Frankreich.

Paris, 17. Sept. Geſtern, als am Sterbetage Lud⸗ wigs XVIII., wohnten Se. Maj. der Koͤnig und J. K. H. die Dauphine, in Begleitung der Miniſter, gegen 11 Uhr einer Seelen⸗Meſſe in der Schloß⸗Kapelle zu St. Cloud bei. Der Dauphin hatte ſich bereits um 9 Uhr n demſelben Behufe nach St. Denys begeben, wo ſich unter Anderm auch das diplomatiſche Corps zu der Feierlichkeit eingefunden hatte. Gegen 12 Uhr waren Se. Koͤnigl. Hoheit wieder in St. Cloud zuruͤck, und wohnten ſofort einem Miniſter⸗Rathe bei, in welchem Se. Maj. der Koͤnig den Vorſitz fuͤhrten.

Engliſche Blaͤtter enthalten den Proſpectus uͤber die von den Bewohnern der Bretagne geſchloſſene Union, wegen deſſen Bekanntmachung das Journal du Commerce vom 11. d. M. confiscirt worden iſt. Derſelbe lautet wie folgt: „Wir, die unterzeichneten Bewohner der fuͤnf De⸗ partements der alten Provinz Bretagne, die wir unter der Gerichtsbarkeit und dem Schutze des Koͤniglichen Gerichts⸗ hofes zu Rennes ſtehen und durch unſere eigenen Eide, ſo wie durch die Eide unſerer Familienhaͤupter, zur Treue gegen den Koͤnig und zur Anhaͤnglichkeit an die Charte verpflich⸗ tet ſind; in Betracht, daß eine Handvoll politiſcher Raͤnke⸗ macher gedroht hat, den kuͤhnen Verſuch zu wagen, die durch die Charte feſtgeſetzten Buͤrgſchaften zu vernichten; in Betracht, daß, wenn die Bewohner der Bretagne in dieſen Buͤrgſchaften eine Entſchaͤdigung fuͤr diejenigen gefunden haben, die ihnen bei ihrer Vereinigung mit Frankreich zuge⸗ ſtanden wurden, es ihre Pflicht und ihr Intereſſe erheiſcht, ſich dieſen Ueberreſt ihrer Freiheiten und Vorrechte zu ſichern, und daß es zugleich eine, ihrem Charakter und ihrer Ehre ſchuldige Pflicht iſt, den großherzigen Widerſtand ih⸗ rer Vorfahren gegen Eingriffe, Eigenmaͤchtigkeiten und Mißbraͤuche miniſterieller Gewalt nachzuahmen; in Be⸗ tracht, daß thaͤtlicher Widerſtand ein großes Ungluͤck ſeyn wuͤrde, auch kein Grund dazu vorhanden iſt, indem uns die Mittel zu geſetzlichem Widerſtande offen ſtehen; da ein Recurs zu der richterlichen Gewalt uns am meiſten hof⸗ fen laͤßt, den Unterdruͤckern einen uͤberzeugenden Beweis von unſerer vollkommenen bruͤderlichen Eintracht zu geben; be⸗ ſchließen wir unter der Aegide der Ehre und des Rechts: 1) ein jeder von uns die Summe von 10 Franken zu unterzeich⸗ nen, mit Hinzufuͤgung des Betrages eines Zehntheils der Steuern, womit die Unterzeichneten in die Wahl⸗Liſten fuͤr 1830 eingetragen ſind; und uns zu verpflichten, dieſes Geld an die General⸗Einnehmer, wenn es noͤthig werden ſollte, der⸗ gleichen zu ernennen, auszuzahlen, ſo wie es der nachſtehende dritte Artikel vorſchreibt; 2) Dieſe von uns hergegebenen Sum⸗ men ſollen einen gemeinſchaftlichen Fonds fuͤr die Bretagne bilden; der dazu beſtimmt iſt, die Unterzeichneten fuͤr die Un⸗ koſten zu entſchaͤdigen, die ſie ſich durch die Weigerung zu⸗ ziehen moͤchten, irgend eine ungeſetzlich aufgelegte Steuer zu entrichten, ſey es, daß dieſe Steuer ohne die freie, ordnungs⸗ mäͤßige und conſtitutionelle Mitwirkung des Koͤnigs und der beiden Kammern, wie ſolches die Charte vorſchreibt, oder durch die Mitwirkung von Kammern, eingefuͤhrt worden waͤre, die in Folge eines mit den verfaſſungsmäßigen Formen nicht in Uebereinſtimmung ſtehenden Wahlſyſtems gebildet worden ſeyn ſollten; 3) Sobald der Fall ein⸗ tritt, daß ein officieller Vorſchlag gemacht wird, ent⸗ weder das Wahl⸗Syſtem auf eine verfaſſungswidrige Weiſe zu verändern, oder ungeſetzliche Abgaben einzufuͤhren, ſollen zwei Mandatarien von jedem Bezirke in Pontivy zu⸗ ſammentreten, und, ſobald 20 derſelben vereinigt ſind, aus den Unterzeichnern, fuͤr jedes der 5 Departements 3 Gene⸗ ral⸗Einnehmer und einen Unter⸗Einnehmer ernennen. 4) Die Pflichten der Unter⸗Einnehmer ſind folgende: ſie muͤſſen Un⸗ terſchriften ſammeln; dem 2ten Artikel gemaͤß, fuͤr die noͤthi⸗ gen Entſchaͤdigungen ſorgen; auf Verlangen eines Unterzeich⸗ ners, dem man die Zahlung einer ungeſetzlichen Steuer zu⸗ muthet, in deſſen Namen, und unter dem Schutze des Un⸗ ter⸗Einnehmers ſeines Departements, oder eines in ſeinem Bezirke ernannten Deputirten, die Vertheidi⸗ ung deſſelben und alle daraus entſpriugenden Folgen uͤbernehmen und ſich dazu aller ihnen geſetzmaäßig zuſtehenden Mittel bedienen; auch gegen die Urheber, Unterſtuͤtzer und Mitſchuldigen bei der Ausſchreibung und Erhebung ſolcher ungeſetzmaͤßigen Auf⸗ lagen, Civil⸗Klagen einreichen; 5) Die Unterzeichneten er⸗ nennen Herrn und Herrn als Mandatarien ihres Bezirks, um, dem 3ten Artikel gemäß, mit den Mandatarien der andern Bezirke zuſammenzutreten, und ihre gegenwaͤrti⸗ d ſie er⸗

