1829 / 227 p. 8 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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perrosße worden waren, am 24. Juni (6. Juli) achmittags, den fruͤheren Janitscharen⸗Befehlshaber Ma⸗ misch⸗Aga, den wir am 19. Juni (1,. Juli) zum Gefange⸗ nen gemacht hatten, und der bei den Einwohnern der Stadt großes Vertrauen genoß, nach Erzerum. In der Proclama⸗ tion, die ich ihm mitgab, forderte ich die Einwohner drin⸗ gend auf, sich unsern maͤchtigen Waffen nicht zu widersetzen, und gab ihnen die bestimmte Versicherung, daß freie Reli⸗ gionsuͤbung, Sicherheit der Personen, und Sicherheit des Privat⸗Eigenthums, auf das Heiligste wuͤrden respectirt wer⸗ den. Mamisch⸗Aga, den meine gute Behandlung Hagki⸗ Pascha's und der andern Gefangenen, auf das lebhafteste durchdrungen hatte, uͤbernahm es mit Freuden, meine Proclamation in die Stadt zu bringen, und thaͤtig dazu beizutragen, die Einwohner zu freiwilliger Unter⸗ werfung zu uͤberreden, indem er aͤußerte, daß er, nach⸗ dem er in den Gefechten vom 19. und 20. Juni (1. und 2. Jult) Zeuge der großen militairischen Eigenschaften der Rus⸗ sischen Armee gewesen sey, er jeden Widerstand, als das un⸗ vermeidliche Verderben der Stadt nach sich ziehend, betrach⸗ ten muͤsse. In der Fwischenzeit ruͤckte das ganze Armee⸗ Corps mit dem Gepäͤck gegen Hassan⸗Kalé vor, und am 25. Juni (7. Juli), als am Geburtstage Ew. Kaiserl. Majestät, sieß die Armee des Kaukasus ihre innigen Gebete fuͤr die Erhaltung Ew. Kaiserl. Majestät und Allerhoͤchst Ihrer er⸗ habenen Familie, und ihren Dank fuͤr die uns verliehenen Siege, zum Himmel emporsteigen. 1 Waͤhrend des Mittagessens erhielt ich von Mamisch⸗Aga einen Bericht, mit der Meldung, daß er unter den Bewoh⸗ nern Erzerum's die groͤßte Gaͤhrung vorgefunden haͤtte; daß der groͤßte Theil derselben vor seiner Ankunft fest entschlossen gewesen sey, sich zu vertheidigen, daß aber meine Proclama⸗ tion sie schwankend gemacht habe; „die Mollahs und die vor⸗ nehmsten Einwohner“, schrieb er mir, „nahmen Ihre Vor⸗ schlaͤge mit Achtung entgegen; sie unterwerfen sich den Waffen Rußlands, und das Volk, von der Herablassung und der Guͤte unterrichtet, welche den Bewohnern von Kars und Achal⸗

zik zu Theil geworden war, schließt sich Ihnen an Der Seras⸗

kier und seine unruhigen Truppen regen noch das Volk auf; Ihre Versprechungen werden jedoch die Ruhe wieder herstellen.“ Um diese gute Stimmung der Bevoͤlkerung von Erzerum ohne Zeitverlust zu benutzen, verließ ich mit meinem ganzen Corps Hassan⸗Kals um 5 Uhr Abends, und ließ alles Gepäck, zu einer Wagenburg gebildet, unter dem Schutz der Festung zuruͤck.

