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ler Revolutionen, und zunaͤchſt die des Volkes, welches dem EGipfel Europaͤiſcher Civiliſation am naͤchſten gekommen zu ſeyn glaubte, den traurigen Beweis liefert, daß da, wo Par⸗ theiwuth ſich der gereizten Gemuͤther bemäͤchtigt, und der politiſche oder religioͤſe Fanatismus die Oberhand gewinnt, die Menſchheit mit Fuͤßen getreten wird. Um ſo erklaͤrba⸗ rer iſt es, daß ein Orientaliſcher Fuͤrſt, der gewohnt iſt, das Leben ſeiner Sklaven fuͤr nichts zu achten, der uͤber ein

ſchickte, und zugleich eine Anzahl Officiere, Soldaten, Feuerwer⸗ ker und Exerciermeiſter von allen Waffen zu ſeiner Verfuͤgung ſtellte. Allein der entſchiedene Widerſtand der Janitſcharen gegen alle Neuerungen ſetzte der Benutzung dieſer trefflichen Elemente unuͤberwindliche Hinderniſſe entgegen. Alle Bemuͤhungen, die ͤffentliche Meinung fuͤr die beabſichtigte Reform zu gewinnen, blieben ohne Erfolg, und Selim mußte ſich mit der bhemann einer Schwadron Cavallerie und eines Bataillons regulairer In⸗ fanterie, groͤßtentheils aus Renegaten zuſammengeſetzt, begnuͤgen, Europaͤiſche Weiſe organiſirt, bewaffnet und exercirt urden.

Auch dieſe wurden bald nachhber wieder aufgelbſt, und dieſer Verſuch hatte fuͤrs erſte keinen weiteren Erfolg. Huſſein Paſcha, der beruͤhmte Groß⸗Admiral und der eigentliche Gruͤnder der, ſeit ſeinem Tode wieder in Verfall gerathenen Tuͤrkiſchen Ma⸗ rine*), ſammelte die zerſtreuten Ueberbleibſel der aufgelbſten Trup⸗ pen um ſich, und bibere mit Huͤlfe ſehr anſehnlicher Handgelder ein kleines Corps von 5 bis 600 Mann, halb aus Muſelmaͤnnern,

alb aus Renegaten beſtehend, das er der Marine voͤllig einver⸗ eibte, und das ſich bald darauf im Juli 1799, mit Unterſtuͤtzung des Engliſchen Commodores Sidney Smith, durch die glorreiche Ver⸗ theidigung von St. Jean d Acre gegen die Franzoͤſiſche Armec unter Buonaparte, aufs glaͤnzendſte auszeichnete. Als dieſe Helden neuer Art, mit Ruhm gekroͤnt, nach Konſtantinopel zuruͤckkehrten und vom Volke mit lautem Jubel empfangen wurden, beſchloß Selim, der ſich im Stillen zum Kampf gegen Rußland ruͤſtete, die Abweſenheit der bei der Armee in Syrien befindlichen Ober⸗ haͤupter der Janitſcharen zu benutzen, um die neue Truppe zu vermeh⸗ ren, und ein abgeſondertes, regelmäaͤßig beſoldetes Corps daraus zu ormiren, das er nicht nur den aͤußern Feinden, den Ruſſen, ſon⸗ ern noͤthigenfalls auch den innern, den Janitſcharen, mit Zuver⸗ ſicht Hegeguͤberſcllen koͤnne. Der Mufti 7.), Salih⸗Zade Efendi, und der Groß⸗Admiral Huſſein Paſcha, waren die eben ſo eifrigen als maͤchtigen Beforderer dieſes Beſchluſſes, und vereinigten ihren Einfluß, um die Beſorgniſſe der Ulema's und der in Konſtantino⸗ pel anweſenden Janitſcharen zu beſchwichtigen. Das neu ange⸗ worbene Corps, aus Cavalleric, Infanterie und reitender Artillerie beſtehend, deſſen Staͤrke ſich auf 15 bis 16,000 Mann bellef, ward ganz auf Europaͤiſchen Fuß organiſirt, und erhielt den Namen Nisami-dschedid Askeri. d. h. Soldaten der neuen Einrichtung; zwei Regimenter nur wurden in Konſtantinopel crrichtet, die uͤbri⸗ gen in Klein⸗Aſten, wo Kadi⸗Paſcha, der Statthalter von Kara⸗ mauien, allein die Errichtung von acht Regimentern zu Stande brachte. Selim's heilſame Abſicht, mittelſt des Niſami⸗Dſche⸗ did's den Kern eines neuen Heeres zu bilden, die bewaff⸗ nete Macht in der Hauptſtadt und den Provinzen an Ord⸗ nung, Zucht und Gehorſam zu gewoͤhnen, und der Raub⸗ ſucht trotziger Statthalter einen Zuͤgel anzulegen, war eines großen Fuͤrſten wuͤrdig, allein ſie ſcheiterte in der Ausfuͤhrung, weil weder der Sultan noch die Heerfuͤhrer die neuen Truppen ehoͤrig zu verwenden verſtanden, weil zur Erhaltung derſel⸗

