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tigſte Eingabe, woruͤber er Bericht abſtattete, ruͤhrte von einem gewiſſen Tougard, Advocaten in Rouen, her, welcher die Abſchaffung der Todesſtrafe gegen Falſchmuͤnzer verlangte. Hr. J. Lefebvre hielt dieſe Strafe, der auch die Verfer⸗ tiger falſcher Banknoten unterworfen ſind, fuͤr unangemeſſen, da allzuſtrenge peinliche Geſetze zur Ungeſtraftheit fuͤhrten und ſonach dem beabſichtigten Zwecke gerade zuwiderliefen. Herr v. Tracy benutzte die Gelegenheit, um ſich im Allgemeinen daruͤber zu beſchweren, daß das peinliche Geſetzbuch mit der Todesſtrafe viel zu verſchwenderiſch umgehe. Er glaubte, daß dieſe Strafe gegen Falſchmuͤnzer, Verfertiger falſcher Staats⸗ papiere, Brandſtifter und Diebe niemals angewendet werden duͤrfe, da das Leben eines Menſchen immer unendlich hoͤher ſtehe, als irgend eines dieſer Verbrechen. Herr v. Berbis war dieſer Meinung nicht. Er hielt die Brandſtiftung gerade fuͤr dasjenige Verbrechen, worauf die Todesſtrafe am anwend⸗ barſten ſey, indem dadurch nicht bloß das Eigenthum ver⸗ nichtet, ſondern zugleich das Leben der Perſonen in Gefahr ge⸗ bracht werde. Auf dieſe Aeußerung beſtieg Hr. v. Tracynochmals die Rednerbuͤhne; er erklaͤrte jetzt, daß ſeine Ueberzeugung noch viel weiter gehe, als er ſie anfangs ausgeſprochen gehabt habe; als Buͤrger, wie als Deputirter, nehme er naͤmlich kei⸗ nen Augenblick Anſtand, zu behaupten, daß kein Staat in irgend einem Falle berechtigt ſey, die Todesſtrafe uͤber einen ſeiner Buͤrger zu verhaͤngen. Als der Redner bei dieſen Worten lebhaft unterbrochen wurde, fuͤgte er hinzu, dies ſey ſeine perſoͤnliche Meinung; er wiſſe ſehr wohl, daß nicht Alle ſo daͤchten, wie er, mindeſtens aber muͤſſe man die To⸗ desſtrafe nur in den wenigſten Faͤllen eintreten laſſen, und er werde ſich z. B. nie uͤberzeugen koͤnnen, daß die Hinrich⸗ tung eines Menſchen mit einer nachgemachten Banknote ir⸗ gend im Verhaͤltniſſe ſtehe. Der Miniſter des Innern ußerte ſich uͤber den Gegenſtand in folgender Art: „Wenn man den Grundſatz gelten laſſen will, daß der Staat das Recht nicht habe, ſelbſt die großen Verbrecher mit dem Tode zu beſtrafen, ſo muß man, als nothwendige Folge auch zu der Anſicht gelangen, daß heutiges Tages eben ſo viele Morde verüͤbt werden, als die Aſſiſenhöfe Todes⸗Urtheile faͤllen. Die Frage, die uns beſchaftig⸗ iſt eine von denen, die ſich ohne achtheile nur in den Buͤchern der Publiciſten eroͤrtern laſ⸗ Hier aber, in einer Verſammlung von Geſetzgebern, andelt es ſich nicht um bloße Theorieen, ſondern um Worte, die, von der Rednerbuͤhne herab, ſich uͤber ganz Frankreich verbreiten koͤnnen. Ich erklaͤre daher, daß es gefäaͤhrlich, ash gefaͤhrlich iſt, in dieſer Verſammlung auf eine ſo ab⸗ olute und allgemeine Weiſe das ganze Syſtem unſerer pein⸗ lichen Geſetzgebung zu tadeln, und dieſen Tadel durch die blutigen Worte zu verkuͤndigen: „„das Geſetz verordnet den Mord“. Haͤtte die Kammer ſich darauf beſchraͤnkt, die Aufmerkſamkeit der Regierung auf die Nachtheile zu lenken, die dadurch entſtehen, daß man gewiſſe Verbrechen, wie z. B. die Falſchmuͤnzerei, mit einer allzuſtrengen Strafe belegt; hätte ſie bloß den Wunſch zu erkennen gegeben, daß der Staat die Todesſtrafe ſo ſelten als möglich in Anwendung bringen moͤge, ſo wuͤrden die Freunde der Menſchheit, wie die der Gerech⸗ tigkeit, ihren Worten nur Beifall gezollt haben; aber man hat ſich zu allgemeinen Anſichten verleiten laſſen; man hat dem Staate ein Recht, das allerdings furchthar iſt, das derſelbe aber kraft der beſtehenden Geſet⸗ ausuͤbt, ſtreitig machen wollen; einen ſolchen Grundſatz konnte ich nicht ungeruüͤgt laſſen.