gen Unterſchriften den General⸗Einnehmern, ſo e nannt ſind, zu 3 h 2 ſob du Haͤvre zeigt

Das Journa

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r untern Seine, des Calvados, des Canals und des Eure, ein Verein, dem⸗ jenigen aͤhnlich, welcher in der Bretagne geſchloſſen worden, geſtiftet, und daß die Bedingungen dieſes Buͤndniſſes naͤch⸗ ſtens durch die oͤffentlichen Blaͤtter zur Kenntniß des Publi⸗ kums gebracht werden wuͤrden. Das Journal du Com⸗ merce glaubt, daß auch die Dauphiné, oder die Departe⸗ ments der Droͤme, der Iſere und der obern Alpen, dieſem Beiſpiele folgen werden.

Das Journal des Débats enthaͤlt einen Aufſatz, worin es aus dem perſoͤnlichen Charakter und dem bisheri⸗ gen politiſchen Leben der Grafen von la Bourdonnaye und von Bourmont zu beweiſen ſucht, daß dieſe beiden Staats⸗ maͤnner ſich mit ihren Collegen unmoͤglich vertragen koͤnn⸗ ten, und daher nothwendig uͤber kurz oder lang, vielleicht ſchon im naͤchſten Monate, aus dem Miniſterium gusſchei⸗ den muͤßten. „Wie man behauptet,“ fuͤgt daſſelbe hinzu, „ſieht ſich der Fuͤrſt von Polignac ſchon jetzt nach populai⸗ reren Namen um; es wird ihm nicht ſchwer werden, der⸗ gleichen zu ſinden. Er mag ſich aber wohl vorſehen: mit dem Ausſcheiden jener beiden Miniſter wird die Oppoſition der Nation nicht aufhoͤren; er allein wird alsdann alle . ſnſechenaben erfahren, die er bisher mit ſeinen Collegen theilte.“