i nicht nur betraͤchtliche neue Steuern ausgeſchrieben, —— dern auch mehrere Lehne und Pachtungen eingezogen wurden, weil man an der Stelle der bisher uͤblichen Anwerbung der Re⸗ kruten gegen Handgeld, die Conſcription einzufuͤhren ſuchte (1805), weil man endlich gegen die Rechte und Anſpruͤche der Ulema’s verſtieß und auf dieſe Weiſe die geheime Verbindung dieſer maͤch⸗ tigen Kaſte mit den Janitſcharen zum Umſturz der neuen Ord⸗ nung der Dinge beſchleunigte und befeſtigte. Mißgriffe haͤuften 2* riffe und Geſabren auf Gefahrn, ſeitdem der Tod

n Sultan

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5* kraͤftigſten Stuͤtzen beraubt hatte. Huſſein Paſcha und der Mufti

Salih Zadè waren Beide vom Schauplatz abgetreten Der wohl⸗ 9 wollende, edelgeſinnte aber kraftloſe Selim, war von Schwach⸗ Fbpfen und Verraͤthern umgeben. Vosheit und Unklugheit rei

1 ten ſich die Hand, um ihn ins Verderben zu ſtuͤrzen. Die, ſechs

Jahre hindurch immer hoͤher geſteigerte Unzufriedenheit, brach

endlich in offene Empbrung aus, deren geheime Oberhaͤupter der

Bekannt unter dem Namen Kützschük Hnzszein (der kleine Huſſein). ueen aus Feergien ward er in Konſtantinopel als Sklave ver erhtelt aber bald ſeine Fre „ſchwang ſich in Zeit zu den hoöchſten Würden empor, und warz l einer Gen en en Sultanin, geb. den 16. Jult 1789, Schw ſter Sultan Mahmud’s) ſeines Woblthaters Selim, dem er bis zu ſeinem Tode 1187) die treueſte Anhanglichkeit widmete. Seine unermüdliche Thatigkeit, ſeine Freigebigkeit, ſeine unerſchüütterliche Feſtigkeit und ſeine bisweilen grauſame Strenge waren Uürfache, das ſeine Freunde ihn anbeteten, wahrend ſeine Feinde und We cher vor ihm zitterten. Mufti, der Berather, oder auch Scheich ol JFolam Scheich des Islams, bekleidet die oberſte geiſtliche Burde im Staate, wie 8⸗ Weſit die oberſte weltliche. Muhamed II. raume zuerſt dem der Hauptſtadt den Vorrang uüber alle andere Muftiig 87 lieh ihm den Titel Scheich des Islams. Unter Sultyman erhteit von Konſtantinopel auch noch die Oberherrſchaft übzer das ganze Corvs der Ulema’s, und den Rang ubzer die Heeres⸗Richter (Kadi 2„ und ſelbſt nen rebrer des Sultans. Siche von Hammer 8