“ Nach dieſer Erklaͤrung beſtieg Hr. v. Tracy zum drittenmale die Rednerbuͤhne, um die ſtillſchweigende Beſchul⸗ digung des Hrn. v. Martignac, als ob er durch die Eroͤrte⸗ rung der in Rede ſtehenden Frage ſeine Rechte als Deputir⸗ ter üͤberſchritten habe, zuruͤckzuweiſen; gleichwie es jedem Buͤrger freiſtehen wuͤrde, in einer Bittſchrift an die Kam⸗ mer auf die Abſchaffung der Todesſtrafe anzutragen, muͤſſe es ihm auch vergoͤnnt ſeyn, ſeine Meinung über dieſen Ge⸗ genſtand unverhohlen auszuſprechen; er wiederhole daher, daß ſeiner Anſicht nach die Todesſtrafe eigentlich nie in Anwen⸗ dun kommen duͤrfe, und daß dieſe Anſicht von vielen hoͤchſt achtbaren Maͤnnern getheilt werde. Nachdem noch die Her⸗ ren Girod und v. Laboulaye ſich uͤber den enſtand hatten, wurde die Bitrſchrift des Tougard, dem utrage der Commiſſion gemaͤß, dem Großſiegelbewahrer uͤberwieſen, und in dem Nachweis⸗Buüreau deponirt. Die Eingabe eines Lyoner Buͤrgers, welcher eine neue Or a⸗ niſation der Leihhaͤuſer verlangte, wurde dem Mint 9 dem Miniſter des unern zugeſtellt. Unter den Hittſchriften, woruͤber, nach rn. Boulard, Hr. Daunant Bericht erſtattete war keine welche einer beſonderen Erwaͤhnung verdiente. Dage I der vierte Berichterſtatter, Hr. Clement, eine Aüon gn2

die eine intereſſante Discuſſion veranlaßte. ie Wirtwe Vertrand⸗L Hosdinière zu Carneille im Departement der Oent

hatte naͤmlich, als ſie vor geraumer Zeit ihren Gatten, ein ehemaliges Convents⸗Mitglied, verlor, auf deſſen Grabſtein folgende Inſchrift ſetzen laſſen: „Das Vaterland verliert in ihm einen ſeiner beſten Buͤrger und die Freiheit einen ihrer eifrigſten Vertheidiger.“ Kaum war die Kunde hiervon mehrere Jahre ſpaͤter zu den Ohren des neuen Koͤniglichen Procurators zu Domfront, Herrn von Girardville, gelangt, als dieſer ſich ohne Weiteres in Begleitung einer Gensdarmerie⸗ Brigade nach Carneille begab, den Leichenſtein zerſchlagen und die Inſchrift wegnehmen ließ. Die Wittwe Bertrand, empört uͤber dieſen Vorfall, trug bei dem Koͤnigl. Gerichts⸗ hofe zu Caen auf die Beſtrafung des Thaͤters an. Der General⸗Procurator tadelte zwar den Gewalt⸗Mißbrauch des Procurators zu Domfront, wies aber nichtsdeſtoweniger den Antrag der Bertrand zuruͤck, indem ihre Inſchrift beleidi⸗ gend fuͤr die Wuͤrde und die Rechte des Koͤnigs geweſen ſey; er uͤberließ es indeſſen der Beſchwerdefuͤhrerin, den gedachten Procurator gerichtlich zu belangen. Die Wittwe Bertrand theilte dieſen Beſchluß dem Großſiegelbewahrer mit, klagte aber nicht. Ietzt wendet ſie ſich, in ihrem und ihrer Kin⸗ der und Kindeskinder Namen, an die Kammer, beſchwert ſich, daß man ihr nicht gerecht geworden ſey und verlan

