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laſſen, ſo waͤre ſeine Ehe, nach einem Ausſpruche des Caſſationshoſes vom Jahre 1818, unantaſtbar geweſen. Weil der Roͤmiſche Hof eine bloße Disciplinar⸗Regel, allen anderen Glaubens⸗Meinungen zuwider, zu einer Regel fuͤr das innere Forum macht, muͤſſen darum die Rich⸗ ter ihre Rechtsgruͤnde in dem einſeitigen Canon eines ein⸗ zelnen Cultus ſuchen? Unter den verſchiedenen Schlußfolge⸗ rungen des Richters finden wir aber auch Abweichungen vom oͤffentlichen Rechte, die wir nicht ungeruͤgt laſſen duͤrfen. Wie! in einer Zeit, wo Gewiſſensfreiheit an der Spitze unſe⸗ res Grundvertrags ſteht, verſetzt ſich Herr von Vaufreland freiwillig in die Jahrhunderte, wo. dieſe Freiheit verpoͤnt war, und fuͤhrt den jetzigen geſelligen Zuſtand in die Zeiten des General⸗Advocaten Talon zuruͤck? Und welches Beiſpiel ſucht er in den Rechts⸗Archiven jener Zeiten? Ein katholi⸗ ſcher Prieſter will heirathen; das Pariſer Parlament weiſt ſein Geſuch nach ven Grundſaͤtzen der Kirche ab. — Nun ut, ſagt er darauf, ſo werde ich Proteſtant und darf dann erachen — Nein, antwortet ihm der Geneval⸗Advocat das kannſt du nicht thun, denn die kirchlichen Ge⸗ Prieſter⸗Ehe verbieten, ſind Staatsgeſetze, und du deinen Glauben
alon, ſetze, welche die aus dieſen trittſt du nicht heraus, wenn r änderſt ... . Warum fuͤhrt Herr von Vaufreland ſolche Beiſpiele an? Bekennt er ſich etwa zu den Lehren Talon's? Und hat er wohl auch die Folgen dieſer Lehren bedacht? Die Kirche lehrt heute noch, daß die Prieſterweihe ein un⸗ aufloͤsliches Siegel, daß die Taufe gleichfalls unausloͤſchlich Sind nun die Kirchengeſetze Staatsgeſetze, ſo kann we⸗ dder der Prieſter noch der Laie ſeinen Glauben wechſeln, denn 4 5* wuͤrde die Geſetze des Staats verletzen. Dieſer Schluß ſſt heute noch eben ſo folgerecht wie zu Talon's Zeiten, der, weenn er jetzt lebte, ſich wohl huͤthen wuͤrde, Worte auszu⸗ ſprechen, welche die Vernichtung eines Grundgeſetzes zur Folge haben.“
Die Gazette de France aͤußert dagegen, das Urtheil * des Koͤnigl. Gerichtshofes glaͤnze wie ein Lichtſtrahl in der
dichten Finſterniß der falſchen Philoſophie unſerer Zeit; ein⸗ fach in der Form, buͤndig im Ausdrucke, kraͤftig in der An⸗ woendung einiger allgemeinen Grundſaͤtze, trage das Erkennt⸗ 88 einen Charakter der Erhabenheit an ſich, der auf Jeder⸗
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mann einen tiefen Eindruck machen muͤſſe.