Verfaſſung

einer beiden treuſten Rathgeber und ſeiner beiden

Volk herrſcht, welches Milde mit Schwaͤche, Humanitaͤt mit Feigheit verwechſelt, und ſeit . den Nacken un⸗ ter ein eiſernes Joch beugt, Rebellen, die ſeinen Thron und ſein Leben bedrohen, mit Feuer und Schwerdt vertilgt. Grauſamkeiten laſſen ſich nie rechtfertigen, nicht einmal ent⸗ ſchuldigen, aber ſelbſt indem er dieſe unbedingt verdammt, darf der unbefangene Beobachter ſolcher Kriſen, wie die wa⸗ ren, auf welche wir uns beziehen, nicht unterlaſſen, in ſeiner

neue Mufti, Scherif Zadeè Attaullah Efendi und Muſſa Paſcha, der Kaimakan (Stellvertreter des Groß⸗Weſtrs) waren. Mit den Janitſcharen verbanden ſich die Jamacks (Albaneſer und Lazen, die den Niſami⸗Dſchedidden zum Dienſte in den Schloͤſſern des Bos⸗ phorus beigeſellt worden waren). An ihrer Spitze ſtellte ſich Ka⸗ baktſchi Oglu. Am 31. Mai 1807, nach einer blutigen Revolu⸗ tion, die fuͤnf Tage dauerte und 17 der erſten Wuͤrdentraͤger des Reichs das Leben koſtete, mußte Selim, der ſchon 2 Tage fruͤher (29. Mai), in der eitlen Hoffnung, den Aufruhr zu daͤmpfen, die vöͤllige Aufloͤſung der neuen Truppen mittels eines Chattiſcherifs*) verordnet hatte, vom Throne ſteigen, den ſein Vetter Muſtapha einnahm. Die aufgelbſten Truppen zerſtreuten ſich allmaͤhlig, und kehrten in ihre Heimath zuruͤck.

Mahmud 11. dem die geheimen Triebfedern der beiden Ver⸗ ſchwoͤrungen, welche Selim und Muſtapha vom Throne geſtuͤ batten, alle bekannt waren, konnte ſich eben ſo wenig uͤber die Unmoͤglichkeit einer Wiederherſtellung des Niſami⸗Hſchedid's täu⸗ ſchen, als er das dringende Beduͤrfniß verkennen konnte, irgend eine Maaßregel zu ergreifen, um die Janitſcharen zur Ordnung und Zucht zuruͤckzufuͤhren. Er billigte daher den Vorſchlag ſeines Groß⸗Weſirs, Muſtapha Bairaktar, aus dem Janitſcharen⸗Corps ſelbſt eine Art von Elite auszuheben. Die Errichtung dieſes neuen Corps, dem der Name regulaire Seymen'’s (Seymen, Verſtuͤm⸗ melung von Segban, urſpruͤnglich Hundewaͤchter, unter welcher Benennung die Regimenter der Janitſcharen vom 61ſten bis Höſten⸗ begriffen waren) beigelegt wurde, ward in einer großen Raths⸗ Verſammlung, zu der alle Paſcha's, Beylerbey’'s**) und Aian's der umliegenden Frbicgen einberufen worden waren, foͤrmlich beſchloſ⸗ ſen, und durch ein Fetwa**) des Muftis feierlich beſtaͤtigt. Allein ſchon wenige Monate nachher (18. November 1818) nöͤthigte die gegen Muſtapha Bairaktar ausgebrochene Repolution den Sultan, die Seymens, welche, durch ihren tapfern Widerſtand gegen die Rebellen, den Haß der uͤbrigen Milizen auf ſich geladen hatten, aufzuldſen. Die vorige Ordnung der Dinge kehrte zuruͤck, mit ihr die zahlloſen Mißbraͤuche, deren Menge und Umfang die Re⸗ gierung in allen ihren Unternehmungen hemmte; die Janitſcharen wurden in die fruͤher ertrotzten Privilegien wieder eingeſetzt, der