Genugthunng fuͤr den erlittenen Schimpf. Der Bericht⸗ erſtatter erkläͤrte, die Commiſſion habe ſich nicht weiter mit der Frage beſchaͤftigt, ob der Procurator zu Domfront ſeine Gewalt gemißbraucht habe oder nicht, da dies eine erwieſene Thatſache ſey, auch der vorige, wie der jetzige Juſtiz⸗Mini⸗ ſter, ihre Mißbilligung daruͤber zu erkennen gegeben haͤtten. Eben ſo wenig habe die Commiſſion unterſüuchen zu muͤſſen ge⸗ glaubt, ob das Betragen des gedachten Procurators gegen den 11ten Artikel der Charte, welcher fruͤhere politiſche Mei⸗ nungen der Vergeſſenheit uͤbergebe, verſtoße; doch glaube ſie, daß dieſe Beſtimmung der Charte unmöͤglich eine Grab⸗In⸗ ſchrift rechtfertigen koͤnne, welche gleichſam eine Lobrede auf die ſtrafbarſten Handlungen enthalte; allerdings habe die Fa⸗ milie des Bertrand Urſache, ſich uͤber den Procurator zu Domfront zu beſchweren, doch bleibe ihr dazu der gerichtiiche Weg offen, der allen Franzoſen zugaͤnglich ſey, den ſie indeſ⸗ ſen noch nicht eingeſchlagen habe; wohl aber verdiene das Betragen des Procurators eine ſorgfäͤltige Unterſuchung unter dieſen Umſtaͤnden trage die Commiſſion darauf an, die Bittſchrift der Bertrand, in ſo fern es ſich darin von einer Rechts⸗Verweigerung handele, durch die Tages⸗Ordnung zu beſeitigen; in Betreff des Betragens des Procu⸗ rators zu Domfront aber dem Großſiegelbewahrer zu- uͤberweiſen. Der Marquis von Pina verlangte,

daß man uͤber die ganze Eingabe zur Tages⸗Ordnung ſchreite, da, wenn gleich die Charte die Vergeſſenheit vergangener Zeiten verlange, es doch nimmermehr erlaubt ſeyn duͤrfe, unter der Regierung eines Bruders und Nachfolgers des Koͤnigl. Maͤrtyrers, dem Koͤnigs⸗Morde oͤffentlich eine Lob⸗ rede zu halten. Der Vicomte Lemereier nahm ſich der Wittwe Bertrand an; er machte namentlich auf den Umſtand aufmerkſam, daß das gedachte Denkmal bereits ſeit 6 Jah⸗ ren auf dem Kirchhofe zu Carneille beſtanden habe, ohne daß es den gerichtlichen oder den ö eingefallen ſey, die Strenge der Geſetze gegen die Inſchrift deſſelben in Anſpruch zu nehmen. Herr von Connp hielt einen bered⸗ ten Vortrag, worin er mit lebhaften Farben die Gefuͤhle ſchilderte, die ſich ſeiner bemäaͤchtigt, als er gehoͤrt, daß einem Manne, wie Bertrand L Hosdiniebre, der das Todes⸗Urtheil ſeines Koͤnigs mit unterzeichnet gehabt, uͤberhaupt ein Denk⸗ mal, noch dazu aber ein ſolches geſetzt worden ſey, worin er als einer der beſten Buͤrger geſchildert werde. Als Frank⸗ reichs Mandatarien“, ſo ſchloß der Redner, iſt uns ehn hei⸗ liges Gut anvertraut, das der National⸗Ehre. Wir werden daher mit ganz Frankreich ſagen: der Procurator zu Dom⸗ front hat einem Geſetze gehorcht, das nirgends geſch ſteht, das aber allen Geſetzen vorangegangen iſt und alle überleben wird, dem Geſetze der Ehre. Im Namen des beleidigten Landes, im Namen der National Ehre, die dem Franzoſen theurer als ſein Leben iſt, verlange ich daher, daß die Bittſchrift, welche man der Kammer einzureichen ge⸗ wagt hat, durch die Tages⸗Ordnung beſeitigt werde.“ Der Großſiegelbewahrer (nicht der Miniſter des Innern, wie in der Nachſchrift zum geſtrigen Blatte der Staats⸗Zeitung irrthüͤmlich gemeldet worden iſt) bemerkte, wie der Umſtand, daß die Wittwe Bertrand, ſtatt den Weg Rechtens einzuſchlagen, ſich an die Kammer wende, ganz eigentlich beweiſe, daß ſie noch immer von den Geſin⸗ beſeelt ſey, die ihr die Grab⸗Inſchrift auf ihren verſtorbenen Gatten eingegeben hätten, und die er nicht wei⸗ ter bezeichnen wolle; es komme jetzt nur vor Allem darauf an, daß die Sache endlich erledigt und dem dadurch gegebes