsetzung der Steuer von Eisen zu Werke geht, die nur nach einem Zeitraume von acht Jahren eine Ermaͤßigung von des jetzigen Betrags erfahren soll, giebt einen sehr sprechenden Beweis davon ab. Er hegt die feste Meinung, daß der Wohlstand des Landes durch die Annahme eines freien Handels⸗Systems gaͤnzlich zerstoͤrt werden muͤßte.

Wir wuͤrden diese Ansicht gelten lassen, wenn Frank⸗ reich nicht ein so alter Fabrik⸗Staat waͤre, als es ist, in welchem die wichtigsten und fruchtbarsten Gewerbe bereits seit Jahrhunderten betrieben worden sind, und eine uner⸗ schuͤtterliche Consistenz gewonnen haben. Fuͤr ein Land, das anfaͤngt, sich ein Manufactur⸗Wesen zu schaffen, moͤgen Pro⸗ hibitiv⸗Gesetze sich entschuldigen, wenn auch nicht vertheidi⸗ gen lassen, denn der Zweck kann ohne sie erreicht werden, wenn man dienliche, weniger verderbliche und gehaͤssige Maaß⸗ regeln ergreift. Fuͤr die jetzigen Verhaͤltnisse Frankreichs pas⸗ sen sie gewiß nicht mehr, und wenn Benjamin Constant da⸗ von sagt: nein unseren Handel vernichtendes Zoll⸗System ist es, was Frankreich ins Verderben stuͤrzt”’, und Ternaux sich dahin auslaͤßt: „Frankreich erzeuge nicht zu viel, das Uebel liege aber darin, daß durch die hohe Besteuerung der ersten Lebens⸗Beduͤrfnisse die Existenz des Volkes geschmaäͤlert und die Consumtion gehemmt worden sey; daß man hart⸗ naͤckig dem Hirngespinnst, nachhaͤnge, dem Auslande verkau⸗ fen zu wollen, ohne von ihm zu kaufen; daß man nicht be⸗ greifen wolle, daß die Nationen, wie der Privatmann, nichts fuͤr nichts geben“, so sind diese gesunden, aus dem Leben und der Erfahrung gegriffenen Urtheile erfahrener Praktiker, und insbesondere das des Letzteren, der zu den ausgezeichnet⸗ sten Gewerbtreibenden in Europa gehoͤrt, sicherlich einiger Beachtung werth.

Doch moͤgen Thatsachen und Erscheinungen, aus der

Wirklichkeit genommen, dazu dienen, die Irrthuͤmer des

vesslchn Handels⸗Ministers zu beweisen, und den Ungrund einer Besorgniß, daß mit der Annahme eines freien Han⸗ dels⸗Systems, welches die Einfuͤhrung und den Verbrauch jeder Art fremder Waare, unter angemessenen Bestimmun⸗ gen, jedoch unbeschraͤnkt, gestattet, keinesweges der Verfall oder der Untergang der National⸗Gewerbe verbunden ist. In Preußen besteht ein solches freies Handels⸗System bereits seit einer Reihe von Jahren. Es ist damit vorge⸗ schritten, ohne auf die Handels⸗Verfassungen in anderen Ländern Ruͤcksicht zu nehmen, die ihm in Vielem feindlich entgegenstanden. e drohte zwar dagegen mit Repressalien, brachte sie aber nicht in Anwendung, weil es nicht noͤthig war. Preußen berechnete, daß eine Verbrauchs⸗Steuer von zehn vom Hundert von dem Werthe aller Erzeugnisse des Kunst⸗ und Gewerbfleißes des Auslandes im Durchschnitt, seinen Fabriken und Manufakturen, so wie seinem Ackerbau hinlaͤnglichen Schutz gewaͤhren muͤßte. Mit dieser Steuer laͤßt es jetzt alle Produkte der Welt bei sich ein, sie moͤgen Namen haben, wie sie wollen, und herruͤhren, woher sie wol⸗ len. Es bekuͤmmert sich nicht um die Frage, auf welche der Franzoͤsische Handels⸗Minister so viel Gewicht legt, auf welche Handels⸗Zweige sich dieser Schutz vorzugsweise erstrecken muͤsse? Preußen umfaßt sie alle mit gleicher, aber nicht uͤber⸗ triebener Sorgfalt, und meint wohl mit Recht, daß diejeni⸗ en Gewerbe, die bei einem Schutze von 10 pCt. gegen das Ausland nicht bestehen koͤnnen, keine Beachtung verdienen, und ihrem Schicksale uͤberlassen werden muüͤssen. Hierbei dringt sich uns die auf, daß Preu⸗ ßens Gewerbe, besonders der groͤßte Theil der Manufactu⸗ ren in der oͤstlichen Monarchie, neuere Gebilde sind, die Hin⸗ sichts des Alters und der Consistenz mit den Franzoͤsischen Fabriken nicht in Vergleich zu stellen sind. Wenn diese also bei der ihnen gewaͤhrten maͤßigen bestehen und ortgang haben, wie sollten dies die Franzoͤsischen Manu⸗ nicht eben so gut koͤnnen? Wie laͤßt sich die Aeuße⸗ rung des Ministers, daß es unmoͤglich seyn duͤrfte, die Ackerbau, und gewerbetreibende Klasse fuͤr die Arbeit zu entschaäͤdsgen, deren man sie durch ein liberaleres System berau⸗ ben wuͤrde, wohl erfassen? Waͤre diese Arbeit lediglich eine Frucht des Schutzes, den das absolute Prohibitiv⸗System schafft, und koͤnnte sie dessen zu ihrer Existenz nicht entbeh⸗ ren, wahrlich, sie haͤtte dann in sich selbst einen sehr geringen Werth. Wir halten sie aber nicht fuͤr eine solche Treibhaus⸗ Frucht, und glauben, daß sie aus dem Thaͤtigkeits⸗Triebe der Nation, aus ihrer Regsamkeit, ihrer Industrie und ihrem Kunstsinn hervorgeht, sich also auch unter allen Verhältnissen erhalten wird. Preußen hat es mit allen Concurrenten zu thun, die saen an fuͤrchtet, und was mehr ist, es hat an Frankreich elbst einen sehr maͤchtigen und gefaͤhrlichen Concurrenten.