— Der Globe betrachtet in großen Aufſabe den rakter des jetzigen Miniſteriums, deſſen aus⸗ Sen an ehaeast 1ghhe rhnen Serſn 8e erea⸗ aAngelegeitheir zook. RNach einer Darſtellung der allgemei⸗ nen Lage der Politik in jetziger Zeit, geht er auf das inne; * Wirken des Miniſteriums uͤber, und wirft ihm in dieſem Gebiete Schwaͤche und Unentſchiedenheit bei guten Abſichten vpor. „Wir wollen nur ein Beiſpiel anfuͤhren,” heißt es in bPen Auf ſate. „Das wichtigſte und noͤthigſte Geſetz fuͤr uns ſiit das uͤber die Verwaltung der Departements und Commu⸗ nen. Das Miniſterium weiß dies und ernannte darum eine Commiſſion, um ein ſolches Geſetz zu entwerfen; es ſſetzte aber dieſe Commiſſion gleich ſo fehlerhaft zuſammen, daß darin weder eine Gewaͤhr fuͤr die Vorzuͤglichkeit des Geſetzes, noch fuͤr eine gute Aufnahme deſſelben bei den Kam⸗ .“ lag. Baron Mounier redigirte einen Geſetz⸗Entwurf, der dem Geheimen⸗Rathe vorgelegt ward. Nach einer kur⸗ zen Discuſſion ergab ſich, daß der Entwurf weder die Oeffent⸗ lichkeit noch die Pruͤfung in den Kammern vertragen koͤnne; man ſchickte ihn der Commiſſion zuruͤck, die nach eini⸗ gen Verſuchen muthlos ward und ermuͤdete. Endlich legte man die Sache ganz bei Seite, und es iſt gewiß, wenn man es auch nicht zugiebt, daß man den Beginn der Sitzung abwarten und nach der Stimmung der Kam⸗ mer einen beſtimmten Entſchluß faſſen will. Es wird mit dieſem Geſetze wie mit dem uͤber die Wahlliſten gehen, man wird es geben, wenn die Nothwendigkeit es er⸗ heiſcht und in der Geſtalt, wie die Majoritaͤt es annehmen will. Wir beklagen uns nicht daruͤber; das Geſetz wird da⸗ durch nicht ſchlechter, und was das Miniſterium oͤffentlich 8 bewilligt, iſt mehr werth, als das, was es bei verſchloſſenen Thuͤren beſchließt. Aber wie kann es Einfluß auf die oͤffent⸗ liche Meinung gewinnen, wenn es nie den Wuͤnſchen der Nation entgegenkommt. Das Mißliche dieſes Benehmens wird jetzt allgemein empfunden und daraus entſpringt der Wunſch einer Veraͤnderung des Miniſteriums und die Vor⸗ ſtellung, daß es wirklich wechſeln wird. Vielleicht glauben ddie Miniſter ſelbſt daran. In unſern Augen wuͤrde jeder Wechſel unzeitig, wenn nicht gefaͤhrlich ſeyn. Man ſpricht von dem Eintritte einiger neuen Mitglieder in den Mini⸗ ſter⸗Rath, aber wer moͤchte wohl ohne Garantieen, ohne deut⸗
liche Beweggruͤnde und in Abweſenheit der Kammern eintre⸗
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ten? Die Herren von Chaͤteaubriand, Pasquier und Molé
ſtehen aus verſchiedenen Gruͤnden den Miniſtern zunaͤchſt.
Ihre Freunde meinen, keiner derſelben wolle allein eintreten, und alle drei koͤnnten nicht Miniſter werden, ohne eine voͤllige Aenderung hervorzubringen. Beginge einer von ihnen den Fehler, ſich zu iſoliren, ſo wuͤrde er ſich verkieren, ohne das Miniſterium im Mindeſten zu befeſtigen. Noch mehr gilt das Geſagte von den Namen, die man ſeit einigen Tagen haͤufig genannt hat. Mehreren unter ihnen wuͤnſchen wir Ruhm und Gluͤck, aber fuͤr ihr und unſer Beſtes hoffen wir, daß die Leitung der Staats⸗Geſchaͤfte nicht in ihre Haͤnde fallen werde. Wir ſind mit dem jetzigen Miniſterium zufrieden und wuͤn⸗ ſchen, daß es mit ſich ſelbſt zufrieden ſeyn moͤge. Wir legen keine große Wichtigkeit auf ſeine Spaltungen. Wenn man Geruͤchten glauben darf, ſo ſtaͤnden auf der einen Seite Hr. Hyde de Neuville, der mit großherzigen Geſinnungen ein lebhaf⸗ tes Intereſſe fuͤr die von ſeinem Vorgaͤnger im Marine⸗Depar⸗ tement begonnenen Verbeſſerungen verbindet; Graf Roy, der ſchon durch ſein friedliches Verhältniß zu Hrn. v. Villèle auf Seiten der Nation iſt; Hr. v. Vatimesnil, dem keine andere Zuflucht mehr uͤbrig bleibt, ſeitdem er der