Am 26sten Juni (Sten Jult) Morgens, langten ein, vom Seraskier abgesandter Capidgt⸗Bascha und unser Ma⸗ misch⸗Aga, als Deputirter der Einwohner in meinem, den von Erzerum belegenen Bivouak, an; Mam a uͤberreichte mir eine Schrift, in welcher die Aelt der Stadt mir die Versicherung von der Einwilligung aller Be⸗ wohner in meine Vorschlaͤge ertheilten. Der Capidgi⸗Ba⸗ scha seiner Seits versicherte mir naͤmlich, daß der Seraskier in die Uebergabe der Stadt willige; zu derselben Zeit aber druͤckte er mir auf eine sehr zweideutige Weise die Besorg⸗ nisse aus, die ihm die Annaͤherung unserer Truppen verur⸗ sache, denn, sagte er, der Anblick der Russischen Armee unter den Mauern von Erzerum koͤnnte die Einwohner außer sich bringen, ihren Fanatismus aufregen und sie zu einer hart⸗ naͤckigen Vertheidigung reizen, weshalb er mich dringend bäte, mit unserem Anmarsch Halt zu machen. Obgleich es unter solchen Umstaͤnden immer schwer ist, der Wahtheit auf den Grund zu kommen, so hielt ich es doch füͤr besser, vorzuruͤk ken, in der Voraussetzung, daß mein Naͤherruͤcken einer⸗ seits die Besorgnisse des Seraskiers und seiner Truppen vermehren, und andererseits den gutgesinnten Bewohnern mehr Kraft und Nachdruck geben wuͤrde, um sich der wider⸗ spenstigen Parthei entgegen zu stellen und auf der Uebergabe der Stadt zu bestehen.

Das Corps ruͤckte durch einen Engpaß vor, der zum Gipfel des Berges fuͤhrte, von dem es in das Thal hinad⸗ marschirte, wo sich die volkreichen Vorstaͤdte Erzerum’s aus⸗ dehnen, und die gezackten Mauern der Festung und der Ci⸗ tadelle erheben. Fuͤnf Werst vor der Stadt machten die

Truppen Halt, weil weiterhin kein Wasser mehr zu finden war. So wie sich unsere ersten Regimenter vor den Hoͤhen Erzerums sehen ließen, ruͤckte ein ansehnlicher Haufen feind⸗ licher Reiterei aus der Stadt heraus, und begann auf unsere vorgeruͤckten Pikets ein Kleingewehr Feuer, das bis zum Abend dauerte, aber nicht durch ainen einzigen Schuß erwie⸗ Ich hatte auf dem Berge Halt gemacht, und

dert wurde.

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* 8 1 8 5 that alles Moͤgliche, um die Deputirten von Erzerum fuͤr mich zu gewinnen; ich sertigte eine schriftliche Antwort auf die ebenfalls schriftliche Erklarung der Einwohner aus, und eine zweite Antwort, im naͤmlichen Sinn, an den Seraskier; beide uͤbergab ich den Deputirten, die ich um 5 Uhr Abends, unter Begleitung des General⸗Majors, Fuͤrsten Bekowitsch⸗ Tscherkasky, zur Stadt zuruͤcksandte; Letzterem hatte ich sehr umstaͤndliche Verhaltungsregeln uͤber die Art und Weise ertheilt, wie er sich gegen die Einwohner und den Seraskier zu be⸗ nehmen habe, um ihnen noch mehr Vertrauen zu meinen Versprechungen einzufloͤßen.

Im Angesicht Erzerums und gegen Osten erhebt sich ein Berg, Namens Top⸗Dag, der die Stadt und die Citadelle beherrscht, und nur einen kleinen Kanonenschuß von letzterer entfernt ist; die Tuͤrken hatten dort eine Batterie errichtet, welche die Straßen von Kars und Achalzik und das ganze Terrain bestrich das sich nach Osten zu vor dieser Stellung ausdehnte, die mit der Stadt durch lange Verschanzungen in Verbindung stand. Um diesen Berg far den Fall kennen zu lernen, wo ich mich in der Nothwendigkeit befinden koͤnnte, ihn mit Gewalt nehmen zu muͤssen, wenn sich die Stadt etwa vertheidigen sollte, naͤherte ich mich Abends den feind⸗ lichen Batterien, von denen die Scharfschuͤtzen ein Flinten⸗ feuer eroͤffneten, und nachdem ich ihn von allen Seiten un⸗ tersucht hatte, uͤberzeugte ich mich, daß es der Stadt schwer seyn wuͤrde, sich zu halten, sobald ich nur erst Herr dieser be⸗ sestigten Hoͤhen waͤre; ich entschloß mich mithin, wenn der Feind bei seiner Hartnaͤckigkeit bleiben wuͤrde, sie am naͤchsten Morgen anzugreifen.