Die Gazette de France giebt zu verſtehen, daß die Deputirten⸗Kammer ſich des groͤßten aller Verbrechen ſchul⸗ dig machen wuͤrde, wenn ſie ſich durch die liberalen Zeitun⸗ gen dazu verleiten ließe, das Budget zu verwerfen. „Wenn die Kammer“, außert dieſelbe, „jemals verhlendet genug waͤre, um in ihrem Haſchen nach einer falſchen Popularitaͤt ein ſolches Verbrechen zu begehen, ſo wuͤrde ſie uͤber ſich ſelb den Stab brechen und ſich fuͤr all'; das Blut und die Thr nen, welche dadurch uͤber Frankreich kommen moͤchten, verant⸗ wortlich machen.“ Das Journal du Commerce be⸗ merkt, das miniſterielle Blatt vergeſſe bei dieſen truͤben Pro⸗ phezeihungen nur eine Sache, naͤmlich daß die Steuern bis zum 31. December 1830 bewilligt ſeyen, daß ſonach dem Mi⸗ niſterium Zeit genug bleibe, falls das Budget fuͤr 1831 ver⸗ weigert werden ſollte, eine neue Kammer zuſammen zu beru⸗ fen, und falls ihr auch in dieſer die Majoritaͤt fehlen ſollte, ſich zuruͤck zu ziehen. „Die Gazette“, meint der Conſtitu⸗ tionnel, e dem Lande mit den groͤßten Truͤbſalen, wenn das Budget verworfen wird; ſie huͤtet ſich aber wohl, den Miniſtern den zu ertheilen, ſich zuruͤckzuziehen. Lieber gehe Frankreich, als das la Bourdonnayeſche Mintſterium, unter! das iſt ihr Wahlſpruch.“ 4

Der erſte Praͤſident des hieſigen Koͤnigl. Gerichtshofes,

Baron Seguier, iſt geſtern aus den Baͤdern am Fuße der

Pyrenaͤen hierher zuruͤckgekehrt.

Man glaubt, daß der Contre⸗Admiral, Baron von Mackau den Vice⸗Admiral Halgan in der Direktion des Marine⸗Per⸗ ſonals erſetzen werde.

Die Gazette de France enthält Folgendes: „Zwei große Ereigniſſe haben uns v. kurze Zeit den Sieges des Helden beider Welttheile vergeſſen laſſen⸗ das Debuͤt der Mlle. Saint⸗Romain in der Franzöſiſchen Oper und das Wiederauftreten der Mlle. Sontag in der Italiäͤni⸗ ſchen Oper. Die 8 der Seine haben wie die des Rhone von laͤrmenden Beifalls⸗Bezeugungen wiederhallt; aber in Paris war der Ausbruch der Freude aufrichtig und unſchäd⸗ lich, in Lyon war er duͤſter und drohend; in der erſten Hauptſtadt des Reiches bezahlten die Beifallklatſcher, in der zweiten wurden ſie bezahlt. Mlle. Saint⸗Romain hatte ſich auf dem Zettel als erſte Taͤnzerin des Berliner Theaters angekuͤndigt; dies war eben keine Empfeh⸗ [ung für ſie bei dem Pariſer Publikum. Wenn Deutſchland mit Recht wegen ſeiner muſikaliſchen Productio⸗ nen beruͤhmt iſt, ſo giebt es dagegen kein Land, wo die Tanzkunſt weniger Celebritäͤt haͤtte als dort. Allein der Name der jungen Tänzerin verhieß uns auch ſchon, daß ſie Franzöͤ⸗ ſiſchen Urſprungs ſey. Sie erſchien im zweiten Acte der „Belagerung von Korinth“, und wurde nicht nach ihrem Rufe (einige Theater⸗Freunde hatten ſie der Taglioni zur Seite geſtellt), ſondern nach ihrem Verdienſte Feurtbeült. ie iſt blond, ſehr klein, aber wohl ebaut was ihr Talent an⸗ betrifft, worüͤber die Pariſer allein hoͤchſte Richter ſind, ſo laͤßt ſich daſſelbe in wenigen Worten vollkommen bezeichnen⸗ Mlle. St. Romain hat die Grazie der Mlle. Tagliont und die Kraft der Madame Monteſſu. Einen vollkommenen Vergleich mit der Erſtern kann ſie indeſſen nicht aushalten. Das zweite große Ereigniß, woruͤber wir zu berichten haben (das zweite der Ordnung nach, ſeiner Wichtigkeit nach aber

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