Congre⸗ gation durch die Erweckung des öoͤffentlichen Unterrichts und der Volks⸗Erziehung den Krieg erklaͤrt. Fuͤr dieſe erklaͤrt ſich manchmal Hr. v. la Ferronnays, deſſen Loyali⸗ taͤt bekannt iſt, vielleicht auch Herr von Caux, der ſich in ſeinem Deparxtement tuͤchtig und im Miniſter⸗Rathe klug be⸗ nimmt. Auf der andern Seite ſitzen der Großſiegelbewahrer mit ſeinen Grundſaͤtzen eines Staatsraths, Herr von Mar⸗ tignac mit ſeinen Traditionen aus der vorigen Verwaltung, Herr von Saint⸗Cricg mit den Grundſaͤtzen und Ueberlie⸗ ferungen aller Staatsraͤthe und aller Miniſterien. Niemand weiß und will es auch nicht wiſſen, fuͤr wen der Hr. Biſchof von Beauvais ſtimmt. Waͤre dieſe Spaltung auch wirklich vorhanden, ſo iſt an ihrer Dauer zu zweifeln. Hr. v. Martig⸗
nac zeichnet ſich mehr durch die Biegſamkeit ſeines Talents,
als durch die Conſequenz ſeiner Anſichten aus; der
Großſiegelbewahrer iſt mehr ein geſchickter Legiſt, als Staats⸗
mann, und man weiß, daß er ſich leiten laͤßt. Wiſſen wir alſo unſern Einfluß gut zu benutzen, und ſpricht die Kam⸗ mer ſich deutlich und klar aus, ſo ſteht einer Eintracht des Miniſteriums mit der oͤffentlichen Meinung Nichts im Wege. Die Vertheidiger deſſelben ſprechen ganz leiſe von Hinderniſſen, welche die Miniſter manchmal in einem gewiſ⸗ ſen Stadtviertel (um uns eines conſtitutionnellen Ausdruck
der Englaͤnder zu bedienen) faͤnden. Ohne zu pruͤfen, ob die Entſchuldigung guͤltig, erwiedern wir aber, daß das Fac⸗ tum falſch iſt.“
Das Journal des Débats beobachtet das tiefſte Tullſchweigen uͤber das (in Nr. 4. der St. Z. im Auszuge mitgetheilte) Schreiben des Herrn Benjamin Conſtant, worin dieſer ſeine Empfindlichkeit daruͤber aͤußerte, daß jenes Blatt ihn in einem langen Artikel nicht zu den ſechs an⸗ geblichen Rettern des Vaterlandes gezaͤhlt hatte. Der Con⸗ ſtitutionnel dagegen koͤmmt geſtern auf jenen Artikel zu⸗ rück. „Wir wollen“, aͤußert derſelbe, „im Allgemeinen gern zugeben, daß jeder Oppoſition nach den Zuͤgeln der Regie⸗ rung geluͤſte. Warum man aber gerade heute auf einen ſo allbekannten Grundſatz mit einer gewiſſen Affectation hin⸗ weiſet, begreifen wir nicht recht. Wir fragen zuvoͤrderſt, wer denn in dieſem Augenblicke die eigentliche Oppoſition bildet. Bei dem erſten Anblicke muß man annehmen, es ſey derjenige Theil der Kammer, der die rechte Seite derſelben ausmacht und gegen das Wahl⸗Syſtem, die Preßfreiheit und die Verordnungen vom 16. Juni geſtimmt hat. Dieſe Oppoſition aber kaͤmpft wahrlich nicht des bloßen Vergnuͤgens wegen; ihr iſt es ganz offenbar darum zu thun, das Miniſterium zu ſtuͤr⸗ zen und ſich an deſſen Stelle zu ſetzen. Auch iſt ſie es ganz gewiß nicht, welche das Journal des Débats im Sinne hat. Wel⸗ che andere Oppoſition will ſich denn aber der Leitung der oͤffentli⸗ chen Angelegenheiten bemäͤchtigen? Das gedachte Blatt kann keine andere meinen, als die linke Seite der Kammer, als die Ma⸗ jorität, die in der letzten Sitzung den Sieg davon getragen hat. dem aber ſo, ſo nimmt das Journal des Débats an, daß das jetzige Miniſterium weder den Hoffnungen, noch den Grundſaͤtzen, noch den Wuͤnſchen dieſer ſpreche, und ſonach mit der Majoritaͤt der Kammer nicht harmonire. Iſt es nun aber andererſeits eben ſo ausge⸗ macht, daß das Miniſteriunz⸗guch mit der Minoritaͤt zerfal⸗ len ſey, welche Stuͤtzen bletben ihm dann noch gegen die rechte Seite, die es ſtuͤrzen, und gegen die linke, die ſich an ſeine Stelle ſetzen will? Mit einem Worte, zu welcher Par⸗ thei halten ſich denn die Miniſter, wenn die rechte und linke Seite der Kammer ſich in gleichem Maaße von ihnen ab⸗
menden. 8 R hs Kee den der “ Jour⸗
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