Dem Fuͤrsten Bekowitsch Tscherkasky, den ich nach Er⸗ zerum zurück sandte, hatte ich unter Anderm befohlen, mich vor 10 Uhr des Morgens von dem Erfolge seiner Unter⸗ handlungen zu benachrichtigen; wirklich ließ er mir auch durch einen der Aeltesten der Stadt, der um 9 Uhr Mor⸗ gens zu mir kam, anzeigen, daß das Volk, welches sich ver⸗ sammelt hatte, um über sein Schicksal einen Beschluß zu fassen, die ganze Nacht mit der Berathung uͤber die Frage zugebracht habe, und daß, wiewohl die Mehrheit der Stim⸗ men sich auf unsere Seite hinneigte, doch, sobald der gerin ste Zweifel sich erhob, ein allgemeines Murren sich bemerk⸗ bar machte und die bewegte Volksmasse ausrief: „Lasset

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—huns nicht unsere Religion entehren!“7 Vier Mal hatte

man diesen Ausruf ertönen hoören und viele Mal war das Haus, in welchem Fuͤrst Bekowitsch Tscherkasky sich befand, von wuͤthenden Volkshaufen umringt worden. Das Volt aͤnderte uͤberhaupt mit jedem Augenblicke seine Meinungz denn bald schien es zur Uebergabe geneigt, bald aber wi zu dem Entschluß gekommen zu seyn, sich hartnäͤckig zu vertheidigen. End atte der Fuͤrst Bekowitsch Tscherkasky es gegen Morgen, vermöoͤge seiner Vorstellun⸗ gen, dahin gebracht, daß der Seraskier und die Aeltesten der Stadt mir jenen Deputirten zusandten, um ihren definitiven Entschluß anzukuͤndigen, mir die Thore Er⸗ erums um 4 Uhr Nachmittags zu öffnen. Da ich jedoch hechnete, daß, wenn etwa der Feind von Neuem seine Meinung änderte und wieder zu dem Entschluß käme, sich zu vertheidigen, mir alsdann von 4 Uhr Nachmittags bis zum Einbrechen der Nacht zu wenig Zeit bleiben wuͤrde, um den Platz durch Sturm zu nehmen, so sandte ich den Ae testen und dem Seraskier die Erklärung, daß ich ihnen bis 3 Uhr Nachmittags Zeit lassen koͤnne, da ich, wenn bis dahin die Schluͤssel der Stadt nicht uͤbergeben seyn den, meine ganze Macht gegen sie richten wolle. 8 Von des Morgens an hatten inzwischen die Batteri⸗ von Top⸗Dag nicht aufgehoͤrt, unsere Vorposten und F rageurs zu beschießen, auf welche auch die Türkischen Tira leurs ein bestaͤndiges Gewehrfeuer unterhielten. Da ich ein unnützen Verlust von Menschen zuvorkommen wollte, so fahl ich dem Fuͤrsten Bekowitsch Tscherkasky, den Seraski peremtorisch aufzufordern, seine Truppen aus Top⸗ Dag ruͤckzuziehen, widrigenfalls ich die Weigerung als einen Ent schluß ansehen wuͤrde, die Stadt ferner vertheidigen zu woll Drei Uhr kam heran und ich hatte noch keine Ant erhalten. Schon vorher war mir durch den Bedienten Daputirten, welchen mir der Fuüͤrst Bekowitsch Tscherkaskth gesandt hatte, sehr unerwarteter Weise mitgetheilt worden” daß der Seraskier in der Stadt eine maͤchtige Parthei haben die sich der Uebergabe des Platzes widersetze; ferner, daß bt Truppen ihm sehr ergeben seyen und daß er auf alle unböte liche Weise Zeit zu gewinnen suche, da er in jedem Augent

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