i ſprach den Fluch aus gegen Jeden, der es wagen wuͤrde. die verhaßten Fraͤnkiſchen Neuerüungen in Erinnerung zu bringen, und der Sultan mußte ſich der traurigen Rothwendigkeit unter⸗ werfen, dieſem Ruͤckſchritte zu der alten Verderbtheit wenigſtens ſcheinbar den Stempel ſeiner Genehmigung aufzudruͤcken. Acht⸗ zehn Jahre verfloſſen, che Mahmud einen zweiten Verſuch wagte, die Saat, die ſeine Vorfahren ſo erfolglos geſaͤet hatten, zur Reife zu bringen. Endlich, nachdem er ſich der Ulemas ins⸗ geheim verſichert und die oͤffentliche Meinung hinlaͤnglich vor⸗ bereitet hatte, faßte er den Entſchluß, ſeine Armec, es koſte was es wolle, zu discipliniren. Die Veranlaſſung dazu gewährten ihm die wicderholten Unfaälle und Demuͤthigungen der gegen die Grie⸗ chiſchen Inſurgenten geſendeten Truppen, die glaͤnzenden Fort⸗ ſchritte der in Aegypten eingefuͤhrten neuen Organiſation, und die von den Janitſcharen in der Hauptſtadt veruͤbten In den am 25. und 28. Mai 1826 abgehaltenen großen Raths⸗ Verſammlungen ward die Aushebung einer neuen enee aus den Janitſcharen unter dem Namen Eskindſchis freiwillige regulaire Truppen) und ihre Anweiſung in der Kriegskunſt nach einem be⸗ ſtimmten Reglement heſchloſſen. Dieſer Beſchluß wurde durch einen Fetwa des Muftis ſanctionirt, von den Janitſcharen feier⸗ licht angenommen, und die desfalſige, von 278 Individuen unter⸗ eichnete Urkunde vom Sultan ratificirt. Die Weihe der Waßen, ee Einſetzung der Offtciere und die Verleſung des neuen Regle⸗ ments wurden anſcheinend unter lautem Beifall der Truppen voll⸗ zogen, doch ehe noch ein Monat verſtoſſen war, brachen die * nitſcharen ſchon ihr feierlich gegebenes Wort, und verſchworen ſich b einer Empörung, die nichts (Geringeres beabſichtigte, als die

ntthronung, noͤthigenfalls auch die Ermordung des Sultans, die Shs. aller Wuͤrdentraͤger des Reichs, die Pluͤnderung der

auptſtadt, und die Vertilgung aller chriſtlichen Einwohner, mit Ausnahme der Frauen und Maͤdchen, welche als Stlavinnen verkauft werden ſollten. In der Nacht vom 14. auf den 15. Juni brach die Empdrung aus, endete aber, wie bekannt, mit der gaͤnz⸗ lichen Vertilgung dieſer furchtbaren Miliz, welche vom Sultan Orchan 1328 unter dem Namen Jenitſcheri, neue Truppen, errich⸗ tet, ihre eigentliche Organiſation von Murad I. 1362 crhielt, und eer

2 Katſerliches Handſchreiben.

) Statthalter in den früher von 2, jetzt meiſtens nur von 3

und Zweifel. Die Sammlung der bendas gehoört

5see Wung. Siche von Hammers.

wo die derſelden angegeben ſind. 2 Zweite Beilage

Roßſe Entſcheidung des Muftis, oder Antwort über Fra⸗ Lmantſchen G 8.7 VUhwon tablesn gener de IEmp. Homan. . 1N. 510